Historiae Augustae Colloquium Bambergense 2005

Historiae Augustae Colloquium Bambergense 2005

Organisatoren
Universität Bamberg
Ort
Bamberg
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.05.2005 - 07.05.2005
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Von
Ralf Behrwald, Alte Geschichte, Universität Bamberg

In der Reihe der internationalen Historia-Augusta-Kolloquien, die in dreijährigem Abstand internationale Spezialisten der spätantiken Historiographie versammeln, wurde die diesjährige Veranstaltung von der Universität Bamberg ausgerichtet. Sie wurde in großzügiger Weise von der Fritz Thyssen Stiftung (Köln) finanziell gefördert.

Die Historia Augusta, jene anonyme, unter den fiktiven Namen von fünf vorgeblich zu Beginn des 4. Jh. schreibenden Autoren firmierende Sammlung von Kaiserbiographien, bleibt eines der am meisten diskutierten Vexierbilder in der an verwickelten Problemen nicht eben armen Historiographie der Spätantike. Die zu ihrer Erforschung von Andreas Alföldi und Johannes Straub eingerichteten Historia-Augsta-Kolloquien versammeln seit den frühen sechziger Jahren internationale Spezialisten mit dem doppelten Ziel, einerseits Vorlagen und Zuverlässigkeit dieser Biographien zu erhellen, andererseits ihre Position in der Geschichte der spätantiken Historiographie und im weiteren Rahmen der Geistes- und Mentalitätsgeschichte des vierten Jahrhunderts zu bestimmen. Diese beiden Aspekte dominierten auch das Bamberger Treffen.

Die viel diskutierte Autorenfrage nahm auch in Bamberg eine zentrale Rolle ein. Verortete ein älterer Konsens den Autor im heidnisch-senatorischen Milieu Roms Ende des vierten Jahrhunderts (ein Konsens, gegen den lediglich A. Lippold und wenige andere auf der Authentizität der in der Historia Augusta angegebenen Daten bestanden). In den neunziger Jahren ist dieser Konsens vielfach in Frage gestellt worden; so wurde sogar vorgeschlagen, es handle sich beim Verfasser um einen christlichen Apostaten. In Bamberg schlug nun S. Ratti (Dijon) vor, den Verfasser mit Virius Nicomachus Flavianus senior zu identifizieren. Dagegen schlug M. Festy (Rennes) eine Identifikation mit dem jüngeren Nicomachus Flavianus vor, so daß die Historia Augusta zwar im senatorischen Milieu Roms, aber in den 420er Jahren entstanden wäre - nicht mehr als Dokument der christlich-heidnischen Kontroversen theodosianischer Zeit, sondern als ferner Reflex aus dem Abstand einer Generation. Eine erste Fassung des Werkes sei sogar dem christlichen Kaiser Theodosius gewidmet gewesen, und erst eine Überarbeitung habe der Historia Augusta ihre antichristliche Tendenz gegeben. Die Verortung des Verfassers erörtete aus anderer Perspektive auch A. Baldini (Bologna), indem er anhand der Bezüge zwischen der Historia Romana des Memmius Symmachus (Anfang des 6. Jh.) und der Historia Augusta die Kontinuität senatorischer Geschichtsschreibung in der Spätantike auch als eine Kontinuität von Familienarchiven beschrieb. Ein Beispiel solcher Kontinuitätslinien beschrieb J.-P. Callu (Paris) anhand der fragmentarisch erhaltenen Reden Cassiodors, für die er klare Bezüge auf die Historia Augusta nachweisen konnte.

Die Verortung des Verfassers führt auf seine Quellen, eine zentrale Frage der Historia-Augusta-Forschung. K.-P. Johne (Berlin) zeigte das Verhältnis des Germania-Begriffes der Historia Augusta zu jenem ihrer kaiserzeitlichen Vorlagen nach, und die rechtshistorischen Angaben zu Strafrecht erwies D. Liebs (Freiburg/Br.) als weitgehend frei erfunden. J. Fündling (Bonn) konnte den fiktiven Charakter der Nachrichten über Justizreformen unter Hadrian nachweisen, und R. Behrwald (Bamberg) untersuchte die Quellen, aus denen die Historia Augusta ihre topographischen Angaben zur Stadt Rom geschöpft hat. Wertvolle authentische Nachrichten fand dagegen F. Chausson (Paris) in einer Reihe von genealogischen Angaben der Historia Augusta. Vor allem in der Kombination mit neuen prosopographischen Befunden demonstrierte Chausson, wie eng die Kaiser des zweiten Jahrhunderts familiär miteinander verbunden waren, und erwies damit den Begriff der "Adoptivkaiser" als nicht nur irreführend, sondern geradezu falsch. Weitere prosopographische Untersuchungen von A.R. Birley (Vindolanda) beleuchteten die Quellenfrage in den Viten von Pescennius Niger und Clodius Albinus in der Historia Augusta, während J. Juan (Barcelona) den prosopographischen Hintergrund der Vita Marc Aurels beleuchtete.

Der Frage der Tendenz dieses Werkes ging K. Rosen (Bonn) nach, der zahlreiche Bezüge auf den Kaiser Julian aufdeckte, auf den vor allem die Vita Marc Aurels in der Historia Augusta anspiele. Reflexe innersenatorischer Konkurrenzen, besonders zwischen den gentes der Anicii und der Symmachi, legte R. Lizzi Testa (Perugia) offen; die Vita Claudius' II. untersuchte Ph. Bruggisser (Fribourg) in diesem Zusammenhang, in den sich auch die Untersuchung des Vesta-Kultes durch R. von Haehling (Aachen) stellte. Dieser prominente heidnische Kult diente v.a. in der Heliogabalsvita als Projektionsfläche für die religionspolitischen Vorstellungen des Autors.

Solche Anspielungen lenken den Blick auf die literarische Technik des Verfassers J. Schlumberger (Bayreuth) beschrieb beispielhaft die Einbettung einer Biographie, der Vita Probi, in die Konstruktion des Gesamtwerkes. Die Reflexe zeitgenössischer Inschriften in der Historia nahm X. Espluga (Barcelona) in den Blick. Besonderheiten im Sprachgebrauch des Verfassers zeichneten D. den Hengst (Amsterdam; anders als angek.) bei den Kausalkonjunktionen und F. Paschoud (Genf) bei den Ablativi absoluti nach; linguistische Analysen, die über die Autorenfrage hinaus auch der Charakterisierung seines literarischen Hintergrundes dienen. Von großer Bedeutung war der Vortrag von D. Burgersdijk (Amsterdam), der für die Historia Augusta eine umfangreiche Benutzung des Cornelius Nepos nachweisen und damit den bekannten literarischen Bezugsrahmen des Werkes deutlich ausweiten konnte. Seine weitergehende Beobachtung, daß die Historia Augusta möglicherweise zunächst in einem Codex mit den Viten des Nepos verbreitet wurde, ist auch für die Wirkungsabsicht des Werkes von großer Bedeutung.

Damit verbindet sich die Frage nach einzelnen Motiven und ihrer Darstellung in der Historia Augusta. H. Brandt (Bamberg) untersuchte das Motiv des Alters, vor allem des idealen Alters von Kaisern und M. Zimmermann (München) die literarische Stilisierung von Gewalt in der Historia Augusta. In beiden Fällen war ein wichtiges Ergebnis der hohe Grad an Abhängigkeit von weit älteren literarischen Topoi, die bei der Interpretation der Historia Augusta als Zeuge ihrer eigenen Zeit zu berücksichtigen bleibt. Dagegen interpretierte G. Zecchini (Mailand) die utopischen Entwürfe in den späteren Viten der Historia Augusta aus der politischen Agenda ihrer eigenen Zeit, und A. Bravi (Rom) erläuterte die Schilderung kostbarer Objekte in der Historia Augusta aus den erhaltenen Monumenten des späten 4. Jh. heraus.

Die Beiträge des Kolloquiums, deren Publikation in der Reihe "Munera" erscheinen wird, zeigten nicht nur, wie viele Detailfragen der Historia Augusta noch ungeklärt bleiben. Vor allem, und hierin liegt die herausragende Bedeutung der Historia Augusta als eines Testfalles der historiographiegeschichtlichen Forschung, konnte die Untersuchung dieser Detailprobleme immer wieder die drei zentralen Fragen neu umreißen und schärfer konturieren: Ihre Bedeutung für die Geschichte des zweiten und vor allem des dritten Jahrhunderts, wo die Historia Augusta gerade für eine Phase des rapiden historischen Wandels oft die einzige Quelle darstellt; zum zweiten die Entwicklung der römischen Historiographie im vierten Jahrhundert, die ein intensiver Rückgriff auf klassische Muster und gleichzeitig ganz neue literarische Formen und Vorstellungen geprägt haben, und drittens das Licht, das sie auf die pagane Kultur ihrer Zeit und die politischen Vorstellungen einer Aristokratie wirft, deren Bedeutung seit der Wende vom dritten zum vierten Jahrhundert stark beschnitten, aber auch grundlegend neu definiert worden war. Die Historia-Augusta-Forschung bleibt ein Vexierbild; ein Glasperlenspiel ist sie sicher nicht.


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