Wissenschaftliches Netzwerk: Toletum. Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike / Network para la investigación sobre la Península Ibérica en la Antigüedad. 4. Workshop

Wissenschaftliches Netzwerk: Toletum. Netzwerk zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike / Network para la investigación sobre la Península Ibérica en la Antigüedad. 4. Workshop

Organisatoren
Sabine Panzram, Alte Geschichte, Universität Hamburg; Markus Trunk, Klassische Archäologie, Universität Trier
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.10.2013 - 19.10.2013
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Von
Dominik Kloss / Sabine Panzram, Alte Geschichte, Universität Hamburg

Der diesjährige Workshop des Netzwerks zur Erforschung der Iberischen Halbinsel in der Antike, Toletum IV, fand vom 17. bis 19. November 2013 im Hamburger Warburg-Haus statt und widmete sich mit der „Skulpturenausstattung öffentlicher und privater Räume auf der Iberischen Halbinsel“ erneut – wie schon im vorigen Jahr mit dem „Fokus Spätantike“ – zum einen einem thematischen Schwerpunkt und fungierte zum anderen wiederum als Forum für die Präsentation von Qualifikationsarbeiten. Die Entscheidung, sich mit der Ausstattung öffentlicher Plätze und privater Lebensräume mit Skulpturen zwischen Kaiserzeit und Spätantike auseinanderzusetzen, resultierte aus dem Bestreben, eine seit den 1980er-Jahren international intensiv diskutierte Thematik im Kontext der Iberischen Halbinsel in den Blick zu nehmen: nämlich die Erkenntnis, dass Statuen und Reliefs auf fora, in Heiligtümern, Theatern und Thermen, in Militärlagern und Nekropolen, aber auch in Villen und spätantiken Herrschaftshäusern nicht nur als Einzelobjekte, sondern im Kontext des gesamten Aufstellungskonzeptes von Bedeutung sind. In einem Zug konzipierte ebenso wie sukzessive gewachsene Statuenzyklen geben mithin Aufschluss über historische, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse. Den allgegenwärtigen Statuengruppen des iulisch-claudischen Kaiserhauses, die sich in den Provinzhauptstädten, aber auch in vielen Kleinstädten Hispaniens in den Theatern und auf den fora der frühen Kaiserzeit in opulenter Zahl und teilweise beachtlicher Qualität finden, folgten seit den Flaviern im öffentlichen Raum keine vergleichbaren Ensembles mehr. Die Verhältnisse änderten sich bereits im 2. und 3. Jahrhundert grundlegend und leiteten zur Lebenswelt der Spätantike über. Diese einleitenden Bemerkungen zur jüngeren Forschungsgeschichte von SABINE PANZRAM (Hamburg), die diese Materialgattung aus althistorischer Perspektive insbesondere im Rahmen kulturgeschichtlicher Fragestellungen gedeutet wissen wollte, fanden ihre ideale Ergänzung in dem sich anschließenden Eröffnungsvortrag von WALTER TRILLMICH (Wien). Denn der klassische Archäologe führte am Beispiel insbesondere der Koren und Panzerstatuen des sog. „Marmorforums“ von Emerita Augusta überzeugend vor, dass für die Einordnung von Skulpturen nicht nur „traditionelle“ stilkritische Untersuchungen nach wie vor essentiell seien, sondern auch stadtrömische Vergleichsbeispiele „die“ zu berücksichtigende Größe blieben – wie er hier unter anderem anhand der Clipei mit Ammonsköpfen vom Augustus-Forum zeigte.

Diese methodische Ambiguität, die für rege Diskussionen sorgte, spiegelten auch die folgenden Beiträge – mit Ausnahme der laufenden Qualifikationsarbeiten, die Themen gewidmet sind, die klar über die Grenzen der Iberischen Halbinsel hinausgehen: So untersucht JASMIN HETTINGER (Dresden) vor allem auf der Basis der epigraphischen Überlieferung die Wahrnehmung und Verarbeitung von Flutkatastrophen auf der Iberischen Halbinsel, bezieht aber auch die Apenninhalbinsel und den Norden Afrikas ein; und JUDITH VÉGH (Heidelberg) geht es um die Funktion von Bauinschriften in spätantiken Kirchen wie jener des Reccesvinth – San Juan de Baños (ICERV 314): jenem dem Westgotenkönig zugeschriebenen Bau in der Nähe des heutigen Palencia. Fragen der Sicht- bzw. Lesbarkeit und Platzierung dieser epigraphischen Monumente – häufig in Form von Gedichten – lassen sich angesichts der fragmentarischen Evidenz ohne die Heranziehung von Beispielen aus anderen Regionen nämlich kaum beantworten. Andererseits steht die Analyse lokaler Gegebenheiten klar im Vordergrund, wenn TIMO KLÄR (Saarbrücken) die Bedeutung der Vaskonen und deren Leben in einem „durchlässigen Grenzraum“ zwischen Hispanien und Gallien untersucht oder JAN SCHNEIDER (Gießen) eine akribische Auswertung aller verfügbaren Zeugnisse für eine antike Landschaft präsentiert, und zwar für das Einzugsgebiet des unteren Almanzora, der ihm zufolge als Lebensader einer durch Bergbau und die Herstellung von garum geprägten Region zu gelten hat.

Jedenfalls zeigte JOSÉ MIGUEL NOGUERA CELDRÁN (Murcia) eindrucksvoll, wie in Cartagena gerade die Geschichte einer Stadt rekonstruiert wird, die sich immer noch im Bau befindet: die Geschichte der arx hasdrubalis, des schon unter den Karthagern befestigten Stadtburgberges mit einem Heiligtum für Atargatis, oder die des römischen Carthago Nova, in dem jener zu einer auf Fernwirkung – auch als Landmarke für Hafenzufahrt – ausgelegten Podiums-Tempel-Anlage mit mehrstufiger Freitreppe ausgebaut wird. Die Befunde, in situ angetroffen, ermöglichen nicht nur die Rekonstruktion des Aufstellungskontextes, sondern werden darüber hinaus in das aktuelle Stadtbild integriert, und zwar in Form des mit rund 26.000 Quadratmetern größten archäologischen Parks Spaniens. Der „Parque Arqueológico del Cerro del Molinete“ bietet also ein ideales Terrain für interdisziplinäre Arbeiten und damit letztlich auch kulturgeschichtliche Fragestellungen. Rekonstruktionsversuche im weniger großen Maßstab prägten auch die übrigen Beiträge zur Skulpturen-Ausstattung öffentlicher Räume im kaiserzeitlichen Hispanien. NICOLE RÖRING (Bamberg / München) demonstrierte aus der Perspektive der Bauforschung, dass sich im „Marmorforum“ von Augusta Emerita klar verschiedene Bauphasen unterscheiden lassen, während DAVID OJEDA NOGALES (Sevilla / Köln) einen innovativen Vorschlag zur Lesung der im Bereich des Herakleion von Cádiz aufgefundenen Bronzefragmente machte: Sie seien nicht als Bestandteile einer einzelnen Panzerstatue, sondern eines mehrfigurigen augusteischen Siegesmonuments zu verstehen, das der erste Prinzeps mit Bedacht am Ende der Oikumene platziert habe. Und auch CARMEN MARCKS-JACOBS (Berlin) wagte eine Neudeutung: In einer detaillierten Analyse einer schon seit dem 18. Jahrhundert bekannten Reliefplatte aus dem Archäologischen Museum von Sevilla (REP00142-2) machte sie wahrscheinlich, dass es sich nicht um die Darstellung eines Suovetaurilia-Opfers handle, sondern um die eines Lustrationsopfers durch römische Heeresangehörige – vermutlich dargebracht im Kontext von Caesars Sieg bei Munda, das man gemeinhin in der Nähe des Fundortes des Reliefs – Estepa bei Osuna – lokalisiert.

Die Spätantike kennzeichnet dagegen eine zweite – nicht selten spolisierte – Blüte zumindest der sakralen und zuweilen palatialen Architektur in den Städten oder aber das Nebeneinander unterschiedlicher, zeitlich kaum näher einzuordnender Bildformeln im ländlichen oder privaten Bereich, die mehr oder minder nahtlose Anknüpfungen an weiter zurückliegende Vorbilder nahezulegen scheinen. In diesem Sinne präsentierte MONTSERRAT CLAVERÍA NADAL (Barcelona) am Beispiel von Barcino die Auswirkungen des lokalen Nebeneinanders von kaiserzeitlichen Bauten-, Statuen- und Inschriftenensembles und der „grupo episcopal“, dem bischöflichen Bezirk im Nordwesten des antiken Stadtgebiets, auf die Genese des Stadtbildes in dieser Zeit. Dem westgotischen Barcelona in seiner spätantiken und frühmittelalterlichen Bedeutung kaum nachstehend zeigte sich das benachbarte Tarraco mit seiner Entwicklung von mehreren dezentralen, um basilikale Bauten herum wachsenden Stadtkernen, deren Kontinuität zur kaiserzeitlichen Vorgängerbebauung eher in materialpragmatischer denn in programmatischer Natur gelegen habe, wie JOSÉ JAVIER GUIDI SÁNCHEZ (Tarragona) betont. Bescheidener stellt sich dagegen der Befund jenseits der Küstenstädte dar; der geringe Umfang der materiellen Präsenz der Westgoten- und ihrer Nachfolgereiche führt gemeinhin zu heftigen Diskussionen. So konstatierte JENNY ABURA (Göttingen) in ihrer Präsentation der Bauausstattung der Basilika von Segobriga mit einem Schwerpunkt auf Motivik und Farbigkeit gerade für letztere – aufgezeigt an Schrankenplatten und Wandfriesen – Singularität. Am Beispiel von San Juan de Baños konnte FEDOR SCHLIMBACH (Madrid) dagegen mittels stilistischer Untersuchungen aufzeigen, dass die spolisierten korinthischen Kapitelle der Basilika sich insgesamt drei Herkunftskontexten zuordnen lassen – eine Vorgehensweise, die auch andernorts zu beobachten sei: so im Falle von Baños de Cerrato, Santa María de Quintanilla de las Viñas oder San Pedro de la Nave. Für relevanter als ihre Einbindung in eine feste Chronologie hält NORA BÜCHSENSCHÜTZ (Göttingen / Madrid) bei der Erforschung spätantiker Sarkophage die Diskussion ikonographischer Elemente. Insbesondere durch den Vergleich populärer Bildthemen und ihrer Umsetzung im Relief stellte sie fest, dass sich das zumeist qualitativ begründete Distinktionsmerkmal zwischen stadtrömischen Importen und lokaler Produktion in dieser Einfachheit nicht aufrechterhalten lasse. Zumindest eine dritte Gruppe auf der Iberischen Halbinsel gefertigter Sarkophage, die italische Bildthemen kopieren, sei bei künftigen Gliederungen des Materials ergänzend zu beachten.

Der Blick über die Straße von Gibraltar führte wieder in die Kaiserzeit zurück. Die Präsentation der vielfältigen Gräberkulturen in Numidien (Tumuli, Stelen, Grabtürme) nutzte STEFAN ARDELEANU (Berlin), um gängige Romanisierungsmodelle zu hinterfragen; und auch die exemplarische Vorstellung von Skulpturen aus Städten der Mauretania wie Tingis, Lixus und Volubilis durch JAVIER BERMEJO MELENDEZ (Huelva) sollte aufmerksam machen: auf Ähnlichkeiten – schließlich waren diese Regionen bereits seit der Zeit der phönizischen Besiedlung des westlichen Mittelmeerraums in Kontakt – oder auf Unterschiede, die aus einer jeweils spezifisch geprägten Bereitschaft zur Akkulturation herrührten. Allein der Vergleich, der zunächst eine deutliche Profilierung der einzelnen Fallstudien verlangt, schafft nämlich eine Grundlage, die es ermöglicht, einer generalisierenden Erklärung zuzustimmen oder diese zurückzuweisen und eine „regionaldynamische Entwicklung“ zu postulieren. Diesem Vergleich zwischen unmittelbar benachbarten Regionen, die zudem zeit- und teilweise eine gemeinsame administrative Einheit bildeten, folgte abschließend ein weiterer: MARKUS TRUNK (Trier) wagte den Sprung von der Antike in die Frühe Neuzeit und stellte mit der „Casa de Pilatos“ in Sevilla einen Adelspalast vor, dessen Besitzer Per Afán de Ribera bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts eine Galerie von Statuen, unter denen weder Romulus noch Carlos V fehlen durften, als Instrument der Selbstdarstellung zu nutzen verstand. Damit nahm er gewissermaßen eine Entwicklung voraus, die erst im 18. Jahrhundert Praxis werden sollte.

Am Ende waren sich die „toletanos“ einig: Gleichgültig, ob sie sich aufgrund einer eher historisch geprägten Sichtweise für eine Kontextualisierung und mithin Einbindung in kulturgeschichtliche Untersuchungen ausgesprochen hatten oder aber – geprägt durch die verschiedenen Archäologien – eher Stilgeschichte traditioneller Manier bevorzugten: ohne Vergleiche geht es nicht!

Konferenzübersicht:

Sabine Panzram (Hamburg) / Markus Trunk (Trier): Begrüßung

Skulpturenausstattung öffentlicher und privater Räume auf der Iberischen Halbinsel

Walter Trillmich (Wien): Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb der statuarischen Ausstattung von Großprojekten: methodische Probleme

Berichte von laufenden Qualifikationsarbeiten

Jasmin Hettinger (Dresden): Ressourcenmanagement bei den Römern: Aspekte des Wasserbaus und des Wasserrechts in den Hispaniae

Jan Schneider (Gießen): Der untere Almanzora von der späten Republik bis zur Spätantike

Timo Klär (Saarbrücken): Die Vaskonen – Leben im hispanisch-gallischen Grenzraum von der Republik bis in die Spätantike

Judith Végh (Heidelberg): Inschriften im öffentlichen Leben im spätantiken Hispanien

Skulpturenausstattung öffentlicher Räume in der Kaiserzeit

José Miguel Noguera Celdrán (Murcia): Colonia Iulia Urbs Nova Carthago: novedades para una historia arqueológica en construcción

Nicole Röring (Bamberg / München): Die architektonische Inszenierung der Skulpturen auf dem „Marmorforum“ in Augusta Emerita

David Ojeda Nogales (Sevilla / Köln): Tropaia Augusti. Un monumento broncíneo colosal de época augustea procedente de Gades

Carmen Marcks-Jacobs (Berlin): Das Relief REP00142-2 im Archäologischen Museum von Sevilla – Ein frühes Zeugnis für ein öffentliches Denkmal?

Skulpturenausstattung öffentlicher und privater Räume in der Spätantike

Montserrat Clavería Nadal (Barcelona): La decoración escultórica en Barcino. Luces y sombras de una realidad desmantelada

Jenny Abura (Göttingen): Überlegungen zur Motivik und Farbigkeit der Segobrigenser Bauausstattung

Nora Büchsenschütz (Göttingen / Madrid): Die frühchristliche hispanische Sarkophagproduktion. Importe aus den Zentren – Werkstätten in der Provinz

José Javier Guidi Sánchez (Tarragona): Programas escultóricos y decorativos en la Tarragona visigoda, siglos VI-VII

Fedor Schlimbach (Madrid): Die Kapitelle in Reccesvinths Basilika: zur Verwendung von Spolien im 7. Jahrhundert

Skulpturenausstattung öffentlicher und privater Räume im Norden Afrikas

Stefan Ardeleanu (Berlin): Die Entwicklung der regionalen Grabplastik im vor- und frührömischen Numidien unter der kritischen Bewertung des Romanisierungsmodells

Javier Bermejo Melendez (Huelva): Escultura pública y privada en los centros urbanos de la Tingitana: Tingis, Lixus y Volúbilis

Antike Statuen in öffentlichen und privaten Aufstellungskontexten der Frühen Neuzeit

Markus Trunk (Trier): Nach 1000 Jahren … die Wiederentdeckung der Statuengalerie als Instrument der Selbstdarstellung im Spanien des 16. Jahrhunderts

Abschlussdiskussion


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