Historisches Wissen und gesellschaftlicher Bildungsauftrag am Beispiel des Nationalsozialismus in Oberschwaben

Historisches Wissen und gesellschaftlicher Bildungsauftrag am Beispiel des Nationalsozialismus in Oberschwaben

Organisatoren
DENKstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben in Weingarten; Forschungsbereich Geschichte und Ethik der Medizin des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg / Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm in Ravensburg-Weissenau; Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Ort
Weingarten
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.03.2020 - 11.03.2020
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Von
Nicola Wenge, Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg, Ulm, e.V., KZ-Gedenkstätte (DZOK); Katharina Witner, Forschungsbereich Geschichte und Ethik der Medizin des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg / Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm

Zum zweiten Mal binnen zwei Jahren fand am 10. und 11. März 2020 in Südwürttemberg eine Tagung statt, die inhaltliche Beiträge von Museen, Gedenkstätten, Dokumentationszentren, Forschungseinrichtungen und weiteren Initiativen in einem Programm vereinigte, deren gemeinsames Interesse die Erarbeitung von historischem Wissen, Bildungsangeboten und Forschung zur Geschichte des Nationalsozialismus in der Region Südwürttemberg zwischen Schwäbischer Alb und Bodensee sowie angrenzenden Gebieten darstellt.

Nach der Begrüßung durch PETRA STEYMANS-KURZ (Weingarten/Stuttgart) seitens der gastgebenden Akademie und UWE HERTRAMPF (Weingarten) als Sprecher des DENKstättenkuratoriums spannte THOMAS MÜLLER (Ravensburg/Ulm) als Organisator der Tagung im Oktober 2018 und Leiter des Forschungsbereichs für Geschichte und Ethik der Medizin in seinem Einführungsbeitrag den Bogen von der ersten Tagung in Ravensburg sowie den seinerzeit präsentierten Inhalten zur diesjährigen Tagung, wobei er auf seither entstandene Projekte und Kooperationen einging. Charakteristische Fragestellungen zur historischen Forschung und Bildung in der Region wurden vom Referenten in die Diskussion eingeführt, mögliche Initiativen mit politisch-gesellschaftlichem Gegenwartsbezug diskutiert, die Diskussionsrunden mit inhaltlichen Fragestellungen vorbereitet.

Uwe Hertrampf stellte die aktuelle Arbeit des DENKstättenkuratoriums vor, das mittels der Dokumentation der regionalen Vorgänge während der NS-Zeit in Form einer Publikation wie auch eines Internet-Portals die oberschwäbischen Gedenkstätten und „Denkorte“ für Opfer und Widerständler zu einem Netzwerk verbindet. Dieses Netzwerk wird durch Informationsaustausch und gegenseitige Anregungen mit Leben gefüllt und durch neue „Denkorte“ erweitert. In Zusammenarbeit mit anderen Trägern der Erinnerungskultur und dem Programm „Demokratie leben“ einerseits, sowie den Trägern der institutionellen Bildungsarbeit wie Schulen, Hochschulen, Volkshochschulen, Landratsämtern, Kirchengemeinden andererseits, werden Bildungsangebote entwickelt – z.B. die auf das „Peer Guide“-Prinzip zurückgreifenden Ausstellungen. Die Bildungsangebote dienen der Aktualisierung historischer Erkenntnis und der Demokratieerziehung gleichermaßen – wie die zurzeit in Ravensburg und Weingarten zu sehende Wanderausstellung „Man wird wohl noch sagen dürfen“ (DZOK Ulm, siehe auch unten).

JOACHIM ZILLER (Königsbronn) stellte die „Gedenkstätte Georg Elser“ in Königsbronn vor und berichtete über den aktuellen Forschungsstand zu Lebenslauf, Verfolgung und Ermordung Elsers. Der Referent ging auch auf Elsers Motive für das Attentat auf Adolf Hitler im Münchener Bürgerbräukeller 1939 ein. Im zweiten Teil des Vortrags wurde die Aufarbeitung nach 1945 beleuchtet. Hier hob Ziller hervor, weshalb Elser als Person wie auch die Umstände des Attentatsversuchs jahrzehntelang verschwiegen, vergessen und verdrängt wurden. Der Vortragende beleuchtete sowohl die nationale Aufarbeitung als auch die späte Aufarbeitung in Elsers Heimatort Königsbronn, wo die Erinnerung erst 1995 offiziell verankert wurde. Abschließend berichtete Ziller, inwiefern Elsers Tat an Kontexte der Gegenwart anschlussfähig sei.

Wie kommt ein kleiner Ort wie das bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb gelegene Buttenhausen mit 600 Einwohnern zu zwei Museen? YANNIK KREBS (Münsingen) stellte als Leiter für beide Museumsorte das Jüdische Museum sowie die Erzberger-Erinnerungsstätte vor. Krebs ging dabei auf die Geschichte des Ortes und seiner musealen Einrichtungen sowie deren Aufbau und Konzeption ein, wobei interessante Unterschiede dargestellt wurden: Das Jüdische Museum verdankt seine Existenz vor allem dem Engagement des ortsansässigen „Einzelkämpfers“ Walter Ott, wohingegen die Erinnerungsstätte zum Zentrumspolitiker Erzberger, der 1921 von Rechtsextremen ermordet worden war, auf eine Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (1991–2005) zurückging.

Im 19. Jahrhundert war die Gemeinde Gailingen am Hochrhein eine der größten jüdischen Landgemeinden im süddeutschen Raum. SARAH SCHWAB (Konstanz/Gailingen) und JOACHIM KLOSE (Gailingen) erläuterten, wie mit dem Nationalsozialismus das jüdische Leben am Ort vernichtet wurde. Heute erinnert das Jüdische Museum anhand von Originalobjekten an die Geschichte der Jüdinnen und Juden, an ihr Leben und ihre Gestaltung des Orts über Jahrhunderte. Das Museum wurde von einem Verein und durch Ehrenamtliche über Jahre aufgebaut. Der Vortrag problematisierte insbesondere die Herausforderungen der Arbeit kleiner Museen in ländlichen Regionen.

Allein während der ersten zentral gesteuerten Phase der nationalsozialistischen „Vernichtung lebensunwerten Lebens“, der sogenannten „Aktion-T4“, wurden 70.000 Psychiatriepatienten aus deutschen Heil- und Pflegeanstalten ermordet. Ein am Kreiskulturamt in Friedrichshafen gebildeter Arbeitskreis unter Beteiligung von NILS BAMBUSCH (Tuttlingen) und PAUL-OTTO SCHMIDT-MICHEL (Ravensburg) erforscht derzeit die „Euthanasie“-Opfer aus dem Bodenseekreis. Auf Grundlage der erhaltenen Quellen wurde für Angehörige und Interessierte eine Datenbank mit Namen und, soweit möglich, Lebensgeschichten eingerichtet. Ziel ist es, die Opfer der NS-„Euthanasie“ aus dem Dunkeln der Vergessenheit zu holen und sie in der Erinnerungskultur der Region zu verankern.

Die Veröffentlichung des Referenten WOLF-ULRICH STRITTMATTER (Ravensburg/Bodnegg) zur Täterbiografie des ehemaligen Bodnegger NS-Bürgermeisters Anton Blaser in der Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“ 2018 zeigte vor Ort breite mediale und politische Wirkung, war dies doch die erste Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit der Gemeinde. Unter Beteiligung des ko-referierenden Bürgermeisters CHRISTOF FRICK (Bodnegg) problematisierte man im Vortrag die Schwierigkeiten einer offenen Erinnerungskultur, die Täterforschung einbezieht. Ein neu gegründeter Arbeitskreis „Erinnerungskultur“ widmet sich zunächst den Recherchen zu „Euthanasie“-Opfern, Verbrechen an Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, örtlichen KZ-Häftlingen sowie anderen Verfolgten der NS-Diktatur.

In ihrem Vortrag berichtete NASTASJA PILZ (Stuttgart) über die Arbeit des Landesarchivs Baden-Württemberg bei der Unterstützung von Menschen, die als Kinder und Jugendliche nach 1945 Leid und Unrecht in Unterbringungsformen fernab der Familie erlebten und die ihre Geschichte rekonstruieren wollen. Pilz stellte vor, wie strukturelle, personelle und pädagogische Kontinuitäten ein Überleben des „Geistes“ des Nationalsozialismus in segregierten Bereichen der Kinder- und Jugendfürsorge über drei Jahrzehnte hinweg ermöglicht haben. Die Referentin präsentierte darüber hinaus Schritte, die zur Etablierung themenbezogener archivalischer Kompetenz- oder Beratungszentren führen könnten. Vorgestellt wurde auch der Ansatz der Einführung von „Fristarchivgut“, um personenbezogene Unterlagen länger aufbewahren zu dürfen – eine bisher wenig beachtete, auch demokratiesichernde Funktion der Institution Archiv.

Der Allgäuer Autor und Filmemacher LEO HIEMER (Kaufbeuren) stellte seine Arbeit über Gabriele Schwarz vor – ein verstecktes jüdisches Mädchen, das auf einem Bauernhof in Stiefenhofen / Allgäu aufwuchs und 1943 im Alter von fünf Jahren in Auschwitz ermordet wurde. 1989 produzierte Hiemer mit Zeitzeugen eine Radiosendung, 1994 drehte er den preisgekrönten Spielfilm „Leni muss fort“ nach der Geschichte von Gabi. 2019 veröffentlichte der Referent nun das Ergebnis seiner erweiterten Recherchen in Buchform. Zurzeit ist ebenfalls eine Wanderausstellung zu Gabi in der Region zu sehen. Vorausblickend berichtete Hiemer über sein geplantes Theaterstück, dessen Fokus auf der Beziehung zwischen Gabis Mutter und Kardinal Faulhaber liegt.

Der Vortrag über „Jungen Aktionismus“ in der Stadt Weingarten durch FERDINAND GANTER (Weingarten) und ROMAN MUTH (Weingarten) beleuchtete Aktionen der letzten fünf Jahre, durch welche sich ein mittlerweile breites Netzwerk an jungen, politisch motivierten Menschen in Weingarten entwickeln konnte. Das Spektrum der Aktivitäten reichte von Demonstrationen zur Bildungssituation und Filmvorträgen zu den Themen „Rechtsrock“ und „jungem rechten Aktionismus“ bis hin zu inhaltlichen Konfrontationen mit der politischen Partei Alternative für Deutschland. Der Fokus lag hierbei auf Netzwerkarbeit und dem aufklärenden Charakter der diversen Veranstaltungsformate.

In Ergänzung und inhaltlicher Nähe zu dem Beitrag von Pilz, die erweiterte Kompetenzen eines Archivs vorstellte, berichtete JOSEF NAßL (Ulm) von einem interaktiven Datenbank-Projekt des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg, Ulm, e.V., KZ-Gedenkstätte. Ziel ist die Erweiterung der bereits bestehenden Online-Häftlingsdatenbank (http://dzok.faust-iserver.de) zu den Häftlingen des KZ Oberer Kuhberg um die Häftlinge der weiteren frühen Konzentrationslager des Landes Württemberg, Heuberg (Stetten am kalten Mark) und Gotteszell (Schwäbisch-Gmünd). Durch das Projekt können sowohl die verstreuten Informationen zu Opfern der frühen Verfolgung in Württemberg zentral gesammelt und für Forschung, Angehörige und Geschichts- bzw. Erinnerungsinitiativen zur Verfügung gestellt als auch neue Erkenntnisse zum Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur auf Landesebene gewonnen werden.

An dem fiktionalen italienischen Theaterstück „T4. Ophelias Garten“ von Pietro Floridia (deutsch: 2016) zur „Euthanasie“ in NS-Deutschland hatte den referierenden ALEXANDER MARX-PABST (Bad Schussenried) als Regisseur beeindruckt, dass es klar und mit Emotion aufzeige, wie das Denken medizinischen Personals im Nationalsozialismus geprägt war: Heilen und vernichten – jenseits individueller Schicksale. Floridias Stück zeige hier mögliche Auswege auf und gebe mit der Figur Ophelia den Opfern der „Euthanasie“ ein Gesicht. Die Schauspielenden bewegte das Stück bei den Proben und regte zum Um- und Neudenken an. In Zeiten eines erneuten Rechtspopulismus, so Marx-Pabst, solle Menschen aktuell weisgemacht werden, dass andere Menschen „unwert“, und wieder „andere“ Schuld seien. Insbesondere hier könne Theater aufkeimendem Rassismus aufklärend entgegentreten.

Der Komponist HANS-CHRISTIAN HAUSER (Isny/München) stellte im Rahmen seines Beitrags „Kain und Abel“ vor – ein Musiktheater-Stück über Menschenexperimente und Patientenmorde in der Psychiatrischen Anstalt Kaufbeuren zur NS-Zeit. Hauser komponierte dieses Musiktheater und inszenierte es 2016 mit Studierenden seiner Interpretationsklasse für Vokalmusik an der Hochschule für Musik und Theater München, sowie in Stuttgart. Grundlage der Inszenierung ist ein Dossier über die Vorkommnisse in der psychiatrischen Anstalt Kaufbeuren während der NS-Zeit. Vier Handlungsstränge von und mit Patienten des psychiatrischen Krankenhauses Kaufbeuren werden miteinander verwoben: es sind die tödlichen Impfversuche an Kindern im Auftrag eines Arztes und die tragischen Verfolgungsgeschichten von drei ermordeten Patienten – einer ukrainischen Landarbeiterin, eines jenischen Jungen und einer jüdischen Memmingerin.

ANNE OVERLACK (Moos-Bankholzen) berichtete in ihrem Vortrag zur Arbeit des 2002 gegründeten Freundeskreises Jacob Picard. Der Arbeitskreis innerhalb von FORUM ALLMENDE e.V. Konstanz wurde nach dem aus Wangen am Untersee auf der Halbinsel Höri stammenden Dichter benannt, der die landjüdische Tradition weit über den Bodensee hinaus in seinem literarischen Werk überliefert hat. Ziel sei, Picards Leben und Werk einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. In Lesungen, Vorträgen, Ausstellungen und Publikationen werden Themen jüdischen Lebens in Vergangenheit und Gegenwart präsentiert. Aktuelle Herausforderungen der Gedenkstätte, insbesondere zur Personalsituation, wurden ebenfalls thematisiert.

MAREIKE WACHA (Ulm) stellte die aktuelle Wanderausstellung des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg, Ulm, e.V., KZ-Gedenkstätte „‚Man wird ja wohl noch sagen dürfen…‘. Zum Umgang mit demokratiefeindlicher und menschenverachtender Sprache“ (2018) sowie die gleichnamige didaktische Handreichung (2020) vor. Das DZOK möchte junge Menschen befähigen, Strukturen und Wirkungen von Hass-Sprache in Geschichte und Gegenwart zu erkennen, sie kritisch in Frage zu stellen und gemeinsam Interventionen zu erarbeiten und zu diskutieren. Sowohl in der Wanderausstellung als auch in der KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg bietet das DZOK Workshops und Projekttage an. Im Rahmen des Bundesprojekts „language matters“ (2020–2022) werden hierzu mit Partnern neue Formate entwickelt.

EVA-MARIA SORG (Heggbach) stellte in ihrem Vortrag die Geschichte des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Heggbach bei Biberach vor, das 1884 in den Besitz der Franziskanerinnen von Reute überging. Im Jahr 1887 wurde dort die „Pfleganstalt Heggbach“ eröffnet. 1912 erfolgte die Gründung des unweit gelegenen Kinderheimes St. Maria Ingerkingen. 1999 nahm die St. Elisabeth-Stiftung ihre Arbeit auf, die seitdem diese soziale Arbeit fortsetzt. Berichtet wurde zur historischen Aufarbeitung der Vorgänge im Nationalsozialismus sowie zur bisherigen Forschungslage.

In der aktuellen historischen Forschung am Standort Zwiefalten des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg stehen die jüdischen Patientinnen und Patienten als Opfergruppe im Mittelpunkt. BERND REICHELT (Zwiefalten/Ravensburg) und Thomas Müller stellten im abschließenden Beitrag ihre doppelte Stigmatisierung dar – als jüdisch und „geisteskrank“. Die überwiegende Zahl der in der 1939 als Sammeleinrichtung für jüdische Kranke deklarierten Heilanstalt Zwiefalten eingewiesenen Menschen wurde Opfer der „Aktion T4“; weitere Patientinnen und Patienten wurden Opfer des Holocaust oder starben vor Ort. Der Vortrag skizzierte den historischen Kontext, stellte Querverweise zu den Forschungen regionaler Initiativen her und verortete die bisherigen Forschungsergebnisse im Kontext der weiteren Forschung.

In den drei Diskussionsrunden der Tagung wurde die Sinnhaftigkeit der Etablierung gemeinsamer Forschung und Bildungsarbeit zwischen teilnehmenden Einrichtungen offenkundig. So kooperieren bereits das DZOK Ulm, der organisierende Forschungsbereich für Geschichte der Medizin sowie das DENKstättenkuratorium NS-Dokumentation Oberschwaben im Rahmen der Wanderausstellung „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“. Eine Erweiterung dieser Aktivität wurde mit einem erfolgreichen Antrag auf Bundesförderung erreicht. Auch eine neue Kooperation wurde verabredet: Die Funktion der psychiatrischen Heilanstalten in der Region bei der Verfolgung und Zusammenlegung jüdischer Patientinnen und Patienten und die Erforschung der Schicksale dieser Menschen in „Euthanasie“ und Holocaust sollen mit der Forschung zum ehemaligen Jüdischen Altenheim Gailingen in gemeinsamer Arbeit fortgeführt werden können, eventuell unter Beteiligung des Museums für Christen und Juden in Laupheim (hier zur Geschichte des jüdischen Altenheims Dellmensingen).

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion waren die Spezifika der historischen Forschung und politischen Bildungsarbeit in ländlichen Gemeinden, in denen Täter- wie Opfergeschichte zum Teil in voller Identifikation historischer Akteure und Akteurinnen vonstattengeht. Beeindruckend waren weiterhin die Funktionserweiterungen, die zeitgenössische Archive und Initiatoren von Datenbank-Projekten in Baden-Württemberg entfalten, die inzwischen weit über übliche Aufgaben und Leistungen solcher Einrichtungen hinausgehen. Grundsätzlich wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass sich die teilnehmenden Einrichtungen mit Blick auf Fragestellungen, Herangehensweisen und Wege des Gegenwartstransfers öffnen, um historische Wissensvermittlung und gesellschaftlichen Bildungsauftrag adäquat zu erfüllen.

Insbesondere die Beiträge zu Gedenkstätten zur politischen Geschichte ließen aufhorchen: In beunruhigend hohem Maße spielen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit bis heute „kontrafaktische“ Stereotype eine Rolle und verstellen zum Teil die Sicht auf belegte historische Gegebenheiten. Eindruck im Kreis der Teilnehmenden hinterließen die Projekte, die mittels künstlerischer Mittel einen Zugang zu Kernthemen der NS-Geschichte, wie „Euthanasie“, Holocaust oder Humanexperimenten zu bieten scheinen, und die eine wertvolle Bereicherung zu den ebenfalls notwendigen kognitiven Zugängen darstellen.

Weitere Diskutant/innen: Nicola Wenge (DZOK Ulm), Benigna Schönhagen (Projekt Gräberfeld X, Universität Tübingen), Peter Eitel (Stadtarchiv Ravensburg), Andreas Knitz (Denkmal der grauen Busse), Eveline Dargel (Kreisarchiv Salem), Heike Engelhardt (AG Gedenktag, ZfP Südwürttemberg), Thomas Stöckle (Gedenkstätte Dokumentationszentrum Grafeneck), Marc Ryszkowski (Denkmalschutzamt Esslingen).

Konferenzübersicht:

Petra Steymans-Kurz (Weingarten): Begrüßung

Uwe Hertrampf ( Weingarten): Aktuelle Projekte und Entwicklungent des Dsk

Thomas Müller (Ravensburg): Forschung, Bildungsauftrag, Erinnerungsarbeit – zur Zweiten Tagung „Historisches Wissen und Bildungsauftrag“

Sektion 1:

Joachim Ziller (Königsbronn): Georg Elser – der lange Weg der Anerkennung

Yannik Krebs (Buttenhausen): Buttenhausen auf der Schwäbischen Alb – Geschichtsträchtiger Ort mit zwei Museen

Sarah Schwab / Joachim Klose (Konstanz/Gailingen): Vom Förderverein Bürgerhaus zum Jüdischen Museum Gailingen

Michael Dörr (Meersburg): Jüdisches Leben am Bodensee heute – die neue Synagoge in Konstanz und die Vermittlung jüdischer Kultur und Geschichte (ausgefallen)

Nils Bambusch (Tuttlingen) / Paul-Otto Schmidt-Michel (Ravensburg): Opferbiographien zur „Euthanasie“ im Internet? Ein Erfahrungsbericht aus dem Bodenseekreis

Wolf-Ulrich Strittmatter (Ravensburg) / Christof Frick (Bodnegg): Wie begegnet eine Gemeinde ihrer Ortsgeschichte in der NS-Zeit?

Nastasja Pilz (Stuttgart): Zur Geschichte der Unterbringung in Psychiatrien in Württemberg – aus einem neuen Forschungsprojekt

Leo Hiemer (Kaufbeuren): Gabi. Geboren im Allgäu. Ermordet in Auschwitz. Erfahrungen mit der Bearbeitung und Verarbeitung eines Kinderschicksals

Ferdinand Ganter u.a. (Weingarten): Junger Aktionismus in Weingarten

Josef Naßl (Ulm): Dokumentationsprojekt zur frühen politischen Verfolgung. Online-Häftlingsdatenbank zu den Konzentrationslagern Heuberg, Kuhberg, Gotteszell

Diskussionsrunde I

Sektion 2:

Henner Lüttecke (Eglfing-Haar): Ein neues Psychiatriemuseum in München (ausgefallen).

Alexander Marx-Pabst (Bad Schussenried): Wie inszeniert man ein Theaterstück zur „Euthanasie“ in einer psychiatrischen Klinik?

Hans-Christian Hauser (München): Das Musiktheater-Projekt „Kain und Abel“. Entstehung und Erfahrungen unterwegs

Anne Overlack / Manfred Bosch (Moos-Bankholzen): Das Landjudentum am Bodensee, der Dichter Jacob Picard und die Einrichtung einer Gedenkstätte. Ein Erfahrungsbericht.

Mareike Wacha (Ulm): Bildungsangebote zum Umgang mit menschenverachtender Sprache

Diskussionsrunde II

Sektion 3:

Eva-Maria Sorg (Bad Waldsee): Zur Aufarbeitung der Geschichte Heggbachs und Ingerkingens

Uta Kanis-Seyfried (Ravensburg): Eine jüdische Ärztin aus Österreich in Oberschwaben (ausgefallen)

Bernd Reichelt (Zwiefalten / Ravensburg); Thomas Müller (Ravensburg): Jüdische Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie Württembergs im Nationalsozialismus. Erforschen, Erinnern und Gedenken.

Diskussionsrunde III / Abschlussdiskussion


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