Deutsche Militärgeschichte in Europa 1945-1990 – Repräsentation, Organisation und Tradition von Streitkräften in Demokratie und Diktatur

Deutsche Militärgeschichte in Europa 1945-1990 – Repräsentation, Organisation und Tradition von Streitkräften in Demokratie und Diktatur

Organisatoren
Jörg Echternkamp/ Christoph Nübel, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.09.2019 - 19.09.2019
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Von
Leonie Ziegler, Institut für Politikwissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster//Institut d'études politiques de Lille, Sciences Po Lille

Einer deutsch-deutschen Militärgeschichte galt das Erkenntnisinteresse der 60. Internationalen Tagung für Militärgeschichte. Diese Geschichtsschreibung, so die Organisatoren JÖRG ECHTERNKAMP (Potsdam) und CHRISTOPH NÜBEL (Potsdam), solle auf systematische Weise die Vergangenheit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik gleichermaßen in den Blick nehmen. Die Erforschung „doppelt-deutscher“ Militärgeschichte könne in Zeiten von aufstrebendem Nationalismus und Globalisierungskritik zunächst widersprüchlich klingen. Doch in methodischer Hinsicht stehe sie nicht im Widerspruch zum Trend der globalen, transnationalen Geschichtsschreibung. Im Gegenteil, sie befasse sich genau damit; nämlich mit dem Vergleich zweier Staaten, die durch ihre gemeinsame Vergangenheit, durch wechselseitige Verflechtungen, aber auch durch gegenseitige Abgrenzung miteinander verbunden seien. Wie sich eine solche deutsch-deutsche Militärgeschichte trotz der konträren Staats- und Gesellschaftsstrukturen von Diktatur und Demokratie sinnvoll konzipieren lässt, wurde mit Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen diskutiert. Ihre Verflechtungen, Parallelen und Unterschiede sollten in den Untersuchungsfeldern Repräsentation, Organisation und Tradition aufgezeigt werden.

Zur Einordnung des Tagungsthemas wurden die deutsch-deutschen Beziehungen im Kalten Krieg aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert. Aus einer globalen Sicht betonte MARK KRAMER (Cambridge, MA) die Zentralität beider deutschen Staaten im Kalten Krieg. Dessen Ende sei vom Zusammenbruch der Sowjetunion, aber auch von der deutschen Wiedervereinigung abhängig gewesen. Ferner verglich er NATO und Warschauer Pakt im Hinblick auf die militärische Dimension des Kalten Krieges und ging auf die politische Identität der Bündnisse ein.

SARI AUTIO-SARASMO (Helsinki) untersuchte Europas Rolle im Kalten Krieg anhand von Interaktionen und Kooperationen, die im Rahmen von Technologietransfers zwischen westeuropäischen Staaten und der Sowjetunion entstanden waren. Als das sowjetische Bestreben zur Modernisierung wuchs, bildeten sich diese wirtschaftlichen Austauschbeziehungen. Neben dem rein technischen (Wissens-)Austausch führten sie dazu, dass sich das Bild des Feindes wandelte und es „mehr um Business als um Ideologie ging“, wie Nübel treffend resümierte.

Mit den Chancen und Grenzen einer deutsch-deutschen Militärgeschichte beschäftigte sich HERMANN WENTKER (Potsdam). Gemeinsamkeiten seien die Bündnispolitik der NVA und ihres westdeutschen Pendants, die gemeinsame Herkunft und Tradition beider Armeen. Die NVA als Parteiarmee und die Militarisierung der ostdeutschen (Zivil-)Gesellschaft hingegen ließen sich nur schwer mit Westdeutschland vergleichen. Aus diesen Gründen sei ein Vergleich bei geeigneten Themen durchaus reizvoll, dennoch lasse sich aber nicht alles „in einen deutsch-deutschen Kontext pressen“.

Von genau diesen Forschungsproblemen eines doppelt-deutschen Vergleichs handelte DOMINIK GEPPERTs (Potsdam) Abendvortrag. Er stellte fest, dass die Themenbereiche drei methodischen Ansätzen zugeordnet werden können: der Abgrenzung aufgrund der manifesten Unterschiede zwischen Demokratie und Diktatur, den ähnlichen Merkmalen und Herausforderungen, die zu einer Parallelgeschichte zweier Industriegesellschaften führen würden und einer Verflechtungsgeschichte mit Deutschen auf beiden Seiten. Anschließend ging er auf die konzeptionellen Herausforderungen und eine sinnvolle Periodisierung des Forschungsfeldes ein. Seine methodisch-konzeptionellen Überlegungen veranschaulichte Geppert anhand der Architektur beider deutscher Regierungssitze. Die Unterbringung der Ministerien in ehemaligen preußischen Kasernen und die funktionalen Neubauten in der Bonner Republik stehen im Gegensatz zu den großen freien Plätzen und monumentalen Bauten nach sowjetischem Vorbild im Osten. Doch neben Elementen der Abgrenzung fänden sich in den beiden Hauptstädten auch Verbindungen und Verflechtungen. Als in Westdeutschland das Haus der Geschichte gebaut wurde, sollte die „Deutungshoheit der Geschichte“ mit dem geplanten Historischen Nationalmuseum in Ost-Berlin zurückgewonnen werden.

Repräsentation umfasst Sinn und Form, Bilder und Symboliken – so beschrieb Nübel eines der drei Untersuchungsfelder der Tagung. Das erste Panel beschäftigte sich mit den Außenansichten deutscher Streitkräfte und zeigte, dass deutsch-deutsche Militärgeschichte durchaus eine internationale Dimension hat. Während Eisenhower der Meinung gewesen sei, „German military staff should be destroyed“, habe sich diese Einstellung bei anderen US-Offizieren geändert, wie KATHLEEN J. NAYWN (Washington D.C.) darstellte. Diese sahen die Wehrmachtsoffiziere als kompetente Männer, die einen schädlichen politischen und sozialen Einfluss haben könnten. Aus diesem Grund gab es zwischen 1945 und 1949 unterschiedliche Ansichten, wie man mit dem deutschen Offizierskorps verfahren solle. Endlich beschloss man, Individualentscheidungen und keine Generalverurteilungen vorzunehmen und das deutsche Offizierskorps zu überwachen.

Wie die britischen Reaktionen auf die dreiwöchigen Truppenübungen der Bundeswehr in Wales im September 1961 ausfielen, untersuchte PETER SPEISER (London). Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg waren deutsche Streitkräfte auf britischem Hoheitsgebiet. In den politischen Debatten habe die konservative Regierung, mit Ausnahme des Verteidigungsministers Harold Watkinson, ihre Bedenken geäußert. Die britische Presse hingegen habe positiv und fast überrascht reagiert, entsprachen doch die Bundeswehrsoldaten nicht ihren aus der NS-Zeit stammenden stereotypen Vorstellungen. Die britische Öffentlichkeit begrüßte die deutschen Soldaten – trotz einiger Proteste – freundlich, teils sogar euphorisch.

MICHAEL M. OLSANSKY (Zürich) analysierte, wie vier Schweizer Offiziere die Bundeswehr wahrnahmen. Sie urteilten, dass es zwar qualifizierte Offiziere gebe, aber die praktische Arbeit durch historische Hypotheken und die ineffiziente Nutzung der Wehrpflichtigen in dem stehenden Heer beeinträchtigt seien. Kontakte zwischen der ostdeutschen und Schweizer Armee seien erst in den 1970er-Jahren etabliert worden, die ersten Besuche haben sogar erst 1989 stattgefunden.

Das zweite Panel zur Repräsentation behandelte eine deutsche Binnenperspektive, die die nationalen gesellschaftlichen Urteile in Bezug auf Militär und die Streitkräfte in beiden deutschen Staaten in den Blick nahm. Grundsätzlich, so CLAUDIA KEMPER (Hamburg), agierten Ost- und Westdeutsche in den 1970er-Jahren in unterschiedlichen Friedensbewegungen. Im Kontext des Kalten Krieges und der Ölkrisen kritisierten die westdeutschen Friedensbewegungen die „soziale Dimension des atomaren Wettrüstens“, die zu Lasten des Sozialstaats ging. In der DDR protestierte man indes gegen die zunehmende Vereinnahmung der Gesellschaft durch Politik und Militär. Verbindend sei aber die gemeinsame Vergangenheit, die auf antimilitaristischen Traditionen in den Friedensjahren zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg zurückzuführen sei.

Aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive betrachteten HEIKO BIEHL und TIMO GRAF (beide Potsdam) die öffentliche Meinung zu Sicherheitspolitik und Streitkräften sowie die Verteidigungsbereitschaft der ost- und westdeutschen Bevölkerung. Sie werteten Umfragen aus den 1970er- und 1980er-Jahren mit aktuellen sozialwissenschaftlichen Methoden aus. Der Analyse zufolge nahm die Verteidigungsbereitschaft in den 1980er-Jahren in der ostdeutschen, nicht aber in der westdeutschen Jugend ab. Im Gegensatz dazu beeinflussten latente Ideologien und Feindbilder eher die Verteidigungsbereitschaft in der DDR.

Inwieweit die beiden Streitkräfte von oppositionellen Akteuren und Handlungen betroffen waren, thematisierte RÜDIGER WENZKE (Potsdam). Dabei ging es vor allem um die Renitenz „unscheinbarer“ Soldaten in beiden Nachkriegsstreitkräften. Renitente Verhaltensweisen wie Wehrdienstverweigerungen, Fahnenflucht und Meuterei wurden durch die jeweilige Armeeführung als Mängel wahrgenommen und disziplinarisch verfolgt. Dennoch blieb das innere Gefüge beider Streitkräfte stabil, auch wenn die Vorkommnisse das Binnenklima störten und das Ansehen des Militärs beeinträchtigten.

Tourismus ist ein weiteres Feld, auf dem sich gesellschaftliche und militärische Akteure begegnen. Das mit Schutz und Disziplinierung, Tod und Zerstörung assoziierte Militär stehe auf den ersten Blick im Widerspruch zu dem mit Erholung und Zwanglosigkeit positiv konnotierten Tourismus, so JAN-HINNERK ANTONS (Hamburg). Dennoch gebe es durchaus Kontaktpunkte und militärische Faktoren, die den Tourismus förderten – wie Battlefield-Tourism, Soldaten als Touristen – bzw. hemmten, wie die Flächenkonkurrenz oder die Zerstörung touristischer Infrastruktur.

Das zweite Themenfeld der Tagung, Organisation, befasste sich mit dem legalen und politisch-institutionellen Rahmen des Militärischen. Hierfür wurde im dritten Panel die politische Organisation der Streitkräfte näher untersucht. Um den Zusammenhang zwischen dem politischen und militärischen System zu verdeutlichen, betrachtete RUDOLF SCHLAFFER (Potsdam) die militärischen Spitzengliederungen in beiden deutschen Staaten. Während es in der Bundeswehr eine militärische Führung nur unter politischer Leitung gegeben habe, wurde in der DDR eine parteipolitische Durchdringung der Militärorganisation durch hohe Parteikader angestrebt.

Mit der Frage nach Funktion und Bedeutung der Verteidigungsausschüsse in Bundestag und Volkskammer für die jeweilige parlamentarische Verteidigungspolitik beschäftigte sich DOROTHEE HOCHSTETTER (Potsdam). Der Verteidigungsausschuss in der Bundesrepublik stelle ein „parlamentarisches Novum“ dar, wohingegen das Pendant der Volkskammer versucht habe, eine demokratische Mitbestimmung in der Verteidigungspolitik vorzutäuschen. Die Referentin resümierte, die Verteidigungsausschüsse seien zwar „homolog ähnlich“, da beide die institutionelle Form aus dem traditionellen Parlamentarismus übernahmen. Aufgrund der Einbettung in unterschiedliche politische Systeme und den daraus resultierenden unterschiedlichen Funktionen seien sie aber „analog unähnlich“ gewesen.

Veteranenorganisationen in Ost und West verglich MICHAEL EPKENHANS (Potsdam). Während sie im Westen ein plurales Element und als Interessenvertretung Teil der demokratischen Kultur gewesen seien, habe die DDR ihre Veteranenverbände zur Auseinandersetzung und Abgrenzung mit dem Westen genutzt.

Im vierten Panel folgten Vorträge zur militärischen Organisation der Streitkräfte. Die Organisations- und Führungsstrukturen in den Divisionen, Brigaden und Regimenter beider Streitkräfte verglich KLAUS STORKMANN (Potsdam). Die Panzerverbände und -einheiten in Ost und West würden sich weder in Gliederung und Personalstärken noch in ihrem Fähigkeitsprofil nach Truppengattungen ähneln. Die motorisierten Schützenregimenter der NVA und die Panzergrenadierbrigaden der Bundeswehr hingegen glichen sich in ihrem Fähigkeitsprofil nach Truppengattungen trotz grundverschiedener Gliederung und Struktur, was Storkmann als Isomorphismus beschrieb.

Die „politische Bildung“ in der Bundeswehr stellte KLAUS SCHROEDER (Wilhelmshaven) der „politisch-ideologischen Arbeit“ in der NVA gegenüber. Hauptunterschied beider Unterrichtsziele sei der vorgesehene Grad der politischen Selbstständigkeit der Soldaten. Beiden Streitkräften gemein sei, dass der Unterricht zwar politisch gewollt, aber militärisch als „nicht notwendiger Hauptausbildungszweig“ gesehen worden sei.

VÁCLAV ŠMIDRKAL (Prag) beschäftigte sich mit der künstlerischen Inszenierung in den Streitkräften der Tschechoslowakei, der DDR und Polens. Die Militärorchester, Theater-, Tanz- und Liederensembles dienten der Verbreitung der „sozialistischen Kulturrevolution“, der Pflege nationaler militärischer Traditionen und der Unterhaltung der Militärangehörigen. Dabei stehe diese Form der Unterhaltung in einem Spannungsfeld zwischen dem künstlerischen Eigensinn der KünstlerInnen in ihrer Rolle als Militärangehörige und der politischen Überwachung der Inhalte.

Das letzte Themenfeld setzte sich mit Narrativen und der sozialen Praxis der Traditionsstiftung auseinander. Im deutsch-deutschen Kontext bedeutete Tradition meist die Abgrenzung von der Zeit vor 1945, gleichzeitig aber auch den Einbezug vorausgehender Traditionen früherer deutscher bzw. preußischer Armeen. „Wie hältst du es mit der Wehrmacht“? lautet JOHN ZIMMERMANN (Potsdam) zufolge die Gretchenfrage im Umgang mit der Tradition in den Streitkräften beider deutscher Staaten. Die NVA verstand sich zwar nicht als Nachfolgerin der Wehrmacht, im Aussehen der Uniformen konnten aber Ähnlichkeiten ausgemacht werden. Stattdessen beriefen sich die ostdeutschen Streitkräfte auf die Bauernaufstände, die preußischen Militärreformer und die eigenen militärischen Traditionen im Sozialismus; den 20. Juli 1944 sahen sie als „reaktionären Junkeraufstand“. Für die Bundeswehr hingegen gehörte das Stauffenberg-Attentat – neben den preußischen Militärreformern und der Inneren Führung – zu ihren Gründungsmythen.

Über die Traditionspflege und das öffentliche Repräsentationswesen der polnischen Armee im Zeitraum 1918 bis 2018 referierte JENS BOYSEN (Warschau). Bezeichnend für die wechselhaften Beziehungen zwischen politischer Führung und Militär sei die Konfederatka, eine traditionelle polnische Mütze, die Anfang der 1950er-Jahre durch sowjetische Mützen ersetzt worden sei. Auch die ideologischen Leitmotive wechselten; mal habe es das deutsche, mal das russische bzw. sowjetische Feindbild gegeben.

WOLFGANG FORM (Marburg) beschäftigte sich mit der Aufklärung von Kriegsverbrechen am Beispiel der Verjährungsdebatte der 1960er-Jahre in der Bundeswehr. Ab dem 7. Mai 1965 seien „alle Eichmänner frei“ gewesen, so der Referent; bis zu diesem Tag habe das „Damoklesschwert der Anklage“ über den ehemaligen Wehrmachtsangehörigen, die in der Bundeswehr dienten, geschwebt – eine Tatsache, die das ostdeutsche Militär instrumentalisierte.

Narrative können sich im Laufe der Zeit ändern. So wurde auch die Bedrohung durch die Sowjetunion von amerikanischen Regierungen unterschiedlich wahrgenommen. GEORG SCHILD (Tübingen) beschäftigte sich mit der Regierungspolitik des US-Präsidenten Ronald Reagan. Zu Beginn seiner Amtszeit sei er der einzige Präsident gewesen, der seine Politik darauf ausgerichtet habe, den Kalten Krieg zu gewinnen. Zum Jahreswechsel 1983/84 erfolgte das „Reagan Reversal“, die Bedrohungsrhetorik änderte sich, der Präsident ging auf die Sowjetunion zu und schlug moderate Töne an.

Im weitesten Sinne gehört Militärkultur ebenfalls zur Tradition. In der NVA bestehe die Generalität aus Spezialisten, in der Bundeswehr aus Generalisten, so THORSTEN LOCH (Berlin). Hierfür sei die Entwicklung des Kampfes im Krieg entscheidend gewesen. Ausgangspunkt für die Bundeswehr seien die preußischen Reformer im 18. Jahrhundert gewesen, die eine Schlacht dezentral organisiert haben. Folglich seien Militärs, die sich in allen Bereichen auskannten, notwendig geworden. In der NVA und in der Sowjetunion hingegen hätten Zentralität und Planbarkeit dem Weltbild entsprochen, weswegen die Expertise jedes Einzelnen in seinem spezifischen Bereich notwendig gewesen sei.

„Verhandeln, diskutieren, streiten“ sei das Ziel der interdisziplinären Tagung gewesen, was mit den Vorträgen der ReferentInnen verschiedener Fachrichtungen und den Beiträgen aus dem versierten Publikum laut Michael Epkenhans erreicht wurde. Militärhistorische Beiträge wurden durch kulturgeschichtliche, sozialwissenschaftliche und juristische ergänzt und boten den TeilnehmerInnen einen inhaltlichen und methodischen Einblick in die laufenden Diskussionen der deutsch-deutschen Zeit- und Militärgeschichte. Kommentare und Fragen aus dem Publikum zeigten, dass eine Vertiefung interdisziplinärer Forschung von Nutzen sein kann und ein intensiverer Austausch zwischen WissenschaftlerInnen aus verschiedenen Disziplinen hierfür unabdingbar ist. In den Diskussionen wurde immer wieder die Frage nach der Sinnhaftigkeit und dem Mehrwert der vergleichs- und verflechtungsgeschichtlichen Methode aufgeworfen, stellte man doch in manchen Bereichen fest, dass es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gebe. Hierzu ist allerdings festzuhalten, dass die Feststellung, es lägen keine Gemeinsamkeiten vor, auch das Ergebnis eines Vergleichs sein könne.

Die Tagung ist Teil eines Großprojekts am ZMSBw zur militärgeschichtlichen Grundlagenforschung, das mit Hilfe von interdisziplinären Ansätzen an andere Projekte anknüpft. Eckart Conze (Marburg) stellte den ersten Band „Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945-1990“1 vor. Auf die Veröffentlichung der Tagungsergebnisse in der neuen Reihe „Deutsch-deutsche Militärgeschichte“ darf man gespannt sein.

Konferenzübersicht:

Jörg Hillmann (Potsdam) / Michael Epkenhans (Potsdam): Begrüßung

Jörg Echternkamp (Potsdam) / Christoph Nübel (Potsdam): Einführung

Impulsreferate
Agnes Bresselau von Bressensdorf (Berlin / München): Moderation

Mark Kramer (Cambridge, MA): Germany, the East-West Military Confrontation, and the Cold War

Sari Autio-Sarasmo (Helsinki): Between East and West: The Cold War in Europe

Hermann Wentker (Berlin): Das doppelte Deutschland und die Streitkräfte. Chancen und Grenzen einer deutsch-deutschen Militärgeschichte

Panel I: Außenansichten deutscher Streitkräfte
Jörg Echternkamp (Potsdam): Moderation

Kathleen J. Nawyn (Washington D.C): “Highly Capable Men”: The U.S. Army in Europe and the German Officer Corps, 1945–1949

Peter Speiser (London): “Panzers welcome?“ – Britische Reaktionen auf die Schießübungen der Bundeswehr in Wales, 1961

Michael M. Olsansky (Zürich): „Nicht gerade zackig hier …“ – Schweizerische Innenansichten aus der Bundeswehr und Fernsichten auf die NVA 1959–1970

Panel II: Gesellschaftliche Urteile in der nationalen Binnenperspektive
Jürgen Elvert (Köln): Moderation

Claudia Kemper (Hamburg): Die west- und ostdeutsche Friedensbewegung über Militär und Militarismus. Herausforderungen und Chancen für eine deutsch-deutsche Annäherung

Heiko Biehl und Timo Graf (Potsdam): Öffentliche Meinung zu Sicherheitspolitik und Streitkräften in Demokratie und Diktatur: Ein Beitrag zur Soziologie zivil-militärischer Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR

Rüdiger Wenzke (Potsdam): Zwischen Renitenz und Verweigerung. Zum Umgang mit nonkonformistischen Verhaltensweisen von Soldaten in beiden deutschen Streitkräften

Panel III: Die politische Organisation der Streitkräfte
Nina Leonhard (Potsdam): Moderation

Rudolf Schlaffer (Potsdam): Die militärische Spitzengliederung in der Bundesrepublik und der DDR

Dorothee Hochstetter (Potsdam): Verteidigungsausschüsse in Bundestag und Volkskammer. Organisation, Repräsentation und Praxis parlamentarischer Verteidigungspolitik

Michael Epkenhans (Potsdam): Veteranenorganisationen und Politik im geteilten Deutschland

Panel IV: Die militärische Organisation der Streitkräfte
Bernhard Gotto (München): Moderation

Klaus Storkmann (Potsdam): Divisionen, Brigaden, Regimenter – zwei deutsche Landstreitkräfte im Vergleich

Klaus Schroeder (Wilhelmshaven): „Politische Bildung“ und „politisch-ideologische Arbeit“ in der Dienst- und Ausbildungsstruktur von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee

Václav Šmidrkal (Prag): Staging Socialist Military: Performing Arts in the Armed Forces of Czechoslovakia, GDR and Poland

Öffentlicher Abendvortrag
Dominik Geppert (Potsdam): Deutsch-deutsche Geschichte im Kalten Krieg

Panel V: Narrative und soziale Praxis der Traditionsstiftung
Cornelia Grosse (Potsdam): Moderation

John Zimmermann (Berlin): Zwischen Mythologie und Ideologie – Tradition in der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee

Jens Boysen (Warschau): Schimmernde Wehr über den Regimen. Traditionspflege und öffentliches Repräsentationswesen der Polnischen Armee als moralische Stütze der „ewigen Nation“ 1918–2018

Wolfgang Form (Marburg): Die Bundeswehr unter dem Damoklesschwert der Verjährungsdebatte der 1960er Jahre

Panel VI: Tourismus, Bedrohung, Militärkultur
Christoph Nübel (Potsdam): Moderation

Jan-Hinnerk Antons (Hamburg): Zum ambivalenten Verhältnis von Militär und Tourismus in der Bundesrepublik und der DDR

Georg Schild (Tübingen): Bedrohungswahrnehmungen in der Regierung Reagan

Thorsten Loch (Berlin): Der Kulturraum des Militärischen in Ost und West

Abschlussdiskussion

Anmerkung:
1 Christoph Nübel (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Militärgeschichte 1945–1990. Bundesrepublik und DDR im Ost-West-Konflikt, Berlin 2019.