Hansestädte im Konflikt. Krisenmanagement und bewaffnete Auseinandersetzung vom 13. bis zum 17. Jahrhundert

Hansestädte im Konflikt. Krisenmanagement und bewaffnete Auseinandersetzung vom 13. bis zum 17. Jahrhundert

Organisatoren
Hansischer Geschichtsverein
Ort
Lüneburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.05.2012 - 31.05.2012
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Von
Heidelore Böcker, Hansischer Geschichtsverein

In Lüneburg fand vom 28. bis 31. Mai 2012 die 128. Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins statt, die von 119 Teilnehmern, darunter 27 Studenten, aus Deutschland, Polen, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz besucht wurde.

Die im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts unter der Führung Lübecks entstandene Hanse war eine rechtsförmlich kaum zu beschreibende Gemeinschaft niederdeutscher Kaufleute und Städte, die auf der Grundlage umfangreicher handelspolitischer Privilegien Jahrhunderte lang eine beherrschende Stellung im Ost- und Nordseeraum einnahm, indem sie den für alle Beteiligten wichtigen und profitablen Warenaustausch zwischen dem rohstoff- und getreidereichen Osten, dem fischreichen Norden und dem gewerblich hoch entwickelten Westen übernahm. Innerhalb des weit gespannten Netzes der hansischen Handelsbeziehungen fiel den großen Niederlassungen im Ausland, den Kontoren in Nowgorod, Bergen, London und Brügge, eine wichtige Ordnungsfunktion zu. Bis in die Gegenwart gehen von der Erinnerung an die als „glanzvoll“ verstandene Geschichte der Hanse, die sich mit Vorstellungen von bürgerlicher Tüchtigkeit und Tatkraft verbindet, wesentliche Identität stiftende Impulse aus.

Die Geschichte der Hanse war von vielerlei Konflikten lokaler und regionaler Art gekennzeichnet, von Kriegszügen, Belagerungen und Eroberungen, aber auch von erfolgreichen Konfliktbewältigungen und –vermeidungen gekennzeichnet. Während zur Konfliktbewältigung und Kriegsführung im Mittelalter im Allgemeinen, zu Kriegstechnik und –taktik in den letzten Jahren verstärkt Forschungen erfolgten, trifft dies für den Hanseraum kaum zu. Das mag daran liegen, dass die Hanse als Handelsbund von Kaufleuten und Städten gilt, der durch den friedlichen Austausch von Waren die wirtschaftliche Blüte der Städte in Nord- und Ostseeraum vom 12. bis zum 16. Jahrhundert bewirkte sowie Schifffahrtstechnik und Kommunikation förderte.

Das unter Federführung von Ortwin Pelc, Museum für Hamburgische Geschichte, ausgearbeitete Programm der Lüneburger Tagung befasste sich mit dem Thema „Hansestädte im Konflikt. Krisenmanagement und bewaffnete Auseinandersetzung vom 13. bis zum 17. Jahrhundert“. Dieses weite Themenspektrum wurde in zehn Vorträgen in größeren Zusammenhängen sowie anhand von Fallstudien einzelner Hansestädte zur Diskussion gebracht. Dabei ging es um Konfliktdiskurse auf den Hansetagen und aktive Kriegsführung von Hansestädten, um Stadtverteidigung und städtische Bewaffnung, um regionale Konfliktbeteiligungen und überregionale Konfrontationen zwischen den Hansestädten und ihren Konkurrenten vom 12. bis zum 17. Jahrhundert.

MATTHIAS PUHLE (Magdeburg) betonte, dass die Hanse Kriege nicht als territoriale Eroberungskriege führte, sondern um ihre wirtschaftliche Position in Europa zu halten oder zu verbessern. Die Hanse sei auch so gut wie nie als Ganzes in Konflikte gegangen; agiert hätten immer nur die vom drohenden Konflikt besonders betroffenen Städtegruppen. Er stellte fest: Der Versuch, mit Geld einen Schutzherrn zu kaufen, der das Lager der im Konflikt befindlichen Städte verstärkte, scheiterte, da die Städte der Bündnistreue der Fürsten misstrauten. OLIVER AUGE (Kiel) wies auf ein Ungleichgewicht der Forschungen über See- und Landkriege hin. Er selbst orientierte sich an den Fragen: Wann kämpften Hansestädte/r (wie) zu Lande; kämpften sie überhaupt, oder kämpften andere für sie; wo gegen wen und warum eigentlich?

ORTWIN PELC (Hamburg) zeigte verschiedene Phasen der Befestigung norddeutscher Städte vom 12. bis 15. Jahrhundert auf und informierte über Art, Umfang und Organisation der städtischen Bewaffnung. CHRISTINA SCHMIDT (Hamburg) ging am Beispiel norddeutscher Hansestädte der Frage nach, in welchem Umfang diese während des Dreißigjährigen Krieges neben der aktiven auch ihre passive Verteidigungskraft mittels modernster Wehrbauarchitektur zu verbessern suchten. THOMAS LUX (Lüneburg) war zu dem Ergebnis gelangt, dass Lüneburgs Rüstungsanstrengungen die Stadt im 14./15. Jahrhundert und auch noch für die beginnende frühe Neuzeit zu einem regionalen militärischen Schwergewicht werden ließen.

FRANZISKA NEHRING (Kiel) beleuchtete exemplarisch an den Konflikten und Fehden des Grafen Gerhard mit den Städten Hamburg, Lübeck und Bremen Ausschnitte des Konfliktverhaltens dieser Städte, wobei die städtischen Beeinflussungen ihrer Handelspartner durch negative Zuschreibungen des Grafen, Handels- und Reiseverbote, Rückforderungsversuche der erbeuteten Handelsgüter sowie Bündnisaktivitäten eine Rolle spielten. HEIDELORE BÖCKER (Berlin) konzentrierte ihre Untersuchungen auf den Nordischen Siebenjährigen Krieg (1563 – 1570). Lübeck schloss mit dem vereinten Königreich Dänemark-Norwegen gegen Schweden ein Bündnis; Stralsund erklärte, dass es eine neutrale Stadt sei. Nach dem bisherigen Forschungsstand tendierte Stralsund aber zur Unterstützung Schwedens. Stadtschreiber legten Memorialbücher an, Bürgermeister und Ratsherren führten Tagebücher, schrieben Biographien. Durch Einbeziehung dieser Quellen wurde nicht nur ein Einblick in Motivation und Befindlichkeiten politischer Interessengruppen, in Ausmaß und Bedeutung individueller Handlungsweisen, sondern auch ein differenzierteres Urteil über die Politik der Führungsschicht möglich. LOUIS SICKING (Leiden) machte darauf aufmerksam, dass sich die hansische Historiographie bisher vornehmlich mit dem Spätmittelalter befasste, während die holländische Historiographie die Unabhängigkeit der Niederlande als Ausgangspunkt nehme. Sein Vortrag zeigte unter vergleichender Sicht Umstände und Ziele, Kontinuitäten und Veränderungen holländischer Seeoperationen im Ostseeraum während des 15. bis 17. Jahrhunderts auf.

KRZYSZTOF KWIATKOWSKI (Torun) stellte für eines der größten städtischen Zentren des Preußenlandes, die Altstadt Elbing, – in Abhängigkeit von der Quellenlage für die Zeit von 1383 bis 1409 – die Beteiligung des städtischen Aufgebotes an 42 militärischen Unternehmungen fest, die fast ausnahmslos durch den Deutschen Orden organisiert und geführt wurden. STEPHAN SELZER (Hamburg) konzentrierte sich auf die militärischen und politischen „Hussiten-Schockwellen“, die den Hanseraum erreichten, und unterschied zwischen zwei Phasen: bis 1429 mit einer den Ereignissen eher gleichgültig bis abwartend gegenüber stehenden Haltung der Hanse bzw. meisten Hansestädte; eine zweite seit dem Verwüstungsfeldzug Prokops des Großen in das Kurfürstentum Sachsen und nach Franken, also näher rückender Gefahr, mit ganz erheblichen Anstrengungen, die Verteidigungsbereitschaft zu erhöhen, militärische Maßnahmen zu unterstützen und sich politisch zu organisieren.

Im Rahmen des Tagungsprogramms stellten darüber hinaus junge Historiker Ergebnisse vor, die sie am 28. Mai in ihrem ebenfalls in Lüneburg durchgeführten „Internationalen Nachwuchsworkshop zur Hansegeschichte“ erarbeitet hatten und ihnen als Schwerpunkte künftiger Vorhaben dienen sollen.

Wieder einmal hat sich gezeigt: Die Jahresversammlungen des Hansischen Geschichtsvereins dokumentieren die Ergebnisse, Schwerpunkte, Richtungen und Fragen der Hanseforschung. Gefragt wurde nach Konzeptionen, aktuellen Tendenzen, Wiederaufnahme älterer Ansätze, ggf. künftigen Leitlinien.

Die Tagungen werden seit Jahren jeweils unter ein zentrales Thema gestellt. Anliegen war es diesmal, den Vorlauf der Konfliktforschung im Allgemeinen zu nutzen, weitere Forschungsfelder aufzuzeigen, Fragen der Konfliktbewältigung von Hansestädten und Kriegführung im Hanseraum aufzuwerfen, Ergebnisse zur Diskussion zu stellen.

Konzeptionell maßgeblich erschienen auch unter diesem Aspekt die Regionen und Einzelstädte, die Untersuchung unterschiedlicher und auch widersprüchlicher regionaler und lokaler Interessen, das partikulare Herangehen, mit dem partikular-regionalen Ansatz korrespondierend der städtisch oder landesgeschichtlich vergleichende Ansatz.

Lag zeitlich gesehen ein Schwerpunkt auf dem Spätmittelalter, so war unter dem genannten Thema von besonderem Gewinn, auch die „späte“ Hanse, ihre Konflikte, Wege und Ergebnisse der Konfliktbewältigung bzw. -vermeidung sowohl regional als auch überregional zu exemplifizieren. Das weite Themenspektrum umfasste Aspekte der Diplomatie ebenso wie militärischer Maßnahmen, von Rechtsvorstellungen und gemeindlicher Willensbildung.

Im methodischen Tableau kam der personengeschichtliche Ansatz zum Tragen, sowohl im Hinblick auf das Handeln von Einzelpersonen als auch von Führungsgremien, die Überlagerung der Interessenfelder (persönlich, verwandtschaftlich, geschäftlich, städtisch), die Ausbildung von Beziehungsnetzen, die politisch-strategische Bedeutung.

Die Vorträge sollen einer wissenschaftlichen Publikation zugeführt werden. Sie eröffneten zahlreiche Ansätze, die von der hansischen Geschichtsforschung in den kommenden Jahren weiter verfolgt werden sollten. Dazu gehört, die Anregung aufzugreifen, ein deutlich gewordenes Ungleichgewicht der Forschungen über See- und Landkriege zu überwinden.

Die 129. Jahrestagung des HGV ist vom 20. bis 23. Mai 2013 in Wismar unter dem Thema „Neue Forschungen zu den Hansekontoren“ vorgesehen.

Konferenzübersicht:

Matthias Puhle, Magdeburg: Wenn man Geld hat, kriegt man wohl, was man haben will. Strategien hansischer Konfliktregelung,

Oliver Auge, Kiel: Hansestädte/r ziehen in den Krieg: Zu Hintergründen, Ablauf und Ergebnissen hansestädtischer Militäroperationen zu Lande,

Ortwin Pelc, Hamburg: Verteidigung und Bewaffnung der norddeutschen Städte im Mittelalter,

Christina Schmidt, Hamburg: Norddeutsche Hansestädte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Neue Herausforderungen an den Festungsbau,

Thomas Lux, Lüneburg: Die wehrhafte (Hanse-)Stadt: Lüneburgs Rüstungsanstrengungen als Beispiel städtischer Militärpolitik in Mittelalter und früher Neuzeit,

Franziska Nehring, Kiel: Aggressor oder Opfer hansischer Politik? – Graf Gerhard der Mutige von Oldenburg und Delmenhorst (1430 – 1500),

Heidelore Böcker, Berlin: Auff solche disser stadt erklerung, daß man neutral sein wolle ... Der Nordische Siebenjährige Krieg aus der Sicht des Stralsunder Rates,

Louis Sicking, Leiden: Das holländische Eingreifen im Ostseeraum im 16. und 17. Jahrhundert,

Krzysztof Kwiatkowski, Torun: Die Teilnahme der preußischen Städte an der militärischen Aktivität der Landesherrschaft um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhunderts,

Stephan Selzer, Hamburg: Die Hanse in den Hussitenkriegen.