Forum: Interview zum FID Altertumswissenschaften mit Charlotte Schubert (Univ. Leipzig) und Maria Effinger (UB Heidelberg)

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Maria Effinger, Fachinformationsdienst Altertum / Propylaeum, Universitätsbibliothek Heidelberg; Charlotte Schubert, Alte Geschichte, Universität Leipzig

H-Soz-Kult: Herzlichen Dank an Sie beide für Ihre Bereitschaft zu unserem Gespräch über die entstehenden Fachinformationsdienste (FID). Frau Schubert, als Professorin für Alte Geschichte an der Universität Leipzig mit den Schwerpunkten Athen und Ionien haben Sie sich umfassend im eAQUA-Projekt und innerhalb des CLARIN-Verbunds für digitale Forschungsinfrastrukturen[1] mit digitalen Methoden in der historischen Forschung befasst, außerdem sind Sie Beirätin im FID Altertum, der über das Portal Propylaeum als Nachfolger der Virtuellen Fachbibliothek Online-Ressourcen für die Altertumswissenschaften zur Verfügung stellt. Zuerst möchten wir Sie gerne um eine kurze persönliche Einschätzung zur Rolle und Bedeutung digitaler Fachinformationen in Forschung und Lehre im Bereich Alte Geschichte bitten.

Charlotte Schubert: Die Einrichtung des Portals Propylaeum als Nachfolger der sog. Virtuellen Fachbibliothek der Online-Ressourcen für die Altertumswissenschaften ist zeitgemäß und nützlich, in der Lehre kommt dies auch z. B. den Erwartungen und Praktiken der meisten Studierenden sehr entgegen. Insbesondere hoffe ich, daß dies ein Beitrag dazu sein wird, die Vorherrschaft von nicht-qualitätsgeprüften Zugängen (Google als Recherchetool zum Bibliographieren, Wikipedia als Standardlexikon zum Nachschlagen) zurückzudrängen. Es sollte aber auch zu einer noch viel stärkeren Verlinkung der Ressourcen führen, um aus Propylaeum das Portal für die Altertumswissenschaften zu machen. Das Angebot des Zugangs zu elektronischen Publikationsmöglichkeiten ist ebenfalls eine zeitgemäße Antwort auf die Transformation der Veröffentlichungsmodalitäten und Workflows des wissenschaftlichen Arbeitens, die ich sehr schätze.

Für die wissenschaftliche Nutzung ist es darüber hinaus ein großer Vorteil, daß zukünftig die Zugänge zu lizenzierten Text- und Literaturdatenbanken eingebunden werden, die derzeit nicht an allen Universitäten gleichermaßen möglich sind. Weiterhin sehe ich eine große Chance darin, daß durch das Angebot von Mehrwertdiensten (Angebot von Analysetools, Auswertungsmöglichkeiten etc.) die derzeit führende Rolle der Altertumswissenschaften im Bereich der Digital Humanities auch weiterhin unterstützt werden kann.

H-Soz-Kult: Frau Schubert, in Ihren aktuellen Forschungen im Rahmen der Digital Classics beschäftigen Sie sich mit Methoden und Werkzeugen wie Zitationsanalysen oder Paraphrasensuche, in der „klassischen“ Altertumsforschung mit Athen und Ionien im 6./5. Jahrhundert v.Chr. oder der Historiographie selbst, insbesondere auch mit der Entstehung und Methode der Historie und der Entwicklung und Geschichte der Atthidographie. Welche Rolle spielen hierfür die bisher zur Verfügung stehenden Informationsangebote von Bibliotheken und Informationsdienstleistern, insbesondere die ehemalige Virtuelle Fachbibliothek „Propylaeum“ bzw. wie sehen Ihre persönlichen Recherchestrategien aus?

Charlotte Schubert: Meine Arbeitsweise ist derzeit, wie sicher bei vielen AltertumswissenschaftlerInnen eine Mischung aus klassischen und neuen, an den Möglichkeiten der digitalen Angebote orientierten Methoden. Die übliche Recherchestrategie beginnt bei mir mit den Quellenzusammenstellungen und -analysen zu einer speziellen Frage in den Volltextdatenbanken (TLG, BTL, Perseus, Einsatz von Analysetools wie Diogenes, Textmining-Tools wie die Zitationsanalyse aus eAQUA, gegebenenfalls auch Tesserae oder ähnlichen Werkzeugen). Es folgt die Überprüfung anhand der Printausgaben und Printkommentare, dann das Bibliographieren unter Nutzung der Online-Bibliographien (L’Année Philologique, Gnomon Online) und der Repositorien (Jstor, Project Muse, Google Books, archive.org), wobei ich jetzt neuerdings auch Propylaeum verwende (PropylaeumSEARCH, aber insbesondere den Propylaeum-Feed zu den Neuerscheinungen und die laufenden Informationen über die Digitalangebote wie Open Access Journals, Monografien, Zweitveröffentlichungen). Zur Verfeinerung der Fragestellung setze ich derzeit gern Visualisierungstools ein, die mir Aufschluß über den Kontext von Quellen und Begrifflichkeiten geben (Kookkurrenzanalyse, weitere Zitatanalyse). Schließlich folgt ganz klassisch die Auswertung von Quellenanalyse und Forschungsdiskussion sowie deren Verschriftlichung.

H-Soz-Kult: Der FID Altertum setzt nun das fächerübergreifende Angebot der ViFa Propylaeum fort und entwickelt weitere neue Services. Wie hat sich diese Bündelung von Fächern in zentralen Portalangeboten bisher mit Ihren persönlichen Arbeitsweisen, Interessen und Perspektivierungen verbinden lassen? Dabei interessiert uns natürlich auch Ihre Rolle als Beirätin in Propylaeum: Wie bringen Sie Ihre fachlichen Anforderungen in die Entwicklung der Online-Angebote von Propylaeum ein?

Charlotte Schubert: Die Bündelung der Fächer ist im Bereich der Altertumswissenschaften ein großer Vorteil, da bei uns die regionen-, sprach- und gattungsübergreifende Arbeit eine lange Tradition hat: Eine Aufgliederung der Angebote nach Subdisziplinen würde aus methodischen Gründen gar keinen Sinn machen. In wirtschaftlicher Hinsicht sollte der FID auch durch die Bündelung günstigere Bedingungen für die Lizenzierung der Datenbanken und Fachliteratur erreichen können.

Meine eigenen fachlichen Anforderungen bringe ich einerseits in den Sitzungen des Beirats ein, die mit ausführlichen Diskussionen zwischen Beiräten und Vertretern des FID verbunden sind; andererseits über den direkten Kontakt mit den Vertretern des FID in Heidelberg und München. Dabei geht es um Fragen der technischen Anforderungen, Austausch im Hinblick auf Informationen für die Fachcommunity und einschlägige Projekte. Das war bisher immer sehr konstruktiv, da die Vertreter des FID außerordentlich offen auf die Anregungen und Vorschläge des Beirats reagiert und diese nicht nur in den Antrag integriert haben, sondern jetzt auch in der laufenden Arbeit sehr flexibel aufnehmen.

Maria Effinger: Schon in der ViFa Propylaeum war die gemeinsame Präsentation der Subdisziplinen der Altertumswissenschaften ein wichtiges strategisches Ziel und unterschied diese ViFa von vielen anderen. Wir haben uns auch beim Relaunch des Portals im Frühjahr diesen Jahres ganz bewusst für die Beibehaltung dieses Ansatzes entschieden. Es geht nun aber sogar noch einen Schritt weiter: Der Ersteinstieg in die Angebote erfolgt nun nicht mehr über die Fächer, sondern über unsere inhaltlichen, fachübergreifenden Arbeitsschwerpunkte wie „Suche“, „Publizieren“ , „Themen“, „Service“ etc.

Propylaeum wird schon von Anfang an von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet. Er legt – zusammen mit den bibliothekarischen VertreterInnen – die Leitlinien für den Betrieb und die Weiterentwicklung des FID fest und stellt so eine kontinuierliche Qualitätssicherung dar, die für uns von zentraler Bedeutung ist. Wir sind sehr dankbar für die zahlreichen Impulse, die sich aus der engen Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Beirats ergeben und die uns aktiv dabei unterstützen, unser Angebot wirklich an den aktuellen Bedürfnissen der Fachcommunity auszurichten.

H-Soz-Kult: Wie in vielen anderen FID gehört der nutzergesteuerte Erwerb von Literatur zu den Schwerpunkten des FID. Ein sog. "vorausschauender" Erwerb und Sammlungsaufbau wird nun nicht mehr stattfinden. Stattdessen können im Bereich Altertum über das Portal Propylaeum Vorschläge zum Erwerb oder zur Digitalisierung von Literatur eingereicht werden. Gleichzeitig wird der Literaturerwerb stark auf elektronische Publikationen ausgerichtet, durch Einbindung von Open Access Publikationen, aber auch durch den zunehmenden Erwerb lizenzpflichtiger und somit ggf. kostenintensiver Verlagsangebote. Welche Vorteile kann die althistorische Forschung aus der Hinwendung zu elektronischen Publikationen und stärkerer Partizipation an der Erwerbung ziehen und sehen Sie möglicherweise daraus resultierende Probleme?

Charlotte Schubert: Dieser Wandel bedeutet eine sinnvolle Abkehr von der früheren, reichlich einseitigen Praxis der Bibliotheken. Hier sehe ich die Chance für eine partizipatorische und kommunikationsgesteuerte, gemeinsame Ausrichtung des FID. Die verstärkte Ausrichtung auf das elektronische Publizieren begrüße ich außerordentlich, ebenso auch den Einstieg der Bibliotheken in dieses Feld; aber ich würde trotzdem dafür plädieren, daß immer auch mindestens ein Printexemplar von jeder Publikation vorgehalten wird. Den größten Vorteil sehe ich darin, daß bei der Gestaltung der Lizenzverträge über die FIDs im Sinne der wissenschaftlichen NutzerInnen mehr Rechte integriert werden können (Recht zur Anfertigung von Kopien, Recht zur Weiterverarbeitung und Auswertung mit Analysetools, Erweiterung der Metadaten etc.).

Sehr wichtig wird m.E. sein, daß der FID zentral Datenbanken anbietet, insb. Volltextdatenbanken (Thesaurus Linguae Graecae [TLG], Bibliotheca Teubneriana Latina Online - BTL) und auswertbar macht, indem Analysetools angebunden werden (für das Textmining, für GIS-Anwendungen, Visualisierungen und auch für Netzwerkanalysen).

Maria Effinger: Ergänzen möchte ich hier, dass sowohl die BSB München als auch die UB Heidelberg natürlich auch künftig der Bereitstellung von Informationsressourcen – durchaus auch im Printbereich – weiterhin besondere Aufmerksamkeit schenken werden. Dabei wurde jedoch mit Blick auf DFG-Fördermittel insofern ein Paradigmenwechsel vollzogen, als der bisherige Vollständigkeitsanspruch aufgegeben und eine Profilierung auf hochspezialisierte Forschungsliteratur vorgenommen wurde.

Charlotte Schubert: Entscheidend für die wissenschaftliche Akzeptanz der Arbeit mit elektronischen Medien ist die Gewährleistung von stabiler, persistenter Zitation und Nachhaltigkeit. Zwar sind die Altertumswissenschaften in der guten Situation, daß ihre Volltextdatenbanken – im Unterschied zu denjenigen der modernen Philologien – vollständig und auf der Basis guter Editionen erstellt sind, aber für diese Textdatenbanken gibt es bisher keine Möglichkeit der persistenten Zitation entsprechend unserer fachlichen Standards. Diese Textdatenbanken müssen durch PIDs (Persistent Identifier) zitierfähig gemacht werden, die den herkömmlichen Zitiergepflogenheiten entsprechen, d.h. die Zitation bis auf die Wortebene persistent ermöglichen (ein solches System wird in einem meiner DFG-geförderten Projekte derzeit für die BTL in Kooperation mit der BSB München und der UB Heidelberg etabliert und soll dann zukünftig auch über den FID allen zur Arbeit mit der BTL zur Verfügung stehen).

Maria Effinger: Nachhaltigkeit und Zitierfähigkeit, ergänzt um einen weit gestreuten Nachweis der wissenschaftlichen Inhalte, stehen bei Propylaeum im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bei der Bereitstellung der von uns gehosteten retrodigitalisierten Werke und bei allen Veröffentlichungen über „Propylaeum Publishing“ sind diese Aspekte zentraler Bestandteil des Angebots. URNs, DOIs (z.T. bis auf Seitenebene) sowie nationale und internationale Vernetzung werden von Propylaeum gewährleistet. Dass wir die komplexe Aufgabe der Realisierung persistenter Zitation bis auf Wortebene innerhalb von Volltextdatenbanken nun gemeinsam mit einer unserer Beirätinnen angehen können, ist für Propylaeum ein hervorragende Möglichkeit, in direkter Zusammenarbeit mit der Wissenschaft den FID zu gestalten.

H-Soz-Kult: Frau Effinger, der FID will in einem „Digitalen Wunschbuch“ Werke wie gemeinfreie Bücher, vergriffene Werke deutscher Verlage, eigene Publikationen oder andere, deren Rechte individuell mit Autor und Verlag geprüft wurden, erschließen, die dann digitalisiert und zur Verfügung gestellt werden sollen. Wie eruieren Sie den tatsächlichen Bedarf der Wissenschaft an diesen Publikationen?

Maria Effinger: Neben dem Großprojekt der Bayerischen Staatsbibliothek, in welchem durch die Public-Private-Partnership mit Google auch urheberrechtsfreie Werke mit Relevanz für die Altertumswissenschaften online zugänglich gemacht werden konnten, wurde in den vergangenen Jahren in verschiedenen Digitalisierungsprojekten – meist auch mit Förderung durch die DFG – systematisch altertumswissenschaftliche, gemeinfreie Literatur digitalisiert und im Open Access bereitgestellt. So zum Beispiel in dem DFG-Projekt „Rezeption der Antike im semantischen Netz: Buch, Bild und Objekt digital”, in dem die UB Heidelberg gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut mehrere tausend Drucke des 16. bis frühen 20. Jahrhunderts entsprechend bearbeitet hat. Dennoch gibt es noch unzählige Einzeltitel, die bislang durch die „Maschen“ der meist thematisch ausgerichteten Vorhaben gefallen sind. Die WissenschaftlerInnen haben nun die Möglichkeit, ad hoc spezifische und forschungsnahe Einzelwünsche direkt an uns heranzutragen und für sie kostenfrei in kurzer Zeit bereitgestellt zu bekommen. Nicht nur dieses Angebot, für das wir in der Fachcommunity natürlich werben, wird sehr gut angenommen, sondern auch der häufig geäußerte Wunsch nach der Digitalisierung ihrer eigenen Schriften (ohne sich um die Rechteklärung selbst kümmern zu müssen) belegt, dass wir hier einen tatsächlichen Bedarf der Wissenschaft bedienen.

H-Soz-Kult: Im Rahmen des FID wird ein Service zur Erschließung und Archivierung von Forschungsdaten angeboten, über Propylaeum-eJournals und Propylaeum-eBooks sollen zukünftig Zeitschriften und Monografien publiziert werden können. Wie schätzen Sie die Dokumentation von Forschungsdaten ein, welche Rolle werden zentrale Veröffentlichungsplattformen für das Publizieren und natürlich für Reputationsgewinne spielen? Welche Herausforderungen sehen Sie dabei auf die Wissenschaft und andererseits die Bibliotheken zukommen?

Charlotte Schubert: Im Hinblick auf die Transparenz sehe ich die Öffnung der geplanten Forschungsdatenrepositorien für alle Bereiche des digitalen Arbeitens als entscheidend an, ebenso wie die Chance, in Repositorien für Forschungsdaten den Zugang zu allen Daten und für eigene Auswertung der Daten zu ermöglichen.

Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit sollte vor allem die Minimierung von Kosten für die Umstellung auf die elektronischen und nach dem Open Access geregelten Publikationswege im Vordergrund stehen. Es sollte unbedingt vermieden werden, kostenpflichtige Modelle (d.h. Verlagerung der Kosten für das Publizieren, für Zugänge zu Datenbanken und Repositorien auf die NutzerInnen/ WissenschaftlerInnen) zu etablieren; die Universitäten werden auch in Zukunft nicht mehr Geld zur Verfügung haben als jetzt und auch die Bibliotheksetats werden nicht aufgestockt werden, daher sollten die Fördervolumina für den FID diesen Bereich einkalkulieren und über die DFG-Förderung abdecken.

Der Zugang zu den Publikationssystemen und Repositorien sollte so niedrigschwellig wie möglich gestaltet werden; insbesondere für Open Journal System und Open Monograph Press sollten Schulungen angeboten und Tutorials, die fachspezifisch ausgerichtet sind, vorgehalten werden.

Maria Effinger: Wir sehen es als eine unserer zentralen Aufgaben an, Wissenschaftler und Kultureinrichtungen bei der Umsetzung ihrer Open-Access-Strategie zu unterstützen, haben deshalb ein vielfältiges Publikationsangebot aufgebaut und bieten Hilfestellungen bei der Transformation gedruckt vorliegender Publikationen an. Gerade in der Phase der Überführung der herkömmlichen Sondersammelgebiete in „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ ermöglicht dieses Aktionsfeld eine effektive und zukunftsweisende Aufgabenteilung, die in der Kooperation zu einer klassischen Win-Win-Situation führt: Auf der einen Seite steht die Bereitstellung qualitätsgesicherter Inhalte durch die Wissenschaftler und Autoren, auf der anderen die dauerhafte und zitierfähige Archivierung, Katalogisierung und weltweite Sichtbarmachung durch den FID.

Die langfristige Archivierung von Forschungsdaten ist ein zentraler Aspekt guter wissenschaftlicher Praxis, sie ist die Voraussetzung für die prinzipielle Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse, die auf der Auswertung dieser Daten beruhen. Zudem bietet die Archivierung die Chance, die Daten zukünftig im Kontext neuer wissenschaftlicher Fragestellungen nachnutzen zu können. Die DFG, andere Wissenschaftsförderer wie die EU aber auch die Universitäten empfehlen die dauerhafte Archivierung von Forschungsdaten für mindestens 10 Jahre. Und so bietet auch Propylaeum Altertumswissenschaftlern die Möglichkeit ihre Forschungsdaten (Bilder, Videos, Audio-Dateien, Tabellen, Graphiken etc.) langzeitarchivieren zu lassen und diese zitierfähig mit den Online-Publikationen auf den portaleigenen Publikationsplattformen zu verknüpfen.

Aktuelle Herausforderung für den FID sind neben dem konsequenten Ausbau des Angebots an E-Publikationen vor allem die Entwicklung weiterer Funktionalitäten wie Schnittstellen oder Kommentarmöglichkeiten oder – dort wo von den Herausgebern gewünscht – der Vertrieb der Publikation über einen professionellen Print-on-Demand-Verlag oder gar die Übernahme weiterer traditioneller Verlagsaufgaben, wie Satz und Layout. Zudem müssen gemeinsam mit der Fachcommunity und den Förderinstitutionen Geschäftsmodelle und Prozesse entwickelt werden, um die Abhängigkeiten von traditionellen Wissenschaftsverlagen abzubauen, welche zunehmend auch im Bereich der Geisteswissenschaften kommerzielle und mit von den Autoren zu entrichtenden Publikationsgebühren finanzierte Open-Access-Angebote zu etablieren versuchen. Erklärtes Ziel ist, Propylaeum mit seinem Open-Access-Dienstleistungsangebot als eine wettbewerbsfähige Alternative zur klassischen Verlagsform zu etablieren.

H-Soz-Kult: Das Open Journal System (OJS) mit seinen Workflows zur Unterstützung des Peer-Review-Verfahrens ist als technische Plattform für das Publizieren von Zeitschriften ja eines der zentralen Angebote des FID. Die Bereitstellung von OJS für Zeitschriftenherausgeber findet aber teilweise bereits selbst an Universitätsrechenzentren oder Universitätsbibliotheken statt. Führt dieser Gegensatz von einerseits institutionellem Hosting an der eigenen Universität oder Universitätsbibliothek gegenüber andererseits fachlichem Angebot im FID bei WissenschaftlerInnen nicht zu einem Zielkonflikt und in den Infrastrukturen zur Redundanz?

Charlotte Schubert: OJS ist, da es von einer breiten Community getragen wird, sicher eines der zukunftsfähigen Publikationssysteme. Die Beratung durch die Arbeitsbereiche in Heidelberg und auch Berlin ist hilfreich und kann so sicher nicht von jeder Bibliothek geleistet werden, ebenso wenig das Hosting und die nachhaltige Pflege der Angebote. Ich persönlich bin der Ansicht, daß man solche Prozesse durchaus wettbewerblich sehen sollte – WissenschaftlerInnen werden sich an den Standort wenden, der ihnen die besten Möglichkeiten bietet.

Maria Effinger: Wir in Heidelberg haben uns entschieden, beiden Zielgruppen – unserer universitären Kundschaft ebenso wie den Fachcommunities unserer FIDs – ein breitgefächertes Angebot zum elektronischen Publizieren zur Verfügung zu stellen. Es existieren noch bei weitem nicht an allen Universitäten in Deutschland entsprechende Angebote und so beraten wir individuell und überlegen gemeinsam, welcher Publikationsort für AutorInnen oder HerausgeberInnen die meisten Vorteile bietet. Gerade durch das breit aufgestellte Angebot – wir hosten mit OJS aktuell knapp 75 E-Journals – stehen die Nachhaltigkeit sowie die Entwicklung von Mehrwertdiensten und Implementierung von Schnittstellen im Fokus des Interesses. All diese Aktivitäten fügen sich zudem ein in unser strategisches Zukunftsfeld „Publikationsdienste“, das sich unter anderem in der kürzlich erfolgten Gründung des an der UB angesiedelten Universitätsverlags Heidelberg University Publishing (heiUP) manifestiert.

H-Soz-Kult: Frau Effinger, der FID Altertum greift für ausgewählte Publikationen auf das Lizenzmodell PDA – Patron Driven Acquisition zurück. Können Sie das Modell kurz erläutern und welche Vorteile es bringen soll?

Maria Effinger: PDA ist nur eines von verschiedenen Modellen, das wir im FID anwenden wollen, um die Interessen der Fachcommunitiy angemessen berücksichtigen zu können. Parallel zur Erwerbung von E-Book-Paketen ist an der BSB München geplant, mittels der PDA, der nutzergesteuerten Erwerbung, die Akquise von E-Books im Rahmen des FIDs passgenau auf das Informationsbedürfnis der einzelnen ForscherInnen abzustimmen. Das Modell sieht vor, dass die NutzerInnen im direkten und exklusiven Zugriff auf einen E-Book-Datenpool eines Anbieters in den Altertumswissenschaften einen forschungsrelevanten Titel gezielt selbst auswählen und sofort nutzen können. Der Titel steht dann auch den anderen Teilnehmern der Fachcommunity zur Verfügung. In Vorbereitung ist hier die Zusammenarbeit mit dem Anbieter „MyiLibrary“.

Anmerken möchte ich aber auch, dass im FID Altertumswissenschaften weiterhin „vorausschauend“ Printpublikationen erworben werden – wenn auch in einem um ca. ein Drittel reduzierten Umfang. Damit wird der besonderen Marktsituation in den Altertumswissenschaften Rechnung getragen, die sich auch dadurch auszeichnet, dass viele Publikationen nach wie vor nur in Print erscheinen. Heidelberg und München haben dafür gemeinsam ein geschärftes Erwerbungsprofil entwickelt, das sich noch stärker an der wissenschaftlichen Spitzenforschung ausrichtet.

Da durch das Netz der deutschen Hochschulbibliotheken der Grundbedarf in den größeren altertumswissenschaftlichen Fächern (Vor- und Frühgeschichte, Alte Geschichte, Klassische Archäologie und Klassische Philologie) weitgehend gedeckt ist, wird sich der Bestandsaufbau des neuen FID Altertumswissenschaften auf den Spitzenbedarf dieser Fächer und auf die kleinen, weniger verbreiteten Fachdisziplinen fokussieren.

Charlotte Schubert: Dieses Modell setzt natürlich eine aktive und zur Initiative bereite Fachcommunity voraus. Das alte Modell war möglicherweise bequemer, hat aber auch oft genug Kritik herausgefordert. Man hat jetzt wohl kaum schon genug Erfahrung für ein abschließendes Urteil oder einen bewertenden Vergleich.

H-Soz-Kult: Welche Veränderungen erwarten Sie nach der Bereitstellung der neuen FID-Angebote und welche Wünsche und Vorschläge würden Sie an eine Weiterentwicklung des FID knüpfen?

Charlotte Schubert: Weitere Unterstützung wäre erwünscht für die Ausarbeitung von Workflows, insbesondere für das elektronische Publizieren und digitale Editionen, indem z.B. für die Grundlagen von digitalen Editionen die entsprechenden Workflows und Beispiele von Best Practices angeboten würden. Dazu gehört auch die Beratung bei der Standardisierung, bei den Metadaten und den PIDs (Persistent Identifier): Ich frage mich, warum der Trend so stark in Richtung doi (digital object identifier) geht, obwohl es sich dabei um ein kommerzielles Unternehmen handelt und in keiner Weise sichergestellt ist, daß das Angebot nicht in absehbarer Zeit mit höheren Gebühren belegt wird; m.E. sollte man flächendeckend auf urn (uniforn ressource name) umsteigen.

Ein anderer wichtiger Aspekt ist, daß für die Integration in die wissenschaftliche Arbeit an klassischen Fragestellungen die Möglichkeit der persistenten und den fachlichen Standards genügenden Zitiermöglichkeit realisiert werden muss. Dazu reicht die doi bzw. einfache urn nicht aus, da sie nur auf das Objekt als Ganzes, d.h. ein Werk als Einheit, bezogen ist und nicht, wie beim klassischen Zitieren in den Altertumswissenschaften, die Referenz auf einen Satz oder eine Zeile möglich ist (vgl. oben zu meinem jetzt laufenden DFG-Projekt, in dem dies für die lateinische Literatur der BTL Online exemplarisch etabliert werden soll).

Weiterhin wäre ein einheitlicher Zugang zu den Ressourcen sinnvoll: Derzeit ist es sehr hinderlich, wenn für jede Ressource ein eigener Zugang mit Authentifizierung hergestellt werden muss: brillonline (DNP und Reihenwerke), Jstor, Project Muse etc. sind nicht direkt über Propylaeum ansteuerbar. Vielleicht könnte man dies in Zukunft ändern.

Schließlich wäre natürlich der kontinuierliche Ausbau des Online-Angebots von Volltextdatenbanken und die Integration von Handschriften-Datenbanken sowie die weitere Anbindung von Bearbeitungs- und Auswertungstools wünschenswert.

Maria Effinger: Der FID Altertumswissenschaften ist sehr bemüht, das von Frau Prof. Schubert oben angesprochene Online-Angebot weiter auszubauen, die Retrievalmöglichkeiten in PropylaeumSearch zu verbessern und gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum für Lizenzen in Göttingen und Berlin (KfL) die Zugangshürden zu den einzelnen Quellen zusehends niedrigschwelliger zu gestalten.