Regionale Sportentwicklung im Westen. Auf dem Weg zur Sportmetropole Ruhr in Nordrhein-Westfalen? Entwicklungslinien des regionalen Sports zwischen Gemeinwohl- und Olympiaorientierung

Regionale Sportentwicklung im Westen. Auf dem Weg zur Sportmetropole Ruhr in Nordrhein-Westfalen? Entwicklungslinien des regionalen Sports zwischen Gemeinwohl- und Olympiaorientierung

Organisatoren
Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, Deutsche Sporthochschule Köln; Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets
Ort
Bochum
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.01.2020 - 25.01.2020
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Von
Felix Wolf, Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, Deutsche Sporthochschule Köln

Welche Entwicklungslinien kennzeichnen den Sport in Nordrhein-Westfalen? Ist es berechtigt, von der Sportmetropole Ruhr zu sprechen? Und in welchem Verhältnis stehen Spitzen- und Breitensport im Westen Deutschlands zueinander? Diese und weitere Fragen diskutierten neben rund 40 Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus den Disziplinen Sport, Geschichte und Sozialwissenschaft auch zahlreiche Experten und Zeitzeugen vom 23. bis zum 25. Januar 2020 im Bochumer Haus der Geschichte des Ruhrgebiets. Die wissenschaftliche Tagung war der Auftakt eines umfangreicheren Projektes zur Sportentwicklung des Ruhrgebiets und des Landes Nordrhein-Westfalen, das unter der Leitung von JÜRGEN MITTAG (Köln) vom Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung der Deutschen Sporthochschule Köln und CHRISTOPH SEIDEL (Bochum) von der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets durchgeführt wird.

Eröffnet wurde die Tagung vom Sprecher des Forums Sportpolitik und ehemaligem Leitenden Ministerialrat in der Abteilung Sport WALFRIED KÖNIG (Köln). König verwies auf die potenzielle Bewerbung von Rheinland und Ruhrgebiet für die Olympischen Spiele des Jahres 2032, die zu verstärkten Diskussionen über den Stellenwert des Sports in NRW angeregt hat. Ohne Kenntnis der historischen Entwicklungslinien sind diese Debatten aber kaum zu führen.

An diesen Ausgangspunkt anknüpfend präsentierte Jürgen Mittag in seinem einleitenden Impulsvortrag eine grundsätzliche Bestandsaufnahme der Sportentwicklung im Westen. Dabei machte er deutlich, dass der Sport auf regionaler Ebene ein kaum erforschtes Themenfeld darstelle. Vor allem im Ruhrgebiet seien Betrachtungen zur Sportentwicklung weitgehend auf den Fußball ausgerichtet, dessen Dominanz bislang eine breitere und vielschichtigere Untersuchung der Sportlandschaft verhindert habe. In seinem Vortrag skizzierte Mittag überblicksartig Zugänge und Themenfelder einer umfassenderen Sportgeschichte der Ruhr-Region, die nicht ohne Bezüge zum Land Nordrhein-Westfalen auskommen kann. Er führte dabei neben Akteuren, einzelnen Sportdisziplinen, Sportstätten, Sportgroßereignissen und Sportpersönlichkeiten auch den Breitensport und die gesellschaftspolitischen Wechselwirkungen des Sports als zentrale Zugänge und Problemfelder an.

Die Vorträge der ersten Sektion der Tagung widmeten sich der regionalen Sportgeschichte aus unterschiedlichen disziplinären Blickwinkeln. STEFAN GOCH (Düsseldorf) beleuchtete aus sozialhistorischer Perspektive die Bedeutung des Sports als Identitätsstifter. Zunehmende Glokalisierung und wachsende (regionale) Identität sah er vor allem als Gegenentwicklung zur Globalisierung, die auch den Sport für sich in Anspruch nehme. Dabei zeigte er auf, dass die Instrumentalisierung und Nutzung des Sports zur Identitätsstiftung eine lange Tradition besitze und historisch kein neues Phänomen darstelle.

Aus sportphilosophischer Betrachtungsweise bezog SVEN GÜLDENPFENNIG (Köln) eine Gegenposition zu Goch. Er skizzierte die Bedeutung des Eigensinns des Sports und plädierte in normativer Perspektive dafür, dass der Sport sich gegen innere und äußere Eingriffe zur Wehr setzen müsse. Die Frage der Identitätsstiftung bewertete Güldenpfennig kritisch, da hier eine gezielte Instrumentalisierung des Sports – auch auf regionaler Ebene – vorgenommen werde. Aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive verdeutlichte JÖRG LESCZENSKI (Frankfurt am Main) die gewachsene ökonomische Bedeutung des Sports. Nicht nur die Sportindustrie sei vor allem seit den 1970er-Jahren stark expandiert, sondern auch die grundsätzliche sportbezogene Wertschöpfung habe stark zugenommen. Der Beitrag Nordrhein-Westfalens steche hierbei jedoch nicht besonders heraus.

Den Abschluss des ersten Panels bildete ANDREAS HÖFER (Köln), der aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive die Rolle des Sports als Erinnerungsort veranschaulichte. Dabei kritisierte er unter anderem die langjährige Verweigerung des organisierten Sports, sich bewusst mit seiner NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen. Als Beispiele für Erinnerungsorte hob Höfer auch Sportgroßereignisse wie das Wunder von Bern hervor, denen als kollektives Erlebnis besondere Bedeutung zukomme, regionale Bezugspunkt seien hingegen schwieriger zu identifizieren. In der Zusammenschau zeigten die Beiträge der ersten Sektion, dass Fragen der allgemeinen Sportentwicklung auch auf den regionalen Raum projiziert werden können, es hierzu jedoch vor allem an Wissen über die regionalen Rahmenbedingungen und Besonderheiten fehlt.

Das zweite Panel untersuchte die regionale Sportentwicklung an Ruhr und Rhein aus akteurzentrischer Perspektive. Zunächst beleuchtete JOACHIM WINKLER (Wismar) die Rolle von Verbänden und Landesregierung. Gerade die Bedeutung der Bundesländer müsse hervorgehoben werden, da diese exklusive Kompetenzen im Sportbereich besitzen und vielfach mit Landessportbünden auf regionaler Ebene interagieren. Mit Blick auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts diagnostizierte Winkler bei den (regionalen) Sportverbänden einen Mangel an Professionalität. Erst nach der Jahrhundertwende besserte sich diese deutlich.

Weitere zentrale Akteure im Sport sind Vereine, die von PIA KLEMS (Herne) beleuchtet wurden. Besondere Beachtung widmete Klems dem Umstand, dass der Organisationsgrad der Sportvereine des Ruhrgebiets damals wie heute unter dem Bundesdurchschnitt liege. Einen Erklärungsansatz hierfür bieten die spezifischen Sozial- und Wirtschaftsstrukturen des Ruhrgebiets. Dass vor allem Großunternehmen einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf das Sporttreiben im Ruhrgebiet ausübten, thematisierte ANDREAS LUH (Bochum) in seinem Vortrag zum Betriebssport an Rhein und Ruhr. Aufbauend auf Ausführungen zu den grundsätzlichen Entwicklungslinien des Betriebssports im 20. Jahrhundert, zeigte Luh, inwieweit Unternehmen wie Bayer und Krupp mit ihren Werkssportvereinen weitreichenden Einfluss auf das Sporttreiben zahlreicher Mitarbeiter ausübten.

Unter der Fragestellung „Mehr als Fußball?“ widmeten sich die Vorträge der dritten Sektion der Entwicklung einzelner Sportarten im Ruhrgebiet. JEAN-LUC MALVACHE (Bochum) präsentierte Einblicke in die Geschichte des Radsports im Ruhrgebiet. Zwischen den 1920er- und 1940er-Jahren erzielten Sportler aus der Region zahlreiche Erfolge, die im Verlauf der Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Der mit dem Giro Bochum ab 1998 unternommene Versuch, internationale Elite anzuziehen, dokumentiert Malvache zufolge auch die Bemühung, dem Sport einen neuen Schub zu verleihen.

Der Vortrag von JAN HANGEBRAUCK (Berlin) beleuchtete die übergeordnete Bedeutung Nordrhein-Westfalens bei der (Neu-)Gründung und Etablierung des Kampfsports, und dabei insbesondere des Judo, nach 1949 in Deutschland. Während sich der Judosport vor allem in den 1970er Jahren relativer Beliebtheit erfreute, stagnierten die Mitgliederzahlen in den letzten Dekaden. Als mögliche Gründe hierfür führte Hangebrauck unter anderem die Ganztagsschulen und Konkurrenz durch andere Kampfsportarten an.

Eine weitere Sportart, die mit schwindenden Mitgliederzahlen und schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen hat, ist der Wasserball, wie von JÜRGEN SCHWARK (Gelsenkirchen) präsentiert. Wasserball wurde im Ruhrgebiet zunächst in durch Kiesabbau entstandenen Baggerseen praktiziert, ehe durch die im Zuge des Goldenen Plans neu errichteten Schwimmbäder Abhilfe geschaffen wurde. Die anschließende Hochphase des Wasserballs in Deutschland spiegelte sich auch in einer erheblichen Bandbreite an Aktivitäten im Ruhrgebiet wider. In den letzten Jahren habe indes eine Vernachlässigung der Infrastruktur dazu beigetragen, dass der Sport heute erneut vor beträchtlichen Herausforderungen stehe, weshalb Schwark für verstärkte Investitionen plädiert. Hieran anschließend präsentierte PAUL LAWITZKE (Essen), langjähriger Bäderexperte des Regionalverbandes Ruhr, die Genese und aktuelle Situation des Schwimmens im Ruhrgebiet. Besonderes Augenmerk legte er dabei auch auf die Breitensportdimension, da sich Schwimmen insgesamt durch ein attraktives soziales Angebot auszeichne. Trotz zahlreicher Bäderschließungen in den letzten Dekaden sieht Lawitzke die Region im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Kritisch hob er indes hervor, dass an Rhein und Ruhr zu viele Bäderbetreiber in Konkurrenz zueinander stünden, während es andernorts nur einen einzigen Betreiber gebe.

Gegenstand des Beitrags von DIETMAR OSSES (Bochum) war mit der Entwicklung des Brieftaubensports ein regionaler Sonderfall der Sportentwicklung. Seinen Höhepunkt erlebte der Brieftaubensport in den 1960er-Jahren, als neben den finanziellen Anreizen von Siegprämien auch die regionalen Wohnbedingungen des Ruhrgebiets mit Zechenkolonien, die Platz für Taubenschläge erlaubten, dazu beitrugen, dass sich der Brieftaubensport im Ruhrgebiet großer Beliebtheit erfreute. Trotz eines erheblichen Rückgangs betreiben heute immer noch rund 20.000 Züchter diesen Sport im Ruhrgebiet. In der Zusammenschau der Beiträge zu den einzelnen Sportarten wird deutlich, dass der Sport im Ruhrgebiet durch eine erhebliche Bandbreite, aber auch durch fortwährenden Wandel gekennzeichnet ist. Veränderungsprozesse lassen sich sowohl mit gesellschaftlichem als auch sportinfrastrukturellem Wandel erklären.

Das vierte Panel der Tagung untersuchte einzelne Sportstätten und fragte dabei vor allem auch, inwieweit das nicht zuletzt unter nordrhein-westfälischer Beteiligung seit den 1990er-Jahren entwickelte Leitbild der sportgerechten Stadt im regionalen Raum realisiert wurde. ROLAND NAUL (Münster) erläuterte in seinem Vortrag zum Schulsport, dass Nordrhein-Westfalen im bundesweiten Vergleich jahrzehntelang eine Vorreiterrolle spielte und das Thema durch die Einführung entsprechender Richtlinien und Neuerungen in den Lehrplänen aktiv vorantrieb. Heute bedarf es seiner Ansicht nach jedoch aktualisierter und stärker empirisch basierter Schulsportstudien.

Kaum erforscht sind nach wie vor die informellen Sporträume, in denen sich ein Großteil der Sportaktivitäten der Bevölkerung abspielt. KEVIN NOTHNAGEL (Köln) widmete sich diesem Sporttreiben jenseits der Vereine und arbeitete unter anderem heraus, dass eingehendere Debatten über informelle Sporträume bereits sowohl in den 1920er- als auch den 1970er-Jahren geführt wurden. Die heutigen Diskussionen zeigen seiner Studie zufolge jedoch, dass der Diskurs seitdem kaum vorangetrieben wurde und die Fortentwicklung größtenteils stagniert.

„Ein wahres Stück Ruhrgebiet“ präsentierte JÜRGEN HECHT (Essen) in seinem Vortrag über die Revierparks. Als eine Besonderheit der Regionalentwicklung sind diese Park- und Freizeitlandschaften als Reaktion auf das zunehmende Bedürfnis der Bürger nach Grünflächen in den 1970er-Jahren entstanden. Hecht hob hervor, dass auch nationale Sportgroßveranstaltungen einen Impuls zur Weiterentwicklung der regionalen Sportlandschaft lieferten. Heute bedürften die meisten Revierparks allerdings einer umfassenden Modernisierung. Das Panel wurde durch den Beitrag von UWE RICK (Essen) abgeschlossen, der den Wandel der Bedeutung der Westfalenhalle herausarbeitete. Trug diese Sportstätte infolge der Austragung von mehr als 40 Welt- und Europameisterschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch zu einem Imagegewinn der Stadt Dortmund bei, so hat sie mittlerweile deutlich an Strahlkraft eingebüßt. Sie steht damit gewissermaßen symptomatisch für die Sportstätten-Entwicklung des Ruhrgebiets, die trotz einiger moderner Fußballtempel eher als Krisengeschichte diskutiert wird.

Das fünfte Panel der Tagung rückte die Wechselwirkungen von Sport und Gesellschaft in den Mittelpunkt. WERNER SCHMIDT (Duisburg) übte weitreichende Kritik an dem allgemeinen Zustand des Kinder- und Jugendsports. Unzureichende Bewegungsmöglichkeiten und geändertes Freizeitverhalten hätten dazu geführt, dass ein zunehmend größerer Anteil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland die Richtlinien zur physischen Aktivität nicht erfüllten. Für das Ruhrgebiet gilt diese Beobachtung im Besonderen. Es benötige, so Schmidt, eine breitere Einbindung des Sports in bestehende Gesundheitskonzepte sowie einen deutlich früheren Ansatz, um Kinder an ein aktives Leben heranzuführen.

Eine ähnlich kritische Bestandsaufnahme nahm MARIE-LUISE KLEIN (Bochum) aus Sicht der Genderforschung zum Thema Gleichberechtigung vor. Obgleich sie eine positive Entwicklung des Mädchen- und Frauensports seit den 1960er-Jahren ausmachte, konstatierte sie anhaltende Defizite. Es mangle an bewusstem Umgang mit dem Thema, was sich unter anderem in fehlenden mädchen- und frauengerechten Sportstätten widerspiegele. Den Zusammenhang von Sport und Religion beleuchtete LORENZ PEIFFER (Hannover) am Beispiel der Sportaktivitäten von Juden im Raum NRW. Er stellte heraus, dass es seit 1925 neben den national-jüdischen und den zionistischen Sportvereinen auch einen eigenen Verband jüdisch-neutraler Turn- und Sportvereine Westdeutschlands (Vintus) gab, der ein umfassenderes Wettbewerbssystem im Turnen, Fußball und in der Leichtathletik koordinierte. Umstritten ist, inwieweit durch diese Verbandsstrukturen das Spannungsverhältnis von Inklusion und Exklusion im Sport geprägt wurde.

JÖRG-UWE NIELAND (Friedrichshafen) legte in seinem Vortrag aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive das Hauptaugenmerk auf die regionalen Medien und deren Bedeutung für den Sport. Obgleich es kaum Forschung zu regionaler Sportberichterstattung gibt, stellt Nieland zufolge der Sport im regionalen Raum einen wichtigen Sendeinhalt für den föderal organisierten Rundfunkbetrieb der Bundesrepublik dar. Seit den 1970er-Jahren ist die Berichterstattung dahingehend sukzessive ausgebaut worden. Die zahlreichen Bezüge der Tagung zur Gegenwart fanden ihren Höhepunkt in einer öffentlichen Podiumsdiskussion über eine potenzielle Olympiabewerbung 2032 von Rheinland und Ruhrgebiet. Anknüpfend an zwei Impulsvorträge von ALEXANDER BRAND (Kleve) und MANFRED LÄMMER (Frankfurt am Main) diskutierten der Organisator der Initiative „Rhein Ruhr City 2032“ MICHAEL MRONZ, der frühere WDR-Intendant FRITZ PLEITGEN, der Generalsekretär des Allgemeinen Hochschulsportverbandes CHRISTOPH FISCHER, JOSEFINE PAUL (MdL) und BERND TÖNJES (RAG-Stiftung) Potenziale und Grenzen einer Olympiabewerbung. Mit Blick auf das Scheitern früherer Initiativen für Olympische Spiele in der Region war man sich einig, dass eine Bewerbung nur dann erfolgversprechend sein könne, wenn Transparenz und Bürgernähe oberste Priorität hätten und eine Bewerbung dazu genutzt würde, die Regionalentwicklung gezielt voranzutreiben. Die Podiumsdiskussion lieferte auch der sechsten Sektion der Tagung Anregungen, in der es um frühere Sportgroßereignisse im Ruhrgebiet und in NRW ging.

Obgleich Dutzende Weltmeisterschaften kleinerer Sportarten bereits an Rhein und Ruhr ausgetragen wurden, zogen sowohl FRANZ-JOSEF BRÜGGEMEIER (Freiburg) als auch Christoph Seidel in ihren Vorträgen eine insgesamt eher nüchterne Bilanz hinsichtlich des Mobilisierungspotenzials des Ruhrgebiets bei der Austragung von Sportgroßereignissen. Vor allem die mangelnde überkommunale Abstimmung und fehlende Zusammenarbeit haben dazu beigetragen, dass nicht nur Olympia-Bewerbungen scheiterten. Eine gewisse Ausnahme stellte allein die von MICHAEL KANTHER (Duisburg) vorgestellte Stadt Duisburg dar, die mit Universiade und World Games gleich mehrere Sportgroßereignisse austrug.

Als Bestandsaufnahme dokumentierte die Tagung die Bandbreite und Vielschichtigkeit regionaler Sportentwicklung. Zugleich markierte sie aber auch die Notwendigkeit, weitere Forschungen anzustellen, da es vielfach an Wissen über grundlegende Strukturen und Entwicklungen des regionalen Sports mangelt. Ein Zugang dazu kann angesichts oftmals fehlender Quellen im Selbstorganisationsbereich des Sports die Oral-History sein. Die Tagung trug diesem Umstand durch ein Abschlusspanel mit Zeitzeugen Rechnung. Der ehemalige Verlagsleiter LUDGER CLASSEN (Essen), der auch den Reviersport mit aus der Taufe hob, der Leiter der seinerzeit neu gebildeten Abteilung „Sport – Sportstättenbau – Schulbau“ im nordrhein-westfälischen Kultusministerium JOHANNES EULERING (Münster) und der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerialbeamte Walfried König gewährten im Gespräch zahlreiche Einblicke in Etappen und Wegmarken des Sports im Westen. Deutlich wurde dabei der Wandel, den der Sport vor allem in den 1970er-Jahren erfahren hat, als sich neben dem etablierten, wettbewerbsorientierten Vereinssport eine größere Bandbreite an Organisationsformen, Akteuren und Bewegungsaktivitäten auftat.

Als Resümee bleibt festzuhalten, dass das Symposium neben wichtigen Impulsen zur Aufarbeitung der regionalen Sportentwicklung auch Belege dafür geliefert hat, dass sich im regionalen Raum manche Entwicklung anders darstellt als auf nationaler Ebene. Es mangelt indes vielfach selbst an Grundlagenkenntnissen über die Sportentwicklung der Region, weswegen zahlreiche Sportarten, Sportstätten und auch Sporthelden an Bedeutung verloren haben. Die Selbstbezeichnung als Sportmetropole erscheint infolgedessen sowohl für das Ruhrgebiet als auch für Nordrhein-Westfalen ambitiös. Der Blick auf die Geschichte dokumentiert jedoch auch, dass es immer wieder Phasen und Bereiche gegeben hat, in denen dem Sport im Westen eine Vorreiterrolle zukam. Aufgabe künftiger Forschung muss es sein, diese Entwicklungen weiter aufzuarbeiten und hierfür sowohl traditionelle Herangehensweisen und Quellen zu adaptieren als auch neue Zugänge zu entwickeln.

Konferenzübersicht:

Christoph Seidel (Bochum) / Walfried König (Köln) / Markus Langner (Essen): Begrüßung

Jürgen Mittag (Köln): Sport im Ruhrgebiet und in Nordrhein-Westfalen

PANEL I: Regionale Sportgeschichte als Desiderat und Perspektive? Konzeptionelle Zugänge und disziplinäre Impulse.

Moderation: Georg Anders (Köln)

Stefan Goch (Düsseldorf): Sport als Stifter von (regionaler) Identität

Sven Güldenpfennig (Köln): Sport als Feld der Sinnstiftung

Jörg Lesczenski (Frankfurt am Main): Sport als Wirtschaftsgeschichte

Andreas Höfer (Köln): Sport als Erinnerungsort

PANEL II: Über den Vereinssport hinaus? Akteure und Organisationsformen.

Moderation: Ronald Wadsack (Köln)

Joachim Winkler (Wismar): Die Rolle von Verbänden und Landesregierung

Pia Klems (Herne): Die Rolle der Vereine im lokalen Raum

Andreas Luh (Bochum): Großunternehmen und Betriebssport im Rhein-Ruhr-Gebiet

PANEL III: Mehr als Fußball? Regionale Sportentwicklung im Spiegel exemplarischer Sportarten.

Moderation: Hennig Schreiber (Düsseldorf)

Jean-Luc Malvache (Bochum): Radsport

Jan Hangebrauck (Berlin): Judo und Kampfsport

Jürgen Schwark (Gelsenkirchen): Wasserball

Dietmar Osses (Bochum): Brieftauben

Paul Lawitzke (Essen): Bäderwesen

PANEL IV: Auf dem Weg zur Sportgerechten Stadt? Kommunale Sportstätten, Schulsport und Museen als Ankerpunkte der Regionalentwicklung?

Moderation: Niclas Stucke (Köln)

Roland Naul (Münster): Schulsport im Wandel

Kevin Nothnagel (Köln): Informelle Sporträume in NRW

Jürgen Hecht (Essen): Die Revierparks

Henry Wahlig (Dortmund) / Martin Wörner (Dortmund): Sport zwischen Bolzplatz und Museum

Uwe Wick (Essen): Die Westfalenhalle

PANEL V: Gesellschaftliche Vielfalt im Sport? Sport und gesellschaftliche Partizipation im Wandel.

Moderation: Jürgen Mittag (Köln)

Werner Schmidt (Duisburg): Kindheit und Jugend

Marie-Luise Klein (Bochum): Sport und Genderforschung

Lorenz Peiffer (Hannover): Sport und Religion (Judentum)

Jörg-Uwe Nieland (Friedrichshafen): Medien- / Zuschauersport

Podiumsdiskussion: Neue Perspektiven für die Region und die regionale Sportpolitik? Die Olympiabewerbung 2032.

Impulsreferate

Alexander Brand (Kleve): Kosten und Nutzen von Olympia(-bewerbungen)

Manfred Lämmer (Frankfurt am Main): Akzeptanz und Folgen von Olympiabewerbungen

Podiumsdiskussion

Moderation: Bastian Rudde (DLF/WDR)

Christoph Fischer (Allgemeiner Deutscher Hochschulverband) / Michael Mronz (Rhein Ruhr City 2032-Initiative) / Josefine Paul (MdL Bündnis 90/Die Grünen) / Fritz Pleitgen (ehemaliger Intendant WDR) / Bern Tönjes (Vorstandsvorsitzender RAG-Stiftung)

PANEL VI: Mobilisierte Massen? Sportgroßereignisse im Ruhrgebiet und in NRW

Moderation: Till Müller-Schoell (Köln)

Franz-Josef Brüggemeier (Freiburg): Fußball-Weltmeisterschaften

Hans-Christoph Seidel (Bochum): Initiativen und Kampagnen für Olympiabewerbungen

Michael Kanther (Duisburg): Sportstadt Duisburg: Der Hang zum Großereignis – zwischen Universiade und World Games

PANEL VII: Jenseits von „Helden“ und „Verlierern“? Sportentwicklung in der (regionalen) Erinnerung: Impulse und Zeitzeugengespräche

Moderation: Jürgen Mittag (Köln)

Ludger Classen (ehemaliger Leiter des Klartext-Verlags)

Johannes Eulering (ehemaliger Sportreferent der Landesregierung NRW und Abteilungsleiter für Sport in verschiedenen Ministerien)

Walfried König (ehemaliger Leitender Ministerialrat Abteilung Sport in verschiedenen Landesministerien)

Abschluss: Potenziale und Perspektiven der regionalen Sportentwicklungsforschung

Jürgen Mittag (Köln) / Hans-Christoph Seidel (Bochum)


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