„Kollektive Akteure“ und Gewalt. Macht und Ohnmacht im 20. Jahrhundert

„Kollektive Akteure“ und Gewalt. Macht und Ohnmacht im 20. Jahrhundert

Organisatoren
Anne Bieschke, Lehrstuhl für Zeitgeschichte, Universität Mannheim; Markus Stadtrecher, Institut für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg
Ort
Mannheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.01.2015 - 24.01.2015
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Von
Richard Rohrmoser/Johannes Schneider/Vivian Seidel Historisches Institut, Universität Mannheim

Die Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts rückten jüngst durch die Jahrestage des Beginns des Ersten und des Endes des Zweiten Weltkriegs in die Öffentlichkeit und bildeten einen der Ausgangspunkte der Tagung „‚Kollektive Akteure und Gewalt‘. Macht und Ohnmacht im 20. Jahrhundert“, die vom 22. bis 24. Januar 2015 an der Universität Mannheim stattfand. Veranstaltet wurde die Tagung vom Lehrstuhl für Zeitgeschichte (Universität Mannheim) und dem Institut für Europäische Kulturgeschichte (Universität Augsburg), in Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. In ihren Vorträgen fragten die ReferentInnen wie aus Ohnmacht und Gewalterfahrungen Macht entstehen kann und welche Rolle Gewalt dabei spielt. Untersucht wurden die Zusammenhänge von Protest, sozialen Bewegungen und Gewalt, die Bedeutung von Gewalt in Sprache und Kunst, aber auch der Umgang mit besonderen Gewalterfahrungen, wie sie Migranten oder Frauen erleben.

DAGMAR ELLERBROCK (Dresden) präsentierte in ihrer Keynote einen Werkstattbericht ihres laufenden Projekts, in dem sie Gewalt und Gefühle in Relation setzt. Ausgehend von allgemeinen Überlegungen zu den Begriffen Macht, Gewalt und Gefühlen entwickelte sie eine Theorie, wie aus einem Ohnmachtsgefühl Selbstermächtigung entwachsen kann. Die Intensivierung von Emotionen und Aktionen verändern Dynamiken innerhalb einer Gruppe mit weitreichenden Folgen für die Masse. Gefühle fungieren als Katalysatoren, die den Umschlag von Ohnmacht in Macht beschleunigen können. Gesteigerte Emotionalität in der Gruppe kann individuelle Hemmschwellen absenken und damit Handeln Einzelner ermöglichen, das ohne die Gruppendynamik unvorstellbar gewesen wäre. Dabei bleibt offen, wie sich eine Gruppe von Akteuren verhalten wird: Gewalteskalation oder Deeskalation? Anhand historischer Fallbeispiele verdeutlichte sie ihre Theorie, aber machte gleichzeitig auf die methodischen Herausforderungen einer emotionsbasierten Geschichtsforschung aufmerksam.

Die OrganisatorInnen ANNE BIESCHKE (Mannheim) und MARKUS STADTRECHER (Augsburg) knüpften nach der Begrüßung an die Keynote an: Bieschke schlug für die Tagung einen weiten Gewaltbegriff als Arbeitsgrundlage vor, bei dem das Gewaltverständnis des jeweiligen Akteurs konstitutiv ist. Die Analyse von Interaktionen steht bei der Analyse von Gewaltphänomenen somit im Vordergrund. Damit stellte Bieschke die Überleitung zur ersten Sektion her, die sich mit der Verbindung von Gewalt und Protesten auseinandersetzte.

Mangelhafte Interaktion zwischen kollektiven Akteuren begünstigt den Ausbruch von Gewaltakten, so die These von ANNE NASSAUER (Berlin). Sie erforschte anhand von Demonstrationen in den USA und Deutschland, ob Gewalthandlungen aus Dynamiken innerhalb einer Gruppe von kollektiven Akteuren resultieren und sich Gewaltausbrüche an äußeren Indikatoren vorhersagen lassen. Den analytischen Quellenbestand bildeten Audiovisuelle Medien. Nassauer machte unterschiedliche „Gewalttrigger“ aus, die zu Eskalationen führen können. Um diesen vorzubeugen, ist eine reibungslose interne Kommunikation und Verständigung zwischen Protestierenden und Ordnungskräften unabdingbar. Nassauers Studie zeigte jedoch, dass genau diese Komponente bei den meisten Demonstrationen, die eskaliert sind, nicht zur Genüge sichergestellt war. Sie zeigte, dass hier „der“ kollektive Akteur nicht machtlos ist, sondern in der eingenommenen mikrosoziologischen Perspektive handlungsfähig bleibt, denn „er“ ist es, der die Fähigkeit zur Kommunikation besitzt und in der Lage ist Gewalteskalationen zu verhindern.

Den Kampf um Anerkennung von deutschen Deserteuren nach 1945 beleuchtete MARCO DRÄGER (Göttingen). Diese hatten eine doppelte Gewalterfahrung erlitten: Waren sie während des Krieges einer entfesselten Militärjustiz unterworfen, folgte nach Kriegsende eine gesellschaftliche Stigmatisierung. Die physische Gewalt ging in strukturelle Gewalt über. Deserteure galten – auch aufgrund fortgesetzter Karrieren von ehemaligen NS-Richtern – weiterhin als „Vaterlandsverräter“. Dieses Bild bekam erste Risse, als Hans Filbinger wegen seiner Mitwirkung an Todesurteilen zurücktreten musste. Der Streit um den NATO-Doppelbeschluss war eine weitere Triebfeder, das Verhältnis zu den Deserteuren zu hinterfragen. Vor allem die Friedensbewegung setzte sich für eine Rehabilitierung und das Gedenken an die Deserteure des Zweiten Weltkriegs ein. Außerdem fand ein Generationswechsel in maßgeblichen Institutionen statt. Als Meilenstein gilt der Entscheid des Bundes- und Sozialgerichts von 1991, der Deserteuren eine Entschädigung zusprach. Problembehaftet bleibt jedoch noch heute die Frage, wie und wo an Deserteure erinnert werden soll.

Gewalt in einem aktuellen Kontext diskutierte OLEKSANDR SVYETLOV (Kiew) in seinem Referat über die Orange Revolution in der Ukraine. Ausgehend vom Zerfall der Sowjetunion argumentierte er, dass der Verlust einer staatlichen Ordnung den Zusammenbruch zivilgesellschaftlicher Aktivitäten zur Folge hatte. Unter diesem Blickwinkel betrachtete er die Proteste zwischen 2001 und 2004 in Kiew. Die Demonstrationen der Studierendenorganisation PORA dienten als Beispiel für die Interaktionsschwierigkeiten zwischen etablierten politischen Strukturen und Protestbewegungen der Revolution. Die politische Situation seit den 1990er-Jahren wurde exemplarisch illustriert, um die demokratische Entwicklung der Ukraine aufzuzeigen.

Die folgende Sektion widmete sich am Beispiel von Literatur und Musik Diskursen über die sprachliche Konstruktion und Dekonstruktion von Gewalt. Aus einer literaturwissenschaftlichen Perspektive näherte sich STEFAN LINDL (Augsburg) dem Phänomen „Gewalt“ und plädierte dafür diese als Chiffre für die „-ismen“ zu verstehen. Anhand von Textpassagen aus „Mein Kampf“, die er Textklassikern der Postmoderne gegenüberstellte, zeigte er auf, dass alle sprachlichen Zuschreibungen, die unter anderem im Nationalsozialismus Ausgrenzungen, Verfolgungen und Genozid legitimierten, bloßes sprachliches Konstrukt sind. Als Beispiel wählte er das „Projekt Dekonstruktion“ französischer und US-amerikanischer PhilosophInnen und SoziologInnen, das sich als Gegenprojekt zu den „-ismen“ des 20. Jahrhunderts verstehen lässt und das genau diese Konstruiertheit entlarven will. Gewalt wird hier als eine Gestaltungsform gesehen, deren Ziel es ist, belebte, unbelebte, soziale, begriffliche Strukturen grundlegend zu erschüttern oder zu vernichten.

Auf strukturelle Gewalt fokussierte INA JESKE (Augsburg) ihren Vortrag über afrodeutsche Rapkünstler. Sie formulierte die These, dass Rap als künstlerisches Mittel des Widerstands und zur Verarbeitung von Alltagsrassismen Anwendung findet, insbesondere bei den von ihr gewählten Beispielen, dem Künstlerkollektiv Brothers Keepers sowie dem Rapper B-Tight. Beide verbindet die Ausgrenzungserfahrung in der Mehrheitsgesellschaft, die sie als spezifische Gewalterfahrung in ihren Texten thematisieren. Seit dem gewaltsamen Tod des afrodeutschen Alberto Adriano machten sich die Brothers Keepers zur Aufgabe, den offen zutage getretenen Rassismus zu bekämpfen. Sie griffen auf unterschiedliche Methoden zurück. So betonen die Brothers Keepers in ihren Songs ihren Zusammenhalt gegen Rassismus. Zugleich wird unter Androhung von Gewalt verbaler Widerstand gegen rechte Gewalt geleistet. B-Tight wiederum provoziert durch Verwendung rassistisch konnotierter Begriffe und gewaltverherrlichender Plattencover. Gewaltphantasien entspringen hier aus einem perzipierten Ohnmachtsgefühl gegenüber Rassismus und spiegeln auch Selbstzerstörungstendenzen wider.

Gewalt als Katalysator des medizinischen Fortschritts stand im Mittelpunkt der nächsten Sektion. SUSANA ROCHA TEIXEIRA (Heidelberg) beschrieb unter anderem am Beispiel des Ersten Weltkriegs die historische Entwicklung der plastischen Chirurgie und begriff behandelnde Ärzte als kollektive Akteure. Massenhafte Gewalterfahrung und mangelhafte gesellschaftliche Reintegration waren ein Wendepunkt für die plastische Chirurgie. Der Vorwurf, rekonstruktive Eingriffe verstießen gegen den Hippokratischen Eid verstummte in gleichem Maße, wie die Front entstellte Menschen produzierte. Nach dem Waffenstillstand ging der Bedarf an plastischer Chirurgie jedoch zurück, gleichzeitig kam es zu einer zunehmenden Vernetzung der Fachärzte. In den USA jedoch trug die mediale Präsenz zur Anerkennung bei. Dort wurden solche Eingriffe mit dem amerikanischen Gründungsmythos, eines „Neuanfangs“ in der Neuen Welt, in Verbindung gebracht, wie Texeira am Beispiel des Romans „Black Oxen“ verdeutlichte.

Mit psychosozialen Folgen des Ersten Weltkriegs beschäftigte sich GUNDULA GAHLEN (Berlin), denn der Krieg schuf auch einen erhöhten Bedarf an Psychiatern. Gahlen fragte, ob der kollektive Akteur „Armee“ in der Behandlung kriegsneurotischer Erkrankungen in hierarchische Strukturen zerfiel: Wurden Mannschaftsdienstgrade anders behandelt als Offiziere? Die Psychiatrie erlebte im Laufe des Weltkriegs einen Bedeutungszuwachs, der schließlich zu ihrer Anerkennung als Therapieform führte. Quellenmaterial zeigte, dass die Psychiatrie unteren Dienstgraden im Gegensatz zu Offizieren eine degenerierte seelische Konstitution attestierte, die Kriegsneurosen begünstigte. Deswegen wurden bei dieser Soldatenkohorte andere Therapien angewendet. Offizieren wurden – unter Berücksichtigung ihrer sozialen Stellung – solche Makel nicht in dieser Häufigkeit diagnostiziert. Wurden kriegsbedingte Neurosen festgestellt, so liefen die Befunde auf eine mit geringerem gesellschaftlichem Stigma behaftete Erkrankung hinaus. Einschränkend stellte Gahlen jedoch fest, dass Diagnostik und Behandlungsmethoden letztendlich von Ärzten individuell festgelegt wurden. Im Zuge der Etablierung der Psychiatrie löste sich die Ärzteschaft von den sozialen Kategorien ihrer Patienten als Determinante für eine Behandlung.

Die Gewalt bei Migrations- und Integrationsprozessen stand im Fokus der nächsten Sektion. MARKUS STADTRECHER (Augsburg) beleuchtete die Ackermann-Gemeinde als kollektiven Akteur. Sie bot eine Anlaufstelle für die katholischen sudetendeutschen Vertriebenen nach 1945. Hier wurden Nah- und Fernziele formuliert: Einerseits Integration, Zusammenhalt und Abbau der Diskriminierung, andererseits Rückkehr in die Heimat. Die Inanspruchnahme des Begriffs „Opfer“ sollte allerdings keinen Revanchismus begründen, wohl aber anzeigen, dass sich die Gruppe als Opfer von Gewalt sah. Bildungs- und Kulturangebote sollten Rachebestrebungen ein Korrektiv entgegensetzen, was dem christlichen Wertekanon des Akteurs entsprach. Ein weiteres integratives Moment war die Miteinbeziehung der Vertriebenen in politische Strukturen, um nur ein Beispiel dafür zu nennen, wie sich ein relativ machtloser Akteur Ressourcen aufbaute. Das Fernziel der Vertriebenen, in die ehemalige Heimat zurückzukehren, blieb unerreicht – es bestehen jedoch vielfältige Kontakte und Erinnerungsplaketten zeugen heute von ihrer einstigen Präsenz. Stadtrecher warf in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob nicht auf diesem Wege eine zumindest ideelle „Rückeroberung“ der Gebiete vonstattengegangen ist.

Das Schicksal russischer Exilanten in der Zwischenkriegszeit in Deutschland stellte ARTEM LYSENKO (Moskau) dar. Er fragte inwiefern die Emigranten Opfer von Gewalt waren oder die Emigration als ein Kulturereignis gesehen werden konnte. Für Lysenko blieb dies jedoch unbeantwortet: Die Emigranten waren zwar einerseits einer Gewalterfahrung ausgesetzt, allerdings kann diese Erfahrung auch als ein Kulturereignis wahrgenommen werden. Der Referent veranschaulichte dieses Beispiel von Gewalt und Emigration durch eine journalistische Perspektive und die Berichterstattung im Novyj Mir.

In einem Impulsreferat stellte PHILIPP GASSERT (Mannheim) fest, dass kollektive Akteure primär in der Opferrolle, nicht jedoch als Täter berücksichtigt wurden. Er schlug eine inhaltliche Öffnung, vor allem in Hinsicht auf die imperiale Geschichte des 20. Jahrhunderts, in der die Nationalstaaten als maßgebliche Gewaltakteure im Mittelpunkt standen, vor. Weiter betrachtete Gassert Gewalt losgelöst von ihrem destruktiven Charakter: In die Analyse müssen die „positiven“ Aspekte von Gewalt Eingang finden, wie z. B. staatliche Gründungsmythen, bei denen Gewaltanwendung positiv konnotiert ist. Die Ermächtigung oder Selbstermächtigung für die Gewaltanwendung spielt eine wichtige Rolle. Je nach Standpunkt kommt eine andere Rechtfertigungsgrundlage für Gewalthandlungen zum Tragen. Daran schloss er die Frage nach der Beständigkeit oder Wandlungsfähigkeit des Gewaltbegriffs in der Historiographie an. Die Ereignisse des ausgehenden 20. Jahrhunderts scheinen diesen Prozess mit der Verschiebung von Feindbildern abzubilden: Nicht mehr klassische Nationalstaaten sind als gewaltausübende Akteure präsent, sondern transnationale Terrorgruppen oder multinationale Konzerne.

Die abschließende Sektion thematisierte das Verhältnis von Gewalt und Geschlecht. In ihrem Vortrag verglich ANNE BIESCHKE (Mannheim) die Strategien der Frauenbewegung und der Frauenfriedensbewegung im Umgang mit Gewalt. Im Kontext der Nachrüstungsdebatte ab den späten 1970er-Jahren stellten Vertreterinnen der Frauenfriedensbewegung einen Zusammenhang zwischen Krieg als Zustand und der Ungleichbehandlung der Geschlechter her: Sowohl Gewalt mit militärischen Mitteln, als auch strukturelle und tatsächliche Gewalt im Alltag bedeuten „Krieg“ für Frauen. Während die Friedensfrauen sich darum verstärkt für den Frieden und in der Friedensbewegung engagierten, kritisierten große Teile der autonomen Frauenbewegung diese Haltung. Sie befürchteten, dass durch die Erweiterung des Gewaltbegriffs die eigentlichen Anliegen der Frauenbewegung – Beendigung der konkreten Gewalterfahrungen von Frauen – zugunsten des Protests gegen die „abstrakte“ Bedrohung durch den Kalten Krieg in den Hintergrund gedrängt würde.

Anhand der Wiener Hungerkrawalle veranschaulichte VERONIKA HELFERT (Wien) die Rolle protestierender Frauen in Kriegszeiten. Sie wandten sich gegen das Bild der passiven Frau an der Heimatfront, während die Männer auf den Schlachtfeldern kämpften. Helfert stellte das bipolare Geschlechterverhältnis in bürgerlichen Gesellschaften infrage und verstand die Hungerkrawalle als dezidiert weibliche Protestform. Während sich im 17. und 18. Jahrhundert Frauen und Männer gleichermaßen an den Hungerprotesten beteiligten, waren es im 20. Jahrhundert vor allem Frauen. Diese Proteste fanden häufig an Orten statt, wo ein spontanes Zusammentreffen vieler Menschen möglich war. Dabei äußerten die Demonstranten pragmatische Forderungen, die durch Kritik am Kapitalismus geprägt waren und andere Gesellschaftsmodelle propagierten. Offen blieb, ob die Proteste auch mit intersektionalen Modellen in Einklang gebracht werden können. Eine partielle Antwort lautete, dass in den Wiener Hungerkrawallen die unterschiedlichen sozialen Stellungen anhand des Protestgebarens offensichtlich wurden.

In der Abschlussdiskussion fasste CLAUDIA KEMPER (Hamburg) die Tagungsergebnisse zusammen. Analog zu Gassert schlug sie vor, den eingangs definierten Gewaltbegriff abzuwandeln und die aktive und erzeugende Funktion von Gewalt zu berücksichtigen, die auch kollektive Akteure hervorbringt. Gewalt dient demnach als Legitimationsmittel, Innovationsmotor, Produzent von neuen Ordnungen, soziales Distinktionsmittel und der Kommunikation. Sie plädierte dafür, sich auf konkrete Gewaltpraktiken zu fokussieren anstatt auf einer abstrakten Ebene zu verharren. Sie stellte zur Debatte, inwiefern Professionen, Emigranten oder Deserteure tatsächlich als kollektive Akteure gesehen werden können. Die Tagung zeigte, dass das Feld der Gewaltforschung für alle Disziplinen fruchtbar gemacht werden kann und auch in Zukunft reichhaltige Forschungsarbeiten ermöglichen wird.

Konferenzübersicht:

Dagmar Ellerbrock (Dresden), Von der Ohnmacht zur Selbstermächtigung? Gefühle als Movens von Gewalthandeln

Anne Nassauer (Berlin), Mikrosoziologische Perspektiven auf kollektive Gewalt(vermeidung) – zur Entstehung von Gewalt zwischen Demonstranten und der Polizei

Marco Dräger (Göttingen), Die doppelte Gewalterfahrung von Deserteuren des Zweiten Weltkriegs: Von der direkten Gewalt in der NS-Diktatur zum Kampf um Anerkennung in der Bundesrepublik

Oleksandr Svyetlov (Kiew), Collective action and social movements. Ukraine’s decade of resistance to authoritarianism. The “Orange Revolution” and beyond

Stefan Lindl (Augsburg), Gewalt im Text. Methodisch-theoretische Überlegung zu einer Geschichte der Gewalt in Texten postmodernen Denkens

Ina Jeske (Augsburg), Rap und Rassismus – Künstlerische Strategien im Umgang mit struktureller und alltäglicher Gewalt

Susana Rocha Teixeira (Heidelberg), Tilgung äußerlicher Spuren von Gewalt – Plastische Chirurgen als kollektiver Akteur im Prozess der Verarbeitung von Gewalt?

Gundula Gahlen (Berlin), Zur Bedeutung von sozialer Klasse und militärischem Rang beim Umgang der Psychiater mit „Kriegsneurotikern“ im Deutschen Reich während des Ersten Weltkriegs

Markus Stadtrecher (Augsburg), Vertriebenenorganisationen – Heterogene kollektive Akteure und die Verarbeitung von Gewalt in der Fremde. Das Beispiel der katholischen Ackermann-Gemeinde

Artem Lysenko (Moskau), Die russische Emigration in Deutschland in der Nachkriegszeit: Ein Opfer von Gewalt oder ein Kulturereignis?

Philipp Gassert (Mannheim), Impulsreferat

Anne Bieschke (Mannheim), Frauen gegen Gewalt: Konzepte der Neuen Frauen- und der Frauenfriedensbewegung im Vergleich

Veronika Helfert (Wien), Verführt und unvernünftig? Protestierende Frauen in den Umbruchsjahren 1917–1921 in Österreich

Claudia Kemper (Hamburg), Abschlussdiskussion