Mitten im Land der Täter: Juden in Deutschland. Alltag und Erfahrung nach der Shoah. In memoriam Nikolaus Lehner. 13. Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte

Mitten im Land der Täter: Juden in Deutschland. Alltag und Erfahrung nach der Shoah. In memoriam Nikolaus Lehner. 13. Dachauer Symposium zur Zeitgeschichte

Organisatoren
Große Kreisstadt Dachau; Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Universität Wien; Max- Mannheimer-Studienzentrum/Internationales Jugendgästehaus Dachau
Ort
Dachau
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.11.2012 - 12.11.2012
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Von
Zara Pfeiffer, München

Mitten im Land der Täter: Das 13. Dachauer Forum zur Zeitgeschichte beschäftigte sich mit der sozialen Realität der Überlebenden der Shoah in Deutschland. Die Situation der ehemaligen jüdischen Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau sowie der überlebenden Jüdinnen und Juden, die in den DP-Einrichtungen in Stadt und Landkreis untergebracht waren, fand hier besondere Beachtung. Nachfolge des langjährigen Projektleiters Bernhard Schoßig übernahm mit diesem Jahr Sybille Steinbacher (Universität Wien), die zudem die wissenschaftliche Leitung des diesjährigen Symposiums innehatte. Im Zentrum der Vorträge und Diskussionen standen folgende Fragen: Wer waren die Überlebenden, die sich in den ersten Jahren nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland aufhielten? Woher kamen sie, wohin bewegten sie sich? Wie sah ihr Alltag aus? Welchen Konflikten waren sie ausgesetzt? Was lässt sich über den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen sagen? Wie gestalteten sie angesichts der sozialen und politischen Rahmenbedingungen ihr soziales, politisches und kulturelles Leben? Die Mehrzahl der Vorträge fokussierte auf das erste Nachkriegsjahrzehnt und das jüdisch-kulturelle Leben in Bayern. Es kamen aber auch Themen und Diskussionen zur Sprache, die bis in die Gegenwart reichen. Gewidmet war das Symposium Nikolaus Lehner.

SYBILLE STEINBACHER (Wien) eröffnete das Symposium mit einem Überblick über die soziale Lage der jüdischen Displaced Personens (DPs), die sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges vorübergehend in Deutschland aufhielten. 90 Prozent aller jüdischen DPs befanden sich im Herbst 1947 in der amerikanischen Zone. Dabei waren sie keineswegs eine homogene Gruppe: vor allem zwischen den deutschen und den aus osteuropäischen Ländern kommenden Jüdinnen und Juden gab es deutliche kulturelle und soziale Unterschiede, betonte Steinbacher. Ihre Situation war jedoch gleichermaßen geprägt von der Katastrophe der Shoah. Sie sahen ihren Aufenthalt im Land der Täter als zufällige Zwischenstation, Deutschland war ein Provisiorium, die DP-Lager ein Warteraum, so Steinbacher. Die jüdischen Überlebenden, der „Rest der Geretteten“ (She'erit Hapletah), wie sie sich selbst nannten, führten ein „Leben im Übergang“, der Großteil saß auf gepackten Koffern, um das Land der Täter möglichst schnell zu verlassen. Einige aber blieben und gründeten jüdische Gemeinden. Obwohl die Existenz jüdischen Lebens in Deutschland als Gradmesser für die moralische und politische Rehabilitierung der Deutschen gesehen wurde, blieben die sich neu gründenden jüdischen Gemeinden im Hintergrund. Diese „anwesende Abwesenheit“, zitierte Steinbacher den Historiker Dan Diner, wurde begleitet von einer demonstrativen Judenfreundlichkeit, welche mit nach wie vor weit verbreiteten antisemitischen Ressentiments einherging.

„Ohne das Engagement von Nikolaus Lehner gäbe es das Jugendgästehaus nicht.“ Mit diesen Worten leitete BARBARA DISTEL (München) ihren Vortrag „Erinnern statt Verdrängen. Nikolaus Lehners Kampf in Dachau“ ein, in dem sie dessen Lebensweg nachzeichnete. Der 1923 in Szeget (Rumänien) geborene Nikolaus Lehner wurde 1944 als 20-Jähriger in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Bis auf ihn und seinen Bruder hat niemand aus seiner Familie überlebt. Nachdem seine geplante Auswanderung in die USA an einem fehlenden Visum scheiterte, blieb er in der Stadt Dachau und baute dort eine Firma auf. Bis zur Ausstrahlung der amerikanischen Fernsehsehrie „Holocaust“ in Westdeutschland 1979 schwieg Nikolaus Lehner über seine Erfahrungen im Konzentrationslager, so Distel. Nach der Ausstrahlung der Serie begann Nikolaus Lehners Leben als Zeitzeuge, Mahner und Aufklärer. Er engagierte sich für einen angemessenen Umgang mit den Opfern, den Überlebenden und der Gedenkstätte, setzte sich für die Bewahrung der Erinnerung ein und kämpfte bereits in den 1980er Jahren gegen viele Widerstände für die Errichtung einer internationalen Jugendbegegnungsstätte in Dachau. Über sechs Jahrzehnte war Nikolaus Lehner Bürger der Stadt Dachau. Distel schloss ihren Vortrag mit den Worten: „Es ist an der Zeit, dass sich auch die Stadt Dachau angemessen vor ihm verbeugt. Darauf warten wir noch immer.“

Der Pavillon im Garten des Jugendgästehauses wurde im Rahmen der Tagung nach Nikolaus Lehner benannt. Für die Familie Lehner – anwesend waren die Witwe Rosa Lehner sowie die beiden Töchter mit ihren Männern – sprach JULIANA ALON (Köln). In einer bewegenden Rede erinnerte sie an das Leben ihres Vaters und vermittelte sie einen Eindruck, was es für sie als Kind eines Überlebenden bedeutet hat in der Stadt Dachau aufzuwachsen, die so eng verbunden ist mit der Geschichte des Konzentrationslagers: „Ich lebte an einem besondern Ort, dessen Geschichte man mit sich trägt, egal wohin man geht.“

DIRK RIEDEL (Dachau) beschäftigte sich in seinem Vortrag „Zwangsarbeit – Vernichtung – Überleben“ mit der Situation der ungarischen Jüdinnen und Juden im Konzentrationslager Dachau und ihrem Leben nach 1945. Er betonte, dass es die ungarischen Juden im Konzentrationslager Dachau nicht gab, sondern es sich um eine höchst heterogene Gruppe handelte. Unter ihnen befanden sich nicht nur viele Frauen, sondern auch viele Jugendliche. Ein gemeinsames ungarisches Gruppenbewusstsein gab es nicht. Die politisch jüdischen Häftlinge aus Ungarn empfanden sich als politische Häftlinge und waren in die Gruppe der politischen Häftlinge integriert, so Riedel. Er verwies darauf, dass die Wege nach der Befreiung 1945 ebenso heterogen waren wie die Gruppe selbst. Viele der politischen jüdischen Häftlinge kehrten in der Hoffnung auf einen Neuanfang nach Ungarn zurück. Die übrigen aber strebten, vor dem Hintergrund der willfährigen Umsetzung der Deportationen in Ungarn, die Emigration nach Amerika oder Israel an.

Im ersten Teil seines Vortrags „Als die Fahne mit dem Davidstern in Dachau wehte“ berichtete JIM TOBIAS (Nürnberg) über die Entstehung und Entwicklung jüdischer DP-Lager und Gemeinden in Dachau und Umgebung: das jüdische Kinderlager im Kloster Indersdorf, das Kibbuz Haschomer ha Jarden in Eisolzried, das Kibbuz Bialik auf dem Liebhof, das Kibbuz Nizanim auf dem Gut Rotschwaige sowie die jüdische DP-Gemeinde in Dachau. Die höchste Mitgliederzahl hatte letztere mit 321 Mitgliedern im Januar 1948. Danach nahm ihre Mitgliederzahl kontinuierlich ab: Im Februar 1951 waren es nur noch 78 Mitglieder. Anders als andere DPs hatten die jüdischen Überlebenden der Shoah keine Heimat mehr, in die sie zurückkehren konnten, sie warteten sehnsüchtig darauf, eine neue Heimat in Palästina, den Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien zu finden. Diesem Umstand war es geschuldet, so Jim, dass es kurz nach der Shoah ausgerechnet am Ort des Terrors zu einer Wiedergeburt des in Deutschland nahezu vollständig zum erliegen gekommenen jüdischen Lebens kam. Im zweiten Teil seines Vortrags stellte er das Internetprojekt www.after-the-shoah.org vor, in dem Informationen über alle jüdischen DP-Camps und Communities in Bayern nach 1945 gesammelt und zur Verfügung gestellt werden.

ANNA ANDLAUER (Dachau) sprach in ihrem Vortrag „The Rage to Live“ über Greta Fischers Erfahrungen mit überlebenden Kindern im Kloster Indersdorf. Die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) richtete bereits im Juli 1945 im Kloster Indersdorf ein erstes Kinderzentrum ein, in dem Kinder und Jugendliche, welche die Shoah überlebt hatten, betreut wurden. Für mehrere hundert Kinder aus 20 verschiedenen Nationen war das Kinderzentrum eine Zwischenstation, in der sie nach den traumatischen Erfahrungen in den Konzentrationslagern physische wie psychische Erstversorgung erhielten. Besonderes Augenmerk richtete Andlauer in ihrem Vortrag auf das therapeutische Konzept von Greta Fischer, die als freiwillige Helferin der UNRRA im September 1945 zur leitenden Sozialarbeiterin des Kinderzentrums befördert wurde. Dieses Konzept beinhaltete eine gute körperliche Versorgung auf der einen Seite und eine emotionale Sicherheit gebende therapeutische Atmosphäre auf der anderen Seite.

Die vier Hauptpunkte des Vortrags von HAROLD MARCUSE (Santa Barbara) waren: Erstens das jüdische Informationsbüro als Eigenleistung der Überlebenden nach ihrer Befreiung; zweitens die Entwicklung der Selbstverwaltungsstruktur mit Hilfe von jüdischen US-Militärkaplanen und -offizieren; drittens die kulturelle Arbeit und Zukunftsvorstellungen des „überlebenden/übriggebliebenen Rests“ (She'erit Hapletah) und viertens die (Nicht-)Eingliederung der in Deutschland Gestrandeten. Marcuse verwies darauf, dass tatsächlichen Perspektiven und das Leben der Überlebenden nach der Befreiung wenig gemeinsam hatten mit den Vorstellungen und Träumen, die sie sich als Häftlinge in den Konzentrationslagern von der Befreiung gemacht hatten. Die Entscheidungsmöglichkeiten nach der Befreiung lagen, so Marcuse, entweder in der Rückkehr in die alte Heimat oder in der Auswanderung in Länder, die bereit waren die Überlebenden der Shoah aufzunehmen. Der „ureigenste Wunsch“ der jüdischen Überlebenden war es aber nach Palästina auszuwandern, um dort eine neue ökonomische und politisch Existenz aufzubauen. In Deutschland zu bleiben war dagegen keine Option, da es für fast alle Überlebenden unvorstellbar war auf Dauer im Land der Täter zu leben.

ANNETTE EBERLE (Augsburg) sprach in Ihrem Vortrag „Befreiung ohne Heimkehr“ an Hand von exemplarischen audiovisuellen Zeugnissen jüdischer Überlebender des Konzentrationslagers Dachau über deren Entscheidung zur Emigration. Vor allem drei Themen bestimmten die Entscheidung zur Emigration, so Eberle: Erstens, die Notwendigkeit der körperlichen und seelischen Wiederbelebung mit Unterstützung der amerikanischen Befreier und jüdischer Organisationen; zweitens, die Suche nach den Angehörigen und die Gewissheit, dass die alte Heimat zerstört war; und drittens, die Erfahrung des Holocaust bekämpfen zu wollen durch den größtmöglichen Abstand zum Land der Täter und durch einen eigenen Staat.

ANDREA SINN (München) sprach in ihrem Vortrag über „Die Anfänge des Zentralrats der Juden in Deutschland“. Als sich der Zentralrat am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main gründete, lebten etwa 20.000 Jüdinnen und Juden in Deutschland. Zunächst als Interessensvertretung für eine Übergangszeit bis zur endgültigen Ausreise gegründet, entwickelte sich der Zentralrat in den folgenden Jahren zu einer dauerhaften Interessensvertretung für diejenigen Jüdinnen und Juden, die sich – aus verschiedenen Gründen – doch für einen dauerhaften Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entschieden hatten. Dass sich der Zentralrat trotz der großen Herausforderungen und Probleme als Organisation und Vertretung der jüdischen Gemeinde in Deutschland etablieren konnte, lag, so Sinn, vor allem an der Persönlichkeit von Hendrik van Dam, dem es als Generalsekretär (von 1950 bis zu seinem Tod 1973) gelang sich als Vermittler zu etablieren. Drei Faktoren waren hierfür ausschlaggebend, so die Analyse von Sinn: Seine berufliche Qualifikation als Jurist, sein Status als deutscher Jude und Emigrant sowie sein Netzwerk mit guten persönlichen und beruflichen Beziehungen zu Politikern, Kontakten zu jüdischen Funktionären und nicht zuletzt das Vertrauen vieler osteuropäischer Juden, welches er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Jewish Relief Unit von 1946 bis 1950 aufbauen konnte. Hendrik van Dam war, so Sinn abschließend, die entscheidende Integrationsfigur innerhalb des Zentralrats der Juden in Deutschland.

JÜRGEN ZARUSKY (München) fokussierte in seinem Vortrag „Die nicht bezahlten DP-Renten. Wie Holocaust-Überlebende die deutschen Sozialkassen subventionierten“ auf eine gegenwärtige Auseinandersetzung, die jedoch eng mit der sozialen Lage der DPs in den Nachkriegsjahren zusammenhängt. Zunächst waren die DPs von Abgaben in das deutsche Sozialversicherungssystem befreit. Ab dem 1. April 1946 jedoch galt: „verschleppte Personen, die in Bayern beschäftigt sind, sind derselben Versicherungspflicht zu unterwerfen wie die deutsche Bevölkerung ... Diese Bestimmungen gelten auch für Angehörige der Vereinten Nationen (DPs)“. Diese Sozialversicherungspflicht ist, wie Zarusky betonte, klar dokumentiert, die Rechtslage damit eindeutig. Jahrzehnte später erinnerten sich manche ehemalige DPs und wollten die Ansprüche geltend machen. Bei den strittigen Fällen fehlten den Antragsteller/innen jedoch die Dokumente zur Glaubhaftmachung. Da die Behörden die Nachweise nur in seltenen Fällen aufgehoben hatten, so Zarusky, sind heute Nachweise für die Sozialversicherungsbeiträge kaum auffindbar. Auf die Frage der Beweislast der Glaubhaftmachung hatte diese Erkenntnis jedoch keinen Einfluss. Zarusky schloss seinen Vortrag mit der Einschätzung, dass es eine große subkutane Mentalitätskontinuität in Bezug auf die jüdischen DPs gebe, nach der diese vor allem eine Belastung darstellten, deren Verursachung nicht in den Blick genommen werde.

In einem Zeitzeugengespräch interviewte JUTTA NEUPERT (Dachau) den Holocaustüberlebenden und Zeitzeugen ERNST GRUBE (München). Das Gespräch unter dem Titel „Jude und Kommunist. Eine Verfolgungserfahrung in Deutschland“ fokussierte auf die zwei unterschiedlichen Verfolgungserfahrungen im Leben von Ernst Grube: als jüdisches Kind durch die Nationalsozialisten und als Kommunist in der Bundesrepublik Deutschland. Der 1932 in München geborene Ernst Grube, dessen Mutter Jüdin und dessen Vater Sozialist war, wurde 1945 mit seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Im Juni 1945 konnte er nach München zurückkehren. Die zweite Verfolgungserfahrung erlebte Ernst Grube in Hinblick auf sein politisches Engagement. Anfang der 1950er Jahren engagierte er sich gegen die Wiederbewaffnung. Auf Grund seines Engagements für die 1956 verbotene KPD und für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) wurde er wiederholt verhaftet. Anfang der 1970er-Jahre erhielt er vorübergehend Berufsverbot. Und im Jahr 2010 wurde er namentlich im Bayerischen Verfassungsschutzbereicht erwähnt – trotz seines Engagements als Zeitzeuge, trotz seiner zahlreichen Auszeichnungen. Inzwischen wurde diese Erwähnung zurückgenommen. In einem Brief von Innenminister Herrmann wurde ihm aber mitgeteilt, dass er zwar nicht mehr erwähnt würde, die Gründe für die Beobachtung jedoch weiter bestünden. Ernst Grube stellte zu diesem Sachverhalt fest: „Diese Beobachtung meiner Person ist schon eine konkrete Sauerei. Und diese Beobachtung des linken Feldes und der VVN ist ein umfassende Sauerei.“

Im Kommentar zur Tagung fokussierte NORBERT FREI (Jena) zunächst zusammenfassend auf den Zustand des Transitorium, in welchem sich die Nachkriegsgesellschaft in den ersten Jahren nach 1945 befand. Diese Übergangsphase wurde damals von fast allen Akteuren a priori als solche wahrgenommen, was bei der Rekonstruktion Schwierigkeiten mit sich bringe, sowohl in Hinblick von der Quellenlage als auch in Hinblick auf die Erinnerungen, so Frei. Anschließend konzentrierte er sich auf die drei Akteursfelder, die innerhalb dieses Transitoriums mit und gegeneinander agierten: die Besatzungsmächte, die deutsche Mehrheitsgesellschaft und die Displaced Persons. Er machte deutlich, dass die DPs, die in die amerikanische Besatzungszone kamen, nicht zu den Deutschen gingen, sondern zu den Amerikanern. In Bezug auf die deutsche Mehrheitsgesellschaft verwies Frei auf die Rollenumkehr zwischen den Deutschen und den jüdischen DPs, auf die „Ermächtigung der Machtlosen“. Die Beschreibung der „abwesenden Anwesenheit“ greife hier zu kurz, betonte Frei, da es durchaus Berührungspunkte zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und jüdischen DPs gegeben habe – beispielsweise auf dem Schwarzmarkt in der Möhlstraße in München – und plädierte dafür diese Beziehung und die Rolle der Deutschen in dieser Phase genauer in den Blick zu nehmen.

Trotz der zum Teil schwierigen Quellenlage waren die Vorträge der Tagung durchgehend detailreich und empirisch gesättigt. Die Referentinnen und Referenten machten wiederholt deutlich, dass für die Übergangsjahre nach 1945 nach wie vor Forschungsbedarf besteht. Obwohl die theoretische Reflexion hin und wieder etwas kurz geriet, zeigte sich in der Abfolge der Vorträge ein roter Faden, der sich mit dem Motiv des Wartesaals, der Zwischenstation oder des Transitoriums vom Eingangsreferat von Sybille Steinbacher bis zum abschließenden Kommentar von Norbert Frei verfolgen ließ.

Konferenzübersicht

Begrüßung
Claus Weber, 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters der Stadt Dachau in Vertretung von Peter Bürgel, Oberbürgermeister der Stadt Dachau (Dachau)
Felizitas Raith, Max Mannheimer Studienzentrum (Dachau)

Einführung: Sybille Steinbacher (Wien)

I.
Moderation: Sybille Steinbacher

Barbara Distel (München): Erinnern statt Verdrängen. Nikolaus Lehners Kampf in Dachau

Juliana Alon (Köln): Rede zur Erinnerung an ihren Vater Nikolaus Lehner

Dirk Riedel (Dachau): Zwangsarbeit – Vernichtung – Überleben. Die ungarischen Jüdinnen und Juden im KZ Dachau und ihr Leben nach 1945

II.
Moderation: Sybille Steinbacher

Jim Tobias (Nürnberg): Als die Fahne mit dem Davidstern in Dachau wehte. Jüdische Displaced Persons am Ort des Terrors

Anna Andlauer (Dachau): „The Rage to Live“. Greta Fischers Erfahrungen mit überlebenden Kindern im Kloster Indersdorf 1945-46

III.
Moderation: Sybille Steinbacher

Harold Marcuse (Santa Barbara): Jüdische Dachau-Überlebende. Von der Gründung des Jewish Information Office bis zu den anti-antisemitischen Unruhen im Sommer 1949

Annette Eberle (Augsburg): Befreiung ohne Heimkehr. Audiovisuelle Zeugnisse jüdischer Überlebender des KZ Dachau über ihre Entscheidung zur Emigration

IV.
Moderation: Sybille Steinbacher

Andrea Sinn (München): Die Anfänge des Zentralrats der Juden in Deutschland

Jürgen Zarusky (München): Die nicht bezahlten DP-Renten. Wie Holocaust-Überlebende die deutschen Sozialkassen subventionierten

V.
Ernst Grube im Gespräch mit Jutta Neupert (München / Dachau): Jude und Kommunist. Eine Verfolgungserfahrung in Deutschland

Norbert Frei (Jena): Kommentar zur Tagung


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