N.N. (Hrsg.): Geschichte des Altertums in den Darstellungen von J. G. Droysen, Th. Mommsen, J. Burckhardt, R. v. Pöhlmann und Ed. Meyer. . Berlin 2001 : Directmedia Publishing, ISBN 3-89853-155-4 1 CD-ROM € 99,90

: Martin, Damken (Hrsg.): Römische Geschichte und römisches Recht. . Berlin 2002 : Heptagon, ISBN 3-934616-30-5 1 CD-ROM € 54,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Rebenich, Alte Geschichte, Universität Mannheim

Rechtzeitig zum Doppeljubiläum sind die wichtigsten Werke Theodor Mommsens auch auf CD-ROM verfügbar. Im Dezember letzten Jahres jährte sich die Verleihung des Literaturnobelpreises zum hundertsten Mal, und am 1. November 2003 wird der hundertsten Wiederkehr seines Todes gedacht. Der Althistoriker Theodor Mommsen war der erste deutsche Laureat des zum zweiten Mal verliehenen Preises. Die Wahl des Nobelkomitees traf ihn völlig unvorbereitet. Den mit über 150.000 Mark dotierten Preis bezeichnete er als Lotteriegewinn. Mommsen hatte im Ausscheidungsverfahren Konkurrenten wie Mark Twain, Henrik Ibsen, Emile Zola, Gerhard Hauptmann und zu guter Letzt sogar Leo Tolstoi ausgestochen. 1 Ausgezeichnet wurden die drei Bände der "Römischen Geschichte", die Mommsen als junger Professor Mitte des 19. Jahrhunderts geschrieben hatte.

Dargestellt wird die politische Geschichte Roms von den Anfängen bis zum Sieg Caesars über die Pompeianer in der Schlacht von Thapsus 46 v. Chr. Rechts-, kultur-, wirtschafts- und literaturgeschichtliche Partien sind eingeschaltet, in denen Mommsen über Verfassung, Religion, Ackerbau, Kunst und Erziehung handelt oder herrliche Porträts lateinischer Autoren zeichnet. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die aristokratische Führungsschicht, die Nobilität. Deren Bedeutung für die Expansion Roms zunächst in Italien und dann im Mittelmeerraum wird ausführlich dargelegt. Der eigentliche Fokus ist die Krise der späten Republik, die mit den Gracchen einsetzt. Eingehend beschreibt Mommsen die Abfolge der gescheiterten Reformversuche und die Stationen der sozialen und politischen Desintegration. Der unaufhaltsame Niedergang der durch den Senat herrschenden Oligarchie wird erst durch Caesar überwunden, der als Volksgeneral und Demokratenkönig der maroden Res publica nochmals unsterblichen Ruhm verleiht.

Das Werk war mit dem Herzblut des liberalen Achtundvierzigers geschrieben, der das Scheitern der Revolution historiographisch kompensierte und nun einer die Nation einigenden Machtpolitik das Wort redete. Die politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit verlegte er in den römischen Senat, damit das gebildete Publikum sich im alten Rom wiederfinden konnte. So vermischt die Darstellung die geschichtliche und die zeitgenössische Perspektive. Die Lebendigkeit und Bildhaftigkeit der aktualisierenden Sprache ist kein Selbstzweck, sondern Mittel der politischen Pädagogik, der letztlich auch die Wissenschaftlichkeit geopfert wird. Mommsen schrieb sein Werk cum ira et studio, und er vergegenwärtigte den historischen Stoff. Die eigene Betroffenheit und Verletztheit machten aus der Geschichte des republikanischen Roms ein Paradigma der historiographie engagée.

Der erste Band erschien im Juni 1854, der zweite Band kam zu Weihnachten 1855 in die Buchläden, und der dritte wurde im Frühjahr 1856 veröffentlicht. 1868 war bereits die fünfte Auflage auf dem Markt, 1903, als Mommsen starb, die neunte. 1885 verfaßte Mommsen einen fünften Band, der die Geschichte der römischen Provinzen bis auf Diokletian behandelte. Die "Römische Geschichte" wurde ins Englische, Italienische, Polnische, Spanische, Ungarische, Russische und Französische übersetzt. 1972 erschien eine Ausgabe im Deutschen Taschenbuchverlag, die inzwischen in sechster Auflage verkauft wird. Das dreibändige Werk war und ist ein Welterfolg. 2 Seit geraumer Zeit findet sich der Text der "Römischen Geschichte" im Internet; das "Projekt Gutenberg" zeichnet dafür verantwortlich. 3 Die Digitale Bibliothek bietet nun Mommsens "Römische Geschichte" zusammen mit vier weiteren klassischen Darstellungen zur Geschichte des Altertums aus der Feder bedeutender deutschsprachiger Wissenschaftler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf CD-Rom, nämlich der "Geschichte des Hellenismus" von Johann Gustav Droysen, der "Griechischen Kulturgeschichte" von Jacob Burckhardt, der "Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt" von Robert von Pöhlmann und der universalhistorisch konzipierten, allerdings nicht vollendeten "Geschichte des Altertums" von Eduard Meyer.

Maßgeblich für die Auswahl war Karl Christs richtungweisende Studie zu Leben und Werk führender Althistoriker, 4 dessen luzide Porträts von Droysen, Mommsen, Burckhardt, von Pöhlmann und Meyer dankenswerterweise vom Verlag ebenfalls reproduziert wurden, sodass der Benutzer der CD-Rom die "Meilensteine" altertumswissenschaftlicher Historiographie in deutscher Sprache wissenschaftsgeschichtlich verorten kann. Die Textgrundlage für die Digitalisierung ist zuverlässig. Allerdings bleibt unverständlich, warum der instruktive Anhang von Friedrich Oertel zur dritten Auflage von Pöhlmanns "Geschichte der sozialen Frage" nicht wiedergegeben wurde. Gewisse Versehen sind dem Verlag anzulasten: Die Literaturhinweise reflektieren den Stand der Erstauflage von Karl Christs Darstellung aus dem Jahr 1972; die Nachträge der dritten Auflage von 1989 blieben unberücksichtigt. Bibliografisch ist dieses neue Medium folglich veraltet. Zumindest ein Hinweis auf die im Erscheinen begriffene Jacob-Burckhardt-Gesamtausgabe hätte in der Einleitung erfolgen können; inzwischen liegen die ersten beiden Bände der kritischen Edition der "Griechischen Kulturgeschichte" vor. 5 Die Einführung zu der CD-ROM Ausgabe ist weder in sprachlicher noch in wissenschaftlicher Hinsicht ein Aushängeschild. Der Leser kann zwischen "varronischer" und "varonnischer" Zählung der Jahre der Stadt Rom wählen, und aus dem Basler Jacob Burckhardt wird ein deutscher Althistoriker. Der Verlag wäre besser beraten gewesen, auch die vorzügliche Einleitung von Karl Christ zur dtv-Ausgabe wiederzugeben. 6

Über Sinn und Nutzen der Digitalisierung umfangreicher historiographischer Darstellungen ist trefflich zu streiten. 7 Niemand wird Mommsens "Römische Geschichte" oder Burckhardts "Griechische Kulturgeschichte" am Bildschirm lesen wollen. Wohl aber bietet die CD-ROM zahlreiche Recherche- und Exportmöglichkeiten, die ihre Anschaffung für den Benutzer empfehlen, der mit den epochemachenden Darstellungen zur Geschichte der Alten Welt zu arbeiten hat. Die Vorzüge der inzwischen umfangreichen Digitalen Bibliothek sind hinlänglich bekannt: vier verschiedene Darstellungsmodi (Halbseitenmodus zum Lesen, Standardmodus zum Recherchieren, Doppelseitenmodus zum Textvergleich, Mikrofichemodus zur Übersicht), einfache Suche zum Auffinden von einzelnen Wörtern oder Zitaten, komplexe Suche mit Operatoren und Platzhaltern, benutzerfreundliches Exportieren auch größerer Passagen in ein Textverarbeitungsprogramm, zuverlässige Seitenkonkordanzen zur benutzten Buchausgabe und hervorragende Markierungs- und Kommentierungsinstrumente.

Die "Römische Geschichte" Theodor Mommsens endete mit dem Untergang des republikanischen Rom und der Apotheose Caesars. Die Alleinherrschaft des Diktators ist Teil einer anderen Geschichte, die Mommsen erzählen wollte, aber nie erzählt hat. Der vierte Band, der mit den Ereignissen nach Thapsus einsetzen und letztlich die Kaiserzeit darstellen sollte, hat Mommsen trotz immer wieder aufflackernder Gerüchte nie geschrieben. Was wir besitzen, sind studentische Mitschriften seiner Vorlesungen, die er später an der Berliner Universität hielt. 8 Sie zeigen eindrücklich, dass Mommsen nie ernstlich daran dachte, dieses Buch zu schreiben: Seine Interessen hatten sich verlagert, die alltägliche Arbeit am Inschriftencorpus und anderen Akademieprojekten ließ ihm keine Zeit (?) und das Werk musste auch deshalb unvollendet bleiben, weil es die Vollendung der römischen Geschichte in der Gestalt Caesars zum Gegenstand hatte.

Statt einer Geschichte der römischen Kaiserzeit schrieb Mommsen das "Staatsrecht", an die Stelle der historiographischen Erzählung setzte er die juristische Systematisierung. 9 Allerdings schob er 1885 einen fünften Band nach, der die Geschichte der römischen Provinzen bis auf Diokletian behandelt. Thema und Intention dieses Werkes sind allerdings nicht mit der dreibändigen "Römischen Geschichte" der fünfziger Jahre zu vergleichen: Das Buch ist eine bahnbrechende Monografie zur althistorischen Regionenforschung, das auf der Grundlage der literarischen Überlieferung und der epigraphischen Denkmäler das politische, administrative, kulturelle, religiöse und sozialökonomische Profil der Provinzen in den ersten drei Jahrhunderten nach Christi Geburt zeichnen will. Nicht zuletzt aus verlegerischen Gründen wurde das Buch als fünfter Band der "Römischen Geschichte" verkauft. Selbstredend wurde der Text dieses Bandes ebenfalls für die CD-ROM-Ausgabe der "Römischen Geschichte" digitalisiert.

Im "Römischen Staatsrecht" konstruierte Mommsen indes das für die römische Vergangenheit maßgebliche Staatsrecht - aus dem Geist des 19. Jahrhunderts. Dabei musste er eine breite Überlieferung literarischer wie nichtliterarischer Herkunft heranziehen, sie nach den Regeln des hermeneutischen Verstehens der Klassischen Philologie interpretieren und deren 'staatsrechtliche' Aussagen mit Hilfe streng juristischer Begriffe systematisieren. Nur so vermochte er etwas vorzulegen, was es im Altertum nicht gab: ein römisches Staatsrecht. Sein juristisches Lebenswerk besteht darin, das römische Staatsrecht durch die logisch klare und methodisch überprüfbare Organisation des Rechtsstoffes neu errichtet und die antiquarische Forschung der "Staatsaltertümer" überwunden zu haben. Mommsens "Staatsrecht" hat die römische Altertumskunde nachhaltig beeinflusst. Die Auseinandersetzung mit dem Produkt der juristischen Methodenlehre des 19. Jahrhunderts dauert an. Auch als Referenz- und Nachschlagewerk ist es unentbehrlich. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass heptagon das "Staatsrecht" nach der maßgeblichen Ausgabe von 1887/1888 auf CD-ROM veröffentlicht hat - gemeinsam mit der Römischen Geschichte (in der 11. Auflage) und Mommsens Alterswerk, dem "Römischen Strafrecht" von 1899. Für die Altertumswissenschaften liegt hiermit ein eminent wichtiger Text in digitalisierter Form vor.

Auch hier ist die Einleitung von Martin Damken kein Ruhmesblatt. Sie weiß nichts über das juristische Œuvre zu berichten und widmet sich vor allem dem politischen Engagement des liberalen Politikers. Unter der plakativen Überschrift "Bereitschaft zur Kompromittierung des Schlafrocks" findet sich manche Verkürzung, manche Stilblüte ("der Feuerkopf Mommsen suhlte sich freilich nicht lange in elegischen Stimmungen") und mancher Fehler (durchgehend Willamowitz statt Wilamowitz). Im Textcorpus ist die Darstellung der altgriechischen Zitate nicht zufriedenstellend: Hier häufen sich die falschen Akzente und Verschreibungen. Wenig hilfreich ist auch das Glossar, in dem der Herausgeber sich tapfer bemüht, römischrechtliche und sonstige Begriffe, die ihm nichts sagen, zu erklären. Die Auswahl (von Abdiktion bis Vocation) ist reichlich willkürlich, lückenhaft und nicht fehlerfrei. Hier wäre dem Benutzer eher mit dem Hinweis auf einschlägige Hilfsmittel gedient gewesen, etwa dem Kleinen Pauly, dem Neuen Pauly oder Heumann-Seckels Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts.

Die technische Gestaltung der CD-ROM ist hingegen vorbildlich. Die Installation verläuft selbst bei bescheidenen Systemvoraussetzungen problemlos. Es finden sich vier Darstellungsmodi, die Parallelansicht verschiedener Abschnitte ist in mehreren Fenstern möglich, die Hilfefunktion ist außerordentlich benutzerfreundlich, das Exportieren bereitet keine Schwierigkeiten, der Text kann markiert werden und die einzelnen Recherchemöglichkeiten (Volltextsuche sowie "unscharfe" und chronologische Suche) verdienen besonders hervorgehoben zu werden. Das Register erlaubt den direkten Zugriff auf die lemmatisierten Begriffe. Alles in allem: Ein höchst willkommenes Hilfsmittel zu einem günstigen Preis.

Anmerkungen:
1 Vgl. Schlange-Schöningen, Heinrich, Theodor Mommsen, in: Antike Welt 33 (2002), S. 698-703.
2 Vgl. Rebenich, Stefan, Theodor Mommsen. Eine Biographie, München 2002, 85ff.
3http://www.gutenberg.aol.de/mommsen/roemisch/roemisch.htm.
4 Christ, Karl, Von Gibbon zu Rostovtzeff. Leben und Werk führender Althistoriker der Neuzeit, 3. Auflage, Darmstadt 1989.
5 Burckhardt, Jacob, Griechische Culturgeschichte, aus dem Nachlaß hrsg. von Burckhardt, Leonhard; Graf, Fritz; von Reibnitz, Barbara; von Ungern-Sternberg, Jürgen, Bd 1: Die Griechen und ihr Mythus. Die Polis, München 2002; Bd. 3: Die Kunst. Die Poesie. Zur Philosophie und Wissenschaft, München 2003. Vgl. die Rez. von Uwe Walter, H-Soz-u-Kult vom 24.1.2003 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=1629).
6 Christ, Karl, Theodor Mommsen und die "Römische Geschichte", im achten Band der dtv-Ausgabe, S. 7-66 (=Christ, Karl, Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte 3, Darmstadt 1983, 26-73).
7 Vgl. hierzu auch Uwe Walter in H-Soz-u-Kult vom 26.08.2002 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=1884) sowie allg. Sehlmeyer, Markus, CD-ROMs und Internet in der spätantiken und mittelalterlichen Geschichtsforschung, in: HZ 274 (2002), S. 367-386.
8 Vgl. Mommsen, Theodor, Römische Kaisergeschichte. Nach den Vorlesungs-Mitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882-86, hrsg. von Barbara und Alexander Demandt, München 1992; sowie Demandt, Alexander, Die Hensel-Nachschriften zu Mommsens Kaiserzeit-Vorlesung, in: Gymnasium 93 (1986), S. 497-519.
9 Mommsen, Theodor, Römisches Staatsrecht, 3 Bände in 5 Teilen, Bd. I, II.1 und II.2, 3. Auflage, Leipzig 1887; Bd. III.1, Leipzig 1887; Bd. III.2, Leipzig 1888; vgl. Rebenich, Theodor Mommsen (wie Anm. 2), S. 107ff.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Geschichte des Altertums in den Darstellungen von J. G. Droysen, Th. Mommsen, J. Burckhardt, R. v. Pöhlmann und Ed. Meyer
Sprache der Publikation
Römische Geschichte und römisches Recht
Sprache der Publikation
rda_languageOfExpression_redig