Ökonomie – Geschlecht – Recht. 24. Fachtagung des Arbeitskreises Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit (AKGG-FNZ)

Ökonomie – Geschlecht – Recht. 24. Fachtagung des Arbeitskreises Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit (AKGG-FNZ)

Organisatoren
Arbeitskreis Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit
Ort
Stuttgart-Hohenheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.10.2018 - 27.10.2018
Url der Konferenzwebsite
Von
Katharina Breidenbach, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena; Valentina Kozák, Universität Complutense Madrid

Die Geschlechtergeschichte hat schon früh darauf verwiesen, dass das Feld der frühneuzeitlichen Ökonomie durch geschlechterspezifische Zuschreibungen strukturiert war, die Handlungsspielräume der frühneuzeitlichen AkteurInnen aber weniger stark von diesen geschlechtlichen Markierungen strukturiert waren, als von der traditionellen Forschung angenommen. In den Vorträgen, die aktuelle Untersuchungen zur Bedeutung von Geschlecht präsentierten, wurde Geschlecht daher immer auch in Relation zu weiteren strukturierenden Kategorien gesetzt. Im Fokus der ReferentInnen standen Fragen nach wirtschaftlichen Einflüssen, Ressourcentransfer und vermögensrechtliche Arrangements von Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten.

EVA BRUGGER (Basel) eröffnete die Tagung mit ihrem Beitrag „Geschlecht und Ökonomie. Konsumption und Produktion“. Anhand ausgewählter Beispiele diskutierte sie die Schwierigkeiten der Verknüpfung der Forschungsfelder Ökonomie und Geschlecht. Brugger wies auf die Abgrenzungen zwischen der eher kulturgeschichtlich orientierten Geschlechtergeschichte und der eher quantitativ orientierten, serielle Quellen präferierenden Wirtschaftsgeschichte hin. Durch die Verknüpfung von kultur- und wirtschaftsgeschichtlichen Ansätzen zeigte die Referentin neue Tendenzen und Wege auch für die Geschlechtergeschichte auf. In ihrem Fazit betonte Brugger, dass es bei der Verknüpfung von „Geschlecht und Ökonomie“ nicht einfach nur darum ginge, die Unterschiede zwischen Frauen und Männern zu analysieren, sondern, dass die Wirtschafts- und die Geschlechtergeschichte voneinander lernen, um so neue Perspektiven auf die Vergangenheit zu ermöglichen.

Das erste Panel eröffnete CHARLOTTE BACKERRA (Darmstadt) mit ihrem Beitrag „Erbschaften, Ländereien, Stiftungsgelder. Finanzielle Macht der Kaiserinnen“. Am Beispiel von Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, Ehefrau Kaiser Karls VI., fragte sie nach finanziellen Einflüssen von Kaiserinnen an Herrscherhöfen. Sie zeigte, wie Elisabeth Christine das Prestige und den wirtschaftlichen Einfluss ihrer Herkunftsdynastie auch nach ihrer Heirat weiterhin zu erhöhen wusste. Die Kaiserin konnte dabei auf kaiserliche Mittel zurückgreifen, um ihre Familienmitglieder finanziell zu unterstützen. Des Weiteren stellte Charlotte Backerra finanziellen Grundlagen der frühneuzeitlichen Kaiserinnen vor. An ausgewählten Beispielen zeigte sie, wie die Kaiserinnen eigenständig wirtschafteten. Über ihren Einsatz von finanziellen Mitteln lassen sich, so Backerra, auch Indizien über politische Ziele der Kaiserinnen und ihren Familien gewinnen. Abschließend ging die Vortragende auf die Relevanz von Finanzen für die Kaiserforschung allgemein ein.

CATHÉRINE LUDWIG-OCKENFELS (Gießen) stellte „Die Kabinettskasse und andere finanzielle Mittel der Reichsfürstin Anna Maria Luise De’ Medici (1667-1743)“ und ihre damit verbundenen Handlungsspielräume vor. Als Ehefrau von Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg war Maria Anna Luise De’ Medici von 1691 bis 1716 regierende Reichsfürstin. Sie nahm direkten Einfluss auf ihre Einkünfte und Ausgaben, wie die Vortragende mittels Analyse von zwei Jahren ihrer Kabinettskasse verdeutlichte. Anhand der Abrechnungen konnte sie zeigen, welche Ausgaben die Fürstin tätigte und wie sie damit ihr jährliches Deputat kontinuierlich erhöhte. Neben der Kabinettkasse disponierte die Fürstin über ein Handgeld, welches ihr frei zur Verfügung stand. Die Referentin spürte auch den juristischen Voraussetzungen nach, welche der Reichsfürstin einen eigenen finanziellen Handlungsrahmen zuwiesen.

CATLEEN SARTI (Mainz) ermöglichte mit ihrem Vortrag „Sigbrit Villoms als Wirtschafts- und Finanzberaterin Christians II.“ einen Einblick in die Handlungsspielräume einer nicht-adeligen Beraterin am dänischen Königshof im 16. Jahrhundert. Aufgrund ihrer Stellung als Mutter der Mätresse des Königs konnte Villoms direkten Einfluss auf den Monarchen nehmen. Sie beriet den König sowohl bei wirtschaftlichen wie auch bei rechtlichen Reformen. Im Rahmen des Versuchs Schweden zu erobern, lies Christian II. gemeinsam mit Villoms 1519 den Standort des Sundzolls verlegen und führte eine zentralisierte Berechnung des Zolls ein. Ebenso war sie 1521 in die Reformen des Stadt- und Landrechts in Dänemark involviert. Diese Reformen führten zu Widerständen des dänischen Adels und zur Absetzung Christians II. 1523, womit auch Villoms Karriere als königliche Beraterin beendet wurde.

„Oikos und Geschlecht. Die Bedeutung geschlechterspezifischer Normen für die Wirtschaftlichkeit von Haus und Gemeinwesen“ war das Beitragsthema von JOHN EGLE (Marburg), der das zweite Panel eröffnete. Ausgehend von der bis in die Frühe Neuzeit wirksamen Dreiteilung der praktischen Philosophie nach Aristoteles war das Haus (Oikos) die Sphäre des Ökonomischen schlechthin. Wie Egle anhand der frühneuzeitliche Hausväter- und Traktatliteratur zeigte, war es das Nebeneinander von Hausen und Wirtschaften, welches das Haus erst konstituierte. Gewirtschaftet wurde aber nicht nach Gewinn, sondern nach Auskömmlichkeit, die im Begriff der „Hausnotdurft“ ihre Entsprechung fand. Produktion und Konsumtion betrafen zentral die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, weshalb Geschlechter-, Ehe- und Hausdiskurs nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. So wurde dem Haus als Wirtschaftseinheit im erweiterten Sinne, wie Egle abschließend ausführte, in seiner Dysfunktionalität ein besonderes Bedrohungspotential für das Gemeinwesen zugeschrieben, da verschiedene soziale, kulturelle und gesellschaftliche Funktionszusammenhänge zentral mit dem Hauses verbunden waren.

Der Vortrag „Von „Hvsfrven“ und Häusern für Frauen“ von TERESA SCHRÖDER-STAPPER (Essen) befasste sich mit Inschriften an frühneuzeitlichen Gebäuden und der Repräsentation von Geschlecht, die diesen innewohnte. Anhand ausgewählter Beispiele aus den Städten Braunschweig und Hildesheim konnte sie zeigen, wie sich Frauen und Männer in das städtische Bild einschrieben und wie durch Inschriften gemeinsamer bzw. getrennter Hausbesitz manifestiert wurde. Die Inschriften wurden mal mehr oder weniger sichtbar angebracht und dienten auch als Legitimation von Besitz durch Kauf oder Erbe. Dabei galt das Interesse von Teresa Schröder-Stapper nicht allein der Kategorie Geschlecht, sondern sie setzte diese vielmehr in Relation zu weiteren Kategorien wie Stand, Rechtsstatus und Konfession. Die Inschrift fungierte in diesem Zusammenhang folglich auch als eine Machtstruktur, die nicht nur geschlechtliche Differenzen, sondern Herrschaft in die Stadt einschrieb.

Nachdem die Co-Referentin Birgit Dober erkrankt war, stellte ANDREA GRIESEBNER (Wien) den gemeinsamen Beitrag „Vieldeutige Normen. Situative Praxis“ vor. Sie fokussierte zunächst die eherechtlichen Bestimmungen zur Scheidung von Tisch und Bett in der Habsburger Monarchie. Anhand des kanonischen Eherechts, welches bis 1783 galt, und dem Josephinischen Ehepatent, welches 1783 eingeführt wurde, erläuterte die Referentin die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten von Ehefrauen und Ehemänner. Wie diese verschiedenen Optionen genutzt wurden präsentierte sie mit Rekurs auf das Webportal „Ehen vor Gericht“,1 wo qualitative wie quantitative Forschungsergebnisse abfragbar sind. Anhand von Fallbeispielen erörterte Griesebner zudem, wie Frauen nach der Einführung des Josephinischen Ehepatents nachteilige vermögensrechtliche Konzessionen eingingen, um eine einvernehmliche Scheidung zu erreichen. Sie zeigte, wie mittels vermögensrechtlicher Bestimmungen mit der Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch 1786 und dessen Änderungen von 1811 die patriarchale Geschlechterlogik weiter ausgebaut wurde.

Anstelle von Ruth Baumgarten, die ebenfalls erkrankte, wurde das dritte Panel von CHARLOTTE ZWEYNERT (Hannover) mit ihrem Vortrag „Welche Vermögen sind vererbbar? Helmina von Chézy (1783-1856)“ eröffnet. In ihrem Beitrag ging sie der Frage nach, wie der Transfer von Vermögen und kulturellem Kapital über drei Generationen hinweg (Selbst-)Positionierungen ermöglichte bzw. diese mitbeeinflußte. Am Beispiel der Literatin Helmina von Chézy (1783-1856), Tochter der Dichterin Caroline Louise von Klenk und Enkelin der Dichterin Anna Louisa Karsch, lenkte sie die Aufmerksamkeit auf die Vererbung von immateriellen Vermögenswerten, indem sie zeigte, dass Helmina von Chézy auch das Wissen um geschäftliche Zusammenhänge oder das Vermögen, soziale Netzwerke aufzubauen und zu pflegen, ererbt hatte. Dabei konnte sie herausarbeiten, dass „Geschlecht“ eine wesentliche Ressource im Kontext der zeitgenössischen Vermögensfragen war. Am Ende des Vortrags trat den ZuhörerInnen mit Helmina von Chézy eine „vermögende Akteurin“ einer komplex organisierten Geschlechterökonomie entgegen.

MARCEL KOGE (Leipzig) belegte in seinem Vortrag „Witwenbetriebe im frühneuzeitlichen Zunfthandwerk“, dass nicht wenige Frauen die Zunftbetriebe ihrer verstorbenen Männer weiterführen konnten. Viele Zünfte gewährten den hinterbliebenen Frauen verstorbener Meister bestimmte Privilegien, darunter auch das Recht, den Betrieb des Ehemannes fortzuführen. Wie viele Witwen den Betrieb weiter führten, ist bislang allerdings wenig erforscht. Marcel Koge präsentierte quellenspezifische Methoden, wie die Existenz dieser Witwenbetriebe, ihre Dauer und Überlebensfähigkeit erfasst werden können und erläuterte die Grenzen und Probleme der jeweiligen Zugänge. Aufbauend auf teilweise schon seriell überlieferten Quellen, wie Gesellen- und Lehrlingsbücher, Rechnungsbücher der Zünfte sowie Steuerlisten aus verschiedenen sächsischen Städten aus dem 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert präsentierte er erste Ergebnisse, wie und auch wie lange Witwen die Betriebe des Ehemannes fortführten. Zudem wurden in diesem Zusammenhang auch die spezifischen Probleme der ausgewählten Quellen diskutiert.

Im letzten Beitrag des dritten Panels „Schulunternehmerinnen in Wien um 1800“ stellte WALTRAUD SCHÜTZ (Wien) Schulunternehmerinnen, ihre Handlungsspielräume und die von ihnen betriebenen Schulen vor. Paragraph 12 der 1774 in der Habsburger Monarchie eingeführten Allgemeinen Schulpflicht schrieb vor, dass für Mädchen eigene Schulen eingerichtet werden sollten, um diese "im Nähen, Stricken, und anderen ihrem Geschlechte angemessenen Dingen zu unterweisen." Anhand von ausgewählten Fallbeispielen verdeutlicht sie Erwerbsmöglichkeiten von Frauen als Unternehmerinnen wie Lehrerinnen im Privatschulsektor. Im Zentrum standen die Gesetzeslage einerseits, die bürokratischen Abläufe sowie die Strategien von Frauen, ihre Schulen zu bewerben, andererseits. An einem Fallbespiel verdeutlichte sie die beruflichen und rechtlichen Fallstricke, die mit den privaten Unternehmungen eines Mädchenpensionats oder einer Mädchenschule verbunden waren.

Insgesamt zeigte die Tagung, wie produktiv es ist, nach den Beziehungen zwischen Ökonomie, Geschlecht und Recht zu fragen. So wurde in der Schlussdiskussion noch einmal deutlich, dass Geschlecht in Hinblick auf wirtschaftliche und ökonomische Faktoren immer auch in Bezug zu anderen Kategorien gedacht werden muss. So ergeben sich durch die Ansätze von Geschlecht als "mehrfach relationale Kategorie" (Andrea Griesebner) oder Geschlecht als Markierung im Zusammenhang von Wirtschaft und Ökonomie viele neue Fragen und Denkanstöße. Zudem war die Tagung durch eine offene Diskussionskultur geprägt, die viele neue Impulse für die ReferentInnen aber auch für die ZuhörerInnen hervorbrachte. Die nächste Tagung des Arbeitskreises „Geschlechtergeschichte in der Frühen Neuzeit“ wird vom 24. bis 26. Oktober 2019 stattfinden und sich zum 25 jährigem Jubiläum dem Thema „Übergänge“ widmen.2

Konferenzübersicht:

Eva Brugger (Basel): Geschlecht und Ökonomie. Konsumption und Produktion

Panel I: Wirtschaftlicher Einfluss von Frauen an Fürstenhöfen

Charlotte Backerra (Darmstadt): Erbschaften, Ländereien, Stiftungsgelder. Finanzielle Macht der Kaiserinnen

Cathérine Ludwig-Ockenfels (Gießen): Die Kabinettskasse und andere finanzielle Mittel der Reichsfürstin Anna Maria Luisa De’ Medici (1667-1743)

Cathleen Sarti (Mainz): Sigbrit Villoms als Wirtschafts- und Finanzberaterin Christins II

Panel II: Erwerbs- und Reproduktionssphären

John Egle (Marburg): Oikos und Geschlecht. Die Bedeutung geschlechterspezifischer Normen für die Wirtschaftlichkeit von Haus und Gemeinwesen

Teresa Schröder-Stapper (Essen): Von „Hvsfrven“ und Häusern für Frauen. Hausbesitz von Frauen in urbanen Inschriften der Frühen Neuzeit

Andrea Griesebner (Wien): Plurale Normen. Situative Praxis. Vermögensrechtliche Arrangements bei der einverständlichen und uneinverständlichen Trennung von Tisch und Bett im 18. und frühen 19. Jahrhundert

Panel III: Frauen als Unternehmerinnen

Charlotte Zweynert (Hannover): Welche Vermögen sind vererbbar? Helmina von Chézy (1783-1856) und die Bedeutung von Testamenten für den familiären Transfer von Ressourcen

Marcel Korge (Leipzig): Witwenbetriebe im frühneuzeitlichen Zunfthandwerk

Waltraud Schütz (Wien): Schulunternehmerinnen in Wien um 1800

Anmerkungen:
1 Institut für Geschichte der Universität Wien, Webportal „Ehen vor Gericht“, https://www.univie.ac.at/ehenvorgericht/ (31.01.2019).
2 Zur aktuellen Tagung vgl. die Website des AK: https://www.univie.ac.at/ak-geschlechtergeschichte-fnz/?page_id=48.