HRG: Befristete Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

Von
Ulrich Herbert, Historisches Seminar, Universität Freiburg

Befristete Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
Hier: „Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich“ sowie
Beschluss des Deutschen Bundestages vom 1. Dezember 2004

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Frage der befristeten Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen über die 12-Jahres-Frist hinaus hat sich ein neuer Sachstand ergeben.

Da das Bundesverfassungsgericht am 27. Juli 2004 die 5. HRG-Novelle für ungültig erklärt hat, ist Anfang Dezember 2004 das „Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich“ verabschiedet worden, das die in der HRG-Novelle enthaltenen arbeitsrechtlichen Veränderungen, die nicht von der Kritik des BverfG betroffen waren, erneut in Kraft setzt. In diesem Gesetz ist auch die 12-Jahres-Regel wieder aufgenommen und somit die alte Problematik wieder hergestellt worden, wonach eine befristete Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über die 12- bzw. 15-Jahresfrist hinaus zumindest sehr erschwert, wenn nicht praktisch unmöglich gemacht wird.

Allerdings hat sich in der Regierung wie in allen Parteien des Bundestags mittlerweile eine Veränderung der grundsätzlichen Haltung ergeben, und auch das Wissenschaftsministerium hat sich nunmehr dem Vorschlag des Wissenschaftsrats weitgehend angeschlossen. Danach sollen Wissenschaftler nach Ablauf der 12-Jahres-Frist in der Regel unbefristet beschäftigt werden. Sollte die über Drittmittel gesicherte Finanzierungsgrundlage jedoch wegfallen, soll für diese Mitarbeiter ein erleichtertes Kündigungsrecht möglich sein.

Eine entsprechende Reform der arbeitsrechtlichen Bestimmungen bereits zum 1.1. 2005 war, so wird intern erklärt, aus Zeitgründen nicht möglich, weil für eine solche Veränderung Abstimmungen insbesondere mit Arbeitsministerium und verschiedenen beteiligten Gruppen notwendig seien. Bis die neue Regelung ausgearbeitet ist, gelten verlängerte Übergangszeiten.

Der Bundestag hat daher in seiner Sitzung am 3. Dezember 2004 eine Entschließung angenommen, in welcher er die Bundesregierung auffordert, ebenso zu verfahren.

Dadurch besteht eine doch nun realistische Hoffnung, daß diese Problematik nun in überschaubarer Zeit vernünftig gelöst werden kann. Es ist mittlerweile auch nicht mehr strittig, daß diese Bestimmung zu einer erheblichen Verschlechterung der Lage an den Hochschulen und zu einer Intensivierung der Abwanderungen qualifizierter Wissenschaftler ins Ausland beigetragen hat.

Sollten an Ihrer Hochschule oder Institution Beschäftigungen mit Hinweis auf die 12-Jahresfrist abgelehnt werden, verweisen Sie bitte auf diese Entschließung des Bundestages:
(http://dip.bundestag.de/btd/15/044/1504418.pdf., Nummer 6 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 15/4418)

Mit freundlichem Gruß,
Ulrich Herbert

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Anlage:

„Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich“
Beschluss des Deutschen Bundestages
Nummer 6 der Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/4418

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

vor dem Hintergrund der Empfehlungen des Wissenschaftsrats von Januar 2004 auf eine Verbesserung der tarifvertraglichen Rahmenbedingungen für eine unbefristete Beschäftigung von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern, die auf Drittmittelbasis forschen, hinzuwirken und Vorschläge für eine wissenschaftsadäquate Ausgestaltung des Kündigungsschutzrechts so rechtzeitig vorzulegen, dass diese möglichst frühzeitig vor Ablauf der Übergangsfrist eine dauerhafte Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten ermöglichen.

Begründung
1.
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004, mit der die 5. HRG-Novelle aus formalen Gründen für nichtig erklärt wurde, war auch das mit diesem Gesetz im Jahr 2002 eingeführte neue Befristungsrecht des Hochschulrahmengesetzes entfallen. Damit war befristeten Verträgen, die seit dem 23. Februar 2002 geschlossen worden waren und die sich auf das neu gestaltete Zeitvertragsrecht gestützt hatten, die rechtliche Grundlage für die Befristung entzogen.

Für Tausende von befristeten Arbeitsverträgen besteht deshalb derzeit eine unklare Rechtslage; Hochschulen und Forschungseinrichtungen droht eine Klagewelle durch wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre befristeten Arbeitsverhältnisse nach Wegfall der Rechtsgrundlage jetzt als unbefristet ansehen könnten.

Unabhängig vom Ausgang der Klagen würde dies zu massiven Spannungen zwischen den Beteiligten führen und über einen längeren Zeitraum wissenschaftliche Arbeit und Personalentwicklung in Hochschulen und Forschungseinrichtungen behindern. Im Erfolgsfall würden die Klagen zu einer Blockade von Nachwuchswissenschaftlerstellen und damit des Innovationssystems in Deutschland führen.

In dieser Situation ist es unausweichlich, mit höchster Priorität wieder Rechtssicherheit für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit befristeten Arbeitsverträgen herzustellen. Dies kann nur dadurch geschehen, dass der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verursachte Wegfall der Rechtsgrundlage für die Zeitverträge durch rückwirkende Wiederinkraftsetzung des Befristungsrechts geheilt wird.

Würden bei dieser Gelegenheit Änderungen an den Befristungsregeln vorgenommen, wären dadurch neue Komplikationen vorprogrammiert. Dies gilt es aber im Interesse der betroffenen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu vermeiden.

Die im Entwurf der Koalitionsfraktionen eines Gesetzes zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich vorgesehenen Regelungen des Befristungsrechts in den §§ 57a bis 57e des Hochschulrahmengesetzes (HRG) sind deshalb identisch mit den durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer Vorschriften vom 16. Februar 2002 (BGBl. I S. 693) geschaffenen Regelungen.

In § 57f wird eine ergänzende Übergangsregelung für diejenigen befristeten Arbeitsverträge vorgesehen, die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 auf Basis des wieder aufgelebten „alten“ Befristungsrechts abgeschlossen worden sind.

2.
Der für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie mit wissenschaftlichen und künstlerischen Hilfskräften im Hochschulrahmengesetz vorgesehene Befristungsrahmen von 12 Jahren bzw. 15 Jahren im Bereich der Medizin ermöglicht eine langjährige befristete Beschäftigung, ohne dass hierfür jeweils eine sachliche Begründung erforderlich ist.

Damit verfügt der Wissenschaftsbereich über komfortable Bedingungen, die ihn gegenüber allen anderen Arbeitgebern in Deutschland privilegieren.

Auch nach Ausschöpfung des wissenschaftsspezifischen Befristungsrahmens für die Qualifizierungsphase ist eine weitere Anstellung auf befristeten Stellen in Deutschland nicht ausgeschlossen, es gilt dann aber für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge das, was für alle anderen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch gilt, nämlich das allgemeine Arbeitsrecht. Und dieses sieht vor, dass ein befristeter Arbeitsvertrag einer sachlichen Begründung bedarf.

Grund hierfür wiederum ist, dass das deutsche wie auch das europäische Arbeitsrecht als Regelfall das unbefristete Arbeitsverhältnis vorsehen. Befristete Arbeitsverhältnisse müssen danach Ausnahmecharakter haben.

Europarechtlich wurde insoweit mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates der Europäischen Union vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge eine hinsichtlich des mit der Richtlinie zu erreichenden Ziels für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindliche Rechtsgrundlage geschaffen. Die Richtlinie schafft erstmals gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für befristete Arbeitsverträge im Bereich der Europäischen Union und setzt damit europäische Mindeststandards. Zugleich wird in der Richtlinie festgestellt, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden.

In Deutschland ergibt sich aus der Schutzfunktion des Grundrechts aus Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem in Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes verankerten Sozialstaatsprinzip die Verpflichtung zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an arbeitsrechtlichem Bestandsschutz. Die einfachgesetzliche Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen findet sich im Kündigungsschutzgesetz.

Um die Umgehung des Kündigungsschutzes durch den Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse zu vermeiden, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung Grundsätze für die Kontrolle befristeter Arbeitsverhältnisse, insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen eines sachlichen Grundes, entwickelt. Diese Grundsätze wurden in dem am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Teilzeit- und Befristungsgesetz kodifiziert.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt die Finanzierung aus Drittmitteln für sich genommen keine Befristung. Die Unsicherheit der finanziellen Entwicklung allein ist noch kein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages. Dementsprechend reicht auch die allgemeine Unsicherheit über das Weiterlaufen von Drittmitteln nicht als Sachgrund für eine Befristung aus. Erforderlich ist vielmehr bei Abschluss eines auf Drittmittelfinanzierung gestützten befristeten Arbeitsvertrages eine schlüssige Prognose, dass die Drittmittel nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen.

Diese verfassungs-, europa- und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen unterstreichen die Notwendigkeit, im Zusammenwirken von tarifvertraglichen und gesetzlichen Regelungen zu einer Lösung zu kommen, die die dauerhafte Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten ermöglicht.

3.
Die neugefasste Übergangsregelung in § 57f HRG sieht vor, dass befristet beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nach Ausschöpfung des HRG-Befristungsrahmens mit einer Laufzeit bis zum 29. Februar 2008 befristet beschäftigt werden können. Hierdurch soll zum einen der erneute Übergang auf das neue Befristungsrecht erleichtert werden.

Zum anderen soll das dadurch vorhandene Zeitfenster dazu genutzt werden, die Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach der Qualifizierungsphase zu verbessern. Die Grundlage hierfür bilden die am 30. Januar 2004 vom Wissenschaftsrat beschlossenen „Empfehlungen zu einem Wissenschaftstarifvertrag und zur Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter“.

Diese enthalten u. a. Vorschläge für eine Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach der Qualifizierungsphase. Ziel der Vorschläge ist es, die unbefristete Beschäftigung qualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professur zu erleichtern.

Die heutige Situation wird vom Wissenschaftsrat – und nicht nur von ihm – als unbefriedigend und nicht sachgerecht angesehen. Hochschulen und Forschungseinrichtungen verfügen zwar über die rechtliche Möglichkeit, qualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Dauer zu beschäftigen. Derzeit ist es aber so, dass eine unbefristete Beschäftigung im öffentlichen Dienst praktisch gleichzusetzen ist mit einem unkündbaren Arbeitsverhältnis. Wissenschaftseinrichtungen und insbesondere die Universitäten beschäftigen daher erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professur nur in Ausnahmefällen unbefristet.

Das gegenwärtige Befristungs- und Kündigungsrecht erweist sich im Wissenschaftsbereich so als Hemmnis für eine dauerhafte Beschäftigung. Konkret empfiehlt deshalb der Wissenschaftsrat, die Kündigungsgründe im Angestelltenverhältnis beschäftigter wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im HRG wissenschaftsadäquat zu präzisieren. Der dauerhafte Wegfall von Drittmitteln soll einen Kündigungsgrund darstellen, die Hürden für eine betriebsbedingte Kündigung sollen herabgesetzt werden.

Ergänzend wird die Aufhebung des in § 53 BAT (West) geregelten Ausschlusses einer betriebsbedingten Kündigung nach 15-jähriger Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst für erforderlich gehalten.

Beide Komponenten dieses Vorschlags müssen verlässlich umgesetzt werden, damit das Ziel einer vermehrten unbefristeten Beschäftigung erreicht werden kann. Allein eine wissenschaftsadäquate Ausgestaltung des Kündigungsrechts, die nur auf gesetzlichem Wege erfolgen kann, würde hier nicht helfen, solange eine betriebsbedingte Kündigung generell ausgeschlossen ist. Die Unkündbarkeitsregelung in § 53 BAT (West) ist Gegenstand der derzeit laufenden Verhandlungen über eine Reform des BAT.

Die Koalitionsfraktionen haben bereits in der Begründung ihres Entwurfs für ein Gesetz zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich deutlich gemacht, dass sie unabweisbaren Handlungsbedarf sehen, die Rahmenbedingungen für die unbefristete Beschäftigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nach der Qualifizierungsphase auf der Grundlage der Wissenschaftsratsempfehlung zu verbessern.

Damit bis zu einer dauerhaft tragfähigen Regelung der dauerhaften Beschäftigungsmöglichkeiten nach der Qualifizierungsphase für die derzeit beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine verlässliche Perspektive für eine Beschäftigung im Wissenschaftsbereich besteht, sieht der Gesetzentwurf eine Verlängerung des Übergangszeitraums für den Abschluss sachgrundlos befristeter Beschäftigungsverhältnisse auch nach Ausschöpfung des HRG-Befristungsrahmens um 3 weitere Jahre bis Ende Februar 2008 vor.

Eine dauerhaft tragfähige Lösung soll rechtzeitig vor Ablauf der Übergangsfrist möglichst bis Ende des Jahres 2006 angestrebt werden.

Berlin, den 1. Dezember 2004

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