StauferDinge. Materielle Kultur der Stauferzeit in neuer Perspektive

StauferDinge. Materielle Kultur der Stauferzeit in neuer Perspektive

Organisatoren
Richard Engl, München; Jan Keupp, Münster; Markus Krumm, München; Romedio Schmitz-Esser, Graz
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
31.01.2020 -
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Von
Jörg Schwarz, Universität Innsbruck

Ein unwiderstehlicher Reiz geht seit einiger Zeit von der sogenannten „Objektgeschichte“ aus. Das Rad musste dabei nicht vollständig neu erfunden werden. Durchaus kann die Objektgeschichte an die ältere „Realienkunde“ anknüpfen. Sie geht aber in ihren weiter reichenden Fragestellungen, die sich nicht zuletzt um Einordnung des jeweiligen Objekts in größere, kulturgeschichtliche Zusammenhänge bemüht, doch deutlich über diese hinaus. Der momentane Erfolg der Forschungsrichtung ist unbestreitbar. Fast alles scheint derzeit in den Perspektiven „materieller Kultur“ gebrochen zu werden. Geschichtswissenschaft scheint in der letzten Zeit immer dann besonders erfolgreich zu sein, wenn sie zur historischen Materialwissenschaft wird. Ein Nachlassen der Attraktivität der Forschungsrichtung, bei der der Reiz des Haptischen (auch dann, wenn nichts mehr zum Anfassen da ist) sicherlich eine besondere Rolle spielt, ist wohl kaum schon in Sicht. Ganz in diesem Sinne beschäftigte sich am 31. Januar 2020 in München die Tagung „StauferDinge“, die zu Ehren Knut Görichs stattfand, mit der materiellen Kultur der Stauferzeit bzw. mit einigen ausgewählten Problemen davon. Unübersehbar stand der Band „Neue alte Sachlichkeit“, den Jan Keupp (Münster) und Romedio Schmitz-Esser (Graz), zwei der Veranstalter der Tagung, vor einiger Zeit vorgelegt und der sich inzwischen als Handbuch etabliert hat, Pate.1 Auch an Themen und Ansätze, die von Knut Görich selbst erprobt worden sind, hat die Tagung, die von Keupp methodisch eingeleitet wurde, bewusst angeknüpft.2

„Karolinger, Ottonen, Staufer? Das Ziborium von S. Ambrogio (Mailand)“ lautete das Thema des Vortrags von CLAUDIA MÄRTL (München). Märtl stellte dabei die von Percy Ernst Schramm vorgenommene Zuordnung des Ziboriums in die Ottonenzeit in Frage und hielt eine stauferzeitliche Datierung zumindest für möglich; jedenfalls sprach sie sich nachdrücklich für eine offene Diskussion um das Objekt aus.

JÜRGEN DENDORFER (Freiburg im Breisgau) sprach über „StauferDinge im Elsass – Friedrich Barbarossa und St. Fides in Schlettstadt“. 1892 wurden in St. Fides in einem gemauerten Grab vor dem Altar Überreste einer Frau entdeckt, die mit einer dicken Kalkschicht bedeckt war und deren Gesichtszüge sich in dem Kalk abgedrückt hatten. Es konnten Abgüsse ihrer Büste hergestellt werden. Dendorfer zog die Anschauung in Zweifel, es müsse sich dabei zwingend um Hildegard von Egisheim, die „Stammmutter der Staufer“, handeln und ordnete diesbezügliche Zuweisungen wissenschaftsgeschichtlich ein.

„Die corona duplex als Symbol des päpstlichen Amtes in der Stauferzeit“ lautete das Thema des Referats von JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal), der sich mit der Geschichte der päpstlichen Kronen des Mittelalters beschäftigte und der in der corona duplex vom Osterfest 1227 einen dinglichen Ausdruck für den Wandel des Papsttums in der Stauferzeit sah.

RICHARD ENGL (München) sprach über „Unbeachtete Insignien Friedrichs II. im fatimidischen, normannischen und päpstlichen Kontext“. Er stellte vor allem die These auf, dass der sogenannte „Sonnenschirm“ in den vieldiskutierten Fresken des römischen Klosters Santi Quattro Coronati aus den 40er-Jahren des 13. Jahrhunderts ein sizilisches Herrschaftszeichen sei und die Herrschaft Friedrichs II. über Sizilien symbolisiere.

MICHAEL MATZKE (Basel) sprach über „Überprägungen in der Stauferzeit. Münzerneuerung und geldpolitische Wendepunkte“. Er konzentrierte sich dabei vor allem auf die Zeit Heinrichs VI. und Konstanzes, in deren Münzzeugnisse sich die unio regni ad imperium beispielhaft abgebildet habe.

MARKUS KRUMM (München) setzte sich mit dem „Brückentor von Capua“ auseinander. In den 30er-Jahren des 13. Jahrhunderts an der damals schon vorhandenen Volturnusbrücke errichtet, existiert es heute nicht mehr. Zeichnungen und Beschreibungen jedoch überliefern das Aussehen des Tores, das namentlich der älteren Forschung als besonderer Ausdruck des machtpolitischen Willens des Kaisers gegolten hat. Krumm beantwortete die Frage, wieviel Friedrich II. im Brückentor stecke eher zurückhaltend; es spreche vielmehr einiges dafür, die Verantwortung für das Tor in Kreisen einflussreicher Capuaner Familien zu suchen.

„Millionen Besucher feiern Barbarossa. Zur unsichtbaren Präsenz des Mittelalters beim Hamburger Hafengeburtstag“ lautete das Thema des Vortrags von CHRISTOPH DARTMANN (Hamburg), der sich mit der Wirkungsgeschichte des angeblichen Zollprivilegs Friedrich Barbarossas von 1189 sowie mit der Barbarossa-Figur am Hamburger Rathaus beschäftigte. Dem Verblassen des Mittelalters in der Geschichtskultur der Gegenwart stellte Dartmann ein Eigengewicht materieller Überlieferung des Mittelalters gegenüber.

ROMEDIO SCHMITZ-ESSER (Graz) sprach über den „Barbarossaring“ aus der Münchener Residenz, der erstmals 1564 in den Schriftquellen aufgetaucht ist. Der Ring – so Schmitz-Esser – sei ein nicht unwichtiges Versatzstück in der Geschichte des Aufstiegs der Wittelsbacher gewesen. Er habe in seiner Zuschreibung an den legendären Stauferkaiser perfekt zu den Ansprüchen der Dynastie auf das östliche Schwaben gepasst.

„Dinge und Bedeutungen. Möglichkeiten und Probleme einer Hermeneutik materieller Überlieferung“ lautete das Thema des Vortrags von LUDGER KÖRNTGEN (Mainz), der zunächst exemplarisch ausführte, wie im Mittelalter selbst über Objekte (vor allem über die Frage ihrer Echtheit) nachgedacht wurde. Im weiteren Teil seines Vortrags griff Körntgen die umstrittene Datierung der Wiener Reichskrone auf. Er stellte dabei die These auf, die Krone mit ihrer personenbezogenen Bügelinschrift Chuonradus imperator sei ursprünglich als Objekt einer frommen Stiftung bestimmt gewesen und erst durch den weiteren Gebrauch als personenunabhängig wahrgenommene Reichskrone eingeführt worden.

GERD ALTHOFF (Münster), den Begriff der materiellen Kultur im übertragenen Sinne aufnehmend, beantwortete im öffentlichen Abendvortrag die Frage „War mit Friedrich Barbarossa gut Kirschen essen?“ unterschiedlich. Bei Konflikten nördlich der Alpen – so Althoff – sei in der Regel eine große Bereitschaft zu verzeichnen gewesen, zugunsten seines Aufstiegs und seines politischen Erfolgs mit seinen Gegnern zusammenzuarbeiten. Insofern sei – von einigen Ausnahmen abgesehen - mit Barbarossa hier durchaus gut Kirschen essen gewesen. Südlich der Alpen hingegen sei es durch ein oftmals ungeschicktes Eingreifen Friedrichs in die Verhältnisse der lombardischen Städte zu schweren und blutigen Auseinandersetzungen gekommen, was von Althoff auf die Unterschiede zwischen den politischen Kulturen der deutschen Fürstenwelt des 12. Jahrhunderts mit ihren eingespielten Mechanismen der Konfliktbeilegung und der grundsätzlich anders aufgestellten Städtewelt Italiens zurückgeführt wurde.

Insgesamt gesehen boten die Vorträge über die Staufer-Dinge eine Fülle von neuen Erkenntnissen und Anregungen. Diese betrafen so gut wie immer auch grundsätzliche Fragen des methodischen Zugriffs auf die Objekte. Ihre Geschichte wurde vor allem als ein langer Prozess von unterschiedlichsten Sinnzuschreibungen gedeutet, ein Prozess, der jederzeit neu aktivierbar scheint.

Konferenzübersicht:

Begrüßung durch die Organisatoren

Jan Keupp (Münster=: Methodische Einführung in das Tagungsthema

Claudia Märtl (München): Karolinger, Ottonen, Staufer? Das Ziborium von S. Ambrogio (Mailand)

Jürgen Dendorfer (Freiburg im Breisgau): StauferDinge im Elsass – Friedrich Barbarossa und St. Fides in Schlettstadt

Jochen Johrendt (Wuppertal): Die corona duplex als Symbol des päpstlichen Amtes in der Stauferzeit

Richard Engl (München): Unbeachtete Insignien Friedrichs II. im fatimidischen, normannischen und päpstlichen Kontext

Michael Matzke (Basel): Überprägung in der Stauferzeit: Münzerneuerung und geldpolitische Wendepunkte

Markus Krumm (München): Das Brückentor von Capua

Christoph Dartmann (Hamburg): Millionen Besucher feiern Barbarossa: Zur unsichtbaren Präsenz des Mittelalters beim Hamburger Hafengeburtstag

Romedio Schmitz-Esser (Graz): Der Barbarossaring aus der Münchner Residenz

Ludger Körntgen (Mainz): Dinge und Bedeutungen. Möglichkeiten und Probleme einer Hermeneutik materieller Überlieferung

Öffentlicher Abendvortrag

Gerd Althoff (Münster): War mit Friedrich Barbarossa gut Kirschen essen?

Anmerkungen:
1 Jan Keupp / Romedio Schmitz-Esser (Hrsg.), Neue alte Sachlichkeit. Studienbuch Materialität des Mittelalters, Ostfildern 2015.
2 Der Cappenberg Kopf - ein Barbarossakopf? , in: Friedrich Barbarossa (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 36) Göppingen 2017, S. 48-76.


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