Vorhang auf – Frauen in Parlament und Politik im internationalen Vergleich

Vorhang auf – Frauen in Parlament und Politik im internationalen Vergleich

Organisatoren
Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (KGParl), Berlin; Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena; "Working Group on Parliaments in Transition", Institut für Zeitgeschichte, Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, Prag
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.03.2019 - 08.03.2019
Url der Konferenzwebsite
Von
Renée Wagener, Chambre des Députés, Luxembourg

100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland: Das Jubiläum von 1918 motivierte die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e.V. (KGParl), gemeinsam mit Partnerinstituten aus Jena und Prag diese internationale Tagung zu veranstalten. Die Besetzung war, mit Ausnahme von Beiträgen zu den USA und der Sowjetunion, europäisch ausgerichtet. Die Beitragenden stammten sowohl aus der klassischen Parlamentarismusforschung als aus der Gendergeschichtsschreibung. Die Themenschwerpunkte der Tagung waren nationale Ungleichzeitigkeiten bei der Einführung des Frauenwahlrechts, parlamentarische Karrieren und politische Performanz von Frauen, öffentliche Resonanz.

Der Einstieg in das Thema erfolgte in Form einer abendlichen Podiumsdiskussion mit den Politikerinnen Kristina Schröder und Brigitte Zypries, moderiert durch den Journalisten Wulf Schmiese. Der Moderationsansatz visierte, aktuelle Politik von Frauen beziehungsweise die heutige Lage von Frauen mit der Geschichte der deutschen Frauenwahlrechtsbewegung in Verbindung zu bringen. Für die beiden Politikerinnen standen vor allem die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Vordergrund, zu denen sie auch einen persönlichen Bezug herstellen konnten, sowie strukturelle Probleme, die auch heute noch nicht gelöst sind, wenn Frauen beziehungungsweise Eltern aktiv Politik betreiben wollen.

Die Beiträge der ersten Sektion stellten die Geschichte des Frauenwahlrechts als internationales Phänomen dar und verdeutlichten zugleich dessen Ungleichzeitigkeit in den verschiedenen Ländern. TIINA KINNUNEN (Oulu) beschrieb in dem gemeinsam mit PASI IHALAINEN (Jyväskylä) konzipierten Beitrag für das Pionierland Finnland die Frauenwahlrechtsbewegung als Teil einer breiteren, genderübergreifenden sozialen Bewegung. Sie hob die aktive Rolle der Sozialdemokratie in dieser Bewegung hervor, aber auch die Einbindung der Frauenwahlrechtlerinnen in die nationale Unabhängigkeitsbewegung Finnlands. Dies verhinderte nicht, dass diese auch in engem Kontakt zur „International Women’s Suffrage Organisation“ standen. Über die innerfinnische Auseinandersetzung zur gesellschaftlichen Rolle der Frauen hinaus sorgte die Durchsetzung des Frauenwahlrechts 1906 für eine Stärkung von Finnlands Image als „zivilisiertes“ Land in der Welt. Zugleich wurden im Ausland Debatten über die gesellschaftliche Rolle von Frauen und über ihre politische Betätigung losgetreten. Ähnlich wie in Finnland setzten MARIE BAHENSKÁ und JANA MALíNSKÁ (Prag) die Diskussion um das Frauenwahlrechts in den Kontext einer nationalen Bewegung. Durch eine geschlechtsneutrale Formulierung bezüglich des passiven Wahlrechts im Wahlgesetz für den böhmischen Landtag konnten Frauen bei den Wahlen 1908 kandidieren. Bahenská und Malínská betonten die recht starke Zusammenarbeit nationaler Frauenorganisationen, die auch nach 1908 weiterging, zumal die vorhandenen Parteien zunächst nicht bereit waren, Frauen als Kandidatinnen aufzustellen.

CORRINE M. MCCONNAUGHY (Washington, DC) dagegen skizzierte für den Föderalstaat USA einen zähen, in zahlreichen Etappen ablaufenden Kampf um das Frauenwahlrecht, das sich auf Ebene der Einzelstaaten nur allmählich von Westen nach Osten durchsetzte. Frauen wurden im Unterschied zu afroamerikanischen Männern nicht als stimmenversprechende Wählerinnengruppe gesehen, sondern als disparate, sozial differenzierte Gruppe und zudem als Personen, die bereits durch ihre Ehemänner repräsentiert seien. Auch McConnaughy unterstrich die zentrale Bedeutung der Koalitionsbereitschaft der Frauenwahlrechtlerinnen mit Männern für ihren Erfolg, wobei in den USA jedoch eine konservativ-­bäuerliche Partei den wichtigsten Koalitionspartner stellte.

Von diesen Pionierländern hoben sich Länder wie Frankreich ab, das einerseits durch sein revolutionäres Erbe, andererseits aber durch die zivilrechtliche Verankerung weiblicher Unmündigkeit im Code Napoléon geprägt war. Wie AGATHE BERNIER-MONOD (Le Havre) erläuterte, wurde die Forderung nach dem Frauenwahlrecht im 19. Jahrhundert als Nebensächlichkeit, wenn nicht als Absurdität abgetan. Erst um die Jahrhundertwende erstarkte eine Frauenwahlrechtsbewegung, deren Dynamik aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen wurde. Dass der Senat trotz positiver Voten der Assemblée nationale mehrere parlamentarische Anläufe abwürgte, war gerade den in der zweiten Kammer stark vertretenen „Radikalen“, also Linksliberalen, zu verdanken. Die Durchsetzung des Frauenwahlrechts kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erklärte Bernier­-Monod dann einerseits mit dem nach dem Krieg ausgeprägten Modernisierungswillen, andererseits mit dem strategischen Kalkül Präsident de Gaulles, der geahnt habe, dass Frauen konservativ wählen würden. Die Einführung des Frauenwahlrechts geschah in einer Flautezeit für Frauen in der Politik, in der diese in der politischen Kommunikation häufig auf ihre Mutterrolle reduziert wurden. Erst die Einführung des Parité­Gesetzes im Jahr 2000 wirkte hier als positives Korrektiv.

TOBIAS KAISER (Berlin) setzte sich mit Suffragetten und Suffragistinnen in internationalen Netzwerken auseinander. In seiner Darstellung einer Transfergeschichte zwischen Großbritannien und Deutschland grenzte er das Politikverständnis in Großbritannien, wo das Parlament traditionell ein Ort der Proteste gewesen sei, von jenem in Deutschland ab, wo das Parlament eher als Ort der Ordnung bewertet wurde. In der deutschen Presse wurde über das aufsehenerregende Gebaren der Sufragettenbewegung regelmäßig, aber zumeist als Negativmodell berichtet. Kaiser stellte einen Einfluss der Politikmethoden der Suffragetten – Fotografie, Performanz, Protestkultur – auch in der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung fest, die Suffragetten­-Kultur an sich habe dagegen keine Nachahmerinnen gefunden.

Die zweite Sektion befasste sich mit den politischen Laufbahnen von Frauen, wobei häufig die Methode der Kollektivbiografie zum Tragen kam. ANDREAS LINSENMANN (Koblenz-Landau) und MARKUS RAASCH (Mainz) stellten in ihrer Präsentation zu katholisch-weiblicher Agency in Männerwelten am Beispiel des politischen Katholizismus dar, dass Frauen vor Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland durchaus bereits aktiv waren, allerdings eher hinter den politischen Kulissen – etwa durch organisatorische Unterstützung. Allein schon ihre Gegenwart wurde aber von der katholischen Hierarchie als problematisch gewertet. Die ersten Zentrums­Parlamentarierinnen nach 1918 traten dann als recht homogene Gruppe auf, die sich durch ihre Nähe zur katholischen Kirche ausgezeichnet habe. Ihr politisches Engagement reihte sich in ihre religiös motivierten karitativen Aktivitäten ein. Die Vorbehalte katholischer Politiker bestanden aber auch zu dieser Zeit weiter und die katholischen Politikerinnen waren dem Vorwurf der Vermännlichung ausgesetzt. Ähnliches stellte BARBARA VON HINDENBURG (Berlin) für die Parlamentarierinnen aller politischen Couleur fest, wobei sie sich auf den Preußischen Landtag 1919–1933 konzentrierte. Sie beschrieb auch die Haltung der neuen Wählerinnen, die überzeugt werden mussten, wählen zu gehen, sowie die der Parteien, die überzeugt werden mussten, Kandidatinnen auf ihre Listen zu setzen. Auch IWONA DADEJ (Berlin / Warschau) wählte den globaleren Blickwinkel der Kollektivbiografie, indem sie Mandatsträgerinnen der zwei polnischen Kammern von 1919 bis 1939 in der Geschlechterperspektive betrachtete. Ihr Fazit lautete: Gleiche Rechte, aber ungleiche Chancen.

IVAN SABLIN (Heidelberg) verglich die Rolle und die Situation von Frauen in den russischen beziehungsweise sowjetischen Parlamenten seit der Oktoberrevolution miteinander. Der sowjetische Anspruch, dass Parlamente als Spiegel der Gesellschaft fungieren sollten, führte zu einer stärkeren Repräsentation von Frauen und von Minderheiten, wobei sich diese Marker oft in einer Person vereinten – ein Aspekt, den Sablin mithilfe des Ansatzes der Intersektionalität beleuchtete. Dagegen zeichnete sich die Zeit Gorbatschows nicht mit Fortschrittlichkeit in Hinsicht der Beteiligung von Frauen aus. Im Vordergrund stand generell die Marktwirtschaft und die Unabhängigkeit der neuen Staaten, nicht die politische Partizipation. Die Öffnung gab vor allem Frauen den Freiraum, politisch aktiv zu werden.

Unter dem Stichwort Performanz wurde in der dritten Sektion der Auftritt von Frauen auf der politischen Bühne dargestellt. PAUL SEAWARD (London) stellte die Entwicklung der Frauenpräsenz in Westminster seit 1918 als eine Form der Assimilation an ein männliches System vor. Während MARIE-LUISE RECKER (Frankfurt am Main) sich auf statistischer und biografischer Ebene mit weiblichen Tätigkeitsfeldern und männlicher Macht im Deutschen Bundestag beschäftigte, präsentierte ANDREAS SCHULZ (Berlin) die Inszenierung von Weiblichkeit im politischen Raum. Der Radikalismus der Suffragetten habe in dem Sinn sein Ziel verfehlt, dass die These der Geschlechtscharaktere auch in der Frauenbewegung Resonanz gehabt habe und die Vorstellung einer weiblichen Politikweise habe männliche und weibliche Abgeordnete beeinflusst.

CARLA HOETINK und HARM KAAL (beide Nijmegen) gingen am Beispiel von drei Abgeordneten auf weibliche Performanz im niederländischen Parlament seit 1918 ein. Sie zeigten, wie diese unterschiedlichen Typen von Politikerinnen in ihrem politischen Auftreten mit Stereotypen konfrontiert waren und mit diesen utilitaristisch umzugehen versuchten. Herausragende Performanz, weibliche Erscheinung, aber auch „männliche“ Kompetenz gehörten dabei zu ihrem Instrumentarium. Hoetnik und Kaal schlussfolgerten, dass Politikerinnen keine homogene Gruppe darstellten und dass „Gender“ nur einen von mehreren Markern darstelle, während andere, wie etwa die Religion, ebenfalls eine Rolle spielten.

ADÉLA GJURIČOVÁ (Prag) dekonstruierte das Stereotyp einer besseren gesellschaftlichen Stellung von Frauen in sozialistischen Ländern am Beispiel der Tschechoslowakei. Dennoch gab es „starke“ und selbstbewusste weibliche Abgeordnete in sozialistischen Parlamenten und im Vergleich zu Westeuropa durchaus eine „kritische Masse“, da gemäß der kommunistischen Doktrin relevante soziologische Gruppen im Parlament vertreten sein sollten. Jedoch wurden wesentliche Entscheidungen in anderen Gremien getroffen, in denen Frauen dann wiederum fehlten. Diese wurden zudem zwar als Politikerinnen akzeptiert, das stellte aber das Frauenbild der glücklichen Mutter zu Hause nicht in Frage. Auch MURIEL FAVRE (Frankfurt am Main), die auf Basis von Tondokumenten den Spielraum dreier Politikerinnen in einer Wehrdebatte des Bundestags von 1952 auslotete, kam für den westlichen Kontext der die BRD zur Schlussfolgerung einer Diskrepanz zwischen deren selbstbewusstem Auftreten auf der politischen Bühne und dem weiblichen Ideal der 1950er-Jahre. Favre ging es dabei darum, zu zeigen, dass Tonquellen eine wertvolle Unterstützung bei Analysen zur Rede­Strategie von Frauen liefern können. Darüber hinaus analysierte sie die semantische Selbstdarstellung dieser Rednerinnen als Frauen in der Wehrdebatte.

Der letzte Themenblock behandelte die öffentliche Darstellung von Frauen als Politikerinnen und Zuschauerinnen im Parlament. HENNING TÜRK (Potsdam / Bonn) setzte sich mit den Auseinandersetzungen über die Zulassung von Frauen als Parlamentszuschauerinnen in den deutschen Ländern und in Großbritannien im 19. Jahrhundert auseinander und beschrieb diesen Vorraum der Politik als ersten Schritt der Frauen in die parlamentarische Arena. Wenn der Zugang zu den Tribünen Frauen nicht überhaupt verweigert wurde, wurde die Zulassung von Frauen als Zuschauerinnen in Deutschland stark reglementiert – zum Beispiel auch hinsichtlich ihrer räumlichen Trennung von den Männern. In Großbritannien gab es dagegen keinen Ausschluss von Frauen; allerdings wurde hier die Form und Abgrenzung dieses Raums vom Plenarsaal ein andauerndes Diskussionsthema.

ANDREAS BIEFANG (Berlin) stellte anhand von Bildmaterial die Selbst- und Fremdbilder der Frauenrechtsbewegung dar. Ausgehend von der Selbstdarstellung der Suffragetten, bei der Kleider und Farben eine wichtige Rolle spielten und es zu einer regelrechten „Suffragetten­Mode“ kam, zeigte er, wie diese Darstellungen von deutschen Medien zu Anfang als Negativfolie übernommen wurden. Besonders in Karikaturen wurden Frauenwahlrechtlerinnen als Mannweiber, Femmes fatales oder gewalttätige Furien inszeniert. Nach der Einführung des Frauenwahlrechts spielten jedoch dann klassenpolitische Differenzierungen eine weit zentralere Rolle als Genderaspekte.

CORNELIA BADDACK (Koblenz) schilderte am Beispiel der Reichstagsabgeordneten Katharina von Kardorff-Oheimb (DVP), nicht nur, wie diese selbstbewusste konservative Politikerin offensiv mit politischer Polemik in Form eines ihr zugeeigneten Gassenhauers umging. Baddack stellte auch heraus, wie die Politikerin, im Gegensatz zu vielen anderen in dieser Zeit, Politik außerhalb der festgelegten Pfade der klassischen Parlamentsarbeit betrieb, indem sie Artikel veröffentlichte, Vorträge hielt und ihr politisches Netzwerk pflegte.

BETTINA TÜFFERS (Berlin) schließlich skizzierte das „GRÜNE Feminat“, also eine rein weibliche politische Führung der grünen Bundestagsfraktion in den 1980er-Jahren. Zu deren Kritik am öffentlichen, stark an Medienpräsenz orientiertem Auftreten grüner Politiker gesellte sich die Darstellung, das Feminat sei hinsichtlich internen politischen Fehden eine unpolitische Lösung gewesen. In der Praxis des Feminats spielten feministische Themen nur am Rande eine Rolle, dagegen könne, so Tüffers, die starke Betonung der Mutterrolle durch manche Feminat­Frauen als Vorbote der Diskussion um die „Neue Mütterlichkeit“ der 1980er-Jahre verstanden werden.

Zur Bilanz der Tagung, die eine breite Vielfalt an Länderbeispielen präsentierte, kann man zunächst die zentrale Rolle von medialen Darstellungen der Pionierstaaten beziehungsweise Bewegungen unterstreichen, die die Öffentlichkeit in anderen Staaten wachrüttelten. Ertragreich wäre dabei auch eine Öffnung der Thematik hin zu Beispielen aus anderen Kontinenten gewesen. Es stand aber vor allem das Faszinosum der – schlussendlich erfolglosen – Suffragettenbewegung in Großbritannien im Fokus.

Auch wenn die anfangs gestellte Frage der Gründe für die Ungleichzeitigkeit der Einführung des Frauenwahlrechts ungeklärt blieb, zeigten die unterschiedlichen Beispiele, dass sich der Erfolg der Frauenwahlrechtlerinnen oft anders darstellte – je nachdem, ob die Wahlrechtsfrage beide Geschlechter oder nur Frauen betraf. Die Diskrepanz zwischen Gleichheitsprinzip und politischer Strategie – sowohl von Frauen als auch von Männern – trat zudem häufig zutage. Ein etwas unterbelichteter Aspekt war dabei die Ablehnung des Frauenwahlrechts von liberaler Seite in vielen Ländern, die in diametralem Gegensatz zum Grundgedanken des Liberalismus stand und die nicht auf eine rein strategische Haltung reduziert werden sollte. Die Ablehnung des Frauenwahlrechts mit der Begründung, dass diese Frauen konservativ wählen würden, gehört zu einem zeitgenössischen Diskurs, den die Geschichtsschreibung häufig übernommen hat, den es aber gilt, kritisch zu diskutieren.

Der Ansatz, Beiträge aus kapitalistischen und kommunistischen Staaten in den verschiedenen Sektionen nebeneinanderzustellen, war interessant, man hätte sich hier jedoch eine stärkere Herausarbeitung der Diskrepanzen und Überschneidungen gewünscht. Obwohl gleich zu Beginn der generelle Aspekt der Repräsentativität der Parlamente und die der „Minderheiten“­Problematik in der Begrüßungsrede von KGParl­-Präsident Dominik Geppert angesprochen worden waren, bleibt die Erforschung der historischen Herkunft und Entwicklung von neueren Phänomenen wie der Quotendiskussion der letzten Jahrzehnte noch ein Desiderat.

Erfreulich war bei der Tagung der hohe Anteil der Beiträge von Männern zu einem Forschungsthema, das bis vor kurzem noch eine Frauendomäne war. Insgesamt verrieten die Beiträge sowohl von Gender­ als von Parlamentarismus­-ForscherInnen eine eher klassische Herangehensweise an das Thema des Frauenwahlrechts. Neuere Überlegungen aus der feministischen Theorie kamen seltener zum Tragen; so griffen nur die Beiträge zu den Niederlanden und zur Sowjetunion das Konzept der Intersektionalität auf. Der männliche Abgeordnete wurde aber vor allem als (wenn auch kritisch betrachteter) Normalfall dargestellt; seltener wurden Männlichkeitsbilder als Gegenstand der politischen Geschichtsschreibung aufgegriffen.

Konferenzübersicht:

Dominik Geppert (Präsident KGParl, Berlin): Grußwort

Podiumsdiskussion
Kristina Schröder (Bundesministerin a.D., Berlin) / Brigitte Zypries (Bundesministerin a.D., Berlin): 100 Jahre Frauen in Politik und Parlament – historische Erfolge, aktuelle Herausforderungen
Moderation: Wulf Schmiese (Berlin)

Andreas Schulz (Generalsekretär KGParl, Berlin): Einführung

Sektion 1: Nationale Ungleichzeitigkeiten – das Momentum der Einführung des Frauenwahlrechts

Tiina Kinnunen (Oulu): Inter- and transnational aspects of the introduction of women’s suffrage in Finland 1906

Corinne M. McConnaughy (Washington, DC): The Woman Suffrage Movement in the United States of America

Marie Bahenská / Jana Malínská (beide Prag): Eine Frau auf dem Stimmzettel – Die Wahlen zum Böhmischen Landtag im Jahre 1908 und zu Beginn der Tschechoslowakischen Republik

Agathe Bernier-Monod (Le Havre): Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Die verspätete Einführung des Frauenwahlrechts in Frankreich

Tobias Kaiser (Berlin): Suffragetten und Suffragistinnen in internationalen Netzwerken

Sektion 2: Voraussetzungen und Verlauf parlamentarischer Karrieren von Frauen

Andreas Linsenmann (Koblenz-Landau) / Markus Raasch (Mainz): Katholisch-weibliche Agency in Männerwelten – Die Frauen des Politischen Katholizismus

Barbara von Hindenburg (Berlin): Die Parlamentarierinnen des Preußischen Landtags 1919-1933

Ivan Sablin (Heidelberg): Minority Women and Revolutionary Parliaments. The Cases of Russian and Soviet Assemblies in 1917–1922 and 1989–1993

Iwona Dadej (Berlin / Warschau): Das polnische Parlament 1919–1939 in der Geschlechterperspektive – eine Kollektivbiografie

Sektion 3: Politische Performanz und Parlamentsalltag

Marie-Luise Recker (Frankfurt am Main): „Die ganze Palette politischer Themen?“ Weibliche Tätigkeitsfelder und männliche Macht

Andreas Schulz (Berlin): Inszenierung von Weiblichkeit im politischen Raum

Carla Hoetink / Harm Kaal (beide Nijmegen): “This is a man’s world…”? Female Performance in Dutch Parliament, 1918–2018

Paul Seaward (London): The Parliamentary Community and the New Tribe: Assimilating Women at Westminster, 1918–2018

Adéla Gjuričová (Prag): Standing for Women? Female Presence in Socialist Parliaments

Muriel Favre (Frankfurt am Main): Hervorragende Rednerinnen? Die Auftritte von Änne Brauksiepe, Helene Wessel und Grethe Thiele in der Wehrdebatte des Bundestags am 8. Februar 1952

Sektion 4: Öffentliche Resonanz und Mediendiskurse

Henning Türk (Potsdam / Bonn): Zwischen „schwachem Geschlecht“ und liberal-patriotischer Mutter – Die Auseinandersetzungen über die Zulassung von Frauen als Parlamentszuschauerinnen in den deutschen Ländern und in Großbritannien im 19. Jahrhundert

Andreas Biefang (Berlin): Nie mehr Hosenrollen – Selbst- und Fremdbilder der Frauenrechtsbewegung

Cornellia Baddack (Koblenz): „Unterrock oder Hose?“ Politische Polemik zwischen Antifeminismus und emanzipativer Aneignung am Beispiel der volksparteilichen Reichstagsabgeordneten Katharina von Kardorff-Oheimb

Bettina Tüffers (Berlin): Feminismus im Parlament? Das GRÜNE Feminat im Bundestag der 1980er-Jahre