Friedrich Engels – Neue Historische Perspektiven

Friedrich Engels – Neue Historische Perspektiven

Organisatoren
Wissenschaftliche Kommission des Bergischen Geschichtsvereins e.V., Wuppertal
Ort
Wuppertal
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.03.2020 - 07.03.2020
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Von
Jan-Willem Waterböhr, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie - Abteilung Geschichtswissenschaft, Universität Bielefeld

Als Sohn einer industriellen Familie aus Barmen, einem heutigen Stadtteil Wuppertals, wurde Friedrich Engels 1820 geboren. Ausgehend von dem berühmten Zitat: „Ich habe mein Leben lang das getan, wozu ich gemacht war, nämlich die zweite Violine spielen, und glaube auch, meine Sache ganz passabel gemacht zu haben. Und ich war froh, so eine famose erste Violine zu haben wie Marx“ 1, verschwindet Engels häufig hinter Karl Marx und dem Marxismus. Er wird heute weniger als Ökonomietheoretiker denn als Marx‘ Mäzen und Popularisierer sowie als Praktiker und militärischer Taktiker der Revolution erinnert.

Die Tagung des Bergischen Geschichtsvereins lenkte den Blick auf Engels als historische Person, als Autor des 19. Jahrhunderts und als politischen Akteur aus drei Leitperspektiven:
1. In welchen historischen Konstellationen entstanden welche Bilder von Engels? Wie ist die Wirkungsgeschichte zu Engels kritisch zu würdigen?
2. Wer war Friedrich Engels in historischer Perspektive? Welche Rolle spielten seine Prägungen durch das Bergische Land, die Erfahrungen mit der Textilindustrialisierung oder der Kaufmannschaft und dem Pietismus des Wuppertals? Inwieweit lässt sich Engels als „Sonde“ für ein Verständnis des 19. Jahrhunderts nutzen, das über die gängigen Meistererzählungen hinausreicht?
3. Was bleibt von Friedrich Engels als Autor?

In seiner Begrüßung verwies Georg Mölich (Bonn) auf die regionale Bedeutung des Liberalismus, der seine Wurzeln auch im Rheinland bzw. in der Rheinprovinz gehabt habe. Die Gesellschaft der Revolutionszeit könne nicht nur in der ereignishistorischen Retrospektive betrachtet werden, vielmehr sei analytisch von der entstehenden Industriegesellschaft des Rheinlandes auszugehen.

STEFAN GORISSEN (Bielefeld) zeichnete, bezugnehmend auf das Titelbild des Tagungsflyers, den Weg einer Engels-Statue des sowjetischen Realismus der 1970er-Jahre aus der Ukraine nach Manchester nach, wo sie 2017 als Denkmal aufgestellt wurde. In dieser Anekdote spiegele sich, so Gorißen, die Erinnerung an den Menschen Friedrich Engels, seine Bedeutung für den Marxismus sowie seine umstrittene Rezeptionsgeschichte. Im ersten Vortrag stellte er dann, ausgehend von der Metapher, dass Engels im Wuppertal ein „deutsches Manchester“ erlebt habe, die Frage, welche Erfahrungen er dort tatsächlich sammeln konnte. Dazu analysierte er die Protoindustrialisierung der Leinen-, Baumwoll- und Seidenspinnerei sowie -weberei in Barmen und Elberfeld und wies nach, dass Spinnerei und Weberei im Wuppertal noch keinerlei fabrikindustrielle Strukturen aufwiesen, als Engels 1842 nach Manchester übersiedelte. In Engels‘ wichtigem Essay zur politischen Ökonomie von 1844 beschreibe er daher eine Welt, die weniger aus Erfahrungen im Wuppertal gespeist sei, als gemeinhin unterstellt werde.

ANNE SOPHIE OVERKAMP (Tübingen) lenkte den Blick auf Engels‘ Religions- und Bildungshintergrund. Dabei stützte sie sich auf die Briefe aus dem Wuppertal. Overkamp arbeitete heraus, dass die Eltern von Engels zwar pietistisch geprägt waren, sich aber gleichwohl in heterogenen Gruppen bewegten. Engels‘ Elternhaus sei ständisch geprägt gewesen, in ihm habe Bildung, die gehoben, aber kaufmännisch und praktisch orientiert war, hohe Bedeutung besessen. Großen Einfluss hätte etwa die Wuppertaler Lesegesellschaft gehabt, die Anteile der bürgerlichen Kultur transportiert habe, von Engels später aber polemisch kritisiert worden sei. Abschließend stellte Overkamp fest, dass Engels in den Briefen aus dem Wuppertal „ein Hühnchen mit dem Wuppertal zu rupfen hatte“ und einige Kritik überzogen sei. Unbestreitbar habe die Kaufmannschaft im Pakt mit der Kirche gestanden, die die orthodoxen Pietisten walten ließ.

Anschließend stellte UWE ECKARDT (Wuppertal) die Engels-Rezeption durch die Wuppertaler Stadtpolitik seit seinem Tod 1895 vor. Diese sei in den Deutungskämpfen der politischen Gruppen hervorgetreten, beginnend mit dem Jubiläum zu Engels‘ hundertjährigem Geburtstag 1920, der von dem Konflikt zwischen SPD und USPD geprägt gewesen sei, über die Straßen- und Platzbenennungspolitik vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus bis zu den Deutungskämpfen zwischen CDU, SPD und DKP seit den späten 1950er-Jahren um die Ausstattung des Engelshauses und die Errichtung einer Engelsstatue zwischen 1976 und 1982. Seit den 2000er-Jahren spielten solche Konflikte kaum noch eine Rolle, da sie von Aspekten des Tourismus und des Stadtmarketings übernommen worden seien, so sein abschließendes Fazit.

JÜRGEN HERRES (Berlin) betonte die enge Freundschaft zwischen Marx und Engels, die im 20. Jahrhundert mystifiziert wurde: Die Kanonisierung der Texte, die vornehmlich vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen der Wissenschaft der Sowjetunion und der DDR stattfand, habe die Texte entkontextualisiert, vereinheitlicht und fälschlicherweise ein kohärentes Werk unterstellt. Die Entwicklung der Freundschaft gliederte Herres entlang dreier Zäsuren: zunächst die Entwicklung grundlegender gemeinsamer Überlegungen in Brüssel, wo das Manifest der Kommunistischen Partei entstand, dann die Revolution 1848 und die Gründung der Neuen Rheinischen Zeitung und schließlich der Aufenthalt in London, als Engels die Dialektik der Natur verfasste und sich selbstkritisch mit den Revolutionstheorien auseinandersetzte.

CHRISTINA MORINA (Bielefeld) stellte die Frage, wie der Marxismus ohne Engels ausgesehen hätte. Der Marxismus sei ein Generationenprojekt gewesen, das Marx allein nicht hätte entwickeln können. Morina charakterisierte die Freundschaft zwischen Marx und Engels als Suche nach gegenseitiger Anerkennung. Engels sei vor allem als Netzwerker tätig gewesen und habe verschiedene Kontakte hergestellt, etwa zu Eduard Bernstein oder Jules Guesde. Auch sei er ein genialer Autor, Matchmaker sowie Betreuer und Mäzen der marxistischen Schüler gewesen, der gleichzeitig Rücksicht auf ihre lokalen Gegebenheiten genommen habe. Dafür habe er bei Marx und den Schülern hohe Anerkennung gefunden.

GISELA DIEWALD-KERKMANN (Bielefeld) unterschied drei Phasen der Engelsrezeption in der DDR: Die erste Phase (1945-1960er) sei von der Umsetzung und der Errichtung des Deutungsmonopols der Ideen von Marx und Engels in der DDR geprägt gewesen. Das dort gegründete Institut für Marxismus-Leninismus stellte eine Auswahl an Texten zusammen und publizierte eine Werkausgabe in zwei Bänden, in denen zunächst Texte von Marx und Engels gleichwertig aufgenommen wurden. In der sechsbändigen Neuauflage seien dann jedoch fast nur noch Texte von Marx berücksichtigt worden. Die Marx-Engels-Werke (MEW) in 41 Bänden erreichten eine weite Verbreitung, die Texte wurden jedoch stark vereinfacht und politisch gefällig zum Aufbau des Sozialismus in Russland ausgewählt. Meist handelte es sich um Rückübersetzungen aus dem Russischen. Die zweite Phase (1970er) habe sich an der russischen Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA, 36 Bände) orientiert. Engels wurde hier als reiner Popularisierer bewertet, seine eigenständigen Publikationen fanden keine Aufnahme. Gleichzeitig seien Marx und Engels ikonisiert und mit der Erhebung des Marxismus-Leninismus als Staatsraison unangreifbar geworden. Erst in der dritten Phase (1980-1989) sei Engels für Zukunftsfragen relevant geworden.

Im Zentrum des Vortrags von MICHAEL QUANTE (Münster) stand die Frage, ob die philosophischen Konzepte von Marx und Engels unterschiedlich waren, wobei er sofort einschränkte, dass die Frage, für deren Beantwortung er sich auf den Anti-Dühring und die Dialektik der Natur bezog, nicht erschöpfend zu klären sei. Methodisch arbeitete er heraus, was Engels unter Philosophie, ihrem Verhältnis zu anderen Wissenschaften und unter Dialektik verstand und ob dieses Verständnis in sich konsistent sei. Die Untersuchungen von Marx und Engels hätten sich induktiv auf sozial-realistische Aspekte der Wirklichkeit bezogen mit dem Ziel, die Welt zu verändern. Damit setzten sie sich in Opposition zu den idealistischen und anti-idealistischen Denkschulen ihrer Zeit. Engels konzentrierte sich auf die Prozessontologie, die er dialektisch und nicht verstandesmetaphysisch begriff – sie sei materialistisch und anti-reduktionistisch. Quante näherte sich Engels‘ Wissenschaftsbegriff mit sechs Thesen: 1. müssten alle Einzelwissenschaften dialektisch werden, was 2. die Unterscheidung von Disziplinen langfristig überflüssig mache. 3. sei Philosophie die Lehre vom reinen Denken, und trotz des materialistischen Ansatzes entstehe 4. Erkenntnis aus der Erfahrung. Einzelphänomene dienten 5. als falsifizierbare Aspekte im idealistischen Denken. Dialektik stelle 6. die reinste Form der Beschreibung der Dinge dar. An Engels‘ Dialektik der Natur zeige sich, dass er an der Synthese von Naturwissenschaften und Gesellschaftsprozessen sowie an Grundlagenforschung und ihrem Praxistransfer interessiert gewesen sei – Engels müsse daher vornehmlich als Theoretiker gelten, dessen Schriften unvollständig geblieben, jedoch rational seien.

WERNER PLUMPE (Frankfurt am Main) betonte, dass Engels‘ Erfahrungswelt von Pauperismus, der Zerstörung der alten Welt, der zweiten Welle der Industrialisierung und von technischen Utopien geprägt gewesen sei und sich ihm die Frage nach der Positionierung gegenüber der Industrialisierung gestellt habe. Technischen Fortschritt habe er nicht abgelehnt, jedoch als falsch organisiert charakterisiert. Da er die technische Entwicklung für weitgehend abgeschlossen gehalten habe, sah er die Globalisierung durch den Kapitalismus bedingt, an der derselbe jedoch scheitern müsse, da ein weltweites Prekariat entstehen und sich zwangsläufig eine klassenlose Gesellschaft entwickeln werde. Nicht der technische Fortschritt, sondern die Bedingungen seiner Realisierung seien zu überwinden, eine wesentliche Grundlage von Engels‘ politischem Revolutionskonzept. Plumpe hielt fest, dass Engels inhaltlich von Marx abhängig gewesen sei, seine Analyse münde in Fragen der sozialen Umsetzungen, und seine theoretische Ungeduld habe ihre Wurzeln nicht zuletzt in seiner pietistischen Herkunft.

MICHAEL SCHÄFER (Chemnitz) verglich die Entwicklung der Baumwollindustrie des Wuppertals und der sächsischen Städte mit der in den englischen Städten: Die Baumwollindustrialisierung habe erst Ende des 18. Jahrhunderts eingesetzt, wobei England einen technologischen Vorsprung aufgewiesen habe. Auf den günstigen Garnimport aus England habe man im Rheinland 1818 mit Schutzzöllen reagiert, die sächsische Politik mit Leipzig als Messestadt sei hingegen an freiem Handel interessiert gewesen. Erst in den 1830er-Jahren hätten sich die Produktionsbedingungen aufgrund der fortschreitenden Mechanisierung für Webstühle mit der Notwendigkeit geändert, sich entweder auf qualitativ hochwertige Produkte oder auf Massenwaren zu spezialisieren. In den 1850er-Jahren sei die Mechanisierung mit der Durchsetzung der Dampfmaschine weiter vorangeschritten. Während jedoch in England schon seit den 1820er-Jahren die Kohle günstig mit der Eisenbahn transportiert worden sei, habe man die Kohle in Deutschland auf Flüssen transportiert, wodurch das Rheinland einen Vorteil gegenüber Sachsen gewonnen habe.

ULRICH PFISTER (Münster) untersuchte unter Rückgriff auf Mark Carney und Robert C. Allen das ungleiche Verhältnis (Inkongruenz) zwischen wirtschaftlichem Output und dem Wachstum der Reallöhne. Er hielt fest, dass neuere wirtschaftswissenschaftliche Werke sich unterschiedlich intensiv auf Engels bezögen und anhand quantitativer, kilometrischer Verfahren beispielsweise das Verhältnis zwischen technischem Wandel und sozialer Ungleichheit untersuchen. Anhand einiger Beispiele, in denen er die Bedeutung von Kapital, wirtschaftlichen Akteursgruppen und technischer Effizienzsteigerung diskutierte, zeigte Pfister, wie Ungleichheit entsteht. Bezogen auf Engels‘ Publikationen hielt er ironisch fest, dass Engels kein Wissenschaftler im modernen Sinne gewesen sei und mit Die Lage der arbeitenden Klasse in England einen Sozialbericht, aber keine wissenschaftliche Untersuchung abgeliefert habe. Damit habe er aber zugleich eine wichtige Grundlage für die empirische Sozialforschung gelegt. Pfister verwies zugleich darauf, dass Engels‘ Untersuchungen auch als literarische Arbeiten zu würdigen seien, die politische Handlungsperspektiven eröffneten.

EWALD GROTHE (Wuppertal) analysierte Engels‘ Positionen zum und seine praktische Politik gegenüber dem Liberalismus. Von der Beobachtung ausgehend, dass Engels den Liberalismus als Begriff nur sehr selten verwendet habe, identifizierte Grote verschiedene Einlassungen von Engels zum nord- und süddeutschen sowie englischen Liberalismus, die zeigten, dass Engels vom Liberalismus vor allem eine Stärkung der konstitutiven Monarchie erwartet habe, da sich der Kampf der Liberalen auf Verfassungsfragen konzentriert habe. Dennoch habe Engels darin einen ersten Schritt einer Revolution gegen den Adel gesehen. Der junge Engels habe sich politisch eher mit der Literatur und der Theologie der Pietisten und weniger mit dem rheinischen Liberalismus auseinandergesetzt – nach seiner Politisierung in den 1840er-Jahren habe er sich vor allem mit den Demokraten beschäftigt. Seine gelegentliche Kritik am Liberalismus sei jedoch gleichzeitig polemisch, ironisch und spöttisch wie analytisch ausgefallen.

JÜRGEN SCHMIDT (Berlin) ging von Engels‘ Selbstbeschreibung als zweiter Violine aus, die bewirkt habe, dass in der Rezeption alle Originalität Marx zugeschrieben worden sei. Dennoch seien beide heroisiert worden, obwohl sich Engels ausdrücklich dagegen ausgesprochen habe. Schmidt unterschied drei Zeitabschnitte, in denen sich die Bedeutung von Engels für die Formation der Arbeiterschaft geändert habe: Im Vormärz steche er mit revolutionärem Eifer hervor, auch um Karl Marx zu beeindrucken, zugleich habe er intellektuelle Erfahrungen und eine operative Basis in Paris gewinnen können. Während der Revolution 1848 habe sich herausgestellt, dass der Träger der Revolution nicht das Proletariat gewesen sei und dieses kein Interesse an einer fundamentalen Kritik des Kapitalismus gezeigt habe. In den 1860er- und 1870er-Jahren hätten Marx und Engels schließlich nur noch eine randständige Rolle gespielt, was einerseits durch das Exil in England und andererseits durch das problematische Verhältnis zu August Bebel, Karl Liebknecht und vor allem Ferdinand Lassalle zu erklären sei. Letztlich seien sie mit ihren kommunistischen Ideen in der Formierungsphase der Arbeiterbewegung in Deutschland kaum bis zu den Arbeitern durchgedrungen.

Auch THOMAS WELSKOPP (Bielefeld) eröffnete seinen Vortrag mit Engels‘ selbstgewähltem Bild der „zweiten Violine“ und wies darauf hin, dass Marx und Engels vor allem als historische Akteure des 19. Jahrhunderts verstanden werden müssten: Auch wenn Engels an der Revolution als Tat und an militärischen Aspekten interessiert gewesen sei, sei er doch zugleich Kaufmann und Unternehmer gewesen. Engels habe Philosophie als Teil der Ermächtigung zur revolutionären Tat verstanden. Seine Politisierung falle in die 1840er-Jahre, als er die Nähe zu den Arbeitern in den Wirtshäusern suchte. Hierauf habe er seine spätere Hoffnung auf politische Aktivitäten von Arbeitern z.B. in den englischen Gewerkschaften begründet. Im Alter habe sich Engels dann zu einer Art „Opa“ oder Fürsorger der Arbeiterbewegung entwickelt, der deren Anführer beraten und kritisch beobachtet habe.

Die Abschlussdiskussion kreiste um drei Fragen. Wäre eine Historisierung der Figur Engels‘ angemessen, die von einer Dreiteilung seines politischen Wirkens in Politisierung, Radikalisierung und Deradikalisierung ausgeht? Diese Trias müsse – so das Ergebnis der Diskussion – unter den Bedingungen des 19. Jahrhunderts reflektiert werden, vor allem bezogen auf die Entwicklungen auf den Feldern der sozialen Bewegungen und des Kapitalismus. Weiter sei im Laufe seines Lebens eher ein Auseinandertreten von Radikalität und Militanz zu beobachten. Die zweite Frage, ob Engels als Wissenschaftler gelten könne, müsse einerseits den Wissenschaftsbegriff des 19. Jahrhunderts berücksichtigen, werfe aber die Anschlussfragen auf, warum diese Frage immer wieder gestellt und zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich beantwortet wurde. Die letzte Frage betraf das Verhältnis von Engels zur Nation. Engels habe sich selbst vornehmlich anti-preußisch positioniert, sein Denken sei jedoch stark international und akteurszentriert gewesen, wobei er die Nationen als Akteure dachte. Die internationalen Herausforderungen bedurften nationaler Lösungen – eine wohl sehr deutsche Denkweise. Dennoch müsse auch festgehalten werden, dass „Nation“ im 19. Jahrhundert ein weitgehend unproblematisches Konzept dargestellt habe.

Konferenzübersicht:

1. Sektion: Friedrich Engels und das Bergische Land. Herkunft und regionale Rezeption

Stefan Gorißen (Bielefeld): Protoindustrialisierung und frühe Globalisierung in den bergischen Textilgewerben

Anne Sophie Overkamp (Tübingen): Ein Zion der Gläubigen, ein Eldorado der Fleißigen – die Herkunft des Friedrich Engels

Uwe Eckardt (Wuppertal): Friedrich Engels – die Rückkehr des „verlorenen Sohnes“ in das Wuppertal

2. Sektion: Engels und der Marxismus. Bedeutung und überregionale Rezeption

Jürgen Herres (Berlin): Engels und Marx. Geschichte einer Kanonisierung

Christina Morina (Bielefeld): „Jeder von uns ist herrschsüchtig in der Art, daß er seine Ansichten zu den herrschenden machen will.“ Friedrich Engels und der Aufstieg des Marxismus in Europa

Gisela Diewald-Kerkmann (Bielefeld): Engelsbild und Engelsrezeption in der DDR

3. Sektion: Friedrich Engels als Autor

Michael Quante (Münster): Philosophie interdisziplinär: Die metaphysischen Präsuppositionen von Friedrich Engels

Werner Plumpe (Frankfurt am Main): Friedrich Engels und die Globalisierung

4. Sektion: Friedrich Engels und die industrielle Revolution

Michael Schäfer (Chemnitz): Die britische und die deutsche Baumwollindustrie des 19. Jahrhunderts im Vergleich

Ulrich Pfister (Münster): Engels‘ Pause. Ein Konzept zwischen engagiertem Sozialbericht, Zukunftsszenario und Kliometrie

5. Sektion: Rheinischer Frühliberalismus und die Revolution von 1848/49. Arbeiterbewegung und Soziale Frage

Ewald Grothe (Wuppertal): „Wir verlangen mehr Gedankengehalt als liberale Phrasen …“ Friedrich Engels und der Frühliberalismus

Jürgen Schmidt (Berlin): Friedrich Engels und die politische Formierung der deutschen Arbeiterschaft

Thomas Welskopp (Bielefeld): Friedrich Engels und die Arbeiterbewegung. Vom gescheiterten Revolutionär zum Opa des europäischen Sozialismus

Anmerkung:
1 Marx-Engels-Werke, Bd. 36. S. 218.