Doktoranden-Kolloquium „FUER Geschichtsbewusstsein“

Doktoranden-Kolloquium „FUER Geschichtsbewusstsein“

Organisatoren
Forschungsgruppe FUER Geschichtsbewusstsein
Ort
Basel
Land
Switzerland
Vom - Bis
23.10.2014 - 24.10.2014
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Von
Jan Albroscheit / Alexander Buck / Andreas Körber, Universität Hamburg

Das Doktoranden-Kolloquium „FUER Geschichtsbewusstsein“ hat sich mittlerweile zu einer festen Institution innerhalb dieser Forschungsgruppe etabliert. Bereits zum fünften Mal trafen sich die Nachwuchswissenschaftler mit ihren Hochschullehrern am 23./24. Oktober 2014 in der Fachhochschule Nordwestschweiz (Pädagogische Hochschule) in Basel, um ihre Projekte vorzustellen, diese zu diskutieren und weiterzuentwickeln. An der Tagung nahmen neben den gastgebenden Baslern die Standorte Eichstätt-Ingolstadt, Köln, Aarau und Hamburg teil. Als fruchtbar hat sich dabei die Vereinbarung erwiesen, dass zunächst der Nachwuchs und im Anschluss daran die Professoren Stellung zu den vorgestellten Projekten beziehen. In Basel wurde deutlich, dass die Forschungsvorhaben der Doktoranden ein breites Spektrum an unterschiedlichen Themen aufweisen und wichtige Impulse für die Disziplin geben könnten.

Weit fortgeschrittene Arbeiten stellten die beiden Kölner Teilnehmer ROBERT DITTRICH und LALE YILDIRIM in dem Panel „Geschichtsbewusstsein erforschen“ vor. Während Dittrich sich als Ziel gesetzt hat, das Geschichtsbewusstsein der Disziplin Geschichtsdidaktik von 1926 bis 2010 zu untersuchen, legt Yildirim den Fokus auf das Geschichtsbewusstsein Jugendlicher mit türkeistämmigem Migrationshintergrund der dritten Generation in Deutschland.

Robert Dittrich überzeugte mit seinem Ansatz, das Geschichtsbewusstsein der Disziplin anhand ihrer Disziplingeschichtsschreibung untersuchen zu wollen. In seiner pointiert vorgetragenen Darstellung unterschied er verschiedene Phasen, in denen sich das historische Selbstverständnis der Geschichtsdidaktik entscheidend verändert hat. Er bezog sich dabei auf bekannte – und zum Teil in Vergessenheit geratene – Größen der Disziplin. Der Schlusspunkt seiner Periodisierung wurde kontrovers diskutiert. Dabei verteidigte Dittrich die These, dass die ältere sozialwissenschaftliche Forschungsepoche der Disziplin nun durch eine neue paradigmatische Forschungsphase abgelöst werde, was eine Revision der etablierten Disziplingeschichtsschreibung einleiten könnte. Ferner sprach er sich dafür aus, die geschichtsdidaktische Fundamentalkategorie Geschichtsbewusstsein nicht leichtfertig zur Disposition zu stehen.

Lale Yildirim stellte einige Ergebnisse aus ihrer umfangreichen quantitativ-qualitativen Studie vor. Ihr zufolge könne der Migrationshintergrund als ein bedeutender Faktor des historischen Denkens charakterisiert werden, wie sie an verschiedenen Beispielen belegte. Die vorgestellte Typisierung und die Verschränkung der erhobenen Daten wurden als mögliche Arbeitsschwerpunkte für die Schlussphase dieses Dissertationsprojektes identifiziert.

Im zweiten Panel („Geschichtslehrpersonen erforschen“) wurde der Fokus auf die Lehrerprofessionalisierung gerichtet. Das (nicht nur) in der Geschichtsdidaktik zurzeit breit untersuchte Feld der Lehrerforschung nahm JAN ALBROSCHEIT (Hamburg) aus einer bisher in der Disziplin weitgehend vernachlässigten Perspektive in den Blick. Er skizzierte sein Forschungsprojekt zu didaktischen Konzepten von Studienseminarleitern als wesentlichen Akteuren in der zweiten Ausbildungsphase der Geschichtslehrer. Diese sollen in einer qualitativen Studie rekonstruiert werden. Innerhalb der Diskussion dieses Vorhabens wurde insbesondere der für die empirische Untersuchung zu Grunde gelegte Expertenbegriff diskutiert. Die Relevanz des Themas und die Fokussierung auf die Gruppe der Studienseminarleiter wurden von Seiten der Teilnehmer bestätigt und begrüßt.

Dem Forschungsstand zur Professionalisierungsforschung und den dahinter stehenden theoretischen Überlegungen widmete MARTIN NITSCHE (Aarau) breiten Raum innerhalb seines Vortrags zu den „Beliefs von Geschichtslehrpersonen“. Er berief sich dabei auf deutsch- und englischsprachige Forschungsarbeiten und leitete verschiedene Schlussfolgerungen aus diesen ab. Der Doktorand stellte zudem sein Design für eine quantitativ-qualitative Studie vor. Diskutiert wurden einige der dabei vorgestellten Prämissen und die zugrunde liegenden Fragestellungen, wobei das Projekt – vor allem aufgrund der fundierten theoretischen Überlegungen – überzeugte.

Das dritte Panel trug den Titel „Kompetenzorientierung“. MICHAEL WERNER (Eichstätt) widmete sich der – auch innerhalb der FUER-Gruppe durchaus kontrovers diskutierten – Historischen Sachkompetenz. In seinen theoretischen Überlegungen postulierte Werner, dass zwischen Wissen und Sachkompetenz lediglich scheinbar ein Gegensatz bestehe und zeigte, wie deutlich sich die prozeduralisierten Wissensstrukturen der Historischen Sachkompetenzen mit anderen Kompetenzbereichen (Frage-, Methoden- und Orientierungskompetenzen) überschneiden. Mit Hilfe eines Mixed-Methods-Ansatzes will Werner die propositionalen Netzwerke der Historischen Sachkompetenz erforschen. In der sich anschließenden Diskussion wurde unter anderem auf das ebenfalls wenig geklärte Verhältnis subjektiver Überzeugungen zu diesem Feld von Wissen und Sachkompetenz verwiesen und eine weitere konzeptionelle Schärfung der anzulegenden Begriffe und Methoden angeregt.

Zur Wirksamkeit von Lehrerfortbildungen referierte INA OBERMEYER (Eichstätt). Sie stellte dabei ein umfangreiches Fortbildungskonzept für fachfremd unterrichtende Geschichtslehrer vor. Ihre Forschungsfrage lautet, inwiefern dieses in einer Langzeit-Fortbildung zu einer dauerhaften Veränderung von Lehrerverhalten führen kann. Im Zentrum steht dabei die Entwicklung einer kompetenzorientierten Aufgabenkultur mithilfe einer progressiven Struktur von mehreren Fortbildungsteilen über einen längeren Zeitraum. Sowohl über das Forschungsziel als auch die Konzeption der Fortbildungsreihe wurde innerhalb der Gruppe durchaus kontrovers diskutiert. Dass diese Phase der Lehrerbildung und die Gruppe der fachfremd unterrichtenden Lehrkräfte jedoch wichtige Forschungsfelder seien, wurde unisono zurückgemeldet.

An den Besuch einer Ausstellung zur Schweiz im Ersten Weltkrieg schloss sich der Vortrag von JULIA THYROFF (Basel) im Panel „Außerschulische Geschichtsvermittlung“ an. Sie erforscht, inwiefern historische Ausstellungen als Orte historischen Denkens begriffen werden können. Sie vermutete, dieses historische Denken erhalte innerhalb einer Ausstellung eine spezifische Prägung, die empirisch rekonstruiert werden könne. Die Ausstellung zur Schweiz im Ersten Weltkrieg dient ihr dabei als Forschungsraum. Im Zentrum ihres Vortrages standen die geplanten Methoden des lauten Denkens und der Interview-Leitfaden für die qualitative Analyse. Eine bereits erfolgte Pilotierung zeigte dabei sowohl Chancen als auch Probleme dieser Erhebungsmethoden. Für weitere Fokussierungen und Schärfungen erhielt sie dafür aus dem Plenum verschiedene Hinweise.

Der so auch langfristig etablierte konstruktiv-kritische Austausch zur Beratung der vortragenden Nachwuchswissenschaftler wird im Juni 2015 in Hamburg fortgeführt. Interessenten, bei denen das Kompetenzstrukturmodell der FUER-Gruppe eine Rolle spielt, können ihre Bewerbungen an Jan Albroscheit (jan.albroscheit@uni-hamburg.de) richten.

Konferenzübersicht:

Panel 1: Geschichtsbewusstsein erkunden

Robert Dittrich (Universität zu Köln): Das Geschichtsbewusstsein der Geschichtsdidaktik.

Lale Yildirim (Universität zu Köln): Geschichtsbewusstsein Jugendlicher mit türkeistämmigem Migrationshintergrund der dritten Generation in Deutschland. Eine empirische Studie an Hauptschule, Realschule und Gymnasium.

Panel 2: Geschichtslehrpersonen im Fokus

Jan Albroscheit (Universität Hamburg): Methodische Überlegungen zu einer qualitativen Studie über die geschichtsdidaktischen Konzepte von Studienseminarleitern.

Martin Nitsche (Zentrum für Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der PH FHNW, Aarau): Beliefs von Geschichtslehrpersonen.

Panel 3: Kompetenzorientierung

Michael Werner (KU Eichstätt-Ingolstadt): Historische Sachkompetenz als Zugang zur Differenzierung von Wissen und Kompetenzen historischen Denkens.

Ina Obermeyer (KU Eichstätt-Ingolstadt): Die Vermittlung des Paradigmas „Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht der Mittelschule“ an (fachfremd) unterrichtende GSE-Lehrkräfte durch kompetenzorientierte Aufgabenstellungen im Rahmen einer Lehrerfortbildung.

Panel 4: Außerschulische Geschichtsvermittlung

Julia Thyroff (Universität Basel): Historisches Denken von Ausstellungsbesuchenden.


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