HT 2018: Globalgeschichte – eine Standortbestimmung

HT 2018: Globalgeschichte – eine Standortbestimmung

Organisatoren
Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD); Verband der Geschichtslehrer Deutschlands (VGD)
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.09.2018 - 28.09.2018
Url der Konferenzwebsite
Von
Anna Victoria Breidenbach, Historisches Institut, Ruhr- Universität Bochum

In dem von ROLAND WENZLHUEMER (München) geleiteten Panel wurde die historische Perspektive der Globalgeschichte als heuristisches Werkzeug in unterschiedlichen Forschungsbereichen auf neue Möglichkeiten hin untersucht. Sechs Impulsvorträge zeigten zunächst ein breites globalgeschichtliches Potential auf, eine im Anschluss positiv geführte Diskussion verwies auf die positive Rezeption und „Anwendung“ von Globalgeschichte als Ansatz und Forschungszweig. In seinem Eröffnungsvortrag stellt Wenzlhuemer fest, dass die Konjunktur der Globalgeschichte, die zwei Jahrzehnte galt, heute nicht mehr unhinterfragt ist. Jedoch sieht Wenzlhuemer die Globalgeschichte nicht an ihrem Ende angekommen, sondern in einer Phase der Einbettung in die etablierte Forschung. Er machte zunächst auf das anerkannte Problem aufmerksam, dass die Geschichte globaler Verbindungen eine derart integrative Methode sei, dass sie eine Färbung der Wahllosigkeit gewinne. Wenzlhuemer definierte Globalgeschichte außerdem deutlich als Perspektive im Gegensatz zu einem spezifischen Gegenstand. Seiner Meinung nach sei Globalgeschichte in den letzten Jahren vor allem eine empirische Anhäufung von Verbindungen gewesen. Fruchtbar und innovativ seiner Ansicht nach wäre jedoch, die Bedeutung dieser Verbindungen oder Nicht-Verbindungen aufzuzeigen. Globalgeschichte sollte sich nicht darauf beschränken, Verbindungen zu suchen, sondern eine Systematik und Bedeutung hinter ihnen aufzeigen.

JULIA ANGSTER (Mannheim) versuchte in ihrem Impulsbeitrag eine bewusste Provokation zu schaffen, indem sie den Begriff des Nationalen als zentralen Begriff in der Globalgeschichte verortete. Es genüge nicht, eine grenzüberschreitende Nationalgeschichte zu schreiben. Dies sei eine zu stark skalierte Abgrenzung. Vielmehr sollten die Stärken der Globalgeschichte genutzt werden, um die Fehler der Nationalgeschichtsschreibung anzugehen und zu beheben. Nationalgeschichten sollten demnach neu geschrieben, jedoch nicht negiert werden.

BENEDIKT STUCHTEY (Marburg) lenkte die Aufmerksamkeit in seinem Impulsvortrag auf Objekte als Gegenstand globalgeschichtlicher Forschung. Beispielhaft zeigte er auf, wie Objekte wie der Ehering in einem globalen Kontext gesehen werden können. Stuchtey sieht Potential in der Erforschung der „materiellen Kultur“ in der Phase des europäischen Kolonialismus. Globalperspektivisch ist für ihn besonders die Sicht auf und Wertschätzung europäischer Gegenstände im außereuropäischen Kontext interessant.

INES PRODÖHL (Bergen) sieht besonders in der Wirtschaftsgeschichte Potential für eine globale Perspektive. Sie betonte, dass die Globalgeschichtsschreibung bis vor zehn Jahren eher eine Geschichte der Ideen gewesen sei, dass nun jedoch die Untersuchung von Waren und Materialien in den Vordergrund rücke. So werden zum Beispiel in Berlin durch die Untersuchung der Verbreitung landwirtschaftlicher Rohstoffe eine neue Agrargeschichte geschrieben. Außerdem sieht sie neue Perspektiven für die Globalgeschichte, wenn Unternehmer in ihrer Rolle als globale Akteure stärker untersucht und in den Fokus gebracht werden.

MONICA JUNEJA (Heidelberg) postulierte eine „Global Art History“ und umriss die Perspektiven dieser Teildisziplin. Sie fragt nach der Kopplung von Kunst- und Wirtschaftsgeschichte, indem sie untersucht, ob eine globale Verbreitung von Kunst an die Nachfrage und die Kapitalbewegungen auf dem Markt gebunden ist. Juneja forderte, dass kunsthistorische Narrative in einen globalen Rahmen gesetzt werden. Sie verlangte, dass sich die Kunstgeschichte aus ihrer eigenen Konstante lösen muss: Ihrer Meinung nach bezieht sie die Entwicklung von Kunst zu häufig auf einen kulturellen Fortschritt und sieht einen bestimmten Künstler als Höhepunkt. Von diesem Maßstab müsse sich eine globale Kunstgeschichte lösen und stattdessen eine Diversität künstlerischer Höhepunkte in verschiedenen Weltregionen anerkennen.

CYRUS SCHAYEGH (Genf) fordert in seinem Vortrag über „Transspatialization“ eine Verwischung der Skalen in der historischen Forschung. Er verlangte, sich in der Historiografie nicht von den strengen nationalen und globalen Rahmen binden zu lassen. Sein Ansatz fordert eine Verflechtung des Globalen und des Lokalen und damit eine verstärkte, in Fachkreisen bereits praktizierte „Glokalisierung“: Es solle nach den lokalen Auswirkungen von globalen Phänomenen geforscht werden. Schayegh fragt vor allem nach einer Selbstverortung der Akteure. Dabei plädierte er jedoch stark dafür, in einer historischen Fragestellung nicht sofort davon auszugehen, dass sich Akteure selbst als globale Subjekte sehen.

In der konstruktiven Diskussion wurden in den Beiträgen der ZuhörerInnen die positiven Erwartungen an die kommende Globalgeschichtsschreibung deutlich. Mögliche Forschungsfelder wie der Kolonialismus wurden ausgelotet, einige Anregungen forderten einen stärkeren Fokus auf die Akteure in der Globalgeschichtsschreibung. Julia Angster verdeutlichte nochmals, dass die Hervorhebung des Nationalen keineswegs eine Absage an die Globalgeschichte darstelle, sondern eine fruchtbare Ergänzung. Obwohl das Panel keine neuen Erkenntnisse zu den Feldern der Globalgeschichte aufgezeigt hat, wurde von Neuem auf die vielseitigen Möglichkeiten aufmerksam gemacht, die eine globalgeschichtliche Perspektive der historischen Forschung bietet. Der Standort, den die Globalgeschichte in der gegenwärtigen Forschung einnimmt, kann insgesamt als sicher und, mit den Worten Roland Wenzlhuemers, als konsolidiert angesehen werden.

Sektionsübersicht:

Sektionsleitung: Roland Wenzlhuemer (München)

Roland Wenzlhuemer (München): Globalgeschichte als Verbindungsgeschichte

Julia Angster (Mannheim): Zum Gegensatz von nationaler und globaler Perspektive

Benedikt Stuchtey (Marburg): Imperialgeschichte, Globalgeschichte und ihre Objekte

Ines Prodöhl (Bergen): Fragen an eine globale Wirtschaftsgeschichte

Monica Juneja (Heidelberg): Jenseits von Verflechtung – Globalität als epistemische Kritik

Cyrus Schayegh (Genf): Transpatialization