Die deutschen Banken und die Rückkehr der deutschen Industrie in den Weltmarkt (1953-1937). 15. Sitzung des Arbeitskreises Bank und Versicherungsgeschichte

Die deutschen Banken und die Rückkehr der deutschen Industrie in den Weltmarkt (1953-1937). 15. Sitzung des Arbeitskreises Bank und Versicherungsgeschichte

Organisatoren
Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.11.2017 -
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Von
Vanessa Staufenberg, Geschäftsstelle, Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V.

Die 15. Sitzung des Arbeitskreises Bank- und Versicherungsgeschichte fand am 3. November 2017 im Hause der KfW in Frankfurt am Main statt und widmete sich dem Thema »Die deutschen Banken und die Rückkehr der deutschen Industrie in den Weltmarkt (1953-1973)«.

Nach der Begrüßung der Teilnehmer durch die Leiterin des Historischen Konzernarchivs der KfW, LYSANN GOLDBACH (Berlin), erläuterte DIETER ZIEGLER (Bochum) die Themenwahl: Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA ein Jahr zuvor habe Anlass geboten, sich mit den Konsequenzen von offenen Märkten und Protektionismus für Banken in historischer Perspektive auseinanderzusetzen. Als Beispiel wählte Ziegler den Vergleich der Zwischenkriegszeit mit der frühen Bundesrepublik: Der trotz eines schwachen inländischen Kapitalmarkts enorme Anstieg der westdeutschen Außenhandelsquoten in den 1950er-Jahren werfe die Frage auf, welche Rolle die Geschäftsbanken als Finanziers bei der Wiedereingliederung der deutschen Industrie in die Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt haben. Diesem Thema sollte daher in der Sitzung nachgegangen werden.

FRANZ von BOESELAGER (Bochum) stellte in seinem Vortrag die Frage, inwiefern Hermann Josef Abs als Leiter der Delegation der Bundesrepublik bei der Londoner Schuldenkonferenz eine eigene Agenda verfolgte oder als Interessenvertreter der deutschen Wirtschaft agierte. Indem von Boeselager das organisationssoziologische Konzept des »boundary spanning« – Abs als Schnittstellenkommunikator zwischen (divergierenden) Gruppen – anwandte, wies er auf einen Zielkonflikt zwischen den Interessen privater deutscher Auslandsschuldner und der deutschen Volkswirtschaft an sich hin: Die Industrie habe auf eine möglichst schnelle Regelung und Tilgung der Schulden gedrängt, während der Bankier Abs eine langfristige Strategie der Wiederherstellung des deutschen Kredits und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs verfolgt habe. Insofern habe Abs, auch wegen seiner Aufsichtsratsmandate in der Industrie, vor einem Dilemma gestanden.

In der anschließenden Diskussion stellte FRIEDERIKE SATTLER (Frankfurt) die Frage, inwiefern überhaupt ein realer Zielkonflikt zwischen privaten und öffentlichen Schuldnern bestand und ob die Vertreter der Industrie einheitliche Interessen hatten; hier müsse ihres Erachtens kein zwangsläufiger Widerspruch bestehen.

CHRISTOPHER KOPPER (Bielefeld) beschäftigte sich in seinem Vortrag mit den Techniken der Industriefinanzierung im westdeutschen »Wirtschaftswunder«. Während die Banken zunächst meist nur zur Herausgabe kurzfristiger Kredite in der Lage gewesen seien und der Kapitalmarkt aufgrund des Kapitalmangels sowie der Vorrangigkeit öffentlicher Emittenten von der Industrie kaum genutzt worden sei, hätten deutsche Versicherer vielfach langfristige Schuldscheindarlehen an Nichtbanken vergeben. Eine Konkurrenz mit den Angeboten der Geschäftsbanken sei dadurch vermieden worden. Hinzu kam laut Kopper ein hoher Grad der Selbstfinanzierung bei Industrieunternehmen. In den 1960er-Jahren sei dann ein genereller Trend zur langfristigen Kreditvergabe festzustellen, der seine Ursache nicht zuletzt in der Ausweitung des Passivgeschäfts der Banken hatte. Dies sei auch ein Erfolg der politischen Fördermaßnahmen zur Kapitalbildung in der breiten Bevölkerung gewesen.

Den zweiten Teil der Arbeitskreissitzung eröffnete ALEXANDER NÜTZENADEL (Berlin) mit einem Vortrag zur „Entwicklung der Deutschen Bank in Asien in den 1960er- und 1970er-Jahren“. Als bedeutendster deutscher Außenhandelsfinanzier habe die Deutsche Bank ihre bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tätigkeit in Asien nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere über die Deutsch-Asiatische Bank (DAB), an der sie mit anderen deutschen Banken beteiligt war, zu rekonstruieren versucht. Deutsche Kunden seien in Asien aber auch durch die eigenen deutschen Hauptfilialen oder die Ausfuhrkredit-Aktiengesellschaft (AKA) bedient worden. Nützenadel bemerkte, dass man sich in Asien – verglichen mit anderen Auslandsmärkten – keine »vergangenheitspolitische Zurückhaltung« auferlegte. Die wirtschaftliche wie politische Fragmentierung Asiens habe aber bedingt, in vielen Ländern mit verschiedenen Strategien präsent zu sein, was auf Dauer wiederum Netzwerkeffekte und ein breiteres Geschäftsportfolio nach sich gezogen habe. Aus der Diskussion ergab sich, dass die Geschäftspraktiken und Kundenbeziehungen der Bank vor Ort vielfach noch nicht erschlossen sind. Zu klären sei auch, warum man nach dem Krieg nicht eigenständig den Weg nach Fernost gesucht habe, sondern erneut im Verbund mit anderen deutschen Instituten (DAB) oder der EBIC-Gruppe.

Das Thema des Club-Banking griff FRIEDERIKE SATTLER auch in ihrem Vortrag „Im Dienste der Kunden? Die Deutsche Bank und die European American Banks in den 1960er- und 1970er-Jahren“ auf. Sie wies darauf hin, dass das Euromarktgeschäft bzw. der Interbankenmarkt als Grund für die Erschließung des nordamerikanischen Marktes durch westdeutsche Geschäftsbanken bisher zu wenig untersucht worden seien: Abstraktere Finanzmarktgeschäfte seien für diesen Schritt, so Sattlers Hypothese, sogar bedeutender als die Bedienung der Industriekundschaft gewesen. Als Beispiel nannte sie die »European American Banks« (EABs), die 1968 vom »Europäischen Beratungsausschuss«, dem die Deutsche Bank angehörte, als Joint Venture gegründet wurden. Sattler zeigte auf, wie die EABs auch durch offshore betriebene Geschäftseinheiten über die angestammte Klientel ihrer Anteilseigner hinaus neue Kunden akquirierten und ab Ende der 1970er-Jahre beachtliche Renditen aufwiesen. Die Behauptung, das Club-Banking habe zu dieser Zeit seinen Zenit bereits überschritten gehabt, könne sie daher nicht ganz teilen.

Den letzten Vortrag der Arbeitskreissitzung hielt der Chefvolkswirt der KfW, JÖRG ZEUNER, zum Thema Unternehmensfinanzierung – gestern, heute und morgen! Gegenwärtig stellte Zeuner einen hohen Anteil der Innenfinanzierung bei Unternehmen in Deutschland fest, die daher kaum Kredite nachfragten. Indikatoren seien die seit dem Jahr 2000 von 10 Prozent auf 30 Prozent gestiegenen durchschnittlichen Eigenkapitalquoten deutscher Unternehmen ebenso wie ein seitdem um 25 Prozent gesunkenes Kreditvolumen. Inhabergeführte Unternehmen wiesen derzeit einen Finanzierungsüberschuss von gut 3 Prozent des BIP auf, während zu Anfang des Jahrtausends noch ein Defizit von 5 Prozent bestanden habe. Die Unternehmen seien mithin zu Nettosparern geworden. Die derzeit sehr geringe Investitionsneigung steht nach Zeuner auch im Zusammenhang mit dem Nettozuwachs an Dienstleistungen und dem anteilsmäßigen Rückgang des Gewerbes in Deutschland. Insgesamt seien Dienstleistungsunternehmen kleiner, unproduktiver und investitionsärmer als das Gewerbe, was künftig – neben der Digitalisierung – die wohl größte Herausforderung für die Fremdkapitalfinanzierung in der Bundesrepublik darstelle.

Konferenzübersicht:

Begrüßung

Dieter Ziegler (Ruhr-Universität Bochum)

Lysann Goldbach (KfW Berlin)

Franz von Boeselager (Ruhr-Universität Bochum): Boundary Spanner oder lediglich Interessenvertreter der deutschen Wirtschaft? - Die Rolle von Hermann Josef Abs bei der Regelung der privaten deutschen Auslandsschulden im Zuge der Londoner Schuldenkonferenz

Christopher Kopper (Universität Bielefeld): Kredit, Anleihe oder Schuldscheindarlehen? Die Technik der Industriefinanzierung von 1953 bis 1973

Alexander Nützenadel (Humboldt-Universität zu Berlin): „Die Deutsche Bank in Asien in den 1960er und 1970er Jahren“.

Friederike Sattler (Goethe-Universität Frankfurt am Main): Im Dienste der Kunden? Die Deutsche Bank und die European American Banks in den 1960er und 1970er Jahren

Jörg Zeuner (Chefvolkswirt der KfW): „Unternehmensfinanzierung – gestern, heute und morgen!“


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