Fürsten und Finanzen. Herbsttagung des Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte e.V.

Fürsten und Finanzen. Herbsttagung des Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte e.V.

Organisatoren
Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte e.V.
Ort
Reichenau und digital
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.10.2020 - 09.10.2020
Url der Konferenzwebsite
Von
Stefan Magnussen, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Universität Leipzig

Das Thema Finanzen erfreut sich zunehmender Beliebtheit, und insbesondere die revitalisierte Forschung zu Fürsten (und erfreulicherweise auch Fürstinnen) führte nachhaltig vor Augen, dass die Aspekte des Ein- und Auskommens zu den Determinanten fürstlichen Handelns zählen. So fügte sich die Tagung, wie Tagungsleiter OLIVER AUGE (Kiel) eingangs betonte, nahtlos in diese jüngste Konjunktur ein, die aber auch, wie er zu bedenken gab, womöglich nur eine Fortführung der früheren und maßgeblich mit Personen wie Ernst Schubert und Gerhard Fouquet in Verbindung stehenden Forschungstradition sein könne. Das erneut aufkommende Interesse der Mediävistik ist jedoch schon deshalb begrüßenswert, weil die Forschung zu Finanzen aus einem ganz besonders ergiebigen Quellenfundus schöpfen kann, wobei Auge auf die seriellen Rechnungen und Rechnungsbücher verwies. In seiner Problemskizze schilderte er anschließend die nach wie vor drängenden und klärungsbedürftigen Fragen, die den Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte dazu bewogen, diesem Thema im Rahmen der diesjährigen – in hybrider Form stattfindenden – Herbsttagung neue Impulse zu verleihen. Die neun Fachvorträge beleuchteten das Thema aus unterschiedlichen Richtungen und spannten einen weiten Bogen von der zeitgenössischen Reflexion über Schulden, Finanzen und Geld über finanzielle Zwänge fürstlicher Herrschaftspraxis bis hin zu Strategien im Umgang mit der chronisch drückenden Schuldenlast.

GESINE SCHOCHOW-MIERKE (Chemnitz) rückte den Blick aus Perspektive der Literaturwissenschaft zunächst auf die zeitgenössische Literatur. Anhand von Fallbeispielen wie dem Parzival oder dem Ring der Nibelungen ging sie der Frage nach der Bedeutung des Geldes in diesen Werken nach. Geld kommt zwar punktuell in den Geschichten vor, die wenigen Beispiele beschreiben jedoch selten klassische Tauschgeschäfte. Es überwiegt eine normative Reflexion über Geld, das vielfach mit magischen Reliquien in Verbindung gebracht und oft negativ konnotiert wird. Dies wird deutlich am Beispiel des Generationenromans Fortunatus, in dem der Reichtum des Titelhelden auf eine solche Reliquie zurückgeführt wird. Die weitere Geschichte unterstreicht durch das tragische Schicksal der Söhne jedoch die negative Konnotation, da die Gier den Protagonisten zur falschen Entscheidung verleitete, indem dieser den Reichtum der Weisheit vorzog.

PETRA SCHULTE (Trier) verwies auf den bislang kaum erschlossenen historischen Wert spätmittelalterlicher Traktate über politische Ethik und Theorie. Dabei widmete sie sich insbesondere den an den Höfen der Pfalzgrafen bei Rhein sowie der Herzöge von Burgund und Kleve verfassten Werken aus der Feder von Autoren wie Petrus Antonius Clapis. Die diskutierten Texte eröffnen ein Spannungsfeld zwischen fürstlicher Freigiebigkeit und den Gefahren einer Verschwendungssucht, deren Verhältnis sorgsam austariert werden musste. Hier lässt sich vor allem das Ideal der das Volk schützenden Gerechtigkeit als wirkmächtiger Topos erkennen. Schulte betonte, dass die Autoren nicht nur die italienischen Werke rezipierten, sondern regionale Bezüge einbetteten, worin sich ihre regionale wie transregionale Vernetzung zeige.

FRIEDERIKE MARIA SCHNACK (Kiel) widmete sich dem Einfluss der Finanzen auf die Heiratspraxis der Welfen und Wittelsbacher. Nach einer theoretischen Hinführung zum zeitgenössischen Heiratsgabensystem stellte sie eine quantitative Auswertung der Jahre zwischen 1235 bis 1500 vor, die sie anschließend diskutierte. Grundsätzlich gilt, dass Finanzen bei der Gestaltung des Konnubiums nur ein Faktor unter vielen waren, doch bilden die Konnubien auch die unterschiedlichen Ressourcen beider Dynastien ab, wobei es die Kapazitäten einzelner Nebenlinien zu berücksichtigen gilt. Diesen Befunden ging Schnack anhand von Fallbeispielen nach und rückte die Eheverträge als wichtige Quellengruppe ins Blickfeld. Ein besonderes Problem bei deren Auswertung sind die nicht im Vertrag zu greifenden Aspekte wie die bisweilen nicht vorhandene Zahlungsmoral der Heiratspartner, die Kosten der Hochzeit oder bündnispolitische Erwägungen.

UWE SCHIRMER (Jena) eröffnete mit seinem Beitrag zu den Finanzen der Herzöge und Kurfürsten von Sachsen während des 15. und 16. Jahrhunderts den Reigen der landeshistorischen Studien. Mittels eines handlungsbedingenden „Faktenparallelogramms“ aus Wirtschaft, Repräsentation, Konfliktführung und Finanz- und Kreditwirtschaft skizzierte er die Entwicklung der wettinischen Finanzen. Insbesondere hohe Ausgaben für militärische Feldzüge, aber auch die Versorgung mehrerer Höfe und eine dezentrale Verwaltung belasteten den fürstlichen Haushalt enorm, was lange durch Kredit- und Pfandgeschäfte gegenfinanziert wurde. In den Regentschaften des Kurfürsten Ernst und seines Bruders Albrecht konnten jedoch umfassende, durch die Landstände getragene Reformen eine Konsolidierung des Haushalts bewirken, wodurch Sachsen zu einem der finanzstärksten Territorien im Reich wurde. Schirmer betonte jedoch, dass dieser Aufstieg auch durch den Fund einer Silberader sowie den Heimfall der Landgrafschaft Thüringens ermöglicht wurde, was wiederum die Bedingtheit fürstlicher Strategien vor Augen hält.

Ein ähnliches Fallbeispiel präsentierte LIENHARD THALER (Wien) mit dem habsburgischen Tirol, das seit jeher zu den einkommensstärksten Territorien zählte. Thaler widmete sich schwerpunktmäßig den Strategien zur Finanzierung fürstlichen Lebens, wobei er sich insbesondere mit der Entwicklung und Struktur der fürstlichen Finanzverwaltung im späten Mittelalter befasste. Hier ist Tirol durch die dichte Überlieferung der sogenannten Raitbücher ein besonders ertragreiches Beispiel. Deren Auswertung zeigt ein vertrautes Bild aus hohen Kosten durch militärische Konfliktführung und ständische Repräsentation, die primär durch Einkünfte aus Zöllen, dem Abbau von Bodenschätzen, dem Grundbesitz sowie durch Kreditaufnahme gedeckt wurden. Thaler betonte die Dynamik und Diversität des Themas, das enorme Potentiale für die landeshistorische Forschung bereithält, da aus der gesellschaftlichen Debatte über Finanzen oft wesentliche Impulse für administrative und gesellschaftliche Veränderungen ausgehen.

LAURA VIKTORIA POTZUWEIT (Kiel) ging der Frage nach dem Einfluss der Finanzen auf die Entscheidung zur dauerhaften Witwerschaft nach. Ausgehend von der Überlegung, dass eine erneute Eheschließung zwar die Chance zur Sanierung bot, ein insolventer Witwer aber nicht unbedingt ein attraktiver Heiratspartner war, untersuchte sie, ob hochverschuldete Fürsten häufiger und länger in der Witwerschaft blieben als finanziell potente. Sie skizzierte mehrere Fälle wie Herzog Albrecht von Preußen, Herzog Heinrich V. von Mecklenburg-Schwerin, dessen zweite Gattin fast 28 Jahre tot war, ehe er erneut heiratete, oder Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz. Insbesondere dessen Exempel ermöglichte interessante Einblicke, da seine 16jährige Witwerschaft besonders gut mit der hohen Verschuldung der Kurpfalz zu erklären ist. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass Finanzen zwar ein handlungsbedingender Faktor waren, dieser jedoch nicht handlungsleitend war.

Mit ihrem Beitrag zu den Finanzen der Fürstinnen von Tirol und Österreich verdeutlichte JULIA Hörmann von Thurn und Taxis (Innsbruck), dass sich deren Einkünfte ähnlich heterogen wie bei den männlichen Gatten gestalteten. Sie betonte die enorme Bedeutung der mittels Eheverträgen geregelten Heiratsgüter, auf deren Ausstattung die Fürstinnen kaum einen Einfluss besaßen. So kam ein Gros der Einkünfte aus der Verzinsung von Verschreibungen auf Gütern und Einkünften, die oft nicht im direkten Zugriff der Fürstinnen standen. Dies ließ dennoch einen nennenswerten Spielraum für eigenes Handeln, der mit der Witwenschaft stark zunahm. So zeigte die Referentin, dass einzelne Fürstinnen durchaus potente Unternehmerinnen waren, die ihre finanziellen Möglichkeiten massiv auszuweiten wussten, was sich bei Eufemia von Schlesien, die in Meran ein Klarissenkloster stiftete, in einer aktiven Stiftertätigkeit zeigte.

NINA GALLION (Mainz) zeigt anhand der Ingrossaturbücher der Erzbischöfe von Mainz, dass das Reichsepiskopat ähnlichen Sachzwängen wie seine weltlichen Verwandten unterworfen war, wenngleich sich deren Struktur teils eklatant unterschied. Insbesondere die fehlende dynastische Amtskontinuität erschwerte eine nachhaltige Finanzpraxis, was gerade bei mehreren kurz aufeinanderfolgenden Amtsnachfolgen zur einer hohen Schuldenlast führen konnte. Doch auch bei der Monetarisierung geistlicher Herrschaften waren kaum Grenzen gesetzt, und so griff das Reichsepiskopat auf eine große Bandbreite an Mitteln der Geldbeschaffung zurück, wozu auch Ablasshandel oder die Erhebung von Sonderabgaben gehörten – was freilich innerhalb der Diözese zu Spannungen führte. Angesichts des mangelhaften Stands der vergleichenden Forschung zum Reichsepiskopat biete, wie Gallion resümierte, gerade die Auseinandersetzung mit der Finanzpolitik interessante Ansätze zur Abbildung von Parallelität und Diversität bischöflichen Handelns.

NILS BOCK (Münster) richtete den Blick auf die Finanzen der Könige von Frankreich im 14. Jahrhundert. Auch hier stand das Verhältnis von regulären und extraordinären Einkünften und Ausgaben im Fokus. Für die Entwicklung der Finanzpolitik dieser Zeit nimmt gerade das Königreich Frankreich eine wichtige Rolle ein, da sich hier besonders früh eine Tendenz zur Monetarisierung und Bürokratisierung der Geldwirtschaft beobachten lässt. So kam nicht ohne Grund in jener Zeit der Begriff der Financia für das neue Phänomen der außerordentlichen Ausgaben neben den älteren Verpflichtungen auf, die besonderes für die Diplomatie, die Repräsentation und die Kriegsführung eine große Bedeutung entfaltete. Zur Verdeutlichung diskutierte Bock insbesondere die Geldpolitik, mit einem besonderen Fokus auf die praktischen Potentiale und Auswirkungen von Münzverschlechterungen.

In der abschließenden Zusammenfassung verknüpfte JÖRG PELTZER (Heidelberg) die einzelnen Beiträge und griff auch seine eigenen Forschungen zur Frage des Ranges auf, für deren Bestimmung die Finanzen wesentlich, in vielerlei Hinsicht erst ermöglichend waren. Dabei zeigte sich zwar der in allen Beiträgen erkennbare zunehmende Einfluss des Geldes als Triebkraft fürstlichen Handelns, jedoch ist dieser äußerst ambivalent – denn, so Peltzer, reich ist nicht der, der viel hat, sondern der, der viel gibt. So war Geld an sich nur ein sekundäres Rangelement und vielmehr Grundlage für die ständische Repräsentation und die Hofhaltung, die sich neben der Kriegsführung in allen Beiträgen als der hauptsächliche Kostenfaktor erwies. Dieser Faktor ist naturgemäß für Fürstinnen und das Reichsepiskopat anders zu debattieren als für die weltlichen Fürsten. Doch haftet der Frage der Finanzen, auch das wurde in den Ausführungen immer wieder klar, darüber hinaus eine soziale Komponente an. So war die Finanzpolitik stets auch eine Arena der Aushandlung und waren Liquiditätskrisen immer wieder Motoren für Reformen und Veränderungen, die das Machtgefüge zwischen Fürst und Landständen nachhaltig beeinflussten.

Am Ende der Veranstaltung herrschte auch eine gewisse Einigkeit darüber, dass der Untersuchung der Fürsten und Finanzen neben Fragen zur Semantik des Geldbegriffs, zur Neubewertung der möglicherweise zu pejorativ betrachteten Schulden oder zu den Kontinuitäten und Diskontinuitäten zu hohem Mittelalter oder Früher Neuzeit vor allem eine stärkere Einbeziehung der Akteursgruppen folgen muss, die die Finanzen aufbrachten und zumeist als Kreditgeber wirkten – insbesondere der Hof, der Adel, die Städte und die Gemeinden. In seinem Schlusswort verwies Oliver Auge jedoch auf die eigentliche Tagungsplanung, in der eben diese Themengebiete abgedeckt waren. Glücklicherweise haben die vorgesehenen Referenten – Gerhard Fouquet (Kiel), Kurt Andermann (Freiburg), Matthias Müller (Mainz) und Christian Hesse (Bern) – trotz ihrer coronabedingten Abwesenheit die Verschriftlichung ihrer Beiträge zugesagt, so dass die in vielerlei Hinsicht erinnerungswürdige Herbsttagung in gedruckter Form auch diese Lücken noch wird schließen können.

Konferenzübersicht:

Oliver Auge (Kiel): Einführung in das Tagungsthema

Gesine Schochow-Mierke (Chemnitz): Geld, Gold und Schätze. Fürsten und Finanzen in der Literatur des Mittelalters

Petra Schulte (Trier): Die Finanzen der Fürsten in der europäischen Traktatliteratur des späten Mittelalters

Friederike Maria Schnack (Kiel): Finanzielle Spielräume und Grenzen fürstlicher Heiratspolitik im Spätmittelalter. Die Dynastien der Welfen und Wittelsbacher im Vergleich

Uwe Schirmer (Jena): Die Finanzen der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen (1470-1515)

Lienhard Thaler (Wien): Eine Börse, in die man nie umsonst greift? Die Finanzen der Grafen von Tirol im 13, 14. und 15. Jahrhundert

Laura Viktoria Potzuweit (Kiel): Eine Frage von Haben und Brauchen. Finanzen als handlungsbedingende Faktoren fürstlicher Witwerschaft im Spätmittelalter

Julia Hörmann von Thurn und Taxis (Innsbruck): Die Fürstin und ihr Geld. Die Finanzen der Herzoginnen von Österreich und der Tiroler Landesfürstinnen im 14. Jahrhundert

Nina Gallion (Mainz): Der Bischof und das liebe Geld. Die Finanzen des spätmittelalterlichen Reichsepiskopats in vergleichender Perspektive

Nils Bock (Münster): Alte Verpflichtungen und neue Steuern. Königliche Finanzen im Frankreich des 14. Jahrhundert

Jörg Peltzer (Heidelberg): Zusammenfassung