The Middle East and Europe: Cross-cultural, diplomatic and economic exchanges in the early modern period (1500-1820)

The Middle East and Europe: Cross-cultural, diplomatic and economic exchanges in the early modern period (1500-1820)

Organisatoren
Yann Rodier / Clarisse Roche, Universität Paris-Sorbonne Abu Dhabi
Ort
Abu Dhabi
Land
United Arab Emirates
Vom - Bis
04.03.2017 - 07.03.2017
Url der Konferenzwebsite
Von
Tobias Mörike, Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt

Die 2006 gegründete Universität Paris Sorbonne Abu Dhabi versteht sich Plattform des interkulturellen Austauschs zwischen Europa und der Golfregion. In Retrospektive auf dieses Credo fragte die von Yann Rodier und Clarisse Roche (beide Abu Dhabi) organisierte Tagung nach Kulturkontakt zwischen Europa und dem Mittelmeerraum und der Region des Roten Meeres durch Händler, Diplomaten und Entdecker.

Ein besonderes Licht warf die Tagung auf die Geschichte der portugiesischen Präsenz am Golf. Portugal war eine der ersten europäischen Nationen die in dieser Region Handelsbeziehungen unterhielt und mit Forts und Handelsstützpunkten dauerhafte Niederlassungen errichtete. DEJANIRAH COUTO (Paris) betrachtete portugiesische Wirtschaftspolitik im Roten Meer, nach der Eroberung Basras 1518. Auf Grundlage von Dokumenten, die den politischen Entscheidungsprozess abbilden, erklärte sie, warum Portugal am Golf keine Handelsbeziehungen mit den Osmanen unterhielt. Auf die Bedeutung der Darstellung von Festungsbauten zur Selbstvergewisserung ging RUI MANUEL (Lissabon) ein. Er präsentierte Abbildungen, die nach dem Verlust des portugiesischen Forts in der Straße von Hormuz 1622 entstanden und ein Gefühl der Überlegenheit vermitteln sollten. Die Rezeption portugiesischer Reiseberichte war das Thema des Literaturwissenschaftlers PAOLO LEMOS HORTA (Abu Dhabi), der auf unterschiedliche Lesarten und Übersetzungsschwierigkeiten, des möglicherweise fiktiven Reiseberichts des Dichters Camōes bei August Wilhelm Schlegel, Alexander von Humboldt und Francis Burton sprach.

Forschungen zur Diplomatiegeschichte stellten INDRAVATI FELICITE (Paris) LUCIEN BELY (Paris) und GUILEMETTE CROUZET (Genf) vor. INDRAVATI FELICITE präsentierte eine Fallstudie über den Besuch einer safawidischen Delegation am Hof von Kassel. In Anbetracht verschiedener abweichender Übersetzungen der Empfehlungsschreiben, stellte sie heraus, dass die Authentizität der Empfehlungsschreiben vor allem durch ihre sprachliche Unzugänglichkeit bestand. Einen Beitrag zur Geschlechtergeschichte lieferte Lucien Bely, unter anderem stellte er den Fall von Marie Petit vor, die nach dem Tod des französischen Botschafters in Persien, als Frau die Amtsgeschäfte des Botschafters übernahm. Die beiden Beiträge betrachteten nicht nur politische Erwägungen einer Allianz zwischen europäischer Staaten mit den Safawiden gegen die Osmanen, sondern gingen auch Probleme konkreter Begegnungssituationen und die Rolle kultureller Übersetzer, wie etwa armenischer Christen ein. Auch Guilemette Crouzet blickte auf eine diplomatische Mission an den persischen Hof. Sie zeigte, dass im frühen 19. Jahrhundert aus London und Kalkutta zeitgleich diplomatische Missionen entsandt wurden und sich eine brisante Paralleldiplomatie zwischen colonial office in London und indischer Kolonialverwaltung entstand.

Dem Roten Meer als Kontaktzone widmete sich der Beitrag von DIONISUS AGIUS (Exeter), der auf Basis mündlicher Überlieferung über die verschiedenen Schifftypen im Golf berichtete, die heutzutage all unter dem Begriff dhow zusammengefasst werden. GERAUD POUMAREDE (Bordeaux) diskutierte die Gescheiterte Ausdehnung des Machtbereichs Frankreichs am Golf in der Zeit Ludwig XIV. Vor allem die Schwierigkeiten bestehende Karten zu erneuern, das Unwissen über die Lage der islamischen Heiligtümer, aber auch die Feindseligkeit ägyptischer Händler führten zum Scheitern französischer Ambitionen in der Region.

Begegnungen auf institutioneller Ebene im Osmanischen Reich widmete sich MAURITIUS VAN DE BOOGERT (Leiden). Er zeigte, dass Europäer in vielen Alltagssituationen von der osmanischen Rechtsprechung Gebrauch machten, obwohl besonders gegenüber Nichtmuslimen als willkürlich und unzuverlässig galt. Dazu gehörte etwa die notarielle Beurkundung von Mietverträgen oder auch die komplizierte Regelung von Erbfällen innerhalb der französischen Gemeinde Konstantinopels, wie van de Boogert aufzeigte. VIOREL PANAITE (Bukarest) stellte eine Studie zu den Dokumenten des französischen Konsuls François Savary de Brèves vor.

Abschließend standen Gelehrte und Entdeckungsreisende im Fokus. CLARISSE ROCHE (Abu Dhabi) stellte die internationalen Forschernetzwerke des Reisenden Ulrich Jasper Seezens vor, während JAN LOOP (Abu Dhabi / Kent) die Konversion zum Islam Ludwig Burckhardts problematisierte. Mit der Vorstellung der Memoiren des polnischen Reisenden Wacłlaw Rzewuski, erinnerte die Übersetzerin HANA SUBHI (Abu Dhabi) an einen lange Zeit vergessenen Orientreisenden. Auf die Rolle des Studiums der Arabistik im religiösen Kontext blickte der Beitrag von RICHARD VAN LEUWEN (Amsterdam) der Berichte zur Hajj als Teil religiöser Polemiken zwischen Protestaten und Katholiken präsentierte. AURELIEN GIRARD (Reims) verwies hingegen auf Versuche zur Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan und dem protestantischen Gelehrten Jan van Erp in Amsterdam bei der Schaffung einer polyglotten Bibel. BERNARD HEYBERGER (Paris) betrachtete die Grenzen des Verständnis und kultureller Übersetzung beim Studium des Islams durch katholische Missionare der frühen Neuzeit. Er kam zum Fazit, dass polemische Positionen überwogen und die Missionare den Islam nicht als eigene Wissenskategorie aufgreifen konnten.

Abgerundet wurde die Tagung durch einen Besuch der Baustelle des Louvre Abu Dhabi und durch eine Sonderausstellungausstellung in der Bibliothek Paris-Sorbonne Abu Dhabi, die historische Karten Reisberichte und Dokumente zur Geschichte der Golfregion in der Frühen Neuzeit zeigte, darunter ein Exemplar des Hamburger Koran-Drucks von Abraham Hinckelmann aus dem Jahr 1694.

In der Bilanz lässt sich festhalten, dass die Tagung ausgewiesene Expertinnen und Experten aus Europa für die Frühe Neuzeit versammeln konnte und einen guten Überblick über das dynamische Feld des Studiums trans-kultureller Beziehungen in der Frühen Neuzeit bot. Besonders das portugiesischen Architekturerbe und Frühe portugiesische Quellen in den Fokus zu rücken, die derzeit in der Region wenig beachtet werden, war ein Verdienst der Tagung. Ein breiter Kanon von Quellen und Materialien wurden zur Diskussion gestellt. Einzelne Beiträge stellten materielle Kultur in den Fokus, andere blickten auf Kartographie, Ego-Dokumente und diplomatische Verträge. Sie fordern dazu auf in Zukunft stärker über die methodische Auswertung von Quellen und Kategorien der Wissensproduktion und des Nichtwissens nachzudenken. Gescheiterte Übersetzungen und der ausgebliebene Wissenstransfer zwischen katholischen und protestantischen Regionen Europas waren im Verlauf der Diskussionen der Tagung wiederkehrende Fragen, die aufzeigten, dass für das Studium des Kulturkontakts in der Frühen Neuzeit noch an übergreifenden Kategorien und Modellen fehlt, was besonders an der Frage der kulturellen Übersetzung und Wissensproduktion durch Forschungsreisende, Missionare und Theologen deutlich wurde. Mit besonderem Interesse weiterzuverfolgen ist in dieser Hinsicht die Studie von Jan Loop zur Konversion von Ludwig Burckhardt, sie zeigt die Bedeutung von Identität als Erkenntnisinstrument im Kontext von Forschungsreisen auf.

Kritisch zu bemerken war das Fehlen südlicher Perspektiven. Während der Blick auf die Beziehungen zwischen Europa und der Welt lag, blieben Akteure vom indischen Subkontinent und Ostafrika als Teilhaber des Kontaktraums des Roten Meers außer Acht. Nicht zuletzt unterstrich der Fokus auf die Frühe Neuzeit und das Ausklammern der Britischen kolonialen Präsenz am Golf den politischen Kontext der Tagung.

Konferenzübersicht:

Elisabeth Crouzet-Pavan (Paris) – Diplomatic Exchanges in the Orient at the End of the 15th Century: Venice and the Hord of the White Sheep”

Dejanirah Couto (Paris) – Pepper and Horses: Portuguese Economic Policy in the GulfAccording the Pareceres de Baçora

Indravati Félicité (Paris) – German “Lettres Persanes”?: Reports of the First Diplomatic Contacts Between Safavid Persia and the Holy Roman Empire in the 16thand 17thCenturies

Lucien Bély (Paris) – Diplomatic Relations Between the Shah of Persia and Louis XIV

Sghaier Noureddine (Sharjah) – Piracy, Arab Tribes and European Rivalry in the Arabian Gulf and the Indian Ocean During the 18th Century

Guillemette Crouzet (Genf) – London Versus British India in West Asia in the Early 19th Century: Revisiting John Malcolm and Harford Brydjes Jones’s Missions at the Court of Persia

Dionisius Agius (Exeter) – The Cosmopolitan dāw of the Arabian Sea: the English East India Records and Other Writings

Géraud Poumarede (Bordeaux) – Louis XIV and the Red Sea

Maurits van den Boogert (Leiden) – Connecting in Court: Non-conflictual Encounters Between European Merchants and Ottomans in the Aleppo Qadi Court (17th-18thCentury)”

Viorel Panaite (Bukarest) – Being a Western Ambassador at the Ottoman Court. François Savary de Brèves and French Commercial Diplomacy in the Eastern Mediterranean at Late-Sixteenth and Early-Seventeenth Century

Bernard Heyberger (Paris) – Islam and the Arabs in the Catholic Scholarship

Aurélien Girard (Reims) – Arabic as Language of the Bible in the Catholic Scholarship (17th Century)

Richard van Leeuwen (Amsterdam) – The Hajj in Early Modern European

Jan Loop (Kent / Abu Dhabi) – Travellers in Disguise – Conversions and Krypto-Conversions to Islam Among European Travellers

Ingrid Périssé (Abu Dhabi) – From the Outskirts of the Eastern Mediterranean Sea to the Felix Arabia: Archaeologists- Travellers and the Discovery of the Arabian Heritage (16–18th Century)”

Tobias Mörike (Gotha / Erfurt) – Knowledge Brokers/Beggar Princes. Travellers from Mount Lebanon in the German Principalities

Clarisse Roche (Abu Dhabi) – A German Explorer of Arabia as Knowledge Broker in a Transnational Context: Ulrich Jaspar Seetzen’s Contribution to Oriental Scholarship in the Early 19thCentury”

Paulo Lemos Horta (Abu Dhabi) – Cosmopolitan Misreadings. Camōes and the ‘Perfume of the East’

Eric Fouache (Abu Dhabi) – Explorers and Travellers in the Southern Arabian Peninsula

Hana Subhi (Abu Dhabi) – The Polish Traveller Wacław Rzewuski and his Outlook on the Arabia and Bedouins (1817-1819)

Rui Manuel (Lissabon) – Iconography of Early Modern Fortifications on the Arabian Coast: A Survey of the Portuguese ‘Livros de Fortalezas’ (‘Books of Fortresses’)

Olivia Bourrat / Soraya Noujaim (Abu Dhabi) – Connected artworks’ place in the museum rooms devoted to the early modern period at the Louvre Abu Dhabi