Workshop: Public History in Studium und Ausbildung

Workshop: Public History in Studium und Ausbildung

Organisatoren
AG Angewandte Geschichte / Public History des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD)
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.03.2015 - 27.03.2015
Url der Konferenzwebsite
Von
Deborah Hantke, Historisches Institut, Ruhr-Universität Bochum

Vom 25. bis zum 27. März 2015 fand unter dem Titel „Public History in Studium und Ausbildung“ an der Universität in Hamburg der fünfte Workshop der AG Angewandte Geschichte / Public History des Verbandes der Historiker und Historikerinnen (VHD) statt. Der Workshop richtete sich vorwiegend an Studierende und sollte sowohl einem Austausch zwischen diesen, Dozierenden und außeruniversitären Vertreterinnen und Vertretern historischer Professionen, als auch zwischen Studierenden verschiedener Standorte dienen. Er setzte sich mit Fragestellungen der Public History als Geschichtsvermittlung im öffentlichen außeruniversitären Bereich auseinander.

Eröffnet wurde der Workshop nach einer kurzen Begrüßung und Einleitung von THORSTEN LOGGE (Hamburg) mit einer Podiumsdiskussion. Vertreterinnen und Vertreter der inner- sowie außeruniversitären Geschichtswissenschaft diskutierten über die Fachdisziplin Geschichte zwischen Wissenschaft, Bildung und Kommerz.

Grundtenor der Podiumsdiskussion war, dass bisher noch zu wenig Grundlagenforschung im Bereich der deutschen Public History betrieben werde. Da zu wenig über Mechanismen des öffentlichen Interesses bekannt sei, stelle es sich als nahezu unmöglich heraus, diese Interessen zu prognostizieren und ihnen adäquat entgegenzukommen. Insbesondere AXEL SCHILDT (Hamburg) bemängelte, dass es der Geschichtswissenschaft besser gelingen müsse, sich auf medientechnische Veränderungen einzuspielen und diese zu bedienen, ohne jedoch wissenschaftliche Standards zu verletzen und sich der Öffentlichkeit anzubiedern. Diese Problematik werde zum Teil noch dadurch erschwert, dass in einer Zeit, in der sich die Medienwelt immer rascher neu erfinde, die Reaktionszeiten immer kürzer werden und sich daher die Halbwertszeit der Medienkompetenz stetig verringere.

Des Weiteren wurde festgestellt, dass die bestehenden und neu ausgeschriebenen deutschen Public History Professuren einen bisher (zu) dominierenden didaktischen Schwerpunkt innehaben. Laut CORD ARENDES (Heidelberg) solle die Public History hingegen eher den Platz einer Hilfswissenschaft der Geschichtswissenschaft einnehmen und sich nicht so sehr mit Erinnerungskultur auseinander setzen, wie es bei der Geschichtsdidaktik bisher der Fall sei. Hier zeigt sich somit ein weiteres Problemfeld der Public History: Wo will sich die Disziplin innerhalb der Geschichtswissenschaft positionieren? Versteht sie sich als reine Fachwissenschaft, die durch die Geschichtsdidaktik, Museumspädagogik, Medienwissenschaft usw. profitieren kann oder als eine neue Disziplin, die sich vielmehr als Hybrid aus vielen Bereichen zusammensetzt?

Zuletzt wurde darüber debattiert, wie ein Public History Angebot geographisch und damit thematisch ausgerichtet sein sollte. Während SABINE BAMBERGER-STEMMANN (Hamburg) den Standpunkt vertrat, dass gerade aktuelle politische Bewegungen wie PEGIDA zeigten, dass sich Bürgerinnen und Bürger in der globalisierten Welt immer weniger heimisch fühlten und diesen daher eher ein regionales Angebot entgegenkommen könne, plädierte Axel Schildt für eine nationale Auffächerung, was von FRANK DRAUSCHKE (Berlin) sogar noch mit dem Wunsch nach einer supranationalen Aufstellung übertroffen wurde. Fraglich ist jedoch, ob eine solche geographische Ausrichtung der Public History flächendeckend umsetzbar ist, wenn es eigentlich ihr Ziel ist, ein generelles außeruniversitäres Interesse an der Geschichte vorherzusehen und durch ein medial aufbereitetes Angebot zu befriedigen – insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass es bisher unklar ist, welche Aspekte wann und wie von einer breiten Öffentlichkeit als gesellschaftlich relevant angesehen werden.

Im nächsten Panel stellte IRMGARD ZÜNDORF (Potsdam) den Berliner Public History Studiengang vor, der seit 2008 in Kooperation mit dem Zentrum für zeithistorische Forschung fest an der Freien Universität Berlin etabliert ist. Bei dem Studiengang handele es sich um einen konsekutiven Masterstudiengang, dessen Schwerpunkt auf der deutschen und europäischen zeithistorischen Public History liege. In dem Studiengang stehen zunächst Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft sowie Vermittlungskompetenzen im Vordergrund. Bestehende Präsentationen wie zum Beispiel Dokumentationen oder Ausstellungen werden im Seminar mit einem medienwissenschaftlichen Bezug analysiert und dekonstruiert, indem den Fragen nachgegangen werde, welcher Narration die einzelnen Präsentationen folgen, welche Quellen sie heranziehen und ob sie an die Erfahrungswelt des Publikums anknüpfen. Durch einen weiteren Schwerpunkt auf Projektlehre, bei der Studierende eigenständig Projekte initiieren und durchführen, werde dann die Theorie in die Praxis umgesetzt. Ergänzt werde der Studiengang durch einen affinen Studienbereich, in dem die Studierenden sich in fachfremden Studiengängen neue Kompetenzen aneignen können. Frau Zündorf plädierte abschließend dafür, dass die Public History im Bereich der Fachwissenschaft verortet bleiben solle, da sie sich mit den Inhalten und Quellen, die aus diesem Bereich stammen, auseinandersetze.

In einem studentischen Kommentar äußerten sich drei Studierende aus Heidelberg zu dem Berliner Modell und lobten an ihrem fachwissenschaftlichen Master mit einem optionalen Public History Schwerpunkt die im Verhältnis zum Berliner Studiengang größer ausfallende Wahlfreiheit und Individualität.

Die bereits bestehenden Public History Studiengänge und -schwerpunkte legen die Hoffnung nahe, dass sich auch in Deutschland Public History als Arbeitsbereich etablieren kann und beständig immer weitere Studienprogramme in Deutschland eingeführt werden. Hierbei wäre eine noch engere Verzahnung zwischen den fachwissenschaftlichen und Public History relevanten Veranstaltungen sowie eine stärkere thematische Ausweitung auch auf Antike und Mittelalter wünschenswert.

In einem weiteren Panel stellte EVA SCHÖCK-QUINTEROS (Bremen) ihr Praxisprojekt „Aus den Akten auf die Bühne“ vor, das mittlerweile seit acht Jahren existiere. Hier werde einer Gruppe von Studierenden in einem Modul die Möglichkeit gegeben, zu einem selbstständig ausgewählten Themenkomplex – vorwiegend regionalgeschichtlicher Natur – Archivalien zu erschließen und auszuwerten. Dies geschehe immer vor dem Hintergrund der Verwertbarkeit der Archivfunde in einem Theaterstück. Daraufhin werde die Komposition einem Regisseur der Shakespeare Company übergeben, der oftmals in Kooperation mit den Studierenden Möglichkeiten für eine szenische Lesung der Materialien erarbeite. So entstehe aus dem Material ein Theaterstück, das von der Shakespeare Company aufgeführt werde. Die Studierenden haben die Möglichkeit, ihre Ergebnisse in den Publikationen des Projekts zu veröffentlichen.

Frau Schöck-Quinteros resümierte, dass das Projekt zwar sehr anspruchsvoll und mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden sei, dennoch eine sehr lohnenswerte Erfahrung darstelle, die sowohl von Studierenden als auch von der Öffentlichkeit mit einer großen Begeisterung angenommen werde.

Das vorletzte Panel setzte sich aus einer Diskussion zwischen THEKLA KEUCK (Köln) sowie drei Studentinnen aus Berlin und Hamburg zusammen. Die Disputantinnen waren sich einig, dass die Praxis über einen hohen Grad an Wissenschaftlichkeit verfügen müsse und die Fachwissenschaftlichkeit auf keinen Fall unter praxisorientierter Medienkompetenz leiden dürfe. Frau Keuck gab dabei einen Einblick in ihre Tätigkeit im Geschichtsbüro, in dem sie vor allem von Unternehmen damit beauftragt werde, ihre Geschichte aufzuarbeiten. Sie verdeutlichte, dass die Arbeiten ihrer Agentur zwar durchaus einer Auftragsarbeit nahe kommen, jedoch keiner Lenkung oder einer Zensur von Seiten des Unternehmens unterliegen.

Im letzten Panel widmete sich Cord Arendes der Frage nach einem Ethikkodex für Historiker. Er plädierte dafür, dass die Public History keinem eigenen Grundsatz folgen könne und solle, sondern sich viel mehr im Rahmen allgemeiner Grundsätze aller Historiker bewegen solle. Als zu klärende Fragen gelten sowohl ob und wenn ja welcher Verantwortung Historiker unterliegen, als auch wem gegenüber sie in einer solchen Verantwortung stehen.1

In einer Abschlussdiskussion fassten Thorsten Logge (Hamburg) und ANGELA SIEBOLD (Heidelberg) die zentralen Erkenntnisse des Workshops zusammen. Es habe sich gezeigt, dass es keine eindeutige und konsensförmige Definition von Public History gebe. Ferner müsse eine Grundlagenforschung im Bereich der Public History noch verstärkt werden. Grundsätzlich seien ein Zusammenwirken und ein Austausch der verschiedenen Public History Positionen, sowie eine epochenübergreifende Ausrichtung der Public History Studiengänge erwünscht.

Offen geblieben seien die Fragen danach, ob der Fokus von Public History auf einer didaktisch oder medial aufbereiteten Vermittlung fachwissenschaftlicher Inhalte liegen sollte, wo sich die Public History im Bereich der Erinnerungs- und Geschichtskultur positionieren könne und welche Aspekte Handlungskompetenz in historischen Professionen umfasse.

Der dreitägige Workshop verdeutlichte, dass innerhalb der noch jungen Disziplin der deutschen institutionalisierten Public History ein erheblicher Handlungsbedarf existiert. Es mangelt nicht nur an bedeutender Grundlagenforschung, die die Mechanismen des öffentlichen Interesses an Geschichte analysiert, sondern auch an einer eindeutigen und konsensförmigen Definition von Public History und ihrer Verortung innerhalb der Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Medienwissenschaft sowie ihrem Bezug zur Erinnerungs- und Geschichtskultur.

Des Weiteren hätte der Workshop stärker durch die Teilnahme einer größeren Anzahl von Vertreterinnen und Vertretern der Geschichtsdidaktik, Museumspädagogik und -didaktik bereichert werden können, um so auch diese Perspektiven mit in den Themenbereich der Public History zu integrieren und die fachwissenschaftliche Komponente durch eine didaktische und pädagogische zu erweitern. Der für einen nächsten Workshop geplante Titel „Geschichte präsentieren“ lässt darauf hoffen, dass auf der kommenden Veranstaltung ein solcher Einfluss stärker vertreten sein wird.

Konferenzübersicht:

Podiumsdiskussion
Moderation: Andreas Etges (München)

Axel Schildt (Hamburg) / Cord Arendes (Heidelberg) / Frank Drauschke (Berlin) / Sven Tetzlaff (Hamburg) / Kathrin Enzel (Hamburg) / Sabine Bamberger-Stemmann (Hamburg)

Begrüßung und Einleitung
Thorsten Logge (Hamburg)

Geschichte studieren – Public History studieren?
Irmgard Zündorf (Potsdam)
Kommentar: Beate Matthes (Heidelberg) / Frederick Hauke (Heidelberg) / Anna Strugalla (Heidelberg) / Inéz-Maria Wellner (Heidelberg)

Wie viel Praxis braucht das Geschichtsstudium?
Stefanie Borgmann (Berlin)
Kommentar: Thekla Keuck (Köln)

Erfahrungen aus der Projektlehre
Eva Schöck-Quniteros (Bremen)
Kommentar: Helen Wagner (Berlin) / Myriam Gröpl (Hamburg)

Wie viel Wissenschaftlichkeit braucht die Praxis?
Thekla Keuck (Köln)
Kommentar: Anina Falacsa (Berlin) / Lena Eggers (Berlin) / Viktoria Wilke (Hamburg)

Ethische Herausforderungen an die Schnittstelle von Forschung und Praxis
Cord Arendes (Heidelberg)
Kommentar: Claudia Kemper (Hamburg)

Abschlussgespräch
Moderation: Angela Siebold (Heidelberg) / Thorsten Logge (Hamburg)

Anmerkung:
1 Vergleiche dazu den erst kürzlich erschienenen Aufsatz: Cord Arendes / Angela Siebold, Zwischen akademischer Berufung und privatwirtschaftlichem Beruf. Für eine Debatte um Ethik- und Verhaltenskodizes in der historischen Profession, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 66 (2015), S. 152-166.


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