Visual Languages of Ancient Coins – Traditions through Empires. Cities of Asia Minor and Their Coin Images

Visual Languages of Ancient Coins – Traditions through Empires. Cities of Asia Minor and Their Coin Images

Organisatoren
Saskia Kerschbaum, Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München; Hülya Vidin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.12.2018 - 08.12.2018
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Von
Saskia Kerschbaum, Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München; Hülya Vidin, Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Neun Referenten aus Frankreich, der Türkei, Deutschland und Österreich gingen im Rahmen dieser Tagung der Frage nach, welche Bildtraditionen sich auf den Münzen kleinasiatischer Städte mit einer langen Prägetätigkeit nachvollziehen lassen. Um den Begriff der Tradition eingrenzen zu können, wurde auf die Theorie des Kunsthistorikers Aby Warburg zurückgegriffen, der nicht nur von einem engen Zusammenhang zwischen der Identität des Einzelnen und der bürgerlichen Gemeinschaft ausging, sondern auch den Begriff der „iconic memory“ prägte. Dieser Begriff meint, dass Erinnerung und Tradition in einem hohen Maß von den tradierten Bildern abhängen, wie sie etwa in der städtischen Münzprägung in hoher Diversität zu finden sind. Diese Münzbilder können also als Ausdruck städtischer Identität verstanden werden und auf vergangene Ereignisse und Traditionen rekurrieren. Vor diesem theoretischen Hintergrund war es das Ziel der Tagung, anhand von drei thematischen Teilbereichen zu untersuchen wie Traditionen entstehen, wann und unter welchen Voraussetzungen sie bewahrt und aufgegeben werden und welcher Teil von ihnen in Form von Bildern festgehalten wurde. Die drei Panels umfassten den Einfluss politischer Akteure auf die Münzprägung, die Relevanz alter Kulte für die städtische Identität sowie die Überlegung, ob bestimmte Traditionen auch durch eine Vielzahl verschiedener Bilder vermittelt werden können, die dennoch auf dasselbe Thema Bezug nehmen. Eröffnet wurde die Tagung durch den Direktor der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, Christof Schuler sowie die Organisatorinnen Saskia Kerschbaum und Hülya Vidin.

Das erste Panel „Historical Developments and Civic Identity”, moderiert von Wolfgang Fischer-Bossert (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien), eröffnete JOHANNES NOLLÉ (DAI, München). Er gab einen umfassenden Einblick in die sidetische Münzprägung, die seit Beginn der Prägeaktivität in der klassischen Zeit vom Dualismus der Athena und des Apollon gekennzeichnet war und stets von dem Granatapfel, der bildlichen Wiedergabe des Stadtnamens und zugleich Symbol der Fruchtbarkeit der altanatolischen Gottheit, begleitet wurde. Während in der Kaiserzeit eine zunehmende Bildervielfalt bezüglich der dargestellten Gottheiten zu beobachten ist, bleiben die beiden Hauptgötter in der Münzikonographie bestehen und übernehmen neue Funktionen, die mit den neuen politischen und kultischen Rollen Sides in der Kaiserzeit im Zusammenhang stehen. So wird Athena als Beschützerin des Stadtrates, als Athena Bulaia, dargestellt und Apollon als Stifter und Beschützer der pythischen Spiele. Dabei bleibt der Granatapfel bis zum Ende der Münzprägung als Symbol der Stadt auf den Münzen bestehen. So zeigt sich die Münzprägung Sides bezüglich ihrer Motivwahl zwar als sehr konstant, diese Motive gewannen im Laufe der Zeit jedoch neue Bedeutungsebenen hinzu.

Im zweiten Vortrag des Tages untersuchte JULIE DALAISON (Universität Lyon) die Münzbilder Sinopes vor dem Hintergrund der turbulenten politischen Veränderungen vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. Die frühesten Prägungen der bedeutendsten Seehandelsstadt am Pontos standen ganz im Zeichen des Adlers. Mit Beginn der persischen Herrschaft tritt ein Typus auf, der auch in den beiden anderen milesischen Kolonien Histria und Olbia erscheint, dessen hinreichende Interpretation jedoch noch immer aussteht: Der Adler trägt nun einen Delphin. Besonders wichtig für das frühe Selbstverständnis der Stadt ist darüber hinaus die eponyme Najade und Stadtgründerin Sinope, deren qualitätvoll geschnittenes Porträt fast durchgängig auf den Silbermünzen der Stadt erscheint. Sinopes Selbstverständnis als Meeresstadt scheint mit der Eroberung durch Cäsar völlig zu verschwinden. Zahlreiche neue Gottheiten, kaiserliche Themen und vor allem eine völlig in Latein gehaltene Umschrift prägen die Münzikonographie der Kolonie. Diese Veränderung lässt die Frage aufkommen, ob diese Thematiken auf die neuen römischen Machthaber oder eher auf die Anpassung der griechischen Bevölkerung an die neue politische Situation hinweist.

Von der Nordküste zur Südwestküste nach Karien ging es im dritten Vortrag. KORAY KONUK (CNRS – Universität Bordeaux Montaigne) stellte in seinem Beitrag die Prägetradition von Halikarnassos vor. Die ersten Prägungen, beginnend um 500 v. Chr., zeigen das für die archaisch kleinasiatische Prägung bekannte Motiv des Ketos. Die ikonografische Auswahl der klassischen Prägung spiegelt mit der Ziege und Pegasus die lokalen Traditionen wider, die als fester Typus das 5. Jahrhundert v. Chr. dominieren. Das 4. Jahrhundert v. Chr. war die Blütezeit der Stadt, gekennzeichnet durch die Herrschaft der Hekatomniden, die ihren Sitz von Mylasa nach Halikarnassos verlegten. Die neu gewonnene Bedeutung der Stadt spiegelte sich auch in der Münzprägung wider. Ab Maussollos gab die Stadt eine große dynastische Prägung heraus, deren Typen die Ikonographie des Apollon, der in Halikarnassos bereits etabliert war, und den Typ Zeus Labraundos aus Mylasa kombinierten. Im Hellenismus erscheinen zudem zahlreiche neue Typen. In der römischen Zeit werden dann neben den wenigen römischen Themen vor allem alte Traditionen weitergepflegt und gleichzeitig auch wiederbelebt, so dass die Münzprägung von Halikarnassos zu Beginn eine relativ variantenreiche, den politischen Umständen geschuldete Motivwahl aufweist und diesen Bilderschatz bis in die römische Zeit tradiert.

Im letzten Vortrag des Tages sprach HÜLYA VIDIN (Goethe-Universität, Frankfurt am Main) zu der 800 Jahre andauernden Münzprägung Milets. Der seit Beginn der Prägung um 600 v. Chr. die Münzprägung Milets beherrschende Löwe dominierte bis in das 3. Jahrhundert v. Chr. und durchlief stilistische Veränderungen während auf der Rückseite häufig eine Stern- oder Rosettenform dargestellt war. Ein klarer Einschnitt in der Prägung vollzieht sich ab der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. bei den unabhängigen Prägungen, bei denen nun erstmals Apollons Kopf auf dem Avers und der Löwe auf dem Revers geprägt wurden und im gesamten Hellenismus sowohl in der Bronze als auch in der Silberprägung dominierten. Die kaiserzeitliche Prägung zeigt deutlich die weiterbestehende Dominanz des Apollon in der Münzprägung, die nun eine ikonographische Trennung zwischen Apollon Didymaios und Apollon Delphinios aufweist. Neue Typen und Gottheiten erscheinen in der Kaiserzeit auch, allerdings immer zeitlich begrenzt. Parallelen gibt es zum archäologischen Befund bezüglich der Dominanz der Apollon Kulte. Während nach der Archaik ein Rückgang in der Pflege der Kulte anderer Gottheiten zu beobachten ist, wurden die Kulte von Apollon Didymaios und Apollon Delphinios bis in die späte Kaiserzeit gefördert.

Im zweiten Panel „Change and Diversification of Ancient Coinage“, moderiert von Christof Schuler, sprach zunächst SASKIA KERSCHBAUM (beide DAI, München). Sie machte deutlich, dass Byzantion während seiner gesamten Münzprägung stets auf den Bosporus rekurrierte, wobei in der archaischen und klassischen Zeit die Mythen um Io, die als Kuh den Bosporus überquerte und Poseidon, der Vater des mythischen Gründers Byzas, im Vordergrund standen. In der hellenistischen und römischen Zeit diversifizierte sich die Münzprägung der Stadt und es kam neben der mythischen Deutung auch die wirtschaftliche Relevanz des Bosporus (insbesondere der Fischreichtum) auf den Münzen zum Tragen. Die Münzen zählen damit zum wichtigsten und aussagekräftigsten Medium bezüglich der Gründungsmythen und Selbstwahrnehmung der Stadt – viele literarische Quellen stammen aus der Zeit nach Konstantin, überformten also alte Mythen mit dem Ziel, die spätere Größe Konstantinopels teleologisch zu erklären.

OĞUZ TEKIN (Koç Universität, Istanbul) diskutierte detailliert, dass ein hethitischer Gott, der auf einem geflügelten Wesen steht und verschiedene Attribute wie den Bogen, die Doppelaxt oder eine Getreideähre trägt, von Beginn an auf den tarsischen Münzen abgebildet war. Dessen dreieckiger Schrein oder Tempel, bekrönt von einem Adler, ist seit der hellenistischen Zeit ebenfalls auf den Münzen zu sehen. Tekin konnte deutlich machen, dass die Münzen den hethitischen Gott Sandan zeigen, die dargestellte Figur jedoch möglicherweise gerade in der Frühzeit auch gleichbedeutend für andere Götter, wie Nergal stehen konnte. Im 1. Jahrhundert n. Chr. verschwand Sandan zugunsten von Herakles von den Münzen und tauchte erst im 2. Jahrhundert n. Chr. in seiner typischen Ikonographie wieder auf. Es ist durchaus denkbar, dass man die alten Münzen als ikonographisches Vorbild nutzte, da weder der Tempel, noch andere Kultbilder dieses Gottes im 2. Jahrhundert n. Chr. noch erhalten waren. Die Wiederaufnahme Sandans in die Münzprägung kann möglicherweise mit einer Rückbesinnung der Stadt auf ihre uralten, vorgriechischen Wurzeln zusammenhängen.

Das dritte und letzte Panel „Religious traditions in a changing world“ wurde von Katharina Martin (Universität Düsseldorf) moderiert und befasste sich mit einem der wichtigsten Aspekte städtischer Identität auf den Münzen: den Göttern. In einem inspirierenden Beitrag machte GEORGE WATSON (Goethe-Universität, Frankfurt am Main) am Beispiel des Zeus Lydios und der Demeter- und Koreprägungen von Sardeis deutlich, dass ein enger Zusammenhang zwischen Münzbild und Umschrift besteht. Die Entscheidung, ob dem Bild eine erklärende Inschrift beigegeben wurde oder nicht, fiel seiner Überzeugung nach stets bewusst und konnte verschiedene Gründe haben: Während die Kultstatue des Zeus bereits in hellenistischer Zeit auf den Münzen erschien, wurde eine erklärende Umschrift mit Zeus Lydios erst in der Kaiserzeit beigefügt – Zeus Lydios wurde nach Überzeugung von Watson erst im 2. Jahrhundert n. Chr. „erfunden“ und sein Name der archaischen Kultstatue gegeben. Sein Beitrag zeigte, dass alte Bilder entweder völlig neu interpretiert werden konnten oder mit dem Aufkommen neuer Phänomene und Gottheiten eine weitere oder gar ausschließliche und spezifische Deutungsebene hinzugewinnen konnten.

STEFAN KARWIESE (Universität Wien) ging in seinem Vortrag vor allem auf die früheste Prägung der Stadt ein. Die artemisischen Beizeichen der Münzen erwiesen sich bis zum Aufkommen römischer Einflüsse auf den Kistophoren als sehr konstant und zeugen vom großen Einfluss des Artemiskultes auf die frühe Identität einer der größten Städte Kleinasiens.

Den letzten Vortrag der Sektion bestritt FABRICE DELRIEUX (Savoie Universität, Chambéry). In Mylasa existierten verschiedene Darstellungen des Zeus, wobei Zeus Osogoa und Zeus Labraundos zu den ältesten und wichtigsten zählten. Zeus Osogoa war in Mylasa selbst beheimatet, während der Tempel des Labraundos zunächst außerhalb des Stadtgebiets lag. In archaischer und klassischer Zeit waren die beiden Götter anhand ihrer Attribute leicht voneinander zu unterscheiden (Zeus Osogoa trug einen Dreizack, Labraundos eine Doppelaxt), so dass Delrieux überzeugend von zwei verschiedenen Kultstatuen ausgeht. Die hellenistische Prägung Mylasas dominieren beide Gottheiten und ihre Attribute. In der Kaiserzeit werden beide Gottheiten noch weiter geprägt, allerdings steigt die ikonographische Variation des Zeus Labraundos; er wurde mit Kalathos oder als Xoanon dargestellt. Neu ist vor allem unter der römischen Herrschaft die Zusammenführung der Attribute der Gottheiten, Dreizack und Doppelaxt, zu einem Motiv.

Aus der Gesamtschau ließ sich beobachten, dass insbesondere Alexander der Große einen starken Einfluss auf die Silberprägung der kleinasiatischen Städte ausübte. Während die traditionellen städtischen Motive von den Silbermünzen verschwanden, blieben sie in der Bronzeprägung meist erhalten und wurden unter den Diadochen auch in Silber wieder aufgegriffen. Die für die städtische Identität und Repräsentation wichtigen Themen erwiesen sich also als relativ resistent gegenüber äußeren politischen Einflüssen. Dieses Beharren auf Tradition hing auch damit zusammen, dass die Münzbilder einen hohen Wiedererkennungswert besaßen und damit gleichzeitig auch als Wertgaranten galten. Mehr Variation im Umgang mit den Traditionen zeigt sich unter der römischen Herrschaft. Manche Städte wie Side, Milet und Sardeis hielten konstant an ihren wichtigsten Gottheiten fest, passten diese allerdings den neuen Verhältnissen an, indem sie zum Beispiel Beischriften hinzufügten oder Veränderungen bezüglich der alten Darstellungskonventionen der Gottheiten vornahmen. Städte wie Byzantion und Sinope hingegen veränderten ihre Münzbilder, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Während Byzantion in der Kaiserzeit vor allem wirtschaftlich wichtig für Rom war und hierdurch auch ökonomischen Bilder in die Münzprägung einflossen, war Sinope eine römische Kolonie und zeigte nur römische Themen. Hier wird auch deutlich, dass sowohl der politische Einfluss als auch das Interesse Roms an der jeweiligen Stadt eine wichtige Rolle bei der Wahrung, Neugestaltung und dem Ablegen von Traditionen spielte.

Insgesamt betrachtet spiegeln Bildtraditionen auf Münzen die Elemente städtischer Identität wieder, die als erinnernswert betrachtet wurden und deshalb immer wieder in die Prägung mitaufgenommen wurden. Diese Bilder konnten über die Jahrhunderte hinweg angepasst und modernisiert werden, ihre Kernaussage blieb jedoch meist dieselbe. Ein weiteres erreichtes Ziel der Tagung war es darüber hinaus, renommierten Numismatikern und Nachwuchswissenschaftlern ein gemeinsames Diskussionsforum für einen internationalen und interdisziplinären Austausch zu bieten.

Konferenzübersicht:

Panel 1: Historical Developments and Civic Identity
Moderation: Wolfgang Fischer-Bossert (Wien)

Johannes Nollé (DAI, München): Side – Under the Sign of the Pomegranate. Keeping a Balance Between Persistence and Innovation

Julie Dalaison (Universität Lyon): Coinage and History: The Impact of Political Changes in Sinope Seen by Coins

Koray Konuk (CNRS – Bordeaux Montaigne Universität): Continuity and Change in the Coinage of Halikarnassos

Hülya Vidin (Goethe-Universität, Frankfurt am Main): From the Lion to Anthropomorphic Deities – The Coinage of Miletus

Panel 2: Change and Diversification of Civic Coinage
Moderation: Christof Schuler (DAI, München)

Saskia Kerschbaum (DAI, München): Growing Variation Meets Tradition: Byzantion and Its Coinage Over the Centuries

Oğuz Tekin (Koç Universität, Istanbul): Sandan on the Coins of Tarsos in Cilicia

Panel 3: Religious Traditions in a Changing World
Moderation: Katharina Martin (Universität Düsseldorf)

George Watson (Goethe-Universität, Frankfurt am Main): On Naming and Not Naming the Sardian Gods

Stefan Karwiese (Universität Wien): Political and Religious Traditions as Shown on Ephesian Coins

Fabrice Delrieux (Universität Savoie, Chambéry): The Images of Zeus in the Coinage of Mylasa in Caria. Between Tradition and Modernity from the Classical Period to the Roman Empire


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