Herrschaft im Spiegel der Geschichte. Internationaler Workshop zur Chronik Azuma kagami („Spiegel des Ostens“)

Herrschaft im Spiegel der Geschichte. Internationaler Workshop zur Chronik Azuma kagami („Spiegel des Ostens“)

Organisatoren
Sonderforschungsbereich 1167 "Macht und Herrschaft - Vormoderne Konfigurationen in transkultureller Perspektive"
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.12.2018 - 28.12.2018
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Von
Daniel F. Schley, Abteilung für Japanologie und Koreanistik, Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Universität Bonn

Vom 26. bis 28. November widmeten sich die Mitglieder des japanologischen Teilprojekts des SFB 1167 zusammen mit aus Japan und Großbritannien angereisten Mittelalterhistorikern der Chronik Azuma kagami, die gegen Ende des 13. Jahrhunderts unter Leitung der Kriegerregierung kompiliert worden war. Gemeinsam befragten sie die Chronik aus den unterschiedlichen Perspektiven ihrer jeweiligen historischen Spezialisierungen zu Facetten von „Macht und Herrschaft“ in Japan. Die dreitägige Veranstaltung fand auf Japanisch statt.

Zu Beginn des Workshops stellte DANIEL F. SCHLEY (Bonn) als mitverantwortlicher Organisator das von DETLEV TARANCZEWSKI (Bonn) und ihm selbst geleitete japanologische Teilprojekt vor und verortete das Thema des Workshops im Gesamtbereich der SFB-Forschung. Dazu erläuterte er kurz die beiden Spannungsfelder „Zentrum und Peripherie“ sowie „Personalität und Transpersonalität“, denen das Teilprojekt zugeordnet ist.

Im ersten Vortrag hob KONDŌ SHIGEKAZU (Tokyo) auf die grundsätzlichen Schwierigkeiten ab, den Azuma kagami unter narratologischen Gesichtspunkten für die historische Forschung zu nutzen. Gründe hierfür sind nicht zuletzt in den unterschiedlichen Grundlagenquellen und den unklaren Verhältnissen der an der Kompilation beteiligten Personen auszumachen. Wie dennoch textinterne Motive mit externen Zeugnissen verbunden werden können, demonstrierte Kondō an Minamoto no Yoritomos Grab und dessen memoria-Praxis durch die Hōjō-Sippe.

Anschließend stellte JEFF KURASHIGE (Tokyo/Cambridge) ein neues Übersetzungsprojekt des Azuma kagami vor, in dem Japanhistoriker weltweit gemeinsam eine frei zugängliche Gesamtübersetzung der umfangreichen Quelle planen. Er zeigte zudem die Möglichkeiten auf, die eine digitale Diskussionsplattform bieten kann, mit der fachliche und sprachliche Detailprobleme unter fortwährender Aktualisierung nachvollziehbar bleiben.

NAGAMURA YOSHITOMO (Kyoto) resümierte den Stand der Forschung zu den Textvorlagen der Chronik und begegnete dem von Gomi Fumihiko1 aufgezeigten Desiderat, für die Berichtszeit der 1220er- bis 1230er-Jahre geeignete Quellen einzugrenzen. Dazu machte er unter anderem auf Zeugnisse von Gotō Mototsune aufmerksam. An den beiden Beispielen der (fiktiven) Rede von Yoritomos Witwe Hōjō Masako und der narrativ überzeichneten Loyalität von Kriegern für Hōjō Yasutoki während des Jōkyū-Krieges (1221) belegte Nagamura die Relevanz zeitnah entstandener, höfischer Geschichtserzählungen für die Darstellung im Azuma kagami.

Den ersten Vortragstag beendete HONGŌ KEIKO (Tokyo) mit einer kritischen Bestandsaufnahme zu Aussagen im Azuma kagami, die Rückschlüsse auf die Genese der Gefolgschaft als der für die Krieger charakteristischen Herrschaftskonfiguration erlauben. Dazu prüfte sie schwerpunktmäßig die Erzähleinheiten zu Kumagai Naozane und den Invasionsversuchen Kublai Khans. Sie ergänzte ihre Darstellung mit einem Seitenblick auf die didaktischen Anweisungen von Hōjō Shigetoki. Im Ergebnis hielt sie fest, dass Gefolgschaft zu jedem neuen Militäranführer (Schogun) einer erneuten Festigung bedurfte, die sich im 13. Jahrhundert vorwiegend personell konstituierte.

Den zweiten Sitzungstag des Workshops leitete NISHITA TOMOHIRO (Tokyo) mit einem Vortrag zur Verbreitung von Schriftlichkeit unter den Kriegern ein. Einzelne Adelige vermittelten ab Ende des 12. Jahrhunderts die höfische Kultur von Kyoto nach Kamakura und brachten auch ganz bestimmte Schreibstile mit. Anhand zahlreicher Quellenbeispiele und handschriftlicher Zeugnisse legte Nishita dar, wie individuelle Vorlieben den Ausschlag für eine bestimmte höfische Kursive gaben und sich diese in Kamakura etablierte.

An diesen Befund knüpfte TANAKA MAKOTO (Kyoto/Berlin) in seiner Betrachtung der Personengruppe von Literatenbeamten (bunshi) an, welche die Forschung (durchaus quellengestützt) als eine von den Kriegern (bushi) gesonderte, eigene Schicht begreift. Diese Gelehrten stammten aus den Familien niederer Ministerialbeamter in Kyoto ab, doch winkte ihnen unter den neuen Machthabern in Kamakura aufgrund ihrer Kenntnisse ein schneller Aufstieg an die Spitze der Schogunatsverwaltung. Neben ihren Verwaltungstätigkeiten und Schreibdiensten waren sie ebenso für buddhistische Rituale oder kulturelle Veranstaltungen (z. B. Dichtkunst) verantwortlich und darüber hinaus wesentlich an der Ausfertigung des Azuma kagami beteiligt. In seinem Vortrag machte Tanaka an ausgewählten Personen deutlich, dass es zwischen den beiden Gruppen von Kriegern und Gelehrten in manchen Kompetenzbereichen größere Überschneidungen gab als bisher angenommen.

JINNO KIYOSHI (Tokyo) lenkte den Blick auf die Relevanz des Azuma kagami für die rechtsgeschichtliche Forschung. Problematisch sind hierbei die einzelnen Belegstellen in der Quelle, die sich inhaltlich nicht mit der von der Forschung (besonders Kasamatsu Hiroshi) zusammengestellten juristischen „Novellensammlung“ decken. Auf der Grundlage einer äußerst detaillierten Binnendifferenzierung prüfte er einzelne Bestimmungen darauf, ob sie im engeren Sinne als Gesetzesnachträge zu Hōjō Yasutokis Rechtssammlung Goseibai shikimoku (1232) verstanden werden können und bot so einer Diskussion um die engere Definition von „Recht“ im 13. Jahrhundert Raum.

Im letzten Vortrag erweiterte UEJIMA SUSUMU (Kyoto) den Fokus noch einmal durch seine Betrachtung der Herrschaftsverhältnisse in Hiraizumi nordöstlich von Kamakura und die Bedeutung buddhistischer Rituale in königlichen Gelübdetempeln für die Elite in Kyoto und Kamakura.

Konferenzübersicht:

Daniel F. Schley (Universität Bonn): Einleitungsreferat

Shigekazu Kondo (The Open University): Minamoto no Yoritomo im Rückblick des Azuma kagami

Jeff Kurashige (Kyūshū University): A Digital Mirror of the Azuma kagami

Yoshitomo Nagamura (Kyōto Museum): Der Azuma kagami und der Jōkyū-Krieg (1221)

Keiko Hongō (Universität Tōkyō): Gefolgschaft im mittelalterlichen Japan

Tomohiro Nishita (Universität Tokyo): Die Herrschaft der Krieger und die Schriftkultur

Makoto Tanaka (Ritsumeikan-Universität Kyoto): Der Azuma kagami und die Schriftkundigen

Kiyoshi Jinno (University of Science, Tokyo): Der Azuma kagami und die Gesetzesnovellen der Kamakura Regierung

Susumu Uejima (Kyōto University): Hiraizumi, Kyoto, Kamakura – Überlegungen zum besonderen Charakter von Macht

Abschlussdiskussion

Anmerkungen:

1 Gomi Fumihiko, Azuma kagami no hōhō (Die Methode des Azuma kagami), Tōkyō 1989.


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Japanese
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