Bankenregulierung - 10. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte

Bankenregulierung - 10. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte

Organisatoren
Arbeitskreis Bank- und Versicherungsgeschichte
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.09.2011 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Adrian Jitschin, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Philipps-Universität Marburg

Die diesjährige Sitzung des Arbeitskreises behandelte das Thema „Bankenregulierung“ und somit die Schnittstelle zwischen rein privatwirtschaftlichem Agieren und politisch gewollter Wirtschaftssteuerung.

Dieses Mal war der Arbeitskreis im Hause der Deutschen Bank AG, Frankfurt am Main, zu Gast. Dort wurden die zahlreichen Teilnehmer von Christofer Habig (Frankfurt am Main) herzlich willkommen geheißen. In seinem Grußwort wies er auf die enorme Bedeutung der Unternehmensgeschichte für die Deutsche Bank hin. Sie sei Teil einer Corporate-Identity, des „Genes“, das letztlich den Kern des Unternehmens Deutsche Bank ausmache. Auch wenn die Mehrzahl der Angestellten mittlerweile im Ausland beschäftigt sei, so sei doch die Unternehmenskultur geschichtsbewusst und würde nicht nur als Merkmal des Unternehmens Deutsche Bank, sondern auch als Wettbewerbsvorteil verstanden.

Anschließend begrüßte auch der Leiter des Arbeitskreises, DIETER ZIEGLER (Bochum), die Teilnehmer. Er stellte das Programm der Tagung vor und gab ein erstes Impulsreferat zum Thema „Bankenregulierung“. Wie bereits 2008, als das Thema „Bankenkrisen“ gewählt worden war, habe der Arbeitskreis seine Treffsicherheit unter Beweis gestellt. Bankenregulierungen seien, auch angesichts der alsbald in Kraft tretenden Basel-III-Regeln, das Thema der Stunde. Zu diesem Bereich habe man erneut spannende und interessante Redner gewinnen können.

Den Auftakt machte MONIA MANÂA (Bonn) mit einem Referat zur Entstehung der Bankenregulierung in Deutschland und der ihr zugrunde liegenden normativen Ideengeschichte. Der Vortrag zeigte in einem ersten Schritt die Entstehung und die stetige Ausweitung der Bankenaufsicht. In einem zweiten Schritt beleuchtete die Referentin, wie im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik, im NS-Staat und in der Bundesrepublik die Regulierung des Bankensektors den beiden Anliegen Sicherheit und Freiheit gedient habe. Seit der Einführung der Gewerbefreiheit in Deutschland 1869 und der damit verbundenen Liberalisierung des Bankensektors sehe sich der Gesetzgeber bei der Frage, ob und wie er regulierend in die Wirtschaft eingreifen soll, zwei häufig konkurrierenden Anliegen ausgesetzt: einerseits dem Bedürfnis nach Sicherheit, da Banken ihre Tätigkeiten nicht nur überwiegend mit ihnen anvertrauten fremden Mitteln ausüben, sondern auch für die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft eine besondere Rolle spielen, andererseits dem Streben nach Freiheit der Banken in der Gründung und Ausübung ihres Gewerbes. Mit der Einrichtung der Institution einer zentralen Bankenaufsicht in der Notverordnung vom 19. September 1931 wurde die erste Struktur geschaffen, auf welcher der NS-Staat drei Jahre später mit dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) aufbauen konnte. In den Regelungen des KWG von 1934 setzte das nationalsozialistische Regime eine prägende Gewichtung zwischen Freiheit und Sicherheit. Es entstand eine Pfadabhängigkeit von der auch der bundesrepublikanische Gesetzgeber kaum abwich. Zwar erfolgten in der Reform des KWG 1961 Anpassungen an grundgesetzliche Vorgaben, zum Beispiel im Behördenaufbau und der Kompetenzverteilung der Bankenaufsicht, die in der BRD zur Gefahrenabwehr diente. Dennoch übernahm das KWG 1961 einen Großteil der materiellen Regelungen von 1934. Manâa konnte an verschiedenen Regelungen der Bankenregulierung zeigen, dass sich trotz unterschiedlicher politischer Systeme die Gewichtung der Bedürfnisse zwischen Sicherheit und Freiheit in den Gesetzen weniger unterschieden als zu erwarten war.

Im Anschluss an den Vortrag von Monia Manâa berichtete NIELS KRIEGHOFF (London) über die Bankenregulierung in den USA von 1906 bis 1935 und verglich diese mit der Entwicklung in Deutschland. Sowohl in den USA als auch in Deutschland sind die regulatorischen Reformen der 1930er-Jahre als Teil eines längeren Reformprozesses anzusehen. Es handele sich keineswegs um neue Ideen. In Deutschland konnte der Gesetzgeber, wie bereits im vorhergehenden Vortrag geschildert, mit Hilfe von Notverordnungen weitreichendere Reformen verabschieden, als dies in dem dem demokratischen Diskurs unterliegenden amerikanischen Kongress möglich war. Dort bestand in den zwei parlamentarischen Kammern nur die Möglichkeit Kompromisslösungen zur Bankenaufsicht zu verabschieden. So ließe sich auch verstehen, weshalb die Bankenregulierung in den USA eine dezentrale Struktur annahm. Dies führte dazu, dass dort bei Regulierungsbedarf stets neue Institutionen geschaffen, statt bestehende Institutionen reformiert wurden. Dies bedeutete in den Transaktionskosten den Weg des geringsten Widerstandes im US-Kongress. Das Ergebnis dieser legislativen Probleme war eine komplexe Regulierungsstruktur, in der Kompetenzen großteils mehrfach verteilt wurden.

Den dritten Vortrag des Tages gestaltete CHRISTOPHER KOPPER (Bielefeld).1 Hierin analysierte er die Entstehung des europäischen Binnenmarkts für Bankdienstleistungen zwischen der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte (1986) und der Vollendung des Binnenmarkts im Jahr 1992. Er zeigte, dass die Initiative für den Binnenmarkt vom Europäischen Parlament und von der EG-Kommission ausging. Da eine Harmonisierung der nationalen Bankengesetze wegen der unterschiedlichen Regulierungspfade außerhalb des Möglichen lag, mussten sich die EG-Verordnungen auf die Normierung der Rechnungslegung und der Eigenkapitalvorschriften beschränken. Trotz der parallel ablaufenden Europäisierungsprozesse durch nationale Initiativen – wie die Liberalisierung und Internationalisierung des Londoner und des Luxemburger Finanzplatzes und die zeitgleichen Basel-I-Verhandlungen der Notenbankpräsidenten – stellte der Binnenmarktprozess die entscheidende Zäsur in der europäischen Bankenentwicklung dar. Den deutschen Banken ermöglichte der Binnenmarktprozess den Einstieg in das globalisierte Bankgeschäft.

Im Folgendem berichtete REINHOLD VOLLBRACHT (Frankfurt am Main) über die als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 geschaffenen Eigenkapital- und Liquiditätsstandards. Diese hätten auf Ergebnissen des bereits 1974 gegründeten Baseler Ausschuss aufgebaut. Nachdem dort vor der Krise in relativ langwierigen Verhandlungen internationale Bankenregulierungen konsensual gefunden werden mussten, ging dies nach der Finanzkrise relativ schnell. Bereits im Sommer 2009 verständigte man sich dort über drei Säulen der Bankenregulation. Die erste der Säulen beinhaltete Wiederverbriefungen, die zweite Säule beinhaltete die bekannten Stresstests und die dritte Säule weitreichendere Publikationszwänge. Dieser Erweiterung bereits bestehender Gesetze folgte bis Ende 2010 der Entwurf für die Basel-III-Gesetzgebung. Hierin wurden ein deutlich erhöhtes Kernkapital verlangt und höhere Liquiditätserwartungen an die Banken gestellt. Die innovative Ergänzung sei aber ein antizyklischer Kapitalpuffer: In Zeiten des Wachstums sollen Banken nun größere Rücklagen bilden, die sie erst beim Eintreten einer Liquiditätslücke abrufen können. Die Umsetzung der neuen Gesetzgebung sei derzeit im Gange. So habe die EU-Kommission den Gesetzesvorschlag im Juli verabschiedet, national solle er zum Ende des Jahres in Kraft treten.

Zum Abschluss der Tagung berichtete MARTIN-L. MÜLLER (Frankfurt am Main) über die Arbeit des Historischen Instituts der Deutschen Bank, welches in diesem Jahr sein 50jähriges Bestehen feiern kann. Dabei habe es jedoch an eine weit ältere Archivtradition der Deutschen Bank angeknüpft. Bereits im 19. Jahrhundert habe es eine regelmäßige Archivierung von Beständen des Unternehmens gegeben. In der Zwischenkriegszeit wurde in Berlin ein umfangreicher Bestand aufgebaut, der auch gut erschlossen worden war. Doch der Zweite Weltkrieg habe dieser Traditionspflege ein Ende bereitet. Zahlreiche Akten seien vernichtet worden, fast der gesamte verbliebene Bestand befand sich in der sowjetischen Besatzungszone. Als sich 1961 durch den Mauerbau abzeichnete, dass die Deutsche Bank keinen Zugriff mehr auf ihre Akten erhalten würde, beschloss der Vorstand das Historische Institut zu gründen, um aus den im Westen verbliebenen und noch zusammen zu tragenden Akten ein neues Archiv aufzubauen. Der erste große Erfolg dieses neuen Archivs war Fritz Seidenzahls Buch „100 Jahre Deutsche Bank“, das 1970 erschien. Unter Seidenzahls Nachfolger Manfred Pohl wurden die Bestände weiter ausgebaut. Die Bereitschaft mit unabhängigen Wissenschaftlern zusammen zu arbeiten, führte auch in Fachkreisen zu breiter Anerkennung. Durch die Eingliederung der Ostbestände noch vor der Wiedervereinigung und die systematische Erschließung der Bestände könne für die Geschichte des Historischen Instituts uneingeschränkt von einer Erfolgsgeschichte gesprochen werden.

Nach diesem Referat ergriff Michael Jurk, Vorsitzender der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare, das Wort, um Martin L. Müller herzlich zum Jubiläum zu gratulieren. Das Archiv der Deutschen Bank habe in verschiedenen Bereichen eine visionäre Rolle eingenommen. Jurk erinnerte an die Art der Erschließung der Bestände, die rege Publikationstätigkeit der Deutschen Bank und zentral auch den Umgang mit ihrer Geschichte im „Dritten Reich“. Insbesondere hier habe die Deutsche Bank Mitte der 1990er-Jahre Neuland betreten. Es ehre das Historische Archiv der Deutschen Bank, dass es nicht einen prunkvollen Empfang anlässlich des Jubiläums gegeben habe, sondern sich mit der Rolle des Gastgebers bei einer Tagung des Arbeitskreises bescheide.

Nach dem Ende des offiziellen Teils der Tagung fand eine Führung statt, in der Reinhard Frost (Frankfurt am Main) den neu geschaffenen BrandSpace der Deutschen Bank vorstellte. Der BrandSpace befindet sich im zweiten Stock des Deutsche-Bank-Hochhauses in der Frankfurter Innenstadt und soll die Marke Deutsche Bank und die hinter ihr stehende Philosophie vermitteln.

Insgesamt zeigten die Beiträge verschiedene Facetten des Aspekts Bankenregulierung. Während die Vorträge von Monia Manâa und Niels Krieghoff die Entstehung verschiedener Wege der Regulierung historisch analysierten, zeigte der Beitrag von Christopher Kopper die Auswirkungen einer neue Bankenregulierung auf die Geschäftstätigkeit von Banken. Der Beitrag von Reinhold Vollbracht stellte dagegen die gerade im Gang befindliche legislative Neuregelung vor. Gemeinsam schlugen die Beiträge eine Brücke über mehr als einhundert Jahre von den ersten Ansätzen einer rudimentären Gesetzgebung hin zu den umfangreichen (und kaum zu überblickenden) Basel-III-Regeln. Dabei zeigte sich, dass Bankenregulierung ein wirtschaftsrechtliches Feld von stetig steigender gesellschaftlicher Relevanz ist.

Konferenzübersicht:

Begrüßung:

Christofer Habig (Deutsche Bank AG, Global Head of Brand Communications & Corporate Citizenship)
Dieter Ziegler (Ruhr-Universität Bochum, Vorsitzender des Arbeitskreises)

Monia Manâa (Max Planck Institute for Research on Collective Goods, Bonn): Die Entwicklung der Bankenaufsicht in Deutschland von 1934 bis 1961.

Niels Krieghoff (London School of Economics): Die Entwicklung der Bankenaufsicht in den USA bis zum 2. Weltkrieg.

Christopher Kopper (Universität Bielefeld): Wettbewerbsregulierung im europäischen Binnenmarkt. Die Bankenrichtlinien der EG in den 1980er-Jahren.

Reinhold Vollbracht (Deutsche Bundesbank): Basel III: Neuer Eigenkapital- und Liquiditätsstandard als bankaufsichtliche Reaktion auf die Finanzkrise.

Martin-L. Müller (Deutsche Bank AG): Archiv und Unternehmensgeschichte: 50 Jahre Historisches Institut der Deutschen Bank.

Reinhard Frost (Deutsche Bank AG): Führung durch den BrandSpace der Deutschen Bank.

Anmerkung:
1 Wesentliche Ergebnisse dieses Beitrags sind publiziert: Kopper, Christopher: Die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes und die Einheitliche Europäische Akte von 1986. In: Themenportal Europäische Geschichte (2011), URL: http://www.europa.clio-online.de/2011/Article=497.