Fürstbischof Julius Echter (1573-1617) und die Stadt Würzburg

Fürstbischof Julius Echter (1573-1617) und die Stadt Würzburg

Organisatoren
Würzburger Diözesangeschichtsverein / Domschule Würzburg
Ort
Würzburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.11.2016 - 19.11.2016
Url der Konferenzwebsite
Von
Stefan W. Römmelt, Würzburg / Tübingen

Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, dessen Todestag sich 2017 zum 400. Mal jährt, hat Bistum und Hochstift Würzburg nachhaltig geprägt. Ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten lag auf der Haupt- und Residenzstadt Würzburg, in der er markante städtebauliche Akzente setzte und auf den verschiedensten Feldern zukunftsweisende Entwicklungen einleitete. Zugleich war seine Politik durch obrigkeitliche Zwangsmaßnahmen geprägt. Mit diesem ambivalenten Bild setzten sich die Vorträge des diözesangeschichtlichen Kolloquium 2016 zur Vorbereitung auf das Gedenkjahr 2017 auseinander.

Im wissenschaftlichen Vortrag bei der öffentlichen Jahresversammlung des Würzburger Diözesangeschichtsvereins widmete sich INGRID HEEG-ENGELHART der Thematik „Julius Echter und die Frauenklöster in und um Würzburg“. Bei seinem Umgang mit den Frauenklöstern legte Julius Echter unterschiedliche Strategien an den Tag. Während er einige von diesen konsolidierte wie in Würzburg-Himmelspforten (Zisterzienserinnen), Sankt Afra (Benediktinerinnen) und Sankt Marx (Dominikanerinnen), verhalf er zum Beispiel dem Prämonstratenserinnen Unterzell auf Druck von außen neu zur Wiedergründung und löste andere auf, um deren Mittel für seine Zwecke einzusetzen, erläuterte die Historikerin. Um 1500 waren im Bistum Würzburg von den rund 200 geistlichen Gemeinschaften 37 Einrichtungen für Frauen bestimmt. Im 16. Jahrhundert verringerte sich die Zahl der Gemeinschaften drastisch – bedingt zum Beispiel durch die Einführung der Reformation in den weltlichen Territorien, deren Gebiet ganz oder teilweise zum Bistum gehörte, aber auch durch einen inneren Niedergang der Klöster im katholischen Hochstift. Nutznießer der Einkünfte der im Hochstift ausgestorbenen Klöster war der Fürstbischof. Julius Echter war nur zum Teil an der Wiederherstellung der Frauenklöster interessiert, denn er verwendete zum Teil deren Einkünfte zur Neugestaltung des Fürsorge- und Bildungswesens (Gründung des Juliusspital und Universität). Ausführlich legte Heeg-Engelhart die Entwicklung in Unterzell dar, bei der sich in exemplarischer Weise zeigen ließ, dass Echter nicht immer selbstständig agieren konnte. „Bei dieser Wiederbegründung musste sich Julius Echter nach vielem Zögern dem Willen Kaiser Rudolfs II. und dem Wunsch des Gesamtordens beugen“, sagte Heeg-Engelhart. 1606 in einem Schreiben an den Kaiser vage in Aussicht gestellt, begannen die Bauarbeiten in Zell 1607 und wurden 1613 abgeschlossen. Das Kloster wurde jedoch erst 1642/43 wieder mit Ordensfrauen aus dem Konvent Meer bei Neuß am Rhein besetzt. „1645 schließlich wurden die Klosterkirche, Altäre, Kreuzgang und Friedhof durch den Mainzer Weihbischof Walter Heinrich von Strevesdorf konsekriert“ – 28 Jahre nach dem Tod Julius Echters.

In der Begrüßung zum eigentlichen Kolloquium verwies der Theologe RAINER DVORAK (Würzburg), der Direktor der Domschule Würzburg, auf das „Gefühlswirrwarr“, das zum Teil die Diskussion über Julius Echter bestimme. Anliegen der Tagung sei es, einen nüchternen Blick jenseits von Apologetik und Angriffen auf den Fürstbischof zu werfen.

Der Kirchenhistoriker WOLFGANG WEISS (Würzburg) betonte ebenfalls, dass eine rein historische Betrachtungsweise schwierig und der Blick auf Echter nicht konflikt- und schmerzfrei sei. Dessen Wirken sei immer noch lebendig, da er das katholische Mainfranken geprägt habe und so auch noch die Identitätsfindung der Gegenwart mit beeinflusse.

Mit dem Wirken Julius Echters als Würzburger Stadtherr setzte sich der Historiker RAINER LENG (Würzburg) auseinander. Am Beispiel der vier Konfliktfelder Bürgeraufnahmen, Personalpolitik, Ordnungen und Satzungen, Steuern und Finanzen arbeitete Leng heraus, dass es Echter nicht gelang, die städtische Autonomie langfristig zu beseitigen und die Residenzstadt völlig in den Territorialverband zu integrieren. „Echters Untertanen in Würzburg blieben trotz allem Bürger der Stadt. Die mediate Gewalt konnte er bändigen, aber nicht beseitigen“, führte der Historiker aus. Letztlich sei die jahrhundertelang praktizierte Strategie des Würzburger Rats aufgegangen, Gehorsam gegenüber dem Fürstbischof zu wahren und zugleich die eigenen Handlungsspielräume zielstrebig Schritt für Schritt zu erweitern.

Die Würzburger protestantischen Exulanten nahm der Historiker MARCUS HOLTZ (Würzburg) in den Blick. Seit den 1550er Jahren hatte der Protestantismus besonders unter der wirtschaftlichen und politischen Elite der Residenzstadt zahlreiche Anhänger gefunden. Diese Entwicklung sei in Verbindung mit dem Ringen zwischen Landesherrn und Bürgertum um die städtische Autonomie von besonderer Brisanz gewesen. Erst nach der Konsolidierung der Finanzen des Hochstifts habe Echter es unternommen, die ökonomische Würzburger Elite zu rekatholisieren. Dabei habe er es in Kauf genommen, die schon inferiore Position Würzburgs zwischen den Handelsmetropolen Frankfurt und Nürnberg weiter zu schwächen. Besonders profitierte die Freie Reichsstadt Schweinfurt von Echters Religionspolitik, deren Bevölkerung zwischen 1585 und 1610 um 43 Prozent gewachsen sei. Würzburg sei unter Echter zu einem regionalen Wirtschaftszentrum herabgesunken.

Mit Heilkunst und Armenfürsorge als städtische Aufgaben beschäftigte sich der Historiker HANS-WOLFGANG BERGERHAUSEN (Würzburg). In der Gesundheits- und Armenpolitik hätten die städtischen Eliten den Konflikt mit Echter riskiert. Beide Seiten hätten in diesem Zusammenhang ihre gegensätzlichen Auffassungen formuliert. Letztlich sei Echters Armenpolitik gescheitert, denn die von der Stadt Würzburg geduldeten Tendenzen zu Verpfründung, Kommerzialisierung und Günstlingswirtschaft im städtischen Fürsorgewesen ließen sich nicht beseitigen. „Die Beharrungskräfte der alten Eliten waren in der Armenfürsorge somit stärker als der aus dem wiedererwachenden Katholizismus gespeiste Reformwille des Fürstbischofs“, sagte Bergerhausen. Der Historiker regte an, zu überlegen, was dies für die Beurteilung Julius Echters als eines Vertreters des Frühabsolutismus bedeute.

Das städtische Frömmigkeitsleben in der Echterzeit nahm der Volkskundler WOLFGANG BRÜCKNER (Würzburg) in den Blick. Nach dem Altmeister der religiösen Volkskunde besaß das Hochstift bzw. Bistum Würzburg ein „heiliges Dreieck potenter Gnadenorte“, mit den Zentren Walldürn, dem Kreuzberg in der Rhön und Dettelbach. Während Walldürn eucharistisch ausgerichtet sei, war der Kreuzberg von der Passionsfrömmigkeit geprägt, und Dettelbach zeichne eine dezidiert marianische Frömmigkeit aus. Zu den wichtigen marianischen Wallfahrtsorten hätten auch Maria Buchen und Höchberg gehört, zu dem das Hofgesinde von der Festung aus gewallfahrtet sei. Wesentlichen Anteil an der kirchlichen Integrationsarbeit hätten die Bruderschaften gehabt. Wie gefährdet der einzelne Gläubige war, zeige das Motiv vom Teufelspakt, dem auf der heilsgeschichtlich „guten“ Seite der Marien- und Christus-Pakt entspreche.

Mit den Grabmälern für Sebastian und Julius Echter im Dom zu Würzburg setzte sich der Kunsthistoriker DAMIAN DOMBROWSKI (Würzburg) in dem Vortrag mit dem Titel „Träumerei und Scharfblick“ auseinander. Während das 1577/1578 vollendete Grabmal des flämischen Bildhauers Peter Osten für Julius Echters frühverstorbenen Bruder Sebastian Echter typologisch, ikonographisch und formensprachlich komplett aus dem lokalen Rahmen herausfalle, gliedere sich das 1618 wohl von dem Bamberger Bildhauer Nikolaus Lenkhart geschaffene Monument für Julius Echter sehr bewusst in eine unterbrochene Würzburger Tradition ein. Im Gegensatz zu dem ohne Nachwirkungen bleibende Epitaph Sebastian Echters habe das Grabmal des Fürstbischofs außerdem eine stilistisch-formale Neubestimmung vorgenommen, die schon im Nachbarmonument für Echters Nachfolger Johann Gottfried von Aschhausen eine unmittelbare Fortsetzung gefunden habe. Während das Epitaph für Sebastian Echter ein gänzlich flämisches, von Schmuckfreude und kleinteiligen, antiken und grotesken Motiven, dekorationsreiches Bildwerk sei, bestimme disziplinierter italienischer Geist das Grabmal Julius Echters. Möglicherweise spiegelten die beiden Grabmäler auch die persönliche Wandlung Julius Echters vom „magnus cunctator“, vom „großen Zauderer“, zum „Praesul omnino certus“, zum entschlossenen Machtpolitiker. Der Weg führe von einer träumerischen Renaissance zu einem Vorboten des Barock ohne landesväterliche Güte mit einer festen Zielorientierung und einem hellwachen Blick in die Zukunft.

Anmerkungen zu Stadtgeschichte und Baugeschichte Würzburgs in der Echterzeit stellte der Kunsthistoriker MARKUS JOSEF MAIER (Würzburg/Freudenberg) an. Echters Bauaktivitäten in einer städtebaulichen Umbruchzeit hätten unter anderem eine deutliche Dynamisierung des „Luftraums“ bewirkt. Die städtische Silhouette gewann so an Ausdruckskraft. Neben einer Aufwertung und Verdichtung der Vorstädte sei das alte Stadtgefüge durch die Großprojekte Juliusspital, Universität und Schloss auf den Fürstbischof umgedeutet worden. Die drei Großkomplexe hätten das Raumbild der Residenzstadt zudem gegliedert und prägnanter gemacht. Aktiviert worden seien mit der heutigen Neubaustraße und der Juliuspromenade auch zwei städtebauliche Magistralen.

Die Festung Marienberg als frühneuzeitliches Herrschaftszentrum nahm der Landeshistoriker HELMUT FLACHENECKER (Würzburg) in den Blick. Die Erweiterung der fortifikatorischen wie auch herrschaftsrepräsentativen Anforderungen zu genügenden Festung um zwei Türme, den Marien- und Kiliansturm, gehöre in den Bereich der symbolischen Herrschaft, denn damit zeige sich die historische Kontinuität des Schutzes Mariens und des Diözesanpatrons und demonstriere damit auch die Legitimität der weltlichen Herrschaft der Fürstbischöfe. Nicht bewährt hätten sich die Verteidigungsanstrengungen Julius Echters, denn die Echterbastei an der problematischen Westseite der Festung habe 1631, 14 Jahre nach Echters Tod, dem Ansturm der schwedischen Belagerer nicht standgehalten. Der Bau allein mache noch kein Herrschaftszentrum aus, denn neben einem geeigneten Bau seien eine ausgebildete Mannschaft und eine diplomatische Flankierung nötig gewesen.

Aus architekturhistorischer Perspektive beschäftigte sich der Kunsthistoriker STEFAN BÜRGER (Würzburg) mit der Festung Marienberg. Eine Rekonstruktion der Befestigungsanlagen vor dem Dreißigjährigen Krieg sei nur schwer möglich, da die Anlage im 17. und 18. Jahrhundert gravierend überbaut worden und nur in Resten vorhanden sei. Zum Schutz der Zufahrt und des Zugangs habe Echter um 1600 die Echterbastei errichten lassen. Das Torhaus habe nicht nur fortifikatorischen, sondern auch symbolischen Wert besessen, da Echter damit den zeitgemäßen, modernen Charakter der Festung gezeigt habe. Ähnlich wie Flachenecker betonte Bürger mit Blick auf den 18. Oktober 1631, dass die formale Beschaffenheit der Festungsbauwerke nur ein Teil einer viel komplexer zu denkenden Fortifikation gewesen sei. Festungen hätten wie von Menschen betriebene Maschinen funktioniert, wobei menschliches Versagen häufig die Ursache von „Betriebsstörungen“ gewesen sei.

Die Tagung zeigte, dass Echters Verhältnis zu seiner Residenzstadt Würzburg bestimmt war von Ambivalenz: Einerseits legte der Fürstbischof in seiner 44-jährigen Regierungszeit die Grundlagen für die kulturelle Entwicklung Würzburgs bis in die Gegenwart. Auf den Grundlagen des Juliusspitals und der von ihm wiederbegründeten Universität konnten seine Nachfolger aufbauen. Mit der konsequenten Durchführung der Gegenreformation wurde Würzburgs Wirtschaftskraft allerdings nachhaltig geschwächt. Einer völligen Unterwerfung unter den Willen des Fürstbischofs entzog sich die Residenzstadt – das „System Echter“ stieß hier beispielsweise in der Sozialpolitik an seine Grenzen. Stückwerk blieben auch seine Maßnahmen bei der Befestigung der fürstbischöflichen Residenz auf dem Marienberg, wie die Einnahme der Burg durch die Schweden 1631 überraschend bald bewies.

Konferenzübersicht:

Ingrid Heeg-Engelhart (Würzburg), Julius Echter und die Frauenklöster in und um Würzburg

Rainer Leng (Würzburg), „Unterthänigst gehorsamer Rat und gemeine Bürgerschaft zu Würzburg“. Julius Echter als Stadtherr

Marcus Holtz (Würzburg), Würzburger Exulanten

Hans-Wolfgang Bergerhausen (Würzburg), Heilkunst und Armenfürsorge als städtische Aufgabe? Konkretisierung und Konfliktfelder

Wolfgang Brückner (Würzburg), Das städtische Frömmigkeitsleben in der Echterzeit

Damian Dombrowski (Würzburg), Träumerei und Scharfblick: Die Grabmäler für Sebastian und Julius Echter im Dom zu Würzburg

Markus Josef Maier (Würzburg/Freudenberg), Würzburger Stadtbild und Städtebau in der Echterzeit

Helmut Flachenecker (Würzburg), Die Festung Marienberg als frühneuzeitliches Herrschaftszentrum

Stefan Bürger (Würzburg), Die Festung Marienberg in architekturhistorischer Perspektive