War, Violence and the Image of Soldiers: Between Private Memories and Public Representation

War, Violence and the Image of Soldiers: Between Private Memories and Public Representation

Organisatoren
Carlo Gentile / Udo Gümpel / Elena Pirazzoli / Francesco Corniani, Universität zu Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.02.2020 - 27.02.2020
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Von
Aiko Hillen, Martin-Buber-Institut und Historisches Institut, Universität zu Köln

Der internationale Workshop fand unter der Schirmherrschaft des Projekts „Die Massaker im besetzten Italien (1943–45) in der Erinnerung der Täter“ statt. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland finanziert das von Carlo Gentile und Udo Gümpel geleitete Projekt. Das Projekt solle nicht nur inhaltlich von der jahrelangen Expertise profitieren, die Gentile als Historiker, Sachverständiger und Gutachter vor Gericht sammeln konnte, es sollen auch Quellen mit neuen Arbeits- und Darstellungsweisen für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden. Der Workshop diente in erster Linie dazu, der Fachwelt Einblicke in die Arbeit und Ziele des Projekts zu bieten sowie den neuesten Forschungsstand auf dem Gebiet der nationalsozialistischen Kriegsverbrechen im deutsch besetzten Italien zu diskutieren.

BEN SHEPHERD (Glasgow) untersuchte am Beispiel der 114. Jägerdivision in Italien den Blick der deutschen Soldaten auf die englischen und amerikanischen Kontrahenten. Zunächst stellte er die Informationsversorgung der deutschen Soldaten durch die Propaganda dar. Laut Shepherd sei dieser Kommunikationsprozess nicht homogen verlaufen. Die deutschen Soldaten haben den Kriegsverlauf und die Stärke der Gegner direkt erfahren, standen daher der Propaganda in der Endphase des Krieges skeptischer gegenüber als zu Beginn des Feldzugs. Dennoch blieben viele der propagierten Mythen in der Wahrnehmung der deutschen Soldaten bestehen. Der Topos des Existenzkampfs der deutschen Soldaten stand dem vermeintlich sinnlosen Kampf der Briten und Amerikaner außerhalb ihrer Heimat gegenüber. Zentral für die Bewertung des Kriegsverlustes war die Beschwörung ungerechter und unehrenhafter Kampfführung der gegnerischen Truppen und Partisanen während des deutschen Abwehrkampfs. Shepherd zeigte, dass in der Endphase des Krieges Erklärungen, Narrative und Mythen entstanden, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit und darüber hinaus wirksam blieben.

Dem Vortrag von AMEDEO OSTI GUERAZZI (Rom) lag die These zu Grunde, dass der deutsche Soldat aus Sicht der Italiener als „brutal, aber effizient“ galt. Dieses Bild besteht in Italien seit dem Ersten Weltkrieg und beharrt bis in die Gegenwart. Osti Guerazzi zeigte die anfängliche Begeisterung italienischer Soldaten für die deutsche Wehrmacht mit den ersten militärischen Erfolgen in Polen und Frankreich. Diese Bewunderung nahm in weiten Teilen der Bevölkerung mit der deutschen Besetzung Italiens 1943 ab. Dennoch ließen sich in Mussolinis neofaschistischer Republik in Norditalien begeisterte Anhänger der Deutschen finden. Im Zusammenhang mit der italienischen Täterschaft bildete sich nach dem Krieg der Mythos der „italiani brava gente“, der die Verbrechen der faschistischen Besatzungsherrschaft ausblendete oder beschönigte. Osti Guerazzi stellte dar, dass sich das Image des deutschen Soldaten als effizienter, aber brutaler Akteur im Laufe der Zeit kaum wandelte. Es wechselte lediglich die Bewertung dieser Kriegsführung, je nach Stand der bilateralen Beziehungen zwischen Italien und Deutschland.

TONI ROVATTI (Bologna) widmete sich dem Umgang der italienischen Nachkriegsjustiz mit den deutschen Kriegsverbrechen in Italien. Zunächst wurden italienische Kollaborateure und Vertreter der Besatzung von der Justiz angeklagt. In der ersten Verfahrensphase, die durch die Alliierten geführt wurde, konzentrierten sich die Gerichte auf die Strafverfolgung einiger Haupttäter wie Generalfeldmarschall Albert Kesselring. Die italienische Justiz beschäftigte sich vorwiegend mit zwei Verantwortlichen der Massaker, Herbert Kappler und Walter Reeder. Rovatti zeigte auf, wie die Personalisierung der Taten in Form der beiden Hauptangeklagten zu einer verzerrten Wahrnehmung der tatsächlichen Dimensionen der deutschen Kriegsverbrechen führte. Erst mit der Entdeckung des „Schranks der Schande“ im Jahr 1994 und den darauffolgenden Prozessen ab 1999 änderte sich diese Wahrnehmung. Angehörige der 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ wurden für die Massaker in Norditalien in Abwesenheit verurteilt. Diese Prozesse waren in ihrer Ausführung einmalig, da angemessen auf die Opferperspektive eingegangen wurde und historische Experten als Prozessgutachter beiwohnten.

CARLO GENTILE (Köln) eröffnete das zweite Panel mit einem Überblick über das Projekt „Die Massaker im besetzten Italien (1943-45) in der Erinnerung der Täter“. Das Projekt verfolge zwei Ziele: die Entwicklung eines multimedialen Lernpakets, das in Schulen, Gedenkstätten und weiteren Lernorten in Deutschland und Italien verwendet werden kann, des Weiteren Forschungsarbeit im klassischen Sinne, deren Ergebnisse in einem Sammelband veröffentlicht werden sollen. Für beide Ziele ist die bisherige Arbeit des Journalisten Udo Gümpel wichtig, der in den Jahren 1999-2005 Interviews mit den deutschen Tätern führte. Dieses mittlerweile zeitgeschichtliche Interviewmaterial bietet für das Projekt die Chance, den Umgang der Täter mit den Massakern zu untersuchen. Wichtig für das Projekt ist auch die transgenerationelle Weitergabe der Erfahrungen in den Familien der Täter. Die sogenannten Ego-Dokumente der Soldaten in Italien geben Auskünfte über die Verhaltensweisen der Täter vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Geplant ist eine digitale Edition von repräsentativen Ego-Dokumenten, eine Datenbank zu den Tätern und den Massakern und eine Dokumentation der Orte des Geschehens.

UDO GÜMPEL (Rom) arbeitete viele Jahre als Fernsehjournalist in Deutschland und Italien und ist Initiator des Projekts. Sein Vortrag galt der Recherchetätigkeit, der er in den frühen 2000er Jahren nachging, um Kriegsverbrecher aufzuspüren. Gümpel machte deutlich, dass die geplanten Lernpakete des Projekts die Zielgruppen auch auf emotionaler Ebene erreichen sollen. Damit brachte er Aspekte aus der Public History ein. Gümpel fragte, in welcher Form der Historiker seine Quellen überhaupt der Öffentlichkeit präsentieren dürfe. Der Vortrag endete mit der Präsentation eines Zusammenschnitts von zeitgenössischen Dokumenten, den Interviews mit den Tätern und gegenwärtigen Aufnahmen der Orte der Massaker. Der Film bebilderte mitunter die Grausamkeit der Massaker an der italienischen Zivilbevölkerung.

FRANCESCO CORNIANI (Köln) gab Auskunft über das gesammelte Quellenmaterial des Projekts. Vornehmlich handelt es sich um verschiedene Arten von Ego-Dokumenten der deutschen Täter in Italien, die aus verschiedenen Zeiten stammen. Cornianis Analyse gab Auskunft über die Vorstellungen der Soldaten und Offiziere während ihres Einsatzes in Italien. Viele von ihnen hatten eine romantisierende Vorstellung von dem Raum und dem Klima Italiens und Abneigungen gegenüber der Bevölkerung. Corniani verband die Gedanken der Deutschen mit der Chronologie der Ereignisse. In den Vorstellungen der Soldaten mischten sich tagespolitische Geschehnisse mit Vorurteilen über die italienische Bevölkerung und ihre Geschichte. Anhand einer Auswahl direkter Zitate zeigte Corniani auf, mit welcher Inkonsistenz die deutschen Soldaten die Italiener je nach Kriegsverlauf betrachteten. Er betonte, dass diese Ego-Dokumente mit anderen Quellen abgeglichen werden müssten, da die Erinnerungen der Täter alleine keine zuverlässige Quelle bilden.

Die Kunsthistorikerin ELENA PIRAZZOLI (Köln/Bologna) zeigte die Entwicklung der italienischen Gedenkkultur anhand von verschiedenen Gedenkorten und ihren Entstehungsgeschichten. Zu Beginn stellte sie fest, dass die Gedenkorte in Italien, die im Zusammenhang mit den deutschen Kriegsverbrechen stehen, wenig über die Täter zeigen. Die Gründe dafür liegen in den Prioritäten nach dem Krieg, öffentlichen Sagbarkeitsregeln und Narrativen von Traumata. Vorrang hatte die Darstellung der „erlittenen Gewalt gegenüber der ausgeführten Gewalt“. Der Bau eines Mahnmals an dem Ort des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen war eine Zäsur für die italienische Gedenkkultur, die seitdem vielfältig geworden ist. Da es nur wenige authentische Orte gibt, suchte man neue Lösungen für das Gedenken. In den 1960er Jahren wurde die Erinnerung an die Orte der Massaker, wie Monte Sole und Sant'Anna di Stazzema, zunehmend repräsentativ für die gesamte Nation.

AIKO HILLEN (Köln) referierte über die Entstehung und Entwicklung der Täterforschung. Er charakterisierte den Wandel der Täterforschung innerhalb von drei Phasen, in denen sich der Blick auf die Täter innerhalb der Gesellschaft und insbesondere in der Wissenschaft geändert hat. In der unmittelbaren Nachkriegszeit beherrschte die Selbstviktimisierung und Bestialisierung „einiger weniger“ Täter die Narrative der deutschen Gesellschaft. In den 1960er Jahren entwickelte sich in der Geschichtswissenschaft zunehmend eine Entpersonalisierung der Täter zu Gunsten von Strukturen, die zu den Taten führten. Erst mit der dritten Phase ab den 1990er Jahren rückte das Subjektive der Täter in den Vordergrund. Abschließend gab Hillen einen Einblick in die neueste Täterforschung anhand der Forschungsbeiträge von Harald Welzer und Stefan Kühl.

LUTZ KLINKHAMMER (Rom) sortierte abschließend die Themenschwerpunkte. Zur Debatte standen drei große Komplexe, die man laut Klinkhammer den Soldaten zuschreiben kann: 1. situative Faktoren; 2. ideologische Faktoren und 3. der Soldat als Mitglied einer Organisation. Klinkhammer sensibilisierte für die Kontextualisierung der Quellen. Der Inhalt von Memoiren und Briefen beispielsweise dürfe nicht eo ipso stehen, sondern bedürfe einer Einordnung in die Anlässe der Verfasser und die Sagbarkeitsregeln der jeweiligen Gesellschaft. Die Frage nach Mythen im Kontext von Krieg ist ein Desideratum. Klinkhammer kritisierte, dass der Diskurs über den Krieg in den Beiträgen des Projekts vernachlässigt wurde. Hierbei machte er die Fragen nach Traditionslinien der Kriegswahrnehmung stark, etwa den „Kampf bis zum Endsieg“ der Gemeinschaft oder das „Überleben im Krieg“ für das Individuum. Er stimmte zu, dass die systematische Analyse von Ego-Dokumenten neue Perspektiven für die Geschichtswissenschaft ermögliche.

Die Beiträge der Konferenz und die Diskussionen haben gezeigt, dass das Wissen über die deutschen Kriegsverbrechen in Italien enorm angewachsen ist. Dabei spielten die mediale Berichterstattung und die vielen Strafverfahren eine große Rolle. Zunehmend gewinnen Ego-Dokumente der Soldaten an Relevanz für die Auseinandersetzung mit der deutschen Besetzung Italiens. In Hinblick auf die Verbrechen der Deutschen besteht immer noch eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und den Ergebnissen der Fachwelt. In der Forschung hat sich mittlerweile ein differenzierter Blick auf die Subjektivität und die Wahrnehmung der Täter durchgesetzt, um Erklärungen für die Gewalt zu finden. Das Projekt stellt den Versuch dar, die Komplexität der Massaker und der deutschen Täter zu rekonstruieren und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Konferenzübersicht:

First Session: The Image of WWII Soldiers between Memory and Social Construction

Daniel Brewing (RWTH Aachen): The German Soldier in Postwar German Discourses

Ben Shepherd (Glasgow Caledonian University): The Anglo-American Enemy in German Eyes

Amedeo Osti Guerrazzi (Fondazione Museo della Shoah, Rome): A Sense of Wonder? Fascists’ Images of German Soldiers

Toni Rovatti (University of Bologna): Images of German and Italian Täter in Postwar Trials
Discussion

Second Session: Presentation of the Project and Work Progress Reports

The Massacres in Occupied Italy (1943-45) in the Memory of the Perpetrators
Discussant: Lutz Klinkhammer (German Historical Institute Rome)

Carlo Gentile (University of Cologne): Täter in Italy. Chances and Challenges

Udo Gümpel (Journalist): Interviewing Perpetrators of Mass Violence in Italy

Francesco Corniani (University of Cologne): Writing about War and Violence: Ego-Documents on German War Experience in Italy

Elena Pirazzoli (University of Cologne): Absences, Stereotypes, Exceptions: Representations of the Täter in Italian Places of Memory

Aiko Hillen (University of Cologne): Current Trends in Täterforschung. An Excursus

Discussion


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