Sparkassenhistorisches Symposium 2002

Sparkassenhistorisches Symposium 2002

Organisatoren
Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.09.2002 - 27.09.2002
Url der Konferenzwebsite
Von
Barbara Hillen

"Die Sparkassen-Finanzgruppe und das Wertpapiergeschäft"

Am 26. und 27. September 2002 fand das alljährliche Sparkassenhistorische Symposium der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe statt. Das Thema der Tagung, zu der die Wissenschaftsförderung in Kooperation mit der DekaBank Vertreter von Sparkasseninstituten und wissenschaftlichen Einrichtungen nach Frankfurt-Raunheim eingeladen hatte, lautete: "Die Sparkassen-Finanzgruppe und das Wertpapiergeschäft." Gegenüber einem früheren Symposium, das sich ebenfalls dem Wertpapiergeschäft gewidmet hat, bildeten diverse Fragen der Vermögensbildung und Altersvorsorge sowie des strukturierten Vermögensaufbaus den thematischen Schwerpunkt.

Prof. Dr. Günther Schulz (Bonn) gab einen Rückblick auf den Beitrag der Sparkassen-Finanzgruppe zur Vermögensbildung der Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach der großen Kapitalvernichtung durch die Währungsreform von 1948 mussten die Vermögen breiter Bevölkerungsschichten neu aufgebaut werden. Während die Sparkassenorganisation die Bevölkerung überzeugte, wieder regelmäßig zu sparen, und gegenüber der Politik die Stabilität des Geldwertes verfocht, sorgte die Bundesregierung dafür, dass zunächst Konten- und Bausparen gegenüber anderen Anlageformen (Aktien) bevorzugt wurden. So war auch die Gründung der DekaBank 1956 keineswegs unumstritten. Als die Bundesregierung Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre staatliche Förderungen zum Vermögensaufbau sukzessive zurücknahm, musste auch die Sparkassenorganisation die Vermögensbildung im Verbund systematisch den sich wandelnden Marktbedingungen anpassen. Besonderes Verdienst der Sparkassen war es aber in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten gewesen, breite Bevölkerungsschichten an die Vermögensbildung herangeführt zu haben.

Anknüpfend an die historischen Rahmenbedingungen sprach Prof. Dr. Johann Heinrich von Stein (Hohenheim) über die angelsächsische und deutsche Banken- und Börsenkultur im historischen Vergleich. Anders als in England, so Stein, sei es dem Deutschen Reich im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht gelungen, ein ausgeprägtes Bewusstsein für eine stabile Bankkultur zu entwickeln. Infolge dessen habe man den zahlreichen Bankenkrisen und der chaotischen Periode zwischen Inflation und Bankenkrise 1931 nicht entgegenwirken können. Erst nach einer Phase der wirtschaftlichen Stabilität habe man ab den 1980er Jahren damit begonnen, das Kulturphänomen der Banken- und Börsenkultur systematisch zu untersuchen und als Erfolgsfaktor zu erkennen.

Den Staat als Emittent von Wertpapieren nach dem Zweiten Weltkrieg stellte Prof. Dr. Wolfgang Kitterer (Köln) vor. Die Ausgangslage für den Wiederaufbau eines funktionierenden Kapitalmarktes war in der Nachkriegszeit schwierig. Das Sparvolumen war zu gering, um den Kapitalbedarf für dringend benötigte Investitionen zu decken, so dass die öffentliche Hand durch steuerpolitische Maßnahmen intervenierte. Die 1950er Jahre waren vom Beginn des Wiederaufbaus eines Rentenmarktes geprägt, während in den 1960er und 1970er Jahren eine Keynesianische Schuldenpolitik dominierte. Nachdem in den 1980er Jahren ein Konsolidierungsprozess, begleitet von einer Senkung des Zinsniveaus und der Preissteigerungsraten, eingesetzt hatte, kam es im Zuge der Wiedervereinigung innerhalb von wenigen Jahren zu einer Verdoppelung der Staatsverschuldung. Neue Herausforderungen stellte auch die Europäische Währungsunion, denn mit der Einführung der einheitlichen Währung hat auch die Konkurrenz zwischen den öffentlichen Wertpapieremittenten zugenommen. Für viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union muss das Verhältnis zwischen den Vorteilen der Staatsverschuldung für effizientere Finanzmärkte und ihren nachteiligen Wirkungen auf die Gesamtwirtschaft und das Wirtschaftswachstum noch definiert werden.

Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels (Köln) gab einen sehr anschaulichen Überblick über die Entwicklung der sogenannten "Volksaktie". Er zeigte anhand von Fallbeispielen, der Preußag im Jahre 1959, der Volkswagen AG 1961 und der VEBA 1965, die Vorgänge von Teilprivatisierungen und die damit verbundenen Börsengänge auf. Typische Merkmale einer Volksaktie sind für Hartmann-Wendels: eine breite Streuung, ein hoher Anteil an Privatanlegern und Börsenneulingen, ein günstiger Ausgabekurs und die Vorstellung einer stetigen Wertsteigerung. Ende der 1950er Jahre standen Marktwirtschaft und Kommunismus noch in einem heftigen Wettbewerb. Für die Wahl der Aktie als Instrument der Vermögensbildung sprach damals die Einschätzung, dass man breite Bevölkerungsschichten am Eigentum von Produktionsmitteln beteiligen konnte. Diese Einschätzung trog jedoch weitgehend. Beim Börsengang der Telekom 1996, als die ideologische Auseinandersetzung längst Geschichte geworden war, ging es hingegen ausschließlich um die Umsetzung ordnungspolitischer Ziele. Das Ziel einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung spielte dabei keine Rolle mehr.

Schließlich sprach Hans-Jürgen Gutenberger, Vorstandsmitglied der DekaBank, über die Perspektiven im Fondsgeschäft und über das zentrale Investmentgeschäft in einer dezentralen Organisation. Die Fondsidee setzte sich in den 1990er Jahren deutlich durch. Vor allem langfristige Trading-Fonds (ab 1995) und Dachfonds (ab 1999) haben eine explosionsartige Entwicklung erlebt. Die DekaBank setzt beim Absatz ihrer Produkte auf die Unterstützung der Sparkassen, die zu 50% Eigentümer der Bank sind. Um langfristig am Markt bestehen zu können, ist es unerlässlich geworden, Deka Investmentfonds im Multikanal zu vertreiben. Der dezentrale Vertrieb in der Filiale, über das Call-Center und das Internet sind ebenso wichtig wie der bundesweite Discount Kanal in Form des Wertpapier-Brokerage. Der Investmentidee wird auch unter dem Thema "Altersvorsorge" eine sehr positive Zukunft attestiert.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, unter Moderation von Klaus-Friedrich Otto, Chefredakteur des Fritz-Knapp-Verlags, nahmen Dr. Norbert Emmerich, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Münsterland-Ost, Gutenberger, Hartmann-Wendels und Thomas Mang, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV, teil. Die Diskutanten griffen einige Schwerpunkte der vorhergehenden Vorträge nochmals auf, wie die Formen staatlicher Intervention, Herausforderungen an und Chancen für die dezentrale Finanzgruppen-Struktur unter sich ständig wandelnden Marktbedingungen und vor allem die Bedeutung des Wertpapiergeschäfts für die Altersvorsorge.

Die Tagung bot einmal mehr sowohl für Sparkassenpraktiker als auch für Vertreter der Wissenschaft zahlreiche anregende Einblicke in die geschichtliche Entwicklung und die Zukunftsperspektiven der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Beiträge des Symposiums 2002 werden zu Beginn des nächsten Jahres von der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe veröffentlicht. Das Thema "Altersvorsorge" wird Schwerpunkt des nächsten Sparkassenhistorischen Symposiums am 22./ 23. September 2003 in Köln sein.


Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts