Vatican II – Legacy and Mandate. Intercontinental Commentary: Reception and Orientation for the Life of the Church

Vatican II – Legacy and Mandate. Intercontinental Commentary: Reception and Orientation for the Life of the Church

Organisatoren
Gianmaria Zamagni, Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar E-Mail: <gzamagni@pthv.de>
Ort
Rom
Land
Italy
Vom - Bis
24.01.2019 - 26.01.2019
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Von
Projekt "Vatican II – Legacy and Mandate. Intercontinental Commentary: Reception and Orientation for the Life of the Church", Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar

Zum ersten Workshop der Studiengruppe Europa des Projekts „Vatican II – Legacy and Mandate. Intercontinental Commentary: Reception and Orientation for the Life of the Church“ versammelten sich 20 HistorikerInnen und TheologenInnen aus ganz Europa. Geleitet wurde die Tagung von JOACHIM SCHMIEDL (Vallendar). Ziel des Projekts ist die Abfassung eines interkontinentalen Kommentars zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Vorarbeiten dazu werden von fünf kontinentalen Studiengruppen beigetragen, die sich mit der Rezeption und der prospektiven Aktualität des Konzils beschäftigen. Der Workshop wurde veranstaltet im Haus der Zeitschrift „La Civiltà Cattolica“ in Rom.

Nach einer detaillierten Einleitung von JOACHIM SCHMIEDL (Vallendar) über die Originalität und die Gliederung des Projekts eröffnete CHRISTIAN SORREL (Lyon) die Reihe der Vorträge über die ekklesiologische und theologische Situation mit einem Gesamtblick auf Kirche, Theologie und Gesellschaft in Europa zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Der französische Historiker für Zeitgeschichte artikulierte seine Beschreibung in drei Punkten: Erstens in der geopolitischen Situation Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, politische Konflikte, kommunistische Neugestaltungen, demokratische Modelle und populistische Proteste; zweitens charakterisierte er die ökonomische und soziale Lage als Krise, welche drittens ein neues intellektuelles Paradigma hervorgebracht hat. Die europäische Theologie hat in der Vergangenheit auch für die anderen Kontinenten eine wichtige Funktion gehabt, was bis heute der Fall ist.

DRIES BOSSCHAERT (Leuven) referierte über die Erwartungen und die Wünsche (die Vota) der europäischen Bischöfe. Die Forschung dazu kann sich weder auf die Meinungen von Bischöfen und Geistlichen noch auf nur einige Länder beschränken. In der Literatur blieben bisher nämlich viele europäische Nationen und Universitäten sowie auch die Erwartungen, die außerhalb der offiziellen Schienen geäußert wurden, im Wesentlichen unerforscht. Auch die Medien stellen einen wichtigen Aspekt dar. Nicht vergessen werden sollten die osteuropäischen Länder sowie die Erwartungen von Vertretern der anderen Konfessionen bzw. Religionen.

MICHAEL SEEWALD (Münster) beschrieb in seinem Beitrag die Situation und die Erwartungen der deutschen Theologie. Wichtige deutsche Debatten wurden später zu Themen des Konzils, wie zum Beispiel die Ökumene, die Strukturen der Kirche und die ekklesiologische Rolle der Bischöfe im Verhältnis zum päpstlichen Primat. Wichtige Veröffentlichungen dieser Jahre – besonders Karl Rahners und Herbert Vorgrimlers „Diaconia in Christo“ bzw. Karl Rahners und Joseph Ratzingers „Episkopat und Primat“, beide in der Serie „Quaestiones Disputatae“ des Herder Verlags veröffentlicht – wurden erwähnt und diskutiert. Auch die Liturgische Bewegung ist nicht nur formell oder direkt für die entsprechenden Dokumente wichtig gewesen, sondern auch als „German Way“ zur Frage des Laientums. Die Erwartung eines neuen marianischen Dogmas blieb im Konzil ohne konkrete Folgen.

Nach einem zweiten Vortrag von DRIES BOSSCHAERT über die Niederlande präsentierte ALANA HARRIS (King’s College London) die Charakteristiken der englischsprachigen Theologie. Diese wird vor allem wegen ihrer Andachtstendenz und missionarischen Fokussierung als für das Konzil unvorbereitet beschrieben. Die Rezeption der französischen „Nouvelle théologie“ war auf wenige Elitezeitschriften begrenzt; die Räume für ein „Aggiornamento“ waren in kleinen Kreisen zu finden, wie die Christliche Arbeiterjugend (YCW) im Norden, die Catholic Social Guild beziehungsweise die Newman Society. Die englischsprachige Theologie war daher insgesamt anti-intellektuell, noch nicht erholt von der modernistischen Krise, und auch die berühmtesten Theologen (u.a. Charles Davies und Christopher Butler) galten als zurückhaltend, orthodox und meist unkreativ.

Darauf folgend wurde die Lage der Theologie in Italien von MARIALUISA LUCIA SERGIO (Rom Tre) skizziert. Die vorgeschlagene Periodisierung geht von der Enzyklika Leo XIII. Aeterni Patris (1879), die einen neuen Impuls der neoscholastischen Theologie gab, zu der modernistischen Krise, und danach zu den erneuerten Versuchen einer zeitangepassten theologischen Arbeit. Neben den Hauptwerken der Epoche in dieser Disziplin, sollten – so die Historikerin – auch die Handbücher und die theologischen Zeitschriften und, ferner, auch die zeitgenössischen Geisteswissenschaften – die Philosophie und die Sozialwissenschaften – analysiert werden. Ebenso sollten die Projekte einer neuen theologischen Tradition identifiziert werden, die, der deutschen und der französischen Reflexion verpflichtet, auch in Italien eine Vorwegnahme von Konzilsthemen wurden und neue kulturelle Prozesse eröffneten.

MARIANO DELGADO (Fribourg) gab einen Überblick über die Theologie Spaniens zwischen 1492 und dem 20. Jahrhundert. Der schweizerische Kirchenhistoriker charakterisierte die vorkonziliare Periode als eine (konservative) Rekonstruktionsphase. Spanien war von den theologischen Aufbrüchen im französisch- sowie im deutschsprachigen Raum isoliert. Die theologischen Werke zum Beispiel von Joaquín Salaverri und Francisco Marín-Sola zeigten sich quasi noch als Vollendungen einer tridentinischen Tradition. Der spanische Episkopat, das in weiten Teilen gegen die Religionsfreiheit war, befand sich nur wenige Jahre später innerhalb des Konzils in einer anachronistischen Position.

Der Vortrag von REGINA HEYDER (Bonn) und MICHAEL QUISINSKY (Freiburg) schlug eine Forschungsarbeit über die „Zeichen der Zeit“ vor, gestützt auf eine Untersuchung über Erwartungen an das Konzil anhand der Umfrage in Wort und Wahrheit und anderen Zeitschriften. Auf diesem Weg können die Stimmen von Autoren eingebracht werden, die keine Fachtheologen waren: katholische Laien, der Pfarrklerus, die „getrennten Brüder (und Schwestern)“. Beispielhaft erwähnt wurden die folgenden Punkte: Rolle der Laien, Kirche und Judentum, Frauen, Ökumene, Empfängnisverhütung, Muttersprache in der Liturgie.

Die Beiträge zur kontinentalen Rezeptionsgeschichte des Konzils eröffnete CHRISTIAN SORREL (Lyon) mit dem französischen Beispiel. Nach der Rekonstruktion der spanischen Konzilsrezeption durch MARIANO DELGADO waren die Vorträge zu Osteuropa von TONČI MATULIĆ (Zagreb) und URSZULA PĘKALA (Mainz) von besonderem Interesse. Während des Konzils war Kroatien Teil der sozialistischen Republik Jugoslawiens, und, wie auch die anderen Länder Osteuropas, von einem kommunistischen Regime beherrscht: Konfessionelle Schulen und Institutionen wurden geschlossen, und der staatliche Atheismus durch Schulen, Medien und Gesellschaft propagiert. Das Ereignis des Konzils und seine Dokumente waren laut Matulić ein Wendepunkt für Theologie und Kirche, in Kroatien sowie auch in anderen Regionen Osteuropas. In Kroatien im Postkonzil waren zum Beispiel der Verlag Kršćanska Sadašnjost (Christliche Gegenwart) und das Philosophisch-Theologische Institut Zagreb Zentren für Übersetzungen, Kommentare und andere wichtige Initiativen. In den 1990er-Jahren konnte man eine Stagnation des Interesses beobachten.

URSZULA PĘKALA (Mainz) teilte ihre Fallstudie in drei Sektionen. Als erstes beschrieb sie den sozio-politischen Kontext in Polen: Die Konzilsrezeption wurde vom kommunistischen Staat bis zur politischen Wende 1989 und darüber hinaus behindert; als zweites zeigte die Theologin vier Implementierungsmethoden für das Konzil: Übersetzungen der Konzilsdokumente und liturgische Reform, Lokalsynoden dann Hirtenbriefe bzw. Predigten sowie neue populärwissenschaftliche Veröffentlichungen. Als drittes schlug sie drei Bereiche der Rezeption vor, um darzulegen, inwiefern die vom Konzil eingeleiteten Änderungen implementiert wurden: die Beziehungen nämlich zwischen Laien und Geistlichen, zwischen Staat/Politik und Kirche/Religion, zwischen Christentum und Judentum.

NIALL COLL (Belfast) referierte unter Mitarbeit von ALANA HARRIS (London) über die Konzilsrezeption in Irland. Da die katholische Kirche dort auf das Konzil nicht vorbereitet war, wurde die Implementierung des Zweiten Vatikanums autoritär von der Hierarchie vorangetrieben. Eine einfache Aufteilung zwischen Konservativen und Progressisten sei jedoch zu schematisch gewesen. Innovativ war die Theologie im Bereich der Ökumene; nicht nur durch die ARCIC (Anglican-Roman Catholic International Commission), sondern auch im Bereich der Beziehungen zwischen Christen und Juden.

Der dritte Teil des Workshops über „Optionen für Kirche und Theologie heute“ auf der Grundlage der einzelnen Konzilsdokumente wurde von MICHAEL QUISINSKY (Freiburg) mit einem Überblick über die Rezeptionsgeschichte der Konstitution über die Liturgie Sacrosanctum concilium eröffnet. Die fundamentalen Herausforderungen seien heute unter anderem die Liturgiefähigkeit der Menschen/Menschenfähigkeit der Liturgie und Gebet und Gottesdienst zwischen (Un-)Verständnis Gottes und (Un-)Verständnis der Menschen. Aus einer erneuerten Lektüre des Dokuments und seiner Rezeption findet Quisinsky eine ekklesiologisch-trinitarische, eine (heils-)geschichtliche und eine pastorale Option. Für die Kirche heute und ihren hermeneutischen Ort seien zentrale Optionen der Zusammenhang mit den anderen Konstitutionen und Dokumenten, die liturgische(n) Reform(en) nach dem Konzil und die Beziehungen der Liturgie zu Leben und Ökumene.

DAMIAN WĄSEK (Krakau) nahm in seinem Beitrag zur dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium) die Charakterisierung der Kirche als Sakrament auf. Das bedeutet vor allem, dass sie nicht so sehr die Aufgabe hat, das Erbe zu bewahren, sondern immer die Begegnung zwischen Mensch und Gott durch die Frohbotschaft zu ermöglichen. Auch Ämter und Institutionen sollten daher als Vermittler von Gottes Gnade dienen. Die ökumenische Zugehörigkeit zur Kirche und die Rolle der Laien, einschließlich Frauen, wurden schließlich auch innerhalb der Auffassung vom Volk Gottes interpretiert.

Nach den Vorträgen von REGINA HEYDER (Bonn) zum Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem und DAMIAN WĄSEK (Krakau) zum Dekret über die Hirtenaufgaben der Bischöfe Christus Dominus referierte ANNEMARIE C. MAYER (Leuven) über das Ökumenismus-Dekret Unitatis Redintegratio. Mit der Verkündung dieses Dokuments wurde der Eintritt der katholischen Kirche in die ökumenische Bewegung offiziell. Drei Fragen bleiben nach der Theologin aus Leuven offen: Erstens, wie soll das Konzil nach 50 Jahren rezipiert und interpretiert werden? Welche Reformen der Kirchenstrukturen sind notwendig geworden? Zweitens, wie kann die katholische Kirche ein verlässlicher ökumenischer Partner sein? Einige vorgeschlagene Lösungen scheinen, ökumenisch betrachtet, keinen geeigneten Weg nach vorne zu bieten. Drittens, welche Aufgaben sollen die katholische Kirche und die ökumenische Bewegung 50 Jahre nach dem Konzil übernehmen? Die Ökumenische Bewegung scheint nämlich sich in einer Stagnationsphase zu befinden.

In den Diskussionen zeigte sich die Notwendigkeit, die Kontexte und loci theologici alieni, das heißt die nicht genuin theologischen Erkenntnisquellen (soziale, ökonomische, politische Kontexte) zu berücksichtigen. Ein weiteres Element ist der notwendig transnationale und transkontinentale Aspekt der Forschung: Die Rolle der (postkolonialen) Beziehungen mit Afrika und der Debatten in Nordamerika über den jüdischen-christlichen Dialog nach der Shoah sowie der „Diasporacharakter“ vieler Nationalkirchen (wie z. B. der Italiener in Lateinamerika oder der Iren in Amerika) sind dafür nur drei wichtige Beispiele. Die Debatten sollen auf dem nächsten Workshop im Juni 2020 zu einem publikationsfähigen Ergebnis geführt werden.

Konferenzübersicht:

Joachim Schmiedl (Vallendar): Einführung in das kontinentale Forschungsprojekt

Teil A: Die Situation von Kirche, Theologie und Gesellschaft zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzil

Christian Sorrel (Lyon): Die Entwicklung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Europa seit den 1960er Jahren

Dries Bosschaert (Leuven): Ausgehend von den Vota der Fakultäten und den Reden der europäischen Periti während des Konzils

Michael Seewald (Münster): Erwartungen der deutschen Theologie vor dem Konzil

Dries Bosschaert (Leuven): Kurze Charakteristik der niederländischsprachigen Theologie

Alana Harris (London): Kurze Charakteristik der englischsprachigen Theologie

Marialuisa Lucia Sergio (Rom): Kurze Charakteristik der italienischen Theologie

Mariano Delgado (Fribourg): Kurze Charakteristik der spanischen Theologie

Regina Heyder (Bonn) / Michael Quisinsky (Freiburg): „Zeichen der Zeit“: Erwartungen an das Konzil anhand der Umfrage in „Wort und Wahrheit“ und anderen Zeitschriften

Teil B: Kontinentale Charakteristiken der Rezeptionsgeschichte

Christian Sorrel (Lyon): Gemeinsame Faktoren der Rezeption: Konstellation, Parallelogramm der Kräfte

Tonči Matulić (Zagreb): Die Rezeption des Konzil in Kroatien

Urszula Pękala (Mainz): Die Rezeption des Konzil in Polen

Niall Coll (Belfast) / Alana Harris (London): Die Rezeption des Konzil in Großbritannien und Irland

Teil C: Optionen für Kirche und Theologie heute

Michael Quisinsky (Freiburg): Die Konstitution über die Liturgie Sacrosanctum concilium

Damian Wąsek (Krakau): Die Konstitution über die Kirche Lumen Gentium

Annemarie C. Mayer (Leuven): Das Ökumenismus-Dekret Unitatis Redintegratio

Marialuisa Lucia Sergio (Rom): Die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae

Michael Quisinsky (Freiburg): Die Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum

Damian Wąsek (Krakau): Das Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius


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