L´Europe unie et l´Afrique

L´Europe unie et l´Afrique

Organisatoren
Koordination: Gérard Bossuat, Marie-Thérèse Bitsch in Kooperation mit: Groupe liaison des professeurs d'histoire auprès de l'UE UMR IRICE (Paris I, Paris IV, CNRS) Université de Cergy-Pontoise (Chaire Jean Monnet et CICC) Université Robert Schuman, Strasbourg (GRICE-CRHRI)
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
01.04.2004 - 02.04.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Guido Thiemeyer, kassel

L´Europe unie et l´Afrique. De l´idée d´Eurafrique à la Convention de Lomé I.

"L´Eurafrique" ist ein französischer Begriff, für den es kein deutsches Äquivalent gibt. Er steht summarisch für die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Konzeptionen einer Einheit von Afrika und Europa, die spätestens seit den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts immer wieder diskutiert wurden. In jedem Fall konstruiert er eine Einheit von beiden Kontinenten, wobei die Hegemonie Europas gegenüber den südlichen Nachbarn nahezu immer vorausgesetzt wird.

Die inzwischen neunte Konferenz der Historiker-Verbindungsgruppe bei der europäischen Kommission, die am ersten und zweiten April 2004 in Paris stattfand, befasste sich unter der Leitung von Marie-Thérèse Bitsch (Straßburg) und Gérard Bossuat (Cergy Pontoise) mit der Bedeutung Afrikas für die europäische Einigung von den zwanziger Jahren bis zur ersten Konvention von Lomé (1975). Ziel der Tagung war es, so erläuterte Marie-Thérèse Bitsch in ihrer Einleitung, die sich wandelnde Wahrnehmung Afrikas in Europa zu erforschen, und dabei vor allem die Bedeutung des "schwarzen Kontinents" für den europäischen Einigungsprozess zu berücksichtigen.

Schon in den frühen Entwürfen für eine politische und wirtschaftliche Einigung Europas in den zwanziger Jahren spielte Afrika eine Rolle. Richard Coudenhove-Kalergi, der Spiritus Rector der Europabewegung in der der Zwischenkriegszeit, sprach sogar von "L´Afrique, espoir de l´Europe!" und meinte damit, dass die Entwicklung und Erschließung der Ressourcen Afrikas eine gemeinschaftliche europäische Aufgabe sei, die die europäischen Staaten zusammenführen müsse (Antoine Fleury, Genf). In ähnlicher Weise dachte der französische Radikale Albert Sarraut, der vor allem den deutsch-französischen Gegensatz durch gemeinsame Aufgaben in Afrika zu überwinden gedachte. (Yves Montarsolo, Aix-en-Provence). Diese Ideen fanden insbesondere in deutschen Wirtschaftskreisen großes Interesse, kamen aber politisch nicht zum Zuge, weil derartige Überlegungen in der Außen- und Kriegspolitik des Nationalsozialismus kaum eine Rolle spielten, wie Chantal Metzger (Nancy) erläuterte.

Alle diese Projekte gingen von einer prinzipiellen Überlegenheit Europas gegenüber Afrika aus, das daher den Europäern als wirtschaftliches und politisches Hinterland zu dienen habe. Diese kolonialistische Perspektive fand ihre beinahe nahtlose Fortsetzung in allen europäischen Staaten und politischen Lagern nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Personifizierung fand diese Kontinuität in Ernest Bevin, der als britischer Gewerkschaftsfunktionär in der Zwischenkriegszeit die weitere Erschließung Afrikas zum Wohle der britischen Arbeiter forderte, und zwischen 1945 und 1951 als Außenminister eine Vision vom "Middle of the Planet" entwickelte, die Europa und Afrika gemeinsam als "Dritte Kraft" zwischen den USA und der Sowjetunion sah (Anne Deighton, Oxford/Genf).

Mit der beginnenden supranationalen westeuropäischen Einigung seit 1950 behielt der afrikanische Kontinent seine Bedeutung für die europäische Politik, insbesondere als die französische Regierung die Assoziation der französischen Überseeischen Gebiete (Territoires d´Outre Mer, TOM) mit dem Gemeinsamen Markt zu einer Bedingung für die Unterzeichnung der Römischen Verträge erhob (Guia Migani, Florenz). Unter diesen Bedingungen mussten alle Brüsseler Verhandlungspartner eine Position zur "afrikanischen Frage" definieren, auch wenn sie dort keine kolonialen Verpflichtungen (mehr) hatten. Die Regierung der Niederlande stand den französischen Forderungen skeptisch gegenüber, vor allem wegen der hohen Kosten für den projektierten europäischen Investitionsfonds, mit dem die infrastrukturelle Erschließung Afrikas finanziert werden sollte (Jan van der Harst, Groningen). Die Bundesrepublik Deutschland hatte sich zu Beginn der fünfziger Jahre bewusst von der Afrikapolitik des Deutschen Reiches abgesetzt, hatte aber auch kein koloniales Erbe mehr in Afrika zu verwalten. Gleichwohl interessierten sich einzelne Wirtschaftsführer durchaus für Handelsbeziehungen nach Afrika (Andreas Wilkens, Orléans). Als die französischen Forderungen nach der Assoziation der überseeischen Gebieten mit der geplanten Zollunion im Herbst 1956 auf dem Verhandlungstisch lagen, bildeten sich in der Bundesregierung drei Positionen: Wirtschaftsminister Ludwig Erhard lehnte die französische Forderung unter Hinweis auf die hohen Kosten ab, auch die Länderabteilung des Auswärtigen Amtes warnte die Bundesregierung davor, sich in die Unwägbarkeiten der französischen Kolonialpolitik verwickeln zu lassen. Demgegenüber stimmten Walter Hallstein und Konrad Adenauer der französischen Regierung schließlich zu, vor allem aus verhandlungstaktischen Gründen. (Guido Thiemeyer, Kassel). In Italien schließlich dominierte die Angst, die europäische Unterstützung für Afrika würde zu einer Konkurrenz für die Entwicklung des Mezzogiorno (Lorenzo Pacifici, Florenz). Die Regierung der USA unterstützte die Assoziation der afrikanischen Länder mit dem gemeinsamen Markt. Einerseits sah auch Washington aller antikolonialen Ressentiments zum Trotz Afrika als natürliches Hinterland Europas, andererseits erhoffte man sich hierdurch eine Immunisierung des schwarzen Kontinents gegen sowjetische Einflüsse (Irwin Wall und Anthony Adamthwaite, Berkeley).

Die mit den Römischen Verträgen kodifizierte gemeinsame Erschließung der Überseeischen Gebiete hatte gewiss integrative Elemente, wie Ètienne Deschamps (Louvain) erläuterte, führte teilweise aber auch zu scharfer Konkurrenz. Ein von den Regierungen Belgiens und Frankreichs geplanter Staudamm zur Stromgewinnung in Zentralafrika führte zu einem Wettlauf um den Standort und die Finanzierung eines Projektes, das schließlich gar nicht realisiert wurde.

Gegen Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre deutete sich in Europa ein Perspektivenwandel hinsichtlich der Überseeischen Gebiete an, die bis dahin mehr als Kolonien denn als gleichberechtigte Partner angesehen wurden. Ein Indiz hierfür war die Konferenz von Parlamentariern aus Afrika und Europa, die auf Initiative der Europäischen Parlamentarischen Versammlung im Juni 1961 zu Stande kam. Die Konferenz markierte einen ersten Schritt von der "oktroyierten Assoziierung" der afrikanischen Staaten zur "ausgehandelten Assoziation" (Urban Vahsen, Köln). Dieser Perspektivenwechsel vollzog sich in den sechziger Jahren auch in Frankreich. Die Vierte Republik hatte die ehemaligen afrikanischen Kolonien noch primär als Instrumente des machtpolitischen Prestiges gesehen, schon mit dem Lomé- Abkommen gewann aber eine paternalistische Perspektive die Oberhand, in der Afrika als Empfänger von Wirtschaftshilfe erschien. (Frédéric Turpin, Paris). Es gehörte zu den großen Vorzügen der europäischen Integration aus französischer Sicht, dass die Wirtschafts- und Entwicklungshilfe jetzt nicht mehr allein von Frankreich, sondern von der Gemeinschaft finanziert wurde. Gleichwohl waren es vor allem französische Beamte, die die Politik der für die Kooperation mit den assoziierten Staaten zuständigen Generaldirektion 05 der Brüsseler Kommission prägten, wie Veronique Dimier (Brüssel) zeigte.

Eine Sonderrolle in Europa spielte die portugiesische Kolonialpolitik, wie der Beitrag von Luis Reis Torgal (Coimbra) zeigte. In Europa isoliert, waren die Kolonien, die ab 1951 den Status von "Provincias Ultramarinas" bekamen, ein wichtiges Prestige-Objekt des Salazar-Regimes.

Alan Milward (London) fragte schließlich, warum die Bedeutung Afrikas für den europäischen Außenhandel trotz aller Bemühungen um Assoziierung und Unterstützung auch nach Lomé nicht signifikant anstieg. Letztlich, so seine Interpretation, dominierte weiterhin ein europäischer Sozial- und Wirtschaftsprotektionismus, der die volle Integration der überseeischen Gebiete in Afrika bis heute verhindert.

Insgesamt wurde deutlich, dass das Thema weitere, konkretere Forschungen verdient, die sowohl die nationale Perspektive als auch die der europäischen Institutionen umfassen sollten. Was in Paris völlig fehlte, war die Wahrnehmung der europäischen Politik in Afrika selbst. Afrika-Historiker hätten hier sicher noch andere Perspektiven eröffnen können, auch in der Wissenschaft ist die Euro-Afrikanische Gemeinschaft bis heute nicht realisiert.


Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Englisch, Französisch
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