Der Ausstellungsraum im Kunstmarkt

Der Ausstellungsraum im Kunstmarkt

Organisatoren
Forum Kunst und Markt an der Technischen Universität Berlin, Institut für Kunstwissenschaft und Historische Urbanistik
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.11.2014 -
Url der Konferenzwebsite
Von
René Hartmann / Tino Mager, Fachgebiet Kunstgeschichte, Technische Universität Berlin

Nach den vorangegangenen Workshops „Der Preis der Kunst“ (2012) und „Kunstmarkt Berlin“ (2013) widmete sich der dritte Workshop des Forums Kunst und Markt am 22. November 2014 dem „Ausstellungsraum im Kunstmarkt“. Parallel dazu wurde die neue Website des Forums vorgestellt1, auf der auch die Abstracts der einzelnen Vorträge verfügbar sind.

Eingeladen hatten Dorothee Wimmer, Bénédicte Savoy, Johannes Nathan und Lukas Fuchsgruber hierfür internationale Vertreter mit dem Forschungsschwerpunkt Kunstmarkt, die den Gegenstand aus den verschiedensten Perspektive betrachten. Als Anschauungsobjekte waren dabei schwerpunktmäßig Mitteleuropa und die USA vertreten. Abgedeckt wurde der Zeitraum von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart – wobei die Veranstalter selbst bedauerten, dass Einreichungen zum sogenannten Dritten Reich und der Nachkriegszeit bis etwa 1990 nicht vertreten waren.

Das auf den ersten Blick ambitioniert wirkende Programm von zehn Vorträgen wurde durch die glückliche Beschränkung der Beiträge auf maximal 20 Minuten Redezeit als angenehm ausgewogen empfunden. So blieb auch noch genügend Raum für Nachfragen und eine anregende Diskussion aller anwesenden Forscher, Kunsthändler und Studierenden.

Im Zentrum der pointiert vorgetragenen Beiträge stand der tatsächliche Raum in physischen Bauten als Ort, in dem der „Markt“ stattfindet. Lediglich die beiden letzten Beiträge verließen die schützenden Wände und widmeten sich der Reflexion über die Dekonstruktion des Ausstellungsraums.

Die chronologisch gereihten Vorträge begannen mit dem Blick nach Paris und der Situation des Kunstmarktes im 18. Jahrhundert. GERRIT WALCZAK (Berlin) stellte den Salon im Louvre als Ort der Präsentation von Kunstwerken vor, die zugleich als Werbung für den Künstler dienten. Nicht nur die Bilder selbst wurden – sofern nicht schon geschehen – verkauft, sondern sie hatten in erster Linie auch den Zweck, Auftraggeber zu gewinnen. Der „Ausstellungs“-Raum an sich war dabei nur von untergeordneter Bedeutung, er trat gänzlich hinter der Überfrachtung durch Bildwerke zurück, die Rahmen an Rahmen bis unter die Decke gehängt waren.

Kontrastierend dazu widmete sich ALLISON STAGG (Darmstadt / Berlin) der Vermarktung von low art in der Frühphase der USA, genauer gesagt von Karikaturen, die als populäres Medium des kurzweiligen Amüsements mit dem YouTube-Clip der Gegenwart vergleichbar sind. Sie wurden insbesondere in Barber-Shops, also in populären Orten der Kommunikation und Entspannung, ausgestellt und veräußert. In diesem überraschenden und aus heutiger Sicht ein wenig seltsamen Ausstellungsraum erreichten sie ein großes Publikum und dienten gleichzeitig als Mittel der Kundenbindung für die Friseure.

Ein frühes Beispiel der Umgehung von etablierten Einrichtungen im frühen 19. Jahrhundert im Bereich der high art stellte KONSTANTINOS STEFANIS (Athen) vor, der William Blakes in Eigenregie erstellte Auto-Retrospektive im Hause seines Bruders in Soho beschrieb. Das Scheitern von Blakes Initiative, sich als Maler zu etablieren, ist dabei sicherlich weniger auf die Bescheidenheit der Räumlichkeiten zurückzuführen, als auf den Mangel des institutionellen Rahmens.

LUKAS FUCHSGRUBER (Berlin) schlug den inhaltlichen Bogen zurück nach Paris und gab eine Vorstellung davon, wie sich die damaligen Künstler neue Räume eroberten. Das Auktionshaus wurde hier als idealer Ort entdeckt, um Kunstwerke schnell und effektiv vorzustellen und umgehend zu veräußern. Darüber hinaus war es nun möglich, die Kunstwerke in Räumen zu präsentieren, die, nicht mehr überfrachtet von Bildwerken, eine einträglichere Rezeption ermöglichten. Sie stellen den Anfang einer Entwicklung dar, die später mit dem White Cube eine auch heute noch – für Museen und Kunsthandlungen gleichermaßen – gültige Gestaltungsform erhielt. Hier stand nun nur noch das Kunstwerk und nicht mehr das Werk als Teil eines traditionellen Ausstellungsraums im Zentrum.

Nicht erst hier stellte sich nun die Frage, was Kunstraum und was Handelsort ist. Denn der Kunsthandel ist schließlich nur ein Teil des Kunstmarkts. Er ist die ökonomische Komponente, der „Raum“ in dem die Kapitalisierung von Kunstwerken im Rahmen einer ökonomischen Tauschbeziehung erfolgt. In der heutigen Wahrnehmung stehen er, beziehungsweise die Ladengeschäfte, die Gebäude demzufolge auch als Synonym für all das, was als Kunstmarkt verstanden wird. Welche Auswirkungen hat es für den Kunst-Markt, wenn der Kunsthandel in eigenen Palästen stattfindet?

Der gebaute Ort dieser ökonomischen Tauschbeziehung, die Kunsthandlung als Bauaufgabe stand demzufolge im Fokus des Vortrags von MEIKE HOPP (München). Ihre Auseinandersetzung beschäftigte sich mit Kunsthandlungen und deren medialer Rezeption im München der Jahrhundertwende. Dem architekturhistorisch nur unzureichend definierten Begriff der „Bauaufgabe“ näherte sie sich mit einer tiefergehenden Untersuchung verschiedener Neubauten von Kunsthändlern in München. Dabei wurde vor allem die Vielschichtigkeit dieser für Bauherren und Architekten mehr oder weniger neuen Bauaufgabe deutlich, bei der etwa Fassadengestaltungen und Raumprogramme keineswegs standardisierten Regeln folgten. Nur eines schien bereits tradierter und – von den Vorgängern übernommener – unverzichtbarer Bestandteil der „Aufgabe“ zu sein: Der große, gut belichtete Ausstellungsraum. Er sollte in erster Linie dazu anregen die Kunstwerke auch zu kaufen. Was darüber hinaus die „Bauaufgabe“ der Kunsthandlung darstellt, wird die weitere Untersuchung der Bauakten der Gebäude erst noch ergeben müssen – und genau das hat sich Frau Hopp erfreulicherweise zum Ziel gemacht.

ANDREA MEYER (Berlin), YVONNE BIALEK (Braunschweig) und MALCOM GEE (Newcastle) beschäftigten sich ebenfalls mit verschiedenen Inszenierungen für Ausstellungs- und Verkaufsräume. In den Mittelpunkt der Vorträge rückte nun endgültig die Verkaufsgalerie als Ort, an dem Kunstwerke präsentiert werden, um sie zu veräußern. Dabei wurde vortragsübergreifend deutlich, dass Verkaufsausstellungen in ihrem Aufbau und in der Ausstattung der Räume doch stark an eine museale Präsentation angelehnt waren. Darüber hinaus kam unternehmerischen Konzepten, geleitet von der Idee, wie der geeignete Raum für eine Verkaufsausstellung aussehen muss, eine wichtige Rolle zu. Auch hier wurde deutlich, dass die Bauaufgabe mindestens ein Aushandlungsprozess zwischen ökonomischen und gestalterischen Positionen ist.

THOMAS SKOWRONEKs (Berlin) Einblick in den Moskauer Kunstmarkt der 1990er-Jahre führte den Aufbruch der physischen Raumstrukturen vor Augen, deren Entwicklung die Tagung über zwei Jahrhunderte nachvollzogen hat. Der Galerieraum selbst wird dabei entweder zu einem Teil des Kunstwerkes, der sich nicht mehr den etablierten Gepflogenheiten optimaler Rezeption unterordnet, oder er wird in seiner Substitution durch öffentlichen Raum und Massenmedien gänzlich obsolet.

Dass die damit konnotierte Befreiung vom Kunstmarkt nur eine scheinbare ist, verdeutlichte abschließend SEBASTIAN BADEN (Karlsruhe) in seiner aufschlussreichen Betrachtung zu den Monumenten und Metaphern des Kunstmarktes. Er führte dabei vor Augen, dass sowohl jegliche Institutionskritik als auch die künstlerische Dekonstruktion des Galerieraumes letztendlich nur Illusionen sind, die der unnachgiebigen Gravitation des Kunstmarktes unterworfen bleiben. Baden gelang es dabei noch einmal, einen interessanten Impuls zum weiteren Nachdenken und Forschen zu geben, bevor die Tagung mit einer knappen Abschlussdiskussion zu Ende ging.

Der Workshop verdeutlichte somit insbesondere zwei Dinge. Zum einen, dass die Geschichte des Ausstellungsraums im Kunstmarkt keine singuläre ist, sondern dass es stets komplexe Verflechtungen von Verkaufs- und Museumsausstellungen gab, was anhand der Inszenierungsgeschichte plausibel zu Tage trat. Zum anderen zeigte sich, dass der Ausstellungsraum nur ein Teil der Bauaufgabe Kunsthandlung im weitesten Sinne ist. Zu ihr zählt auch das architektonische Programm der Gebäude, die stets Teil eines komplexen unternehmerischen Konzeptes sind. An dieser Stelle weitet sich der Raum für anknüpfende und weiterführende Forschungen.

Konferenzübersicht:

Bénédicte Savoy / Dorothee Wimmer (Berlin), Begrüßung und Einführung

Sektion I: Strategien und Orte. 1700-1900
Moderation: Johannes Nathan (Zürich/Berlin)

Gerrit Walczak (Berlin), Werben und Verkaufen: Ausstellungen und Kunstmarkt im Paris des 18. Jahrhunderts

Allison Stagg (Darmstadt/Berlin), The American “Dressing Academy”: Venues for Political Caricature and Prints in the Early Republic

Konstantinos Stefanis (Athens), Houses as commercial sites for art exhibitions: The case of William Blake’s 1809 retrospective

Lukas Fuchsgruber (Berlin), „L’admiration porte intérêt.“ Das Auktionshaus als Raum für Verkaufsausstellungen lebender Künstler um 1850 in Paris

Meike Hopp (München), „Denn es ist noch nicht sehr lange her, daß der Kunsthandel in eigenen Palästen thront“. Die Kunsthandlung als „Bauaufgabe“ und deren Rezeption in München um 1900

Sektion II: Neue Räume – Neue Inszenierungen? 20. Jahrhundert und Gegenwart
Moderation: Stephanie Tasch (Berlin)

Andrea Meyer (Berlin), „Die Einrichtung ist die übliche...“ Die Ausstellungsräume der Berliner Secession

Yvonne Bialek (Braunschweig), Ein neuer Raum für neue Kunst: Alfred Stieglitz' & Edward Steichens Galerie 291 in New York

Malcolm Gee (Newcastle), The modern art gallery c. 1905-1933

Thomas Skowronek (Berlin), Räume der Distinktion, Räume der Disziplin. Neureiche, Skandale und die Suche nach einer Kunstöffentlichkeit auf dem Moskauer Kunstmarkt der 1990er-Jahre

Sebastian Baden (Karlsruhe), Vom „Pavillon du Réalisme“ zur „Art Unlimited“ – Monumente und Metaphern des Kunstmarktes

Schlussdiskussion

Anmerkung:
1 Zur Website des Forums: <http://www.fokum.org>, (9.12.2014)