Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Diktaturen nach 1949 und 1989 – Wahrnehmungen und Diskurse im interdisziplinären Blick

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Diktaturen nach 1949 und 1989 – Wahrnehmungen und Diskurse im interdisziplinären Blick

Organisatoren
Stiftung Berliner Mauer; Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz; Neue Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte + SozioAnalysen e. V.; Beratungsstelle Gegenwind
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.02.2019 - 08.02.2019
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Von
Svea Hammerle / Hans-Christian Jasch, Gedenk- und Bildungsstätte, Haus der Wannsee-Konferenz

Dreißig Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und 74 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes lassen sich zahlreiche Fragen an die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit beiden deutschen Diktaturen in den zwei deutschen Staaten und im vereinigten Deutschland stellen. Sie eröffnen durchaus auch eine vergleichende Perspektive: Wie gestalteten sich die gesellschaftlichen Transformationen? In welchem Umfang wurden Beteiligte an den Verbrechen zur Verantwortung gezogen? Wer galt als Täter und wer als Opfer? Dass es hierbei nicht um einen plumpen Vergleich oder eine Relativierung der beiden Systeme, sondern um eine vergleichende Analyse ihrer jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung gehen sollte, betonte AXEL KLAUSMEIER (Berlin), als er die Tagungsgäste in der Gedenkstätte Berliner Mauer begrüßte. Ein gewisses Unbehagen über die vergleichenden Perspektive begleitete dennoch viele der Diskussionen im Verlauf der Tagung.

HANS-CHRISTIAN JASCH (Berlin) gab im Einführungsvortrag einen Überblick über den juristischen und gesellschaftlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit in beiden deutschen Staaten vor dem Hintergrund der hierfür seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges für den Übergang von diktatorischen zu demokratischen und rechtsstaatlichen Systemen aus den Menschenrechten abgeleiteten Grundprinzipien: right to know, right to justice, right to restitution and compensation, guarantee of non-repetition. Die Bewertung der justiziellen Aufarbeitung der NS-Zeit fällt zwiespältig aus: Während die Ermittlungen und Prozesse in West und Ost Wissen über Täterschaft dokumentiert und gesichert haben, sind die Ergebnisse aus der Perspektive der Betroffenen und im Hinblick auf das hehre Ziel der Gerechtigkeit angesichts der geringen Zahl von Tatbeteiligten, die zur Verantwortung gezogen wurden und der überwiegend niedrigen Strafen, mehr als unbefriedigend.

RAINER HUHLE (Nürnberg), UN-Beauftragter für verschwundene Menschen, beleuchtete in der Keynote die Entwicklung der internationalen Menschenrechtsstandards und die besonderen Herausforderungen, die die Dichotomie zwischen Tätern und Opfern etwa in Bezug auf die Beteiligung von Kindersoldaten an Massenverbrechen darstellen. Gerade bei diktatorischen Regimen mit unterschiedlichen einander ablösenden Gegnergruppen – wie zum Beispiel der NS-Herrschaft, die in einigen Teilen Europas von stalinistischen Regimen abgelöst wurde – sei die klare Zuordnungen zu bestimmten Gruppen schwieriger. Wie wirken sich die Rollenzuschreibungen aus – verstärken sie sich oder löschen sich gegenseitig aus? Huhle kam zu dem Schluss, dass es ein „drittes soziales Geschlecht“ zwischen Opfern und Tätern bräuchte. Diese Problematik wurde auch in vielen der nachfolgenden Workshops thematisiert.

Workshop 1 fragte nach Traditionslinien des gesellschaftlichen Umgangs mit den diktatorischen Vergangenheiten. STEFANIE KNORR (Berlin) und EIKE STEGEN (Berlin) gaben einen interaktiven Überblick zum Umgang mit der Vergangenheit in der Bundesrepublik und der DDR sowie zu den gesellschaftspolitischen Debatten nach der „Wende“. GÜLAY GÜN (Berlin) brachte postmigrantische Perspektiven in die Diskussion ein: Was bedeutet die Geschichte und die Rezeption der NS-Verbrechen in Gesellschaften, die (in unterschiedlichen Formen, aber doch kontinuierlich) durch Migration geprägt wurden und werden? Welche Formen der Teilhabe, welche Formen neuer Ausgrenzung brachte der Diskurs über NS-Verbrechen, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland nach 1945 beziehungsweise nach 1990 mit sich? PATRICE POUTRUS (Erfurt) betonte, dass die durch multiperspektive Fragestellungen geschaffene Komplexität zwar eine Herausforderung darstelle, aber als Chance für eine von Diversität geprägte Forschungslandschaft anzusehen sei.

Workshop 2 problematisierte das offensichtliche Missverhältnis zwischen den Tatkomplexen und der Effizienz der Sanktionen in der Nachgeschichte der NS-Verbrechenskomplexe und des SED-Unrechts. FRANK BAJOHR (München) hob hervor, dass die Diktatur der Nationalsozialisten auch deshalb so lange so erfolgreich war, da sie auf dem ebenso massenhaften wie freiwilligen Mitwirken einer großen Zahl der "Volksgenossen" basierte, die im Nachhinein eine klare Abgrenzung zwischen Tätern und Gesellschaft erschwere. Die Elitenkontinuität, die von einem zunehmenden Beschweigen der Verbrechen begleitet war, habe zusammen mit deren Massenhaftigkeit eine strafrechtliche Ahndung vor allem in den ersten Jahrzehnten erheblich erschwert. Dies führte laut FRANZISKA KUSCHEL (Berlin) dazu, dass NS-Funktionsträger auch in verantwortliche Positionen der Exekutive gelangen konnten. Die Strafverfolgung nach 1945 wurde auch dadurch erschwert, so AZIZ EPIK (Berlin), dass die Gerichte so lange an der sogenannten Gehilfenrechtsprechung festhielten. Diese sah die Täter nur als innerlich kaum beteiligte Gehilfen von Hitler, Himmler und anderen. Die Grenzsoldaten dagegen wurden wegen der Schüsse an der innerdeutschen Grenze nicht als "Gehilfen" verfolgt, sondern als Täter aus eigener Verantwortung. CLEMENS VOLLNHANS (Dresden) stellte die These auf, dass es zwischen der DDR und Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung keine Elitenkontinuität gab, wodurch die Verfemung des Unrechts in der Gesellschaft eher akzeptiert wurde. Zudem stand eine funktionierende Justiz zur Verfügung, so dass das DDR-Unrecht relativ schnell und effizient geahndet wurde, auch wenn vermeintlich niedrige Strafen Kritik auslösten. STEFAN BOLLINGER (Berlin) wies in dieser Hinsicht darauf hin, dass die Ahndung von SED-Unrecht noch in der DDR begonnen habe. Während er die Elitenrekrutierung der frühen DDR lobte, weil sie NS-Kontinuitäten verhindert habe, deutete er den Elitenwechsel nach 1989 hingegen als Kolonialisierungsprozess.

In Workshop 3 wurden die mit gesellschaftlichen Gewaltdynamiken verbundenen Täter- und Opfererfahrungen aus psychologischer Sicht in den Blick genommen: Was, wenn intrapsychisch oder innerfamiliär gleichermaßen Opfer- und Tätererfahrungen zu verarbeiten sind? Nicht selten dient das Ausblenden der eigenen Täteranteile zur Abwehr der Schuld, die politische wie persönliche Instrumentalisierung von „Opfererfahrungen“ erstickt das Nachdenken über die Verquickungen von Täter- und Opferrollen oft schon im Ansatz. So kann sich der Versuch eines Zusammendenkens, also der Überschneidung von Täter- und Opferpositionen im Kontext politisch bedingter Gewalt, als unerträgliche Zumutung anfühlen. GUDRUN BROCKHAUS (München) problematisierte in diesem Kontext, wie fluide, undifferenziert und ambivalent die Begriffe von Täter und Opfer eigentlich seien. Hier wären abstrahierende Begrifflichkeiten zum präzisen Verstehen und Beschreiben von Gewaltdynamiken nötig. Laut VERA KATTERMANNs (Berlin) Hypothese könnten die Erfahrungen als Täter beziehungsweise als Opfer von Gewalt zu seelischen Extremzuständen führen, die eine ausgeprägte psychische Abwehr und häufig auch die komplette seelische Abspaltung des Geschehens nach sich zögen. Die Verquickung beider Erfahrungen bei Gewaltdynamiken könne zu einer Verfilzung und Potenzierung dieser intensiven Abwehrbedürfnisse führen, welche die Schwerfälligkeit von Auseinandersetzung und Aufarbeitung erklärten.

In Workshop 4 wurde der Umgang mit NS-Tätern in der DDR anhand des Dokumentarfilms „Herr Schmidt von der Gestapo – Filmische Dokumentation einer Beamtenkarriere“ thematisiert. Der Film ist eine DEFA-Produktion. RÓZA BERGER-FIEDLER (Berlin) dokumentierte den gesamten Anklageprozess gegen Lothar Henry Schmidt, einen SS-Obersturmführer und Kriminal-Kommissar der Staatspolizeistelle Dresden, der an der Deportation der Dresdner Juden mitwirkte. Der Prozess aus dem Jahr 1987 sollte Symbolcharakter für die scheinbar konsequente Verfolgungspolitik von NS-Tätern in der DDR haben. Die Regisseurin betonte, dass sie die Gestaltung des Films ohne große Absprachen mit der DEFA durchführen konnte. Im Gespräch mit HENRY LEIDE (Rostock) wurde auch die juristische Verfolgung von NS-Tätergruppen thematisiert. Der Prozess wurde als politischer Akt des SED-Regimes eingeordnet. Dem Vorwurf mangelhafter Strafverfolgung, sollte mit diesem Schauprozess begegnet werden. Ungeklärt blieb die Frage, wie repräsentativ der Fall Schmidt für den Umgang mit den Verantwortlichen für NS-Verbrechen in der DDR war.

In ihrem Vortrag gab HEIKE RADVAN (Cottbus) einen Überblick über die Kontinuitäten und Brüche der Traditionslinien von Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik und der DDR. Hierbei unterstrich sie, dass sich die Ausprägung von und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus in den beiden deutschen Staaten aufgrund des jeweiligen politischen Selbstverständnisses unterschiedlich gestalteten. Sie stellte die These auf, dass die demokratische Zivilgesellschaft in Ostdeutschland weniger ausgeprägt sei. Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen müsse man aber vor dem historischen Hintergrund sehen. Die Aufarbeitung der Regionalgeschichte(n) könne helfen, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen und somit zu einer Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft beitragen.

Workshop 5 fragte nach den Herausforderungen bei der Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus und der SED-Diktatur im Hinblick auf die Täter-Opfer-Dichotomie. ELKE GRYGLEWSKI (Berlin) und AYA ZARFATI (Berlin) verwiesen anhand von Erfahrungen aus der Arbeit der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz darauf, dass zunächst die mitgebrachten Vorannahmen der Besucher gebrochen werden müssten. Hierfür müssten insbesondere „Täterquellen“ in Ausstellungen kontextualisiert werden sowie Ausstellungstexte nicht im Passiv geschrieben werden, um klare Verantwortungen aufzuzeigen und „Othering“ zu vermeiden. BETTINA EFFNERR (Berlin) und KATRIN PASSENS (Berlin) beleuchteten die Herausforderungen bei der Vermittlung von DDR-Geschichte. Hier sei die Grenzziehung zwischen Tätern und Opfern in viele Fälle nicht eindeutig und Besucher/innen zum Teil auch persönlich emotional involviert. DERVIS HIZARCI (Berlin) verwies hierbei auf die Beachtung des Beutelsbacher Konsenses. Abschließend wurde die Hoffnung formuliert, dass die Bildungsarbeit beider Geschichtsstränge weiter ausgebaut werde und sich gegenseitig bei der Überwindung dieser ähnlichen Herausforderungen unterstützen möge.

Workshop 6 widmete sich der Frage der intergenerationalen Tradierung: Welche Folgewirkungen lassen sich ausmachen, wenn – bewusst oder unbewusst – (Gefühls)Erbschaften innerhalb des Mikrokosmos Familie weitergegeben werden? Und welchen Stellenwert geben wir der transgenerationalen Perspektive in Forschung und politischer Bildungsarbeit? KATINKA MEYER (Göttingen) stellte ihre empirische Studie zu Umsiedler/innen vor, die nach 1945 aus den ehemaligen Ostgebieten in der SBZ/DDR lebten. Tabuisierte Erfahrungen von Verlust, Trauer, aber auch die Tatsache, dass die Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung zuvor überzeugte Nationalsozialist/innen gewesen waren, machte die Bearbeitung der Erfahrungen der Umsiedler/innen unmöglich. IRIS WACHSMUTH (Berlin) stellte die Ergebnisse ihrer Drei Generationen Studie mit ost- und westdeutschen Familien vor: Erzähle die erste Generation zumindest noch in Andeutungen über ihr Leben im NS, verliere sich meist dieser familiengeschichtliche Bezug in den nachfolgenden Generationen und damit die Einsicht in die Mitverantwortung der eigenen Familie am NS-System. Diese Befunde deckten sich auch mit den Analysen von JULIETTE BRUNGS (Berlin), die sexistische und antisemitische Denkfiguren im deutschen Gegenwartsdiskurs ausmachte, resultierend aus der transgenerationalen Weitergabe von Schuld und Schamgefühlen, die im aktuellen deutschen Erinnerungsdiskurs eine Rolle spielen. Ein Resultat seien rechtspopulistische Opferdiskurse der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die durch tradierte Fremdheitskonstruktionen („Othering“) entstünden. Weitere transgenerationale Tradierungsdynamiken stellte LALE YILDIRIM (Berlin) mit ihrer empirischen Studie zu Jugendlichen mit und ohne türkeibezogenem Migrationshintergrund der dritten Generation vor. Auch sie kam zu dem Ergebnis, dass Familiengeschichten den maßgeblichen Einfluss auf das Geschichtsbewusstsein ausübten, viel mehr als die Schule. Dieser Workshop konnte zeigen, dass der Blick auf die familienbiographische Aufarbeitung und intersektionale Perspektive bedeutend und immer noch zu wenig im Fokus ist, wenn es darum geht, gegenwärtige gesellschaftliche Phänomene wie Antisemitismus, Rassismus oder Rechtspopulismus zu verstehen.

Im von STEFANIE KNORR (Berlin) moderierten Workshop 7 standen unterschiedliche biographische Ansätze im Fokus, die über einen dichotomen Täter-Opfer-Diskurs hinausweisen sollten. Dabei stellte sich als zentrale Frage die nach individuellen Handlungsspielräumen heraus. AKIM JAH (Bad Arolsen) stellte Situationen subalterner Gestapo-Beamter vor, die an Judendeportationen aus Berlin beteiligt waren. Sie handelten durchaus unterschiedlich, da es „objektive Handlungsspielräume“ gab und partielle Verweigerung keine negativen Konsequenzen hatte. Auf mögliche Ambivalenzen in der Bewertung von Handlungen wies GERHARD SÄLTER (Berlin) am Beispiel der DDR-Grenzsoldaten hin. Die zumeist wehrpflichtigen Soldaten waren einerseits Funktionäre des SED-Staates und schränkten durch ihre Tätigkeit Freiheitsrechte ein, andererseits wussten sie um die moralische Fragwürdigkeit des Grenzregimes und viele versuchten sich ihm zu entziehen – am radikalsten, indem sie selbst in den Westen gingen. Wenn sie nicht durch Schüsse auf Flüchtlinge zu Tätern wurden, lassen sie sich nicht in einer klaren Dichotomie von Tätern und Opfern fassen, so Sälter. ROLAND JAHN (Berlin) betonte, dass die Spielräume einzelner Akteure nicht abstrakt nach den objektiven Möglichkeiten, sondern nach dem, was subjektiv wahrgenommen werden konnte, gemessen werden müssten. Er forderte eine "neue Qualität der Aufarbeitung" der DDR-Geschichte, die solche subjektiven Aspekte mit aufnehme.

Künstlerische Zugänge zum Umgang mit Vergangenheitskonflikten standen im Fokus von Workshop 8. Welche Impulse können aus künstlerischer Position die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Tätern und Opfern politischer Gewalt beleben, verschärfen oder verstören? ULRIKE RUF (Berlin) zeigte einen Ausschnitt aus ihrem Dokumentarischen Musiktheater „Volk unter Verdacht“, das sich anhand von Originaldokumenten aus Archiven der Stasiunterlagen-Behörde (BStU) mit dem DDR-Apparat auseinandersetzt. Täter- und Opferpositionen der Überwachung und Verfolgung werden darin musikalisch und szenisch mit Originalvideos und Tondokumenten sowie mit Kompositionen von Iris ter Schiphorst in eine verstörende Collage gesetzt. OLE SASS (Berlin) stellte seine Arbeit als Landschaftsplaner des Büro Sinai vor und beschrieb den gestaltenden Zugang zu öffentlichen Erinnerungsorten als Versuch einer planerischen Empathie. ANDRES VEIEL (Berlin) zeigte einen Ausschnitt aus seinem Film „Der Kick“ (2006), in dem die Ermordung eines Jugendlichen durch drei Neonazis im brandenburgischen Dorf Potzlow dokumentarisch aufgerollt wird. In ihm präzisieren sich immer tiefer die auch transgenerationalen Zusammenhänge und Hintergründe der Tat. Der Workshop konnte aufzeigen, dass Kunst darin unterstützen kann, das kollektive (Des)Interesse und die kollektiven blinden Flecken in Bezug auf problematische Aspekte der Vergangenheit in neue Lesarten zu überführen und damit ein manchmal unbefangeneres, neugierigeres und suchenderes Befragen zu eröffnen.

BONIFACE MABANZA (Heidelberg) gelang es in seinem Abschlussvortrag, sowohl den Kontext der Aufarbeitung diktatorischer Vergangenheiten global zu erweitern als auch die Ergebnisse der Tagung zusammenzuführen. Am Beispiel Südafrikas schilderte er, wie die Suspendierung der Aufarbeitung zur Wiederholung von Gewaltmustern führen kann. Er betonte, dass Aufarbeitung ein kontinuierlicher gesellschaftlicher Prozess sei, der sich mit einem breiten Ansatz der Geschichte stellen müsse. Die Thematisierung von Täter- und Opferrollen und die Berücksichtigung der postmigrantischen Perspektive seien hierbei ebenso wichtig, wie die regionalhistorische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

In der Forschung eignet sich besonders ein interdisziplinärer Zugang, um das komplexe Thema der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Diktaturen zu erfassen. Hierzu konnte diese Tagung einen Beitrag leisten, nicht nur durch das Aufwerfen neuer Forschungsfragen, sondern auch durch die Vernetzung der Teilnehmenden.

Konferenzübersicht:

Axel Klausmeier (Gedenkstätte Berliner Mauer): Begrüßung

Vortrag Hans-Christian Jasch (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz): Praktiken im Umgang mit staatlichen Gewaltverbrechen im 20. Jahrhundert

Vortrag Rainer Huhle (UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen): Transformative Justice

Workshop 1. Der gesellschaftliche Umgang mit der diktatorischen Vergangenheit. Diskurse und Tradierungen

Gülay Gün (Friedrichshain-Kreuzberg Museum Berlin), Stefanie Knorr (Beratungsstelle Gegenwind für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur), Patrice Poutrus (Universität Erfurt), Eike Stegen (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz)

Workshop 2. Tätergruppen, Elitenkontinuitäten, Sanktionen

Frank Bajohr (Institut für Zeitgeschichte München/Zentrum für Holocaustforschung), Gerhard Sälter (Gedenkstätte Berliner Mauer), Hans-Christian Jasch (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferen), Clemens Vollnhals (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung), Franziska Kuschel (Zentrum für Zeithistorische Forschung), Stefan Bollinger (Freie Universität Berlin)

Workshop 3. Unerträgliche Verbindungen: Von den Schwierigkeiten der Verarbeitung, wenn ein Mensch Täter und Opfer politischer Gewalt war

Vera Kattermann (Psychoanalytikerin, Berlin), Gudrun Brockhaus (Psychoanalytikerin, München)

Workshop 4. Umgang mit NS-Tätern in der DDR – Das Beispiel Henry Schmidt

Róza Berger-Fiedler (Dokumentarfilmerin), Elke Gryglewski (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz) Henry Leide (BStU Außenstelle Rostock)

Vortrag Heike Radvan (Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg): Der Umgang mit Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, der DDR und nach 1989 – Überlegungen für die Gegenwart

Workshop 5. Herausforderungen bei der Vermittlung der Geschichte des National-sozialismus/Holocaust und der SED-Diktatur

Bettina Effner (Stiftung Berliner Mauer), Katrin Passens (Stiftung Berliner Mauer), Elke Gryglewski (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz), Aya Zarfati (Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz), Dervis Hizarci (Carl-von-Ossietzky Oberschule Berlin)

Workshop 6. Intergenerationale Tradierung: Gefühlserbschaften und Geschichtsbewusstsein aus multiperspektivischer Sicht

Juliette Brungs (Stiftung Sozialpädagogisches Institut Berlin „Walter May“), Katinka Meyer (Georg-August-Universität Göttingen), Iris Wachsmuth (Neue AG für Zeitgeschichte + SozioAnalysen e.V. Berlin), Lale Yildirim (Freie Universität Berlin)

Workshop 7. Zwischen Anpassung und Widerstand: Biografische Ansätze

Akim Jah (Arolsen Archives), Roland Jahn (Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der eh. DDR), Gerhard Sälter (Stiftung Berliner Mauer), Stefanie Knorr (Beratungsstelle Gegenwind für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur)

Workshop 8. Kreativität und Konflikt: Künstlerische Zugänge zur Erinnerungsarbeit

Uwe Neumärker (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas), Ulrike Ruf (Musikerin, Autorin und Regisseurin, Berlin), Ole Saß (Sinai Landschaftsarchitekten), Andres Veiel (Autor und Regisseur, Berlin)

Vortrag Boniface Mabanza (Kirchliche Arbeitsstelle Südliches Afrika): Von der Intensivstation ins reale Leben. Suspendierte Aufarbeitung der Geschichte und ihre Konsequenzen


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