Forum: M. Kaun Stabi Berlin): FID CrossAsia

Von
Matthias Kaun, Staatsbibliothek zu Berlin

Abschließend zum Themenschwerpunkt Fachinformationsdienste veröffentlichen wir heute ein Interview zum FID CrossAsia, der sich an der Staatsbibliothek zu Berlin den verschiedenen Regionen Asiens widmet; das Interview haben wir schriftlich mit Matthias Kaun, Projektleiter des FID, geführt.

H-Soz-Kult: Vielen Dank an Sie für Ihre Bereitschaft zu einem kurzen Bericht über den derzeitigen Stand in Ihrem Fachinformationsdienst. Können Sie kurz die Entwicklungen im Projekt CrossAsia skizzieren und welche neuen elektronischen Dienste wurden seit 2016 im FID entwickelt?

Ziele des FID Asien https://crossasia.org sind der Ausbau und der vertrauenswürdige und verlässliche Betrieb eines fachspezifischen Informationsservices für die asienbezogenen Wissenschaften, der sich am wissenschaftlichen Spitzenbedarf orientiert. Über die regionalspezifische Versorgung hinaus wird eine disziplinenübergreifende Informationsinfrastruktur zu und über Asien etabliert. Von diesem Angebot profitieren insbesondere die multidisziplinäre sowie regional und transregional ausgerichtete universitäre und außeruniversitäre Forschung und Lehre. Im Mittelpunkt stehen folgende Regionen: Ost- und Zentralasien (VR China inkl. der Westregion Chinas und Tibet, Taiwan, Mongolei, Nord- und Südkorea, Japan, Hongkong, Macao), Südasien (Indien, Pakistan, Sri Lanka, Nepal, Bhutan, Malediven, Tibet vor 1951) und Südostasien (Myanmar, Vietnam, Thailand, Laos, Kambodscha, Indonesien, Singapur, Brunei, Malaysia, Osttimor, Philippinen). Die Staatsbibliothek zu Berlin verantwortet in dem Kooperationsprojekt die Regionen Ost-, Zentral- und Südostasien. Die UB Heidelberg verantwortet die Region Südasien.

Die Staatbibliothek zu Berlin hat schon seit 2002 elektronische Ressourcen in die Angebote des damaligen Sondersammelgebiets Ost- und Südostasien integriert und gleichzeitig standardbildend andere Lizenzierungsprozesse im Kontext überregionaler Zugangsmöglichkeiten beeinflusst. Bereits vor der Etablierung des FID-Fördersystems wurden seit 2011 Text- und Datamining-Rechte in den Lizenzverträgen verankert. Insofern haben wir mit den um TDM-Rechte erweiterten Ressourcen die Möglichkeit, die Daten in ein „Integriertes Textrepositorium“, das auf Basis von FEDORA 4 an der Staatsbibliothek betrieben wird, zu speichern, ähnlich wie Bücher in einem Regal die Daten zu verwalten und für verschiedene Services bereitzustellen. Wir betrachten diese im Volltext verfügbaren Daten, ursprünglich handgeschriebene oder gedruckte Quellen, als Forschungsdaten. Mittlerweile werden mehr 50.000 Titel im CrossAsia Repositorium verwaltet; für die meisten können wir als ersten erweiterten Service nun eine Volltextsuche auf diesen lizenzierten Bestand anbieten (https://crossasia.org/service/crossasia-lab/volltext-suche-a/). In einer weltweit unbeschränkt zugänglichen Suche werden die aus den lizenzpflichtigen Texten indexierten und gefunden Stellen als Snippets angezeigt. Registrierte Nutzerinnen und Nutzer haben dann die Möglichkeit, direkt in die Datenbank, in der der Treffer gefunden und als relevant eingeschätzt wurde, zu wechseln. Parallel arbeiten wir an einer Schnittstelle, um passgenau einen Datenfluss zu bieten, der verschiedene Ansätze im Kontext Digital Humanities unterstützt, ohne die Lizenzvereinbarungen zu unterminieren.

Ein weiterer neuer Dienst bezieht sich auf die CrossAsia-Suche: Diese wurde um zusätzliche bibliographische Daten von Daten- und Buchanbietern erweitert, so dass nun auch aus der Suche heraus eine Buchbestellung (Anschaffungswunsch) angestoßen werden kann. Die Suche vereint somit die klassische Bestellung über den Blauen Leihverkehr, die Ortsleihe in Berlin, den direkten Zugriff auf ein elektronisches Dokument, die Möglichkeit der Bestellung eines nicht vorhandenen Titels, die Möglichkeit eines kostenfreien Digitalisierungsauftrags sowie – als eine Art Synergieeffekt, der sich aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Daten aus den Regionen ergab – eine bessere Sicht auf weltweit bereits digital verfügbare Bestände. 1

Wie haben Sie die Fachcommunity einbezogen? Welche Rolle übernehmen Fachverbände und Beiräte in Ihrem FID? Und erhalten Sie Feedback von WissenschaftlerInnen in diesem Kontext?

Neu im FID ist die Etablierung des Fachbeirats, der den FID Asien regelmäßig berät und unterstützt. Der Fachbeirat setzt sich zusammen aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zu allen im FID verantworteten Regionen forschen. Es wurde gleichzeitig versucht, alle Fachverbände und relevanten Vereinigungen zu integrieren. Wichtigstes Mittel zur Einbeziehung der Fachcommunity ist aber unsere Ansprechbarkeit und die Kommunikation mit unseren Nutzerinnen und Nutzern: Mehrfach im Jahr führen wir Veranstaltungen an Universitäten z.B. auch in Verbindung mit Kursen – entweder vor Ort oder als Webinar – durch, wir bieten ein Blog und ein Forum an und stehen jederzeit per Email oder (zeitlich eingeschränkt) telefonisch zu Verfügung. Darüber hinaus bietet unsere CrossAsia-Suche die Möglichkeit, direkt gedruckte oder elektronische Materialien über den FID zur Erwerbung oder Lizenzierung vorzuschlagen. Da der FID Asien alle asienbezogenen Wissenschaften berücksichtigt, ist eine weite Kommunikation wichtig; eine enge Kooperation mit unserer NutzerInnen-Kerngruppe über den Fachbeirat ist extrem hilfreich. In der ersten Förderphase konnte eine Fachtagung in Berlin organisiert werden, die auf große Resonanz stieß. An zwei Tagen mit 20 Vorträgen und einem Round Table haben zwischen 70 und 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Asienforschung im Hinblick auf Digital Humanities diskutiert. Außerdem stellten sie sich der Frage, wie der Fachinformationsdienst Asien sowie die Plattform CrossAsia die Forschung und Lehre in den asienrelevanten Wissenschaftsbereichen unterstützen können 1.

Welche Lizenz- und Erwerbungsmodelle haben Sie entwickelt, wie gestaltet sich der Übergang vom umfassenden SSG-Erwerbungsmodell zum Nutzungs- bzw. Bedarfsgesteuerten Betrieb? Welche Kooperationsmodelle, welche Überschneidungen zu anderen FIDs haben sich in der Praxis ergeben und wie stimmen Sie Lizenzierung und Erwerb ab? Wie gestaltet sich die Zugangssteuerung zu lizenzpflichtigen Ressourcen?

Aufgrund der langen positiven Erfahrung differenzieren sich die Anforderungen für das Lizenzgeschäft immer weiter aus, wie bereits oben ausgeführt im Bereich TDM-Rechte und Rechte zur Volltextindexierung und Anzeige der Suchergebnisse. Der FID Asien ist extrem inklusiv angelegt: Jede Einrichtung, jedes Institut in Deutschland hat die Möglichkeit, die lizenzierten Inhalte zu nutzen. Gemäß unserer Lizenzverträge müssen wir keine Einschränkungen machen. In einem Fall ist es uns gelungen, alle Datenbanken des Anbieters Adam Matthews weiterhin über CrossAsia anzubieten, aber nun zusätzlich auch den Zugang als klassische Nationallizenz für alle berechtigten Einrichtungen in Deutschland zu ermöglichen. Darüber hinaus lizenziert der FID Asien seit Jahren gemeinsam mit dem Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW) eine wirtschaftswissenschaftliche Datenbank, auf die sowohl die ZBW und der FID Asien Zugriff haben.

Technisch ist mit dem vollständigen Umstieg auf Shibboleth (als erster FID) ein wichtiger Schritt in Richtung übergreifender Autorisierung und Authentifizierung gelungen. Ziel war es schon seit Jahren, den Nutzerinnen und Nutzern der lizenzpflichtigen Angebote eine Möglichkeit zu bieten, die Rechte, die sie über den FID erhalten, mit denen, die sie aus ihrer Heimateinrichtung wie z.B. ihrer Universität mitbringen, zu verzahnen. Im Bereich der Authentifizierung und Autorisierung versucht die Staatsbibliothek sich ständig weiterzuentwickeln und auch den Prozess auf nationaler Ebene mitzugestalten.

Welche Rolle spielen digitale Ressourcen (ebooks, Fachdatenbanken) in Ihrem FID? Lassen sich ggf. Veränderungen in Ihrem Angebotsportfolio hin zu digitalen Ressourcen bereits in einem veränderten Nutzungsverhalten messen?

Elektronische Ressourcen spielen seit jeher bei der Angebotsgestaltung des FID Asien die größte und wichtigste Rolle. Nur mit einem äußerst attraktiven und inhaltlich rundum überzeugenden inhaltlichen Angebot und Service wird der FID als Partner der Wissenschaft akzeptiert und genutzt. Der hohe Spezialisierungsgrad und Umfang der inhaltlichen Angebote aus vornehmlich Ost- und Zentralasien sorgt im Fall des FID Asien für eine hohe inhaltliche Relevanz. Aufgrund der langen Erfahrung im Bereich der Integration lizenzierter elektronischer Inhalte können wir über die letzten Jahre hinweg ein sehr stabiles Nutzungsverhalten auf hohem Niveau feststellen. Dieses hohe Niveau bezieht sich vor allem auf Inhalte, die für die Regionen Ost-, Zentral- und Südostasien relevant sind. Das lässt sich aber auch für den gedruckten Bestand feststellen: Auch dieser wird stark nachgefragt; die Integration von Daten verschiedener Anbieter in unsere CrossAsia Suche führte im Bereich Ost- und Zentralasien zu einer großen Resonanz und starken Nutzung über die Plattform CrossAsia.

Welche laufenden (ad-hoc)-Veränderungen haben sich während der Umsetzungsphase Ihrer geplanten Vorhaben im Vergleich zu ursprünglichen Vorhaben ergeben?

Auch wenn wir und unsere Nutzerinnen und Nutzer die heutigen und zukünftigen Fragen rund um den Komplex Forschungsdaten noch nicht richtig greifen können, haben wir auf der CrossAsia Fachtagung Anfang 2018 verstanden, dass Forschungsdaten und Angebote zur nachhaltigen Verfügbarkeit von Forschungsergebnissen für den FID Asien zukünftig von großer Relevanz sein werden. Der FID Asien hat sich in der ersten Phase vorsichtig dem Thema Forschungsdaten und Angebote zur Absicherung von Forschungsprojekten und -ergebnissen genähert. Bereits zum Ende der ersten Phase der FID-Förderung rückt das Thema Forschungsdaten nun stärker in den Vordergrund. Der Aufbau des Integrierten Textrepositoriums markiert den Anfang, eine wissenschaftsunterstützende Infrastruktur für die asienbezogenen Wissenschaften zu etablieren. Der ‚Nationale Forschungsdateninfrastruktur‘-Prozess (NFDI) unterstützt und bestärkt diese neuen Aktivitäten des FID Asien.

Welche Evaluierungen, Nutzungsstudien etc. haben Sie oder Dritte vorgenommen? Welche Ziele und Perspektiven sehen Sie für Ihren FID, wie wird der weitere Ausbau gestaltet?

Die Staatsbibliothek zu Berlin und der FID Asien mit seiner Plattform CrossAsia versuchen, so viele Nutzungsstatistiken zu erheben, wie möglich. Neben der klassischen Nutzung der Webseite spielen vor allem die Statistiken zur Nutzung der lizenzpflichtigen Angebote eine große Rolle. Darüber hinaus werden die Fernleihanfragen und Bestandsbezogene Auskunftswünsche etc. statistisch erfasst und regelmäßig (Anfragen zu welchem Bestand, welcher regionaler Bezug) ausgewertet. Dazu betrachten wir quantitativ, aber auch qualitativ das Informations- und Kommunikationsverhalten im CrossAsia Blog, aber vor allem dem CrossAsia Forum. Wir wissen genau, wie viele Anfragen zum Thema Asien mit welchen regionalen oder fachlichen Schwerpunkten an uns herangetragen werden. Bedingt durch die große Umfrage der Prognos AG im Kontext der DFG-Programmevaluation des FID-Systems Ende 2017 und um unsere Nutzerinnen und Nutzer nicht mehrfach zu belasten, haben wir bislang noch keine weitere Umfrage, die sich an alle unsere Nutzergruppen richtet, durchgeführt.

Im Frühjahr 2018 haben die Staatsbibliothek zu Berlin und die UB Heidelberg gemeinsam einen neuen Antrag für eine zweite Förderphase bei der DFG eingereicht. Die Schwerpunkte der geplanten Fortführung des FID liegen auf dem Ausbau und Betrieb der in den ersten Jahren etablierten Service-Angebote. Das Thema Forschungsdaten wird nicht zuletzt bedingt durch den Auf- und Ausbau des Integrierten Textrepositoriums einen Schwerpunkt bilden. Neu wird die Öffnung der Plattform CrossAsia für andere Arbeiten und Projekte weiterer Hochschulen sein. Im Rahmen von Satellitenprojekten, die separat und zeitversetzt beantragt werden, sollen exemplarisch jeweils ein Projekt der Universität Passau zum Bereich Südostasien, Myanmar und ein Projekt zur Region Japan, das von der Ruhr-Universität Bochum geplant wird, durchgeführt werden. Die Idee hinter diesen mit dem FID verbundenen Projekten ist , die zentrale FID Plattform auch anderen Projekten anzubieten, gleichzeitig aber die Sichtbarkeit der Einrichtungen, die für die Satellitenprojekte verantwortlich zeichnen, zu ermöglichen und zu garantieren und darüber hinaus die Projekte und die darin entstehenden Daten in einem übergeordneten Kontext zu präsentieren und zu integrieren. Gleichzeitig wird CrossAsia damit für die Bearbeitung von nicht-textuellen Materialien geöffnet. Die bisherige Beschränkung auf textuelle Materialien kann so mithilfe von Kooperations- und Satellitenprojekten aufgehoben werden. Die enge Verzahnung mit der Wissenschaft kann dann dazu beitragen, dass die auch anderen Einrichtungen offenstehenden Angebote und die Infrastruktur geplant und abgestimmt werden und sinnvoll die bisherigen Services erweitern.

Anmerkung:
1 Siehe auch Matthias Kaun, FID CrossAsia – Asien: Woher – Wohin: Der FID CrossAsia – Asien, https://zs.thulb.uni-jena.de/receive/jportal_jparticle_00562260, (01.11.2018).
[2] Siehe https://blog.crossasia.org/ueber-die-crossasia-fachtagung-2018/ (01.11.2018).