Monarchy & Money. Interdisciplinary Approaches to Economics and Finances of Monarchical Rule

Monarchy & Money. Interdisciplinary Approaches to Economics and Finances of Monarchical Rule

Organisatoren
Charlotte Backerra, Georg-August-Universität Göttingen / Cathleen Sarti, University of Oxford
Ort
virtuell
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.09.2020 - 18.09.2020
Url der Konferenzwebsite
Von
Cathérine Annette Ludwig-Ockenfels, Frühe Neuzeit, Justus-Liebig-Universität Gießen

Die Veranstalterinnen zeichneten sich in den vergangenen zwei Jahren bereits durch eine rege Vortrags- und Publikationstätigkeit zum finanziellen Handlungsraum von Fürstinnen oder weiblichen Hofangehörigen aus.1 Im Oktober 2019 wurde durch die Tagung „Adel & Entrepreneurship“ zu Ehren von Horst Carl an der Justus-Liebig-Universität Gießen von HistorikerInnen und KunsthistorikerInnen ein erster Schritt im nationalen Forschungskontext getan, um die Thematik der Finanzleistung am Hof auf das Unternehmertum als adliges Tätigkeitsfeld zu erweitern.2 Im August 2020 erschien ein von Cathleen Sarti herausgegebener Sammelband zur finanziellen Macht von Frauen an frühneuzeitlichen Höfen.3 Im September 2020 wurde nun die interdisziplinäre e-Konferenz mit nationalen und internationalen VertreterInnen verschiedenster historischer Disziplinen, der Wirtschaftswissenschaften sowie der Museumswissenschaften abgehalten.4

Charlotte Backerra und Cathleen Sarti hatten den wirtschaftlichen und finanziellen Zugang zur deutschsprachigen Hofforschung, der zum Beispiel für England und Portugal sowie generell für mittelalterliche Monarchien eher im Rahmen der Geschlechtergeschichte von Monarchien untersucht wurde, hin zu allgemeiner Monarchie- und Dynastiegeschichte geöffnet. In Einzeluntersuchungen sollten die Interdependenz monarchischer und adeliger Herrschaft und wirtschaftlicher und monetärer Aufgabenfelder einer Herrschaft als Territorialverband mit dem an die Person des Herrschenden oder an die regierende Familie gebundenen Privatbesitz in Relation gesetzt werden. Die Fragestellung bezog sich auf mehrere Generationen umfassende Familienherrschaften und deren Umgang mit dynastischem Besitz einerseits und „öffentlichen Geldern“ andererseits. Das Ziel der Konferenz war, diese erstaunliche Forschungslücke bei der Beschäftigung mit Monarchien offenzulegen, erste Forschungen zu präsentieren, neue Impulse aus dem internationalen Forschungsfeld zu erhalten und einen Ausblick auf weitere Projekte zu geben.

Die Tagung war in fünf Panels aufgeteilt und zeigte epochenübergreifend anhand einzelner europäischer Höfe vom 13. bis zum 20. Jahrhundert den Gewinn, der aus einer fokussierten Beschäftigung mit den regierenden Familien und ihrem Umgang mit eigenen und staatlichen Finanzen gezogen werden kann.

Charlotte Backerra führte in der Einleitung aus, dass die Forschungsbereiche Hofgeschichte, Monarchiegeschichte und Wirtschaftsgeschichte noch weitgehend voneinander gesondert behandelt werden, so aber das mögliche Handlungspotential einer herrschenden Dynastie als Verwalterin von (eigenen) Finanzen von der historischen Forschung nicht wahrgenommen werden kann. Virulent ist die Frage, ob der königliche Haushalt in Verbindung mit dem Staat als Herrschaftsbereich Einkommen als individuelle Ressource oder als Ressource der gesamten Familie auffasste bzw. wie an die Person des Herrschenden gebundenes Privateigentum die (Geld-)Wirtschaft eines Staates beeinflusste.

Im ersten Panel Financial Instruments präsentierte MARIA ALEKSANDROVA (Moskau), wie das englische Königshaus im 16. Jahrhundert Anleihen bei der Antwerpener Börse aufnahm, um seine Finanzlage zu verbessern. Dabei trat besonders Thomas Cresham hervor, durch dessen Agency als „court finance minister“ diese kaum bekannte Finanzquelle für das britische Königshaus genutzt werden konnte. Die weitere Erforschung dieses Fallbeispiels lässt systemische Erkenntnisse zu Börsenanleihen durch Monarchien erwarten.

CRISTINA GARCIA GARCIA (Saragossa) untersuchte die Auswirkungen von Kurzzeitkrediten auf die Machtbasis eines Königs am Beispiel der aragonischen Monarchie unter König Johann I. (1387–1397). Da diese Kurzzeitkredite genutzt wurden, um öffentliche Schulden zu begleichen, kam in der anschließenden Diskussion die Frage nach dem Ursprung von Schulden im königlichen Finanzgebaren auf.

ANA MARIA S. A. RODRIGUES (Lissabon) zeigte auf, wie die Finanzen der portugiesischen Königinnen im 15. Jahrhundert von einem hochkomplexen Beamtenapparat verwaltet wurden. Die Wertigkeit weiblichen Besitzes am Hof zeigte sich an der fast parallel aufgebauten Finanzverwaltung des Königinnenhaushalts im Vergleich zu den allgemeinen Thronbesitzungen.

Im zweiten Panel Incomes in Late Medieval Europe stellte LIENHARD THALER (Wien) die erhaltenen Rechnungsbücher von 1288 bis 1751 als Quelle zur Untersuchung hochadligen Einkommens in Tirol vor. Er konnte zeigen, dass besonders die Silberfunde im ausgehenden 14. Jahrhundert das Einkommensverhältnis massiv zugunsten des minenbesitzenden Adels verschoben.

MANUELA SANTOS SILVA und INÊS OLAIA (beide Lissabon) führten Einkommensquellen durch Mitgift, Morgengabe und Landbesitz für die Bräute des portugiesischen Königshauses vor. Die sehr verschiedenen Einkommensquellen zeigten in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Eigenheiten sowie in ihrer Veränderung über die Jahrhunderte die Komplexität weiblichen Vermögens und Besitzes, welche durch die sprachliche Uneindeutigkeit der Quellenbegriffe noch verschärft wird.

KATIA WRIGHT (Winchester) schloss das Panel mit einer geographischen Rundumschau über die Besitzungen der englischen Königinnen im 14. Jahrhundert ab. Wie in Portugal erhielten auf den britischen Inseln „consorts“ (Gemahlinnen der regierenden Könige) Gebiete zur Einkommenssicherung, die sich jedoch von Königin zu Königin unterschieden. In der vertieften Diskussion im Anschluss an diese drei Vorträgen drängte sich die Frage auf, wie diese Besitzsprengel sich in das gesamte Territorium einer Monarchie einfügten.

Zu Beginn des dritten Panels Economic and Political Culture in Monarchies stellte HÉLDER CARVALHAL (Évora) die Dynastie von Avis im 15. und 16. Jahrhundert und die territoriale Kontrolle durch finanzielle Zuwendungen an nachgeborene Söhne und Seitenzweige der Dynastie vor. So konnte die Herrscherdynastie sich als lokale Elite im Laufe des Untersuchungszeitraum etablieren und – mit abnehmenden finanziellen Aufwendungen – immer mehr Territorialbesitz an sich binden.

CHARLOTTE BACKERRA (Göttingen) untersuchte die Zolleinnahmen am Rhein als transeuropäischen Verkehrsweg der verschiedenen Zweige des Hauses Hessen im 16. Jahrhundert in ihrer Rolle als Landgrafen. Sie zeigte auf, wie das Zollsystem mit den dafür gebauten Zollstationen, oftmals Schlössern und Festungen, neben der Geldeinnahmefunktion und damit der Unterhaltssicherung auch als politisches Mittel diente.

GEORGE TRIDIMAS (Ulster) sprach als Wirtschaftswissenschaftler darüber, wie die Demokratisierung im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Abschaffung von Monarchien, aber auch zu heute regierenden Häusern führte. Monarchien mussten sich in ihren Rollen als Herrschende und Wirtschaftende an die neuen gesellschaftlichen Bedingungen anpassen, um nicht ihrer ökonomischen Machtgrundlage verlustig zu gehen.

Das vierte Panel Negotiating Finances begann mit einem Vortrag von JONATHAN SPANGLER (Manchester) zu den Rechnungsbüchern des Hauses Lothringen als Quelle zum Verständnis von Bewältigungsstrategien des Machtverlustes aufgrund französischer Besetzungen des Herzogtums. Finanzen als Herrschaftsmittel wurden von den beiden Herzögen Karl IV. 1660 und Leopold 1698 unterschiedlich gehandhabt. Während Karl vor allem die Verwaltung und das Militär aufbaute, nutzte Leopold die Finanzen seiner Mutter, um mit Hilfe hoher Ausgaben für die repräsentative, kulturelle Aufwertung des Hofes seinen Einfluss auf die lothringische und sogar französische Elite auszuweiten.

Auch MAGNUS RESSEL (Frankfurt am Main) verdeutlichte die Macht der französischen Krone durch wirtschaftliche Maßnahmen. Er konnte anhand der Besteuerung der Schweizer und deutschen Händler in Frankreich im 18. Jahrhundert die klare Trennung zwischen der Krone als Institution und dem Souverän als herrschendes Individuum zeigen. Die starke Zentralisierung des französischen Staates führte zu einer Reduktion der Privilegien fremder Kaufleute und zur Benachteiligung anderer Wirtschaftsstandorte außerhalb von Paris.

Im letzten Panel Reviewing Royal Economy analysierte ELENA WOODACRE (Winchester) anhand der Biographie der englischen Königin Johanna von Navarra, wie mehrfache Ehen zu Erbmöglichkeiten, Besitzakkumulationen und erhöhter weiblicher Macht durch eigenes Einkommen führen konnten. Gleichzeitig führte mangelnde Unterstützung durch männliche Verwandte zu finanziellen Engpässen sowie wirtschaftlichen und persönlichen Rückschlägen, die die Position der Königin als Herzogin der Bretagne und als „queen consort“ kontinuierlich erschwerten, so dass sie ihre Machtposition nur durch große Anstrengungen halten konnte.

CATHLEEN SARTI (Oxford) führte anhand der dänischen Königin Luise von Mecklenburg-Güstrow vor, wie sehr weibliches Wirtschaften in der Forschung verkannt wurde, um ein bestimmtes Bild einer Herrscherin aufrechtzuerhalten. Als Eigentümerin einer Schwarzpulvermühle, was bei der Beschäftigung mit Luise kontinuierlich ausgeblendet wurde, hatte sie durch den Verkauf von Schießpulver an die Krone Dänemark, also ihren Ehemann, ein eigenes Einkommen durch eigenständige Investitionen. Dies rückte die Frage nach weiblichem Unternehmertum und einem sich im Wandel befindenden Verständnis vom Wirtschaften der Krone und des Individuums ins Zentrum der Diskussion.

SARAH KIMMERLE (Potsdam) stellte als Vertreterin der Museumswissenschaften und Fundraiserin für die Stiftung der Brandenburgischen Schlösser und Gärten den Umgang mit dem dynastischen Erbe nach dem Ende einer Dynastie vor und warf die Frage auf, wie heutzutage mit dynastischem Material als Besitz einer Staatsgemeinschaft umgegangen wird (und umgegangen werden sollte).

AMALIE FÖSSEL (Duisburg–Essen) schloss die Konferenz mit zusammenfassenden Bemerkungen ab. Die Tagung zeigte auf, wie weitgefächert das Forschungsfeld ist. Bei den mittelalterlichen Finanzmitteln und bei deren Genese und Anwendung traten deutliche Forschungslücken hervor. Besonders für das Heilige Römische Reich zeigten sich die Grenzen der Forschung durch wenige Quellenfunde im Verwaltungsbereich. Die englischen Königinnen traten wiederum als superautoritäre Landbesitzerinnen in den Vordergrund. Fößel regte an, neben den beeindruckenden vorgestellten Beispielen der einflussreichen, wirtschaftlich agierenden Herrscherinnen zukünftig auch die Männer, vor allem die Ehemänner regierender Königinnen, und die königlichen Kinder in der Forschung zu berücksichtigen. Denn um die wirtschaftlich-finanzielle Bedeutung des individuellen Mitglieds einer Dynastie für das ganze Haus aufzuzeigen, muss die Verbindung zu anderen Familienmitgliedern transparent gemacht werden. Die von Sarti formulierten Fragen nach dem Einfluss unternehmerischer Tätigkeit auf das Wirtschaften von Herrscherinnen und einem Wechsel des Verständnisses von privaten und Unternehmen der Krone seien dabei die zentralen Forschungsfragen, die noch nicht befriedigend beantwortet werden könnten. Kaiserin Barbara von Cilli beispielsweise sei u.a. durch den Kauf von Minen in Kuttenberg darum bemüht gewesen, gezielt ihre eigene finanzielle Situation zu verbessern. Als inhaltliche Lücke der Konferenz betonte Fößel, dass das wirtschaftliche Wissen der Herrschenden nicht thematisiert worden sei, dies für das Verständnis adeligen/monarchischen Herrschens durch Wirtschaften aber essentiell sei.

In der abschließenden Diskussion sowie im Chat kristallisierte sich heraus, wie sehr das Verständnis ökonomischer Arbeit des Adels und der Monarchie in der Untersuchung adliger Handlungswelten von der Geschichtswissenschaft und von den Wirtschaftswissenschaften in seiner kulturell-zeitlichen Bedingtheit noch nicht erfasst bzw. vernachlässigt wurde. Die Veranstalterinnen möchten das Thema deshalb in Folgeveranstaltungen weiter vertiefen. Zum einen ist ein virtuelles Forschungskolloquium, gehostet durch die Universität Oxford, ab 2021 geplant. Zum anderen könnten weitere Konferenzen, deren Fokus auf den Schulden als Herrschafts- und Finanzmittel oder auf der Frage nach Macht durch Geld im höfischen Kontext liegen, organisiert werden. Ein Sammelband zum Thema „Monarchy & Money“ mit den Tagungsbeiträgen der Konferenz und mit weiteren Analysen aus Sicht der Rechtswissenschaften, Soziologie sowie Wirtschaftswissenschaften soll 2022 veröffentlicht werden.

Konferenzübersicht:

Cathleen Sarti (Oxford) / Charlotte Backerra (Göttingen): Introduction

Panel 1: Financial Instruments
Chair: Cathleen Sarti

Maria Aleksandrova (Moskau): Financial Instruments of the English Crown Borrowing on the Antwerp Bourse in the 16th Century

Cristina Garcia Garcia (Saragossa): The Finances of the Aragonese Monarchy in the late 14th Century: The Impact of Credit in the Royal Incomes of Juan I (1387–1396)

Ana Maria S. A. Rodrigues (Lissabon): The Financial Administration of the Queen’s Household in the 15th Century

Panel 2: Incomes in Late Medieval Europe
Chair: Ana Maria S. A. Rodrigues

Lienhard Thaler (Wien): Funding Tyrol. The Tyrolean Counts’ Income from the 13th to the 15th Century

Manuela Santos Silva / Inês Olaia (Lisbon): The Medieval Portuguese Bride (and Bride-to-be)-Queens’ Income: Propternuptias Donation, Dower, Dowry, Morning-gift, and Maintenance

Katia Wright (Winchester): All the Queen’s Lands: 14th-Century English Queens’ Landholdings

Panel 3: Economic and Political Culture in Monarchies
Chair: Lienhard Thaler

Hélder Carvalhal (Évora): The Cost of Loyalty: The Case Study of Princely Houses of the Dynasty of Avis (15th–16th Centuries)

Charlotte Backerra (Göttingen): Speaking about Money: The Landgraves of Hesse, Common Rule, and Tolls

George Tridimas (Ulster): On the Survival and Demise of European Monarchies

Panel 4: Negotiating Finances
Chair: Elena Woodacre

Jonathan Spangler (Manchester): Filling Blank Pages. Account Books of the Dukes of Lorraine as Tools for Assessing the Reconstruction of Court and Political Culture in the Aftermath of French Occupations, 1660–1700

Magnus Ressel (Frankfurt am Main): Royal Taxes for the Republican Guests. The French Monarchy and its Swiss and Germany Merchant Communities in 18th-Century France

Panel 5: Reviewing Royal Economy
Chair: Charlotte Backerra

Elena Woodacre (Winchester): Joan of Navarre’s Financially Fraught Queenship

Cathleen Sarti (Oxford): Between Books and Gunpowder: Louise of Mecklenburg-Güstrow (1667–1721), the Danish Crown, and the Donse Mill

Sarah Kimmerle (Potsdam): In the Public Trust: Funding Structures in the Prussian Palaces and Gardens Foundation

Amalie Fößel (Duisburg–Essen): Concluding Remarks

Cathleen Sarti (Oxford) / Charlotte Backerra (Göttingen): Future Plans and Project Ideas

Anmerkungen:
1 Tagungsbericht: Ökonomie – Geschlecht – Recht. 24. Fachtagung des Arbeitskreises Geschlechtergeschichte der Frühen Neuzeit (AKGG-FNZ), 25.10.2018–27.10.2018 Stuttgart-Hohenheim, in: H-Soz-Kult, 14.03.2019, <www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-8165> (abgerufen am 24.09.2020).
2Symposium: Adel & Entrepreneurship. Selbstverständnis, Tugendbegriff, und Fremdwahrnehmung (1400–1900), Hotel Heyligenstaedt Gießen, 10.10.2019–12.10.2019, https://www.uni-giessen.de/fbz/fb04/institute/geschichte/fruehe_neuzeit/karteikartenseiten/Aktuelles (abgerufen am 24.09.2020).
3Sarti, Cathleen (Hrsg.): Women and Economic Power in Premodern Royal Courts. Arc Humanities Press 2020 (Gender and Power in the Premodern World), DOI: https://doi.org/10.1515/9781641892735; erschienen am 31.08.2020 https://www.degruyter.com/view/title/580238 (abgerufen am 24.09.2020).
4Tagungsankündigung: Monarchy & Money: Interdisciplinary Approaches to Economics and Finances of Monarchical Rule, 16.09.2020–18.09.2020 Göttingen, in: , 29.07.2020, </event/id/event-93003> (abgerufen am 24.09.2020).