Cover
Titel
Der Brockhaus multimedial 2002 Premium.


Herausgeber
N, N
Anzahl Seiten
6 CD-ROMs
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr Detlef Fechner, Seminar für Alte Geschichte, Universität Hamburg / Gymnasium Ernestinum Celle

DER BROCKHAUS multimedial 2002 Premium bietet 110 000 Stichwörter, die auf mannigfache Weise miteinander vernetzt sind. Installation und Handhabung sind benutzerfreundlich und einfach in der Bedienung. Neben der üblichen Lexikonsuche können vom Eröffnungsmenü aus Begriffe und Themen auch über die Schaltflächen "Zeitleiste" und "Themen" angesteuert werden. Ein umfangreicher Atlas ist integriert und kann von den Artikeln oder auch direkt aufgerufen werden. Mit der Schaltfläche "Brockhaus 1906" kann ein Vergleich zu den vor ca. 100 Jahren gebotenen Informationen hergestellt werden.

Über das Menü "Kontext" und die Schaltfläche "Wissensnetz" können Vorschlagslisten für weitere benachbarte Artikel generiert werden, so daß sich hier die Vorteile des Mediums deutlich sehen lassen. Die als Grundlagenbeiträge aufgefaßten Themenartikel und die Beiträge zu größeren Einzelartikel weisen Hinweise zu weiterführender Literatur auf. Die Grundlagenartikel und die größeren Einzelartikel sind mit Verfassernamen gekennzeichnet. Export und Druck der Artikel sind möglich. Über die Internetschaltfläche ist die Verknüpfung mit Brockhaus online, xipolis.net, einzelnen sachbezogenen Internetadressen 1 oder Aktualisierungen möglich. Persönliche Erweiterungen oder Anmerkungen zu einem Artikel können ebenfalls vorgenommen werden.

Eine primär unter historischen Gesichtspunkten durchgeführte Überprüfung einzelner Artikel fördert eine sehr unterschiedliche Qualität der verschiedenen Beiträge zu Tage, und zwar sowohl in inhaltlicher Hinsicht wie auch in Bezug auf Umfang, Aktualität und weiterführende Hinweise, Zitierweise und Vollständigkeit der Angaben. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß das im Titel des Werkes auftauchende "2002" die Zugrundelegung des heutigen Forschungsstandes garantiert. Dies sei an einigen Beispielen verdeutlicht.

Der Grundlagenartikel von Egon BOSHOF "Geschichte: Was ist Geschichte" bietet in der Tat eine solide und anregende Grundinformationen. Nach einer klaren Begriffsbeschreibung werden der Beginn der Geschichtsschreibung in der Antike, das Geschichtsdenken im Mittelalter, Humanismus und Aufklärung, Geschichte als Wissenschaft - Der Historismus, Kritik und Überwindung des Historismus und die Geschichtswissenschaft heute profund behandelt. Das umfangreiche Literaturverzeichnis enthält vorwiegend neuere, aber auch ältere Standardtitel, die ein sinnvolles Weiterarbeiten ermöglichen. Der computergenerierte Kontext verweist zunächst auf Ranke, Civitas Dei, Historie, Periodisierung, Weltchronik, idiographisch, Chronik: Geschichte, und Geschichtsschreibung. Die "Erweiterung" fügt als neue Stichwörter z.B. Herodot, Otto von Freising, Eusebios von Caesarea, Heilsgeschichte, Trivium, Geschichtsbild etc. hinzu. Man fragt sich, warum Thukydides und Xenophon, Polybios, Livius, Tacitus, unter den neueren Droysen, Jacob Burckhardt und viele andere fehlen, obwohl sie mit Einträgen im Lexikon vertreten sind. Eine manuelle Nachbesserung wäre hier wünschenswert gewesen. Läßt man sich dann auf das im Kontext genannte "Geschichtsschreibung" ein, erhält man einen nicht signierten, recht dünn gehaltenen Überblicksartikel von der Antike bis zur Gegenwart mit vier weiteren, immerhin neuen, aber nicht den Epochen der Geschichtsschreibung zugeordneten Literaturhinweisen. Am Ende dieses Artikel wird dann auf weiterführende Artikel zur römischen und griechischen Geschichtsschreibung verwiesen, die allerdings sehr überblicksartig und nicht besonders informativ gehalten sind. Der letztere Eintrag von Hans Armin und Helga GÄRTNER bezieht sich allein auf Leskys Griechische Literaturgeschichte, Hinweise auf neuere Werke, etwa das immerhin auch schon über zehn Jahre alte von Klaus Meister fehlen.2 Dasselbe gilt für die von den gleichen Autoren verfaßten Beitrag zur römischen Geschichtsschreibung.

Ungleichgewichtig ist der Artikel zu Alexandria geraten. Nach den Daten zum gegenwärtigen Alexandria wird primär die Geschichte des antiken Alexandria skizziert, bei den Literaturangaben nur auf Müller-Wieners Darstellung des mittelalterlichen Alexandria verwiesen, Fraser fehlt.3 An Medien ergänzen ein Bild der Uferpromenade, eine Satellitenaufnahme und eine wenig aussagekräftige Straßenkarte Unterägyptens den Artikel. Sinnvoll sind die in den Text integrierten Hinweise auf weitere Artikel (Alexandrinische Bibliothek, sieben Weltwunder, alexandrinisches Zeitalter) sowie auf die am Schluß gegebenen Verweise auf "Hellenismus: Griechische Zivilisation weltweit", "Alexandria und Antiochien: Zentren theologischer Bildung", "Alexandria und Pergamon", von denen die ersten beiden von profunden Kennern (Wolfgang SCHULLER/Karl-Heinz OHLIG) der Materie geschrieben sind und den Forschungsstand repräsentieren. Sie stellen jeweils einen gelungenen Einstieg ins Thema dar und ermöglichen mit ihren weiterführenden Angaben auch gut eine vertiefende Beschäftigung, letztere (Armin und Helga GÄRTNER) bietet zwar einen brauchbaren Überblick über die Konkurrenz insbesondere der Bibliotheken von Alexandria und Pergamon, ermöglicht aber keine gezielte Weiterarbeit am Thema.4

Merkwürdig ist die Gestaltung der Einträge zu C. Iulius Caesar. Ein kurzer Artikel enthält die wesentlichen Daten aus Caesars Leben, Hinweise auf eigene Werke und die Biographien von Plutarch und Sueton (nicht auf weitere Quellen!) sowie einige Bearbeitungen in Theater und neuerer Belletristik. Sinnvoll die medialen Elemente: Web-Links auf user.cs.tuberlin.de/ohh sowie Perseus und die Onlinebiographie der Universität Paderborn, außerdem animierte Karten zu Caesars Auseinandersetzung mit Pompeius und den römischen Bürgerkrieg (hier kann der Verlauf der Auseinandersetzung recht gut auf der Karte nachvollzogen werden: einer auditiven Darbietung folgt auf der Karte der Bewegungsablauf), eine Einbettung in die Zeitleiste, eine normale Karte zu den Feldzügen in Gallien, dafür gibt es aber nur zwei Literaturangaben (Gelzer und Horst), auch ist es hier möglich, einen kurzen Quellentext aus De Bello Civili III 69 zur Schlacht von Munda abzurufen. Der Hinweis auf den Überblicksartikel "Römische Revolution" rundet den Beitrag ab. Daneben steht ein umfangreicher Artikel zu "Caesar, römischer Feldherr und Staatsmann", mit Hinweisen auf die Ausgaben seiner Werke und die literarische Behandlung. Außer derselben Zeitleiste wie oben stehen für dieses Lemma keine Medien (Karte, Quellen, Bilder) zur Verfügung und keine Web-Links, dafür jedoch eine recht ausführliche nach dem Erscheinungsdatum geordnete Literaturliste, beginnend mit Eduard MEYER (1922), endend mit E. BRADFORD (1984). Warum auf das grundlegende Werk von K. CHRIST (1994) 5 verzichtet wurde, bleibt offen. Das Nebeneinander zweier unausgeglichener Artikel zu Caesar läßt die Frage berechtigt erscheinen, ob der Redaktion überhaupt klar ist, daß es sich um ein- und dieselbe Person handelt. Im übrigen sind auch die computergenerierten Kontextüberblicke bei beiden Einträgen nicht identisch, wohl aber jeweils sinnvoll.

Insgesamt läßt sich somit sagen, daß zwar eine Fülle von Informationen zur Verfügung gestellt werden, in vielen Fällen die Vernetzung auch sinnvoll gelungen ist und die Möglichkeit, schnell vom Haupteintrag zu ergänzenden Einträgen zu springen, Spaß macht, aber in jedem Einzelfall der Wert des Artikels gesondert zu bemessen ist und kein einheitlich hoher Standard vorliegt. Anlage und Nutzbarkeit des Mediums sind gut, allerdings können noch viele Verbesserungen vorgenommen werden, um die technischen Möglichkeiten, die das Medium (insbes. als DVD-ROM 6 ) bietet, voll auszuschöpfen.

Anmerkungen
1 In vielen Fällen wird auf bewährte Internetadressen zurückgegriffen, die sich auch z.B. bei Christian von Ditfurth, Internet für Historiker, Frankfurt/M 1997 oder Dieter Kaufmann/Paul Tiedemann, Internet für Althistoriker und Altphilologen, Darmstadt 1999, finden.
2 Albin Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, Bern 1971; Klaus Meister, Die griechische Geschichtsschreibung, Stuttgart u.a. 1990.
3 M. Müller-Wiener, Eine Stadtgeschichte Alexandrias von 564/1169 bis in die Mitte des 9./15. Jahrhunderts, Berlin 1992; P.M. Fraser, Ptolemaic Alexandria, Oxford 1972.
4 Unverzichtbar jetzt Wolfram HÖPFNER (Hrsg.), Antike Bibliotheken, Mainz (von Zabern) 2002; schön wäre auch ein Hinweis auf Luciano CANFORA, Die verschwundene Bibliothek, Berlin (Rotbuch) 1990, gewesen.
5 Karl CHRIST, Caesar. Annäherungen an einen Diktator, München 1994.
6 Ebenso wie für die vorgestellte Fassung auf 6 CD-ROMs gibt es eine solche auf DVD-ROM, die für Betriebssysteme ab Win95, mind. 32 MB RAM, mind. 290 MB freier Festplattenspeicher und Taktfrequenz mind. 200 MHz geeignet ist.

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