Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450–1850

Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450–1850

Organisatoren
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien; Forschungsprojekt „Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450–1850“, Fachbereich Geschichte, Universität Salzburg
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
12.12.2017 -
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Von
Michael Adelsberger, Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Wien

Die Entwicklung von Preisen und Löhnen zählt seit Langem zu den zentralen Forschungsgebieten der Wirtschaftsgeschichte. In den letzten Jahren richtete sich der Fokus vor allem auf Entwicklungsunterschiede von Reallöhnen und Lebensstandards, sowohl auf globaler als auch auf europäischer Ebene. Gerade der ostalpine Raum stellte in dieser Forschung bislang eine Grauzone dar. Anlässlich des Starts des vom Österreichischen Wissenschaftsfond FWF finanzierten Forschungsprojekt „Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450—1850“ wurde am 12. Dezember 2017 in Wien ein Workshop abgehalten, der sich mit der Preis- und Lohngeschichte sowie der Entwicklung des Lebensstandards in eben jener Region, befasste. Da an der Universität Regensburg (Leitung: Mark Spoerer) zwei Projekte mit ähnlichen Zielsetzungen laufen, diente der Workshop auch dem Erfahrungsaustausch und der Diskussion.

Nach einer Begrüßung und einleitenden Worten zur Thematik der „Little Divergence“ und zum Projekt durch THOMAS ERTL (Universität Wien), stellte REINHOLD REITH (Universität Salzburg) die Genese des Projekts vor und würdigte dabei vor allem die Verdienste von Markus Cerman. Den Ausgangspunkt der Kooperation zwischen den Universitäten Wien und Salzburg bildete zunächst die Kritik an Robert Allen und die Zielsetzung, einen unmittelbaren Beitrag zur Diskussion über die „Great Divergence“ zu leisten. Das sei zwar nach wie vor Thema, aber als Konsequenz der Diskussion gehe es zunächst einmal um die Probleme des Vergleichs und der Erforschung des Lebensstandards auf der Basis der bisher vorliegenden Lohn- und Preisreihen. Das Gewicht liege daher stärker auf der methodisch reflektierten Rekonstruktion des Lebensstandards im ostalpinen Raum. Das verfügbare Quellenmaterial ermögliche es eben auch, bisherige Ansätze beziehungsweise die Belastbarkeit der Daten zum Thema zu machen und zu testen, Probleme des Vergleichs zu identifizieren und hinsichtlich der Frage des Lebensstandards weitere soziale Gruppen einzubeziehen. Die Vergleichbarkeit der Daten sei selbstredend ein Anliegen, aber angestrebt werde eben auch (auf Basis der Preise und Löhne in lokaler Währung) eine höhere Auflösung der Entwicklung und insbesondere von Krisenzeiten beziehungsweise -jahren zu ermöglichen und, um der Forderung Valentin Groebners zu entsprechen, die Geschichte der Preise so zu fassen, dass auch die Konsumenten darin vorkommen. Das verfügbare Quellenmaterial erlaube Fragen nach Krisenverlauf, Marktintegration, Vorsorge und Vulnerabilität.

ANDREAS ZECHNER (Universität Salzburg) stellte in seinem Beitrag zunächst die für Salzburg verfügbaren seriellen Quellen zur Preis- und Lohngeschichte vor. Am Beispiel der Rechnungsbücher des Salzburger Bürgerspitals, die von 1477 bis Mitte des 19. Jahrhunderts in einer nahezu durchgängigen Reihe vorhanden sind, diskutierte er anschließend das Potenzial dieser Quellengattung für das laufende Projekt: u.a. zur Erstellung von Preis- und Lohnreihen sowie, aufbauend darauf, eines Verbraucherpreis- und Reallohnindex, der Rückschlüsse auf die Entwicklung des Lebensstandards in der Stadt Salzburg erlaubt. Am Beispiel der Getreideeinkäufe des Salzburger Bürgerspitals skizzierte er die methodische Umsetzung der MS-Excel basierten Aufnahme von Preisdaten, wobei anschließend offene Fragen diskutiert wurden (u.a. Umrechnung der Währungseinheiten in Silberäquivalente, Umrechnung der Maßangaben, Kalenderjahr oder Erntejahr, Schreibweise der Edition).

MICHAEL ADELSBERGER (Universität Wien) präsentierte die Quellen des Wiener Teils des Projekts. Dabei handelt es sich vor allem um die Rechnungsbücher des Wiener Bürgerspitals, die durch die Rechnungen des Stifts Klosterneuburg sowie durch die Wiener Marktprotokolle ergänzt werden. Im Gegensatz zu Salzburg gibt es für Wien bereits edierte Preis- und Lohnreihen. Diese müssen jedoch einer Überprüfung unterzogen werden. Daraus folgt eine andere Ausgangslage für die methodische Vorgangsweise. Adelsberger näherte sich diesem Problem anhand von drei Leitfragen: Welche der umfangreichen Preisreihen sollen überhaupt zur Überprüfung herangezogen werden? Dabei soll vor allem die Abstimmung mit Salzburg im Auge behalten werden sowie die Anforderungen für die spätere Reallohnberechnung. Der zweite Punkt betrifft den Ausbau der Reihen durch qualitative Informationen aus bisher nicht herangezogenen Quellen, welche die einzelnen Preis- und Lohndaten kontextualisieren sollen. Schließlich stellt sich noch die Frage, wie die Integration einer Neuerhebung mit den bereits veröffentlichten Daten vorgenommen werden soll.

SEBASTIAN PÖSSNIKER (Universität Regensburg) bot einen Überblick über seine Forschung, die er im Rahmen des Graduiertenkollegs „Metropolität in der Vormoderne“ an der Universität Regensburg betreibt. Er beschäftig sich dabei mit den in Rechnungsbüchern überlieferten Löhnen und Preisen in Regensburg und Nürnberg, um Fragen des (materiellen) Lebensstandards einer Stadt und ihres Umlandes, der Sozialstruktur und der Konjunktur vom Spätmittelalter bis zur Industrialisierung auch im Vergleich mit anderen europäischen Städten nachzugehen.

KATHRIN PINDL (Universität Regensburg) stellte ihr Projekt, das sie im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Erfahrung und Erwartung. Historische Grundlagen ökonomischen Verhaltens“ bearbeitet, vor. Dabei beschäftigt sie sich auf Basis von quantitativen bzw. seriellen Quellen (z.B. Kasten-, Küchen- und Hauptrechnungen und Registern) sowie qualitativen Quellen (z.B. Protokolle, Gutachten) mit der Vorratshaltungspolitik des Regensburger St. Katharinenspitals in der Vormoderne, konkret in der Zeit vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Die Handlungsspielräume der Akteure sowie das Herausarbeiten der Determinanten ihrer Entscheidungen vor dem Hintergrund der zeit-, gruppen- und regionalspezifischen Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte stehen dabei im Vordergrund, besonders was das wirtschaftliche Agieren des St. Katharinenspitals in Krisenzeiten – etwa in der Teuerungskrise zu Beginn der 1770er-Jahre – betrifft. Methodisch verknüpft sie bei ihrer Untersuchung empirisch-statistische und narrativ-heuristische Zugänge.

Den Abschluss des Workshops bildete der öffentliche Abendvortrag von MARK SPOERER (Universität Regensburg) unter dem Titel „Löhne, Preise, Speisezettel und die „Little Divergence“. Umrisse eines Regensburger Forschungsprojekts“. Spoerer führte eine größere Besucherzahl in die Debatten um die „Little Divergence“ ein. Anschließend besprach er die Rolle Regensburgs in diesen Diskussionen und stellte die im Projekt verwendeten Quellen vor. Diese sind dank den Rechnungsbüchern des dortigen Spitals für das Spätmittelalter und die frühe Neuzeit äußerst umfangreich vorhanden und eignen sich daher hervorragend für diese Forschung. Eine angeregte und informative Diskussion schloss den Vortrag ab.

Abschließend kann festgehalten werden, dass der Workshop, und vornehmlich der Abendvortrag samt Diskussion, eine Einordnung der drei Städte in die internationale Forschungsdebatte ermöglichte. Das Hauptaugenmerk des Workshops lag auf methodischen und quellenkritischen Fragen. Durch die Diskussion der Schwierigkeiten beim Erheben und Verarbeiten von historischen Preis- und Lohndaten konnten wichtige Aspekte, etwa Fragen der Jahresmittelwertbildung, der Umgang mit historischen Maßeinheiten und die Umrechnung der Nominalwerte in Silberäquivalente, behandelt werden. Darüber hinaus ermöglichte der Workshop eine intensive Diskussion und die Kooperation der Projekte an der Universität Regensburg, der Universität Wien und der Universität Salzburg wurde als große Chance gesehen. Die Zusammenarbeit wird in regelmäßigen Arbeitstreffen – das folgende zum Thema Consumer Price Index – fortgesetzt und ausgebaut werden.

Konferenzübersicht:

Reinhold Reith (Salzburg), Vorstellung des Projekts „Preise und Löhne in Salzburg und Wien, 1450–1850

Andreas Zechner (Salzburg), Serielle Quellen zur Preis- und Lohngeschichte in Salzburg. Überlegungen zur methodischen Umsetzung

Michael Adelsberger (Wien), Die Wiener Preis- und Lohnreihen. Revision und Vertiefung

Sebastian Pößniker (Regensburg), Materieller Lebensstandard im süddeutschen Raum ab 1360. Löhne und Preise anhand institutioneller Rechnungsbuchüberlieferung in Regensburg im interstädtischen Vergleich

Kathrin Pindl (Regensburg), Speichern und Auskommen. Der Getreidekasten des Regensburger St. Katharinenspitals (17.–19. Jahrhundert)

Mark Spoerer (Regensburg), Löhne, Preise, Speisezettel und die „Little Divergence“. Umrisse eines Regensburger Forschungsprojekts