Das Buch der Gründungen. Impulse für das ‚Jahr des Glaubens und die Neuevangelisierung‘

Das Buch der Gründungen. Impulse für das ‚Jahr des Glaubens und die Neuevangelisierung‘

Organisatoren
Theologische Fakultät, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt; Theologische Fakultät, Universität Trier; Theologische Fakultät, Universität Wien; Theologische Fakultät, Universidad Católica de Ávila
Ort
Freising
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.09.2013 - 08.09.2013
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Von
Iris Roebling-Grau, Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München

Bereits der Titel zeigt den Brückenschlag an: Es ging während des ersten von insgesamt drei Symposien anlässlich des anstehenden 500. Geburtstages von Teresa von Ávila (1515–1582) um ein Verständnis des Buches der Gründungen, wobei gleichzeitig die Frage nach der Aktualität eben dieser Schrift beantwortet werden sollte. Wie liest sie sich im von Papst Benedikt XVI. ausgerufenen „Jahr des Glaubens“, das insbesondere durch die 13. Weltbischofskonferenz im Zeichen der „Neuevangelisierung“ stand? Das Libro de las fundaciones gehört zu den weniger prominenten Werken Teresas. Sie berichtet darin über die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatte, als sie sich anschickte, den Orden der Karmeliter zu reformieren und dafür Klöster für Frauen und Männer gründete, was sich in der Folge zu einem eigenständigen Zweig des Karmeliterordens auswuchs – eine gewaltige Lebensleistung, für die es nicht nur eines psychologischen Gespürs und Verhandlungsgeschickes bedurfte, sondern auch eines unerschütterlichen Glaubens. Das Verständnis dieses Begriffes zu konturieren war der Leitfaden des Symposiums, das von den theologischen Fakultäten der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, der Universität Trier und der Universität Wien sowie der Universidad Católica de Ávila organisiert wurde. Der auf das Buch der Gründungen gelegte Fokus machte es möglich, die Frage nach dem Glauben in eine spannende Polarität zu stellen. Nicht nur die mystische Innerlichkeit der Autorin musste expliziert werden, auch der Bezug zu den Handlungen, die aus diesem Glauben hervorgegangen sind, die sogenannten „Früchte“, sollten in den Blick genommen werden. Diese komplexe Verschränkung von contemplatio und actio lässt sich gerade anhand von Teresas Schriften gut illustrieren.

In dem einleitenden Vortrag von CHRISTOPH OHLY (Trier) wurden beide Seiten im Bild eines Portals zusammengeführt, dessen Türbogen für das Leben und Werk der Heiligen stehen sollte. In den beiden Säulen fänden sich einerseits das Gebet und andererseits die Tugenden wieder. Nur zusammen ergebe sich daraus eine tragfähige Konstruktion, die gleichsam Eintritt in das Werk Teresas gewähren sollte. Das klingt anschaulich und stabil. Aber auch im Vortrag wurde bereits die Frage aufgeworfen, wie die Betenden mit Abschweifungen im Gebet umgehen sollten, denn, so Christoph Ohly: „das kennen wir alle“. Die Antwort wurde direkt aus dem Werk Teresas abgeleitet, in dem gerade ihre Menschlichkeit, die Ausstellung ihrer eigenen Schwächen, auch beim Beten, für ihre Leser/innen ein konkreter Anknüpfungspunkt seien.

Aufgegriffen wurde diese Thematik im Vortrag von MARIANNE SCHLOSSER (Wien). In einer luziden Darlegung der Kapitel 4 bis 8, in denen Teresa auf die Gefahren des inneren Betens zu sprechen kommt, wurde deutlich, dass nicht nur Abschweifungen, sondern auch die intensiven Momente der Gottesbegegnung zur Gefahr werden könnten. Wenn aus Verzückung und Versunken-Sein eine Fixierung entstehe, büßten die Betenden nämlich ihre geistige Freiheit ein, würden sie selbstsüchtig und suchten nicht mehr Gott, sondern nur noch egoistisch den „geistlichen Genuss“. Begriffsgeschichtlich interessant ist in diesem Zusammenhang das Verständnis von melancolía, die Teresa als eine gefährliche Gemütsstimmung beschreibt. Nicht Schwermut sei damit gemeint, sondern vielmehr eine unkontrollierte und deswegen schwache Einbildungskraft, ein unklares, gleichsam phantastisches Denken, das sich, indem es Gott suche, tatsächlich von ihm entferne. Ein Mittel gegen diese Art von innerer Versuchung sei der Gehorsam im Rahmen des monastischen Lebens. Ihm müsse sich eine verzückte Seele unterwerfen, um von den inneren Verirrungen wieder befreit zu werden. Damit gab Marianne Schlosser einen erfrischenden Beitrag zur Diskussion um die Heilige, die ja nicht zuletzt wegen ihrer Visionen prominent ist. Von Teresa zu lernen, heiße aber zu verstehen, dass Gott sich, wenn er in so privilegierter Form wie einer Verzückung spricht, vor allem kurz fasse. Langes Verweilen in Visionen wurde schon von Teresa selbst kritisch beurteilt.

„Gehorsam“ war auch das Stichwort, zu dem MARKUS ENDERS (Freiburg) Stellung nahm. Er bezog sich in seinem Vortrag auf eine Stelle aus dem Philipperbrief, die auch Teresa zitiert: „oboediens usque ad mortem“ (Phil 2,8). Damit war eine äußert schwierige Thematik angesprochen. In dem Bibelzitat ist der Gehorsam Christi am Kreuz gegenüber Gottvater gemeint. Diesen Gehorsam würde wohl kein gläubiger Mensch in Frage stellen. Er ist frei von Zweifeln, da der Wille, dem man sich mit ihm unterstellt, per se als vollkommen angesehen wird. Deswegen auch beruhe der Gehorsam Gott gegenüber auf einer vernünftigen Einsicht in das Wesen Gottes, dem man sich überantwortet. Es ist damit kein ‚blinder Gehorsam‘, auch wenn er allumfassend ist. Wie aber verhält es sich mit dem Gehorsam gegenüber einer Oberin oder einem Beichtvater? Und was ist zu tun, wenn dieser Gehorsam abweicht von der Vorstellung des eigenen Gewissens? Aus Teresas Schriften lassen sich wohl unterschiedliche Antworten auf diese Fragen ableiten. Während Markus Enders Stellen zitierte, an denen auch der Gehorsam gegenüber einer Priorin von Teresa unhinterfragt verlangt wird, wurde in der Diskussion darauf hingewiesen, dass gerade Teresa bei ihren umstrittenen Gründungen einen absoluten Gehorsam gegenüber Vertretern der Kirche vermieden hat und stattdessen eher als ein Beispiel für einen „aktiven und vernünftigen“1, einen kritischen Gehorsam gegenüber geistlichen und weltlichen Machthabern herangezogen werden sollte. Auch nimmt sie selbst im Buch der Gründungen in ihren Anweisungen an die Priorin klar Stellung zu den Grenzen des Gehorsams, wenn sie schreibt: „Auf etwas anderes weise ich euch noch hin, und das ist sehr wichtig, dass ihr, auch wenn es zur Prüfung des Gehorsams geschieht, niemals etwas auftragt, was bei der Ausführung eine lässliche Sünde sein kann; von einigen Fällen habe ich erfahren, dass es sogar eine Todsünde gewesen wäre“.2 An diesem Punkt wurde mit Blick auf die deutsche Geschichte deutlich, wie aktuell die bei Teresa diskutierten Fragen noch immer sind.

Inwiefern der persönliche Glaube sinnvoll als Gehorsam verstanden werden kann, wurde in dem fulminanten Vortrag von MANFRED GERWING (Eichstätt) deutlich. Er ging von einer ebenso einfachen wie überzeugenden Beobachtung aus: ‚Gehorsam‘ leitet sich von ‚gehorchen‘ ab. In ihm ist das Hören auf das Wort Gottes aufgehoben. Dieses Hören sei das Zentrum des Gebetes, in dem es gelte, das Wort Gottes wahrzunehmen. Mit Bezug auf die wohl bekannteste Stelle aus dem Buch der Gründungen wurde dieses Gebet dann als der Vollzug eines gottgefälligen Lebens verstanden, das sich nicht selten auch „zwischen den Kochtöpfen“ abspiele, wo, wie Teresa schreibt, der Herr ebenfalls „weilt“.3 Aus diesem Bezug zur Welt entstehe auch die Weitergabe der Liebe Gottes, die Mission.

Wie diese Mission sich heute gestalten könnte, skizzierte SARA GALLARDO (Ávila). Gerade weil in unserer Kultur Emotion und Ratio voneinander getrennt wahrgenommen würde, sei es eine Aufgabe der Kirche, beide in einer Sehnsucht nach Gott wieder zusammenzuführen. Dabei bezog sie sich auf die Vorstellung von Benedikt XVI. als einen prominenten Leser Teresas, der von einer „Pädagogik des Verlangens“ gesprochen habe.

Diese theoretischen Überlegungen wurden von zwei Beiträgen unterschiedlicher Art flankiert, in denen Teresa anschaulich vorgestellt wurde. Der eine Beitrag bestand in einem Schauspiel, das die Stationen der Gründungen inszenierte. Der andere in dem Vortrag von WOLFGANG VOGL (Augsburg), in dem die Ordensgründerin als Motiv der barocken Kunst vorgestellt wurde. Neben den bekannteren Werken von Paul Peter Rubens und Gian Lorenzo Bernini kam auch eine Darstellung von Cosma Danian Asam von 1713 zur Sprache, die heute in der Schutzengelkirche in Straubing besichtigt werden kann. Die Debatten, die insbesondere um Berninis Estasi di Santa Teresa geführt werden4, blieben in dem Vortrag mit Verweis auf die Deutung der Statue durch Werner Weisbach ausgespart. Dieser erkennt in Berninis sinnlichem Marmor eine getreue Abbildung der Affekte der christlichen Mystik, was Wolfgang Vogl auch in Hinblick auf die Hohelieddichtung erläuterte.

Zwei Workshops unterbrachen das anregende Symposium, womit Gelegenheit gegeben war, Texte Teresas in kleinen Gruppen zu diskutieren. Abgeschlossen wurde die Veranstaltung durch eine allgemeine Diskussion mit Kurzvorträgen, in denen noch einmal anhand konkreter Beispiele auf die Rezeption Teresas im 20. und 21. Jahrhundert eingegangen wurde. Aus dem Auditorium wurde diese Aktualität dann sehr konkret hinterfragt: Was können Führungskräfte von der Heiligen heute lernen? Wie sollte man sich an der Universität, in der Lehre sinnvoll auf sie beziehen? Man kann die Grundlage solcher Fragen, die aus einer Lebenswelt kommen, die der des 16. Jahrhunderts fremd ist, in Abrede stellen. Während des Symposiums in Freising ging es hingegen darum, auch nach einer Antwort auf diese Fragen zu suchen. Nicht selten kam dabei eine Einsicht zur Sprache, die Teresas Schriften tatsächlich strukturiert. Sie formuliert sie im Buch der Gründungen in einfachen Worten: „Als ich in einem solchen Stimmungstief war und auch meine Begleiterinnen mitten drinsteckten [...], sagte mir unser Herr [...] diese Worte: Auf Teresa, sei stark“.5 Es wird darin eine bemerkenswerte Gottesgewissheit deutlich, die in der Verschränkung von vollkommener Hingabe und göttlicher Liebe besteht. Angesichts des außergewöhnlich erfolgreichen Lebens Teresas liegt es nahe, von dieser Geisteshaltung tatsächlich etwas lernen zu wollen.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Eröffnung:
Manfred Gerwing, Lydia Jiménez, Maria del Rosario Sáez Yuguero

P. Richard Schenk, Grußwort

Christoph Ohly (Trier), Teresa von Ávila - Zeugin und Lehrerin auf dem Weg nach innen

Ein audiovisuelles Schauspiel: Mit Teresa von Ávila auf dem Weg der Gründungen quer durch Spanien (Sandra Lernbecher, Teresa; Katharina Riedl, Regie; Veronika Ponzer, Harfe; Katja Hess, Text; Anne Pralong, Bilder)

Marianne Schlosser (Wien), Unterscheidung der Geister im Buch der Klostergründungen

Wolfgang Vogl (Augsburg), Teresa von Ávila in der Kunst des Barock

Manfred Gerwing (Eichstätt), Zur Theologie des Gebetes im Buch der Gründungen

Workshops:

Lektüreworkshop zum Buch der Klostergründungen (Marianne Schlosser)

Die drei Stufen des Gebets bei Teresa von Ávila (Maria A. Góngora)

Neuevangelisierung und Entweltlichung: historische Vorbilder eines aktuellen pastoralen Programms am Beispiel von Teresa von Ávilas Klostergründungen (Michaela C. Hastetter)

Markus Enders (Freiburg), Teresa von Ávilas spirituelle Lehre vom Gehorsam als dem ‚schnellsten Weg zur höchsten Vollkommenheit‘ im Buch der Gründungen

Sara Gallardo (Ávila), Wege zur Vereinigung mit Gott. Überlegungen von Teresa von Jesus im Hinblick auf die Glaubens- und Lebenswirklichkeit von heute

Expertenrunde mit Forum: Teresa von Ávila - eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit?

P. Juan Antonio Martinez-Camino (Madrid), Gründe für den Einfluss der hl. Teresa in verschiedensten Charismen: von F.W. Faber bis hin zum hl. Rafael Arnáiz

Michaela C. Hastetter (Freiburg), Die Rezeption Teresa von Ávilas in der postkonziliaren Kirche des 20./21. Jahrhunderts

P. Stephan Horn (Passau), Die mystische Mitte des christlichen Zeugnisses. Die innere Nähe von Benedikt XVI. und Teresa von Ávila

Anmerkungen:
1 Teófanes Egido, Der Gehorsam der hl. Teresa, in: Christliche Innerlichkeit 21 (1986), S. 262–270, hier S. 268.
2 Teresa von Ávila, Das Buch der Gründungen. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Ulrich Dobhan und Elisabeth Peeters, Freiburg 2007, S. 268.
3 Teresa von Ávila, Das Buch der Gründungen, S. 137.
4 Julia Farmer, ,You Need But Go to Rome‘: Teresa of Ávila and the Text/Image Power Play, in: Women’s Studies: An Interdisciplinary Journal 42,4 (2013), S. 390–407.
5 Teresa von Ávila, Das Buch der Gründungen, S. 443.


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