Doing Inequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Jahrestagung der Gesellschaft für Agrargeschichte

Doing Inequality – Praktiken der Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Jahrestagung der Gesellschaft für Agrargeschichte

Organisatoren
Gesellschaft für Agrargeschichte
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.06.2019 - 29.06.2019
Url der Konferenzwebsite
Von
Stefan Brakensiek / Jonas Hübner, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen; Arne Butt, Institut für Historische Landesforschung, Universität Göttingen

Die Jahrestagung 2019 der Gesellschaft für Agrargeschichte hat sich in Kooperation mit dem Institut für Historische Landesforschung der Universität Göttingen (IHLF) der Frage gewidmet, in welchen alltäglichen Lebenskontexten sich die soziale, wirtschaftliche und politische Ungleichheit in dörflichen resp. ländlichen Gesellschaften der Vormoderne manifestierte. Doing Inequality meint jene Praktiken, die Ungleichheiten in der Gesellschaft verdeutlichten und mit denen sich die Zeitgenossen Rangunterschiede und die verschiedenen Abstufungen der Inklusion in die Gemeinschaft vergegenwärtigten. Die Tagungsbeiträge spannten einen weiten zeitlichen Bogen vom 13. bis zum 19. Jahrhundert und griffen auf Beispiele aus Regionen von der dalmatinischen Küste über die Schweiz bis Nordwestdeutschland zurück. Trotz dieser breiten räumlichen Annäherung an das Querschnittsthema der ‚gelebten Ungleichheit‘ ergaben sich zwischen den einzelnen Beiträgen zahlreiche Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten, die unter den Tagungsteilnehmern zu lebhaften Diskussionen führten.

Nach der Begrüßung durch Arnd Reitemeier (Göttingen) leiteten Stefan Brakensiek (Duisburg-Essen) und Arne Butt (Göttingen) in das Thema der Tagung ein. Ausgehend von den einschlägigen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte betonten sie die allgemeine Erkenntnis, dass die ländlichen Gesellschaften der Vormoderne kein Hort sozialer Gleichheit waren und in vielerlei Hinsicht – z. B. bezüglich ökonomischer und politischer Teilhabe, Geschlechter- und Generationengrenzen – unterschiedliche Dimensionen von Ungleichheit festzustellen sind. Eng damit verknüpft, doch weit weniger erörtert ist allerdings die Frage, wie sich diese rückblickend identifizierten Unterschiede im ländlichen Alltag manifestierten und durch soziale Praktiken tatsächlich zu wichtigen, gar bestimmenden Faktoren des Zusammenlebens wurden; denn im Umkehrschluss gilt, dass eine anhand bestimmter Kriterien retrospektiv ermittelte Ungleichheit, die nicht im konkreten Handeln Gestalt gewinnt bzw. zu der sich solches Handeln nicht nachweisen lässt, sich ggf. als anachronistisches Forschungskonstrukt erweist, das für das ländliche Leben der Vormoderne keine Relevanz entwickelt hat. Das für die Tagung zentrale (Quellen-)Problem, ebenjene Ebene des sozialen Handelns zu greifen, machte Butt eingangs am spätmittelalterlichen Beispiel einiger dörflicher Ämter im Umkreis der Stadt Göttingen deutlich: In den von der Stadt beherrschten Dörfern Roringen und Herberhausen lassen sich anhand der städtischen Überlieferung zwar die Inhaber des Bauermeisteramtes im 15. Jahrhundert sowohl für die Mehrzahl der Jahre bestimmen als auch über ihre Familienverbände und deren Landbesitz ökonomisch und sozial in den Dorfgemeinschaften verorten. Trotz der hervorragenden Quellenlage bleibt aber der Schluss, dass mit diesem Amt eine herausgehobene Stellung in den Dorfgemeinschaften verbunden gewesen sei, reine Spekulation, da keinerlei Hinweise auf Praktiken vorliegen, in denen sich diese vermeintliche Stellung manifestiert haben könnte.

ROBERTO LEGGERO (Mendrisio) näherte sich in seinem Vortrag dem Problem der gelebten Ungleichheit über die Talschaften des Vallemaggia-Tals im Tessin des 14. Jahrhunderts. Für die aus Gemeinden (comunes), Nachbarschaften (vicinanzas) und Markgenossenschaften (boggias) bestehende Gesellschaft war ein geregelter Zugang zu den knappen Ressourcen, v. a. zu Fließgewässern und Alpweiden, essentiell. Die zunehmende Verrechtlichung der Lebensverhältnisse, vor allem des Ressourcenzugangs, geschah durch zwischendörfliche Vereinbarungen, aber auch durch zahlreiche individuelle Verträge, mit denen sich einzelne Personen, die formal nicht zur jeweiligen Dorfgemeinschaft gehörten, Sondernutzungsrechte sicherten. Bestrebungen zur Egalisierung der Lebensverhältnisse in den einzelnen Kommunen der Talschaft wurden aufgrund dieser Praxis häufig durch sich überlagernde Rechtsgeschäfte zwischen Individuen und Gemeinschaften sowie zwischen Kommunen untereinander konterkariert. Dauerhafte Rechtssicherheit boten beide Vertragsvarianten nicht: Sobald offene, gewalttätige Konflikte zwischen Gemeinden auftraten, war es für einzelne Auswärtige nahezu unmöglich, ihre Sonderrechte zu behaupten; wenn Individuen hingegen ihre rechtliche Sonderstellung im Rahmen von Privatfehden durchsetzen wollten, standen auch die Rechtsbeziehungen ihrer Herkunftskommunen auf dem Spiel.

DOROTHEE RIPPMANN (Zürich) widmete sich der Manifestation von gesellschaftlichen Unterschieden durch bäuerliche Seelheilstiftungen und Totengedenken in der Region Bischofszell im Thurgau. Sie rückte damit die Teilhabe an den Heilsmitteln der Kirche als Kriterium für den Sozialstatus in den Blick. Soziale Unterschiede offenbarten sich den Zeitgenossen im Tode z. B. durch unterschiedliche Tarife für Chorherren, Ehrbare, einfache Dorfbewohner sowie für Arme und Kinder beim Totengeläut, durch abgestuften Einsatz von Orgel, ewigem Licht und Kirchenschmuck, schließlich auch in den unterschiedlich ausgestatteten Eintragungen in den Jahrzeitbüchern. Nicht zuletzt die in ihrer Ausstattung stark differierenden Seelheilstiftungen vergegenwärtigten über den Tod hinaus soziale Unterschiede in der ländlichen Gesellschaft; und dies umso nachhaltiger, wenn einzelne Stiftungen so umfangreich ausfielen, dass sie etwa durch Altarstiftungen und gesungene Messen einen wichtigen Beitrag zur „sakralen Verdichtung“ im ländlichen Raum des ausgehenden Mittelalter leisteten. In diesem Verdichtungsprozess bezogen sich die Unterschiede zur städtischen Gesellschaft lediglich auf die Größe der Stiftungen, waren also nicht qualitativer, sondern lediglich quantitativer Natur.

REGINA SCHÄFER (Mainz) zeigte in ihrem Vortrag, dass die niedergerichtlichen Quellen der sog. Ingelheimer Haderbücher einen ungewöhnlich genauen Einblick in den gesellschaftlichen Alltag des Ingelheimer Grundes in Rheinhessen ermöglichen – eines Raumes, der vom Weinbau geprägt wurde und früh in überregionale marktwirtschaftliche Zusammenhänge eingebunden war. In dem Reichsgutbezirk spielten weder feudale Abhängigkeiten eine Rolle, noch wurde der Zuzug von Arbeitskräften in größerem Umfang behindert. Trotz der sich stetig wandelnden Zusammensetzung der Bevölkerung etablierten sich besondere Praktiken der Ausgrenzung aus der Gemeinschaft, die Schäfer als „Formen des Fremdmachens“ bezeichnete: Über Beschimpfungen, Gerüchte und üble Nachrede wurden einzelne Individuen als Ortsfremde diffamiert. Wenn den Ausgegrenzten der notwendige Rückhalt in der Gemeinschaft, die frunde, fehlten, drohte im weiteren Konfliktverlauf der Ausschluss aus den für das Sozialprestige wichtigen Sondergruppen (z. B. Trinkgruppen). Im Ingelheimer Grund zeigt sich doing inequality damit als ein Mittel, um gegen unliebsame Konkurrenz vorzugehen: die aktive Ausgrenzung von „Fremden“, die angesichts der gesellschaftlichen Mobilität und Offenheit nicht über Geburts- und Wohnort definiert wurden, sondern denen man Verstöße im gesellschaftlichen Beziehungsgeflecht („undoing fruntschaft“) vorwarf.

Eine ähnliche Ausgrenzungsrhetorik beobachtete MARCO TOMASZEWSKI (Freiburg) in seinem Vortrag über Praktiken der Ungleichheit im Land Appenzell 1535-1539. Den Anlass bildeten hier die komplexen Auseinandersetzungen der Landbevölkerung mit der Stadt St. Gallen, die ihr Umland nicht nur wirtschaftlich dominierte, sondern auch politisch zu beherrschen versuchte. Um Rechte und Eigenständigkeit zu bewahren bzw. zurückzuerlangen, bedienten sich die Landgemeinden im Appenzeller Land friedlicher (Rechts-)Mittel wie Supplikationen, Demonstrationen und Prozessführung, doch konnte schnell auch die Grenze zur gewalttätigen Konfliktaustragung überschritten werden. Der offensichtliche Antagonismus zwischen Stadt und Land spiegelte sich innerhalb der Landgemeinden wider: Viele Akteure im ländlichen Raum waren wirtschaftlich potent und politisch einflussreich, gerade weil sie auf vielfache Weise, z. B. als Söldnerführer oder Pensionsempfänger, mit den St. Galler Führungsschichten eng verbunden waren. Je nach Konfliktkonstellation konnten so einzelne Personen als Verräter diffamiert werden, die angeblich die Fremden (i. e. Städter) begünstigt, Gelder veruntreut und somit Eigennutz über das (ländliche) Gemeinwohl gestellt hatten. Das Maß der städtischen Durchdringung der Landgemeinden erwies sich als so groß, dass ein konzertiertes und kohärentes Vorgehen gegen die Stadt St. Gallen nahezu unmöglich war, weil es den Akteuren in den Landgemeinden am notwendigen gegenseitigen Vertrauen fehlte.

Dem paradoxen Phänomen, wie in der alpinen Wirtschafts- und Sozialordnung durch Egalisierungstendenzen Ungleichheiten manifest wurden, widmete sich STEFAN SONDEREGGER (St. Gallen). Die Intensivierung der Viehwirtschaft im 15. und 16. Jahrhundert in der Region Ostschweiz-Vorarlberg-Liechtenstein führte zu einer immer intensiveren Nutzung der Weiden und Wälder am Berg. Bisher geduldete Wald- und Alpnutzer wurden rigoros ausgegrenzt und ihrer Rechte beraubt, wenn sie nicht in einem Dorf ansässig waren und das Bürgerrecht besaßen. Im Zuge dieser Abschließung der Alpnutzergemeinschaft nach außen wurde zugleich die Ressourcennutzung innerhalb der Gruppe der Berechtigten immer rigideren Regeln unterworfen. Beides fand seinen Ausdruck in detaillierten Alpsatzungen, die z. B. die Zahl der Weidetiere und den Umfang der Holzentnahme für jeden Alpgenossen genau fixierten und darüber hinaus gemeinsame Pflichten wie Zaunbau und Lawinenschutträumung definierten. Die Ressourcenverwaltung war zwar ein dynamischer Prozess des ständigen Aushandelns, ihre institutionalisierten Verfahren zeigen aber eine klare Tendenz, individuelle zugunsten von gemeinschaftlichen Interessen zurückzustellen und einen Kollektivzwang zu etablieren, der die dessen ungeachtet weiter schwelenden Ressourcenkonflikte unter den Alpgenossen fortan prägte.

Ein geeignetes Gegenstück hierzu bildete der Vortrag von JONAS HÜBNER (Duisburg-Essen). Er befasste sich am Beispiel der Essener Mark bei Osnabrück vom 16. bis 19. Jahrhundert mit der kollektiven Verwaltung und Nutzung weitläufiger Wälder, Bruchniederungen und Weiden, die typisch waren für den deutschen Nordwesten und die östlichen Provinzen der Niederlande. Indem Hübner begrifflich zwischen dem „Naturraum“ und dem „Machtraum“ der Mark als „Ressourcensystem“ und „Ressourcenregime“ differenzierte, konnte die gemeinschaftliche Verwaltung und Nutzung wichtiger land- und waldwirtschaftlicher Ressourcen (Viehweide, Holzhieb und sog. Plaggenstich) zusammengedacht werden mit der Reproduktion ständischer Ungleichheit. Dadurch sollte die sonst vorherrschende Engführung auf sozial- und wirtschaftsgeschichtliche bzw. umwelthistorische Fragestellungen überwunden werden. Die Verschränkung von Agrarproduktion als einem Bündel von Praktiken der Naturaneignung mit der Reproduktion sozio-politischer Ungleichheitsbeziehungen im Vollzug solcher mehr oder weniger konflikthafter Aneignungsprozesse erklärte sowohl die Dauerhaftigkeit der Institution Markgenossenschaft als auch die Dynamik, die zu ihrer schrittweisen Auflösung im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert führte.

FABIAN KÜMMELER (Wien) betrachtete soziokulturelle, rechtliche und administrative Aspekte gelebter Ungleichheit in der ländlichen Gesellschaft Dalmatiens am Beispiel der Insel Korčula. Im Spätmittelalter spitzten sich dort ebenso wie in weiten Teilen des venezianischen Adriaraums die soziopolitischen Spannungen zwischen Patriziern und Nichtpatriziern zu. Auf Korčula führte dies allerdings zu keinem Bruch zwischen städtischer und ländlicher Gesellschaft, da die seit spätestens 1265 verschriftlichte Rechtsordnung der Insel städtische und ländliche Gebiete zu einem einheitlichen Rechtsraum zusammenfasste. So standen neben Patriziern und Bürgern relativ einflussreiche Dorfgemeinschaften, denen auf der Insel eine rechtliche, administrative und sozioökonomische Schlüsselrolle zufiel. Gleichwohl wurden wichtige Ämter der ländlichen Selbstverwaltung von Patriziern geprägt (vorrangig Justiziare und Gastalden, ferner Weinberghüter und Feldwächter). Im Spannungsfeld zwischen Kommune, ländlicher Selbstverwaltung und venezianischer Jurisdiktion zeigten sich am Beispiel sozioprofessioneller Konflikte zwischen Bauern, Hirten und ländlichen Amtsträgern individuelle und kollektive Praktiken, die zum einen gegen Erscheinungsformen der Ungleichheit gerichtet waren, diese zum anderen aber auch neu produzierten. Die Dorfgemeinschaften reagierten flexibel auf die jeweilige Sachlage vor Ort: Sie konnten sich situationsabhängig von bestimmten Delinquenten distanzieren, den Versuch unternehmen, die patrizischen Amtsträger zu umgehen, oder die meist wenig sachkundigen Städter in ihrem Sinne zu manipulieren.

Die Ausformung schichtenübergreifender Beziehungen in der ländlichen Gesellschaft behandelte CHRISTINE FERTIG (Münster). Ausgehend von der Untersuchung verschiedener Regionen im Münsterland verdeutlichte sie, dass die Mietverhältnisse der Heuerlinge, Tagelöhner und Textilhandwerker ein wichtiges Indiz sozialer Ungleichheit darstellen und nachhaltigen Einfluss auf die ländliche Siedlungsstruktur sowie auf die soziale Stellung von Vermietern (Großbauern, Kleinbauern, Handwerkern, aber auch Tagelöhnern und Textilhandwerkern selbst) hatten. Dabei lassen sich beachtliche regionale Unterschiede beobachten (Mitte des 18. Jahrhunderts waren im nordwestlichen Münsterland rund 45 Prozent der Haushalte Mieterhaushalte, im östlichen Münsterland dagegen nur rund 18 Prozent), die auf eine durchweg alltagsprägende, jedoch je nach Region unterschiedlich ausgestaltete Verknüpfung von Arbeitsbeziehung und Mietbeziehung hindeuten. Ähnliche regionale Unterschiede zeigten sich auch bei einem Vergleich der Patenschaftsbeziehungen zwischen den verschiedenen sozialen Schichten in Löhne (Ostwestfalen) und Borgeln (Soester Börde) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während in Löhne die Heuerlinge stark in die Patenschaftsnetze der Bauern integriert waren, verschlossen sich die Bauern in Borgeln weitgehend der Patenschaft für die Kinder der Tagelöhner. Die Patenschaft als soziale Praxis bewirkte eine unterschiedlich starke Einbindung der ländlichen Unterschicht in die lokalen sozialen Netzwerke.

In der engagiert geführten Schlussdebatte herrschte Konsens darüber, dass die Untersuchung sozialer Praktiken der Ungleichheit lohnenswert ist, weil sie den vorherrschenden kategorialen Differenzierungen in den ländlichen Gesellschaften des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit Leben einhaucht und deutlicher hervortreten lässt, wie sich die erheblichen Unterschiede in ständischer Herkunft, ökonomischer Potenz und politischer Macht in actu konstituierten und reproduzierten. Die Fokussierung auf Praktiken der Ungleichheit hat das Potenzial, durch eine Relektüre der vorhandenen Forschung aus praxeologischer Perspektive neue Erkenntnisse zu generieren. Eine analytische Differenzierung der empirischen Befunde ermöglicht die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Abstufungen praktizierter Ungleichheit. Jene reichten von der bloßen Verdeutlichung vorhandener Unterschiede in ländlichen Gemeinwesen (z. B. bei Rippmann) über verstärkte Gruppenbildungsprozesse und die damit einhergehende Abgrenzung zu Nichtmitgliedern (z. B. bei Sonderegger) bis zu Mechanismen aktiver Ausgrenzung bestimmter Individuen (z. B. bei Schäfer).

Dieses weite Spektrum verdeutlicht, dass ein praxeologischer Zugang zu historischer Ungleichheit diese nie im Singular, sondern stets im Plural analysiert: Ungleichheiten zu untersuchen, bedeutet nicht allein, (zweifellos wichtige) Unterschiede hinsichtlich sozioökonomischer Teilhabe und politisch-rechtlicher Statusbehauptung zu konstatieren, sondern auch andere, vielfältig miteinander verflochtene Asymmetrien in der ländlichen Gesellschaft der Vormoderne zu identifizieren, die in kulturgeschichtlichen Kategorien der Differenz, der Alterität und Intersektionalität beschreibbar werden. Verkürzt von Praktiken der Ungleichheit bzw. doing inequality zu sprechen, stellt schließlich vor ein theoretisch-methodisches Problem, das auf der Tagung lediglich am Rande berührt wurde und in diesem Rahmen natürlich auch nicht abschließend zu klären war, nämlich die grundlegende Frage, wie Praktiken eigentlich Ungleichheiten als per se strukturelle Konstellationen entstehen lassen, verfestigen oder aufbrechen.

Konferenzübersicht:

Arnd Reitemeier (IHLF, Göttingen): Begrüßung

Stefan Brakensiek (Universität Duisburg-Essen) / Dr. Arne Butt (IHLF, Göttingen): Einführung

Roberto Leggero (Università della Svizzera italiana, Mendrisio): Paraphrasing Descartes. The Inequality in Medieval Southern Switzerland Rural Communities

Dorothee Rippmann (Universität Zürich): Jenseitsvorsorge, Gemeinde und soziale Differenz auf dem Land – Der Schauplatz Kirche (1400–1520)

Regina Schäfer (Universität Mainz): Reden über „Fremde“ in einem spätmittelalterlichen Dorf

Marco Tomaszewski (Universität Freiburg): Bannerhandel. Praktiken der Ungleichheit im Land Appenzell 1535–1539

Stefan Sonderegger (Stadtarchiv St. Gallen): Doing inequality – enforcing equality. Gegen außen Abschluss und gegen innen Kollektivzwang. Zur spätmittelalterlichen Alpwirtschaft in der Bodenseeregion

Jonas Hübner (Universität Duisburg-Essen): Stratifying Interactions. Gemeingüterbasierte Vergesellschaftung in den frühneuzeitlichen Marken Nordwestdeutschlands

Fabian Kümmeler (Universität Wien): „Asine, homo nullius valoris, tu numquam meruisti tale officium“ – Ländliche Selbstverwaltung und Praktiken innerdörflicher Ungleichheit im venezianischen Dalmatien des 15. Jahrhunderts

Christine Fertig (Universität Münster): Soziale Ungleichheit im ländlichen Nordwestdeutschland. Soziale Kohäsion und interne Differenzierung lokaler Gesellschaften im 18. und frühen 19. Jahrhundert