Die vorliegende CD-ROM ist anlässlich der großen Sonderausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe „Hannibal ad portas – Macht und Reichtum Karthagos“ erschienen. Entsprechend entstand sie auch in Zusammenarbeit mit dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe und dem Seminar für Klassische Philologie der Universität Heidelberg, für die am Computer erstellten Rekonstruktionen u.a. auch in Zusammenarbeit mit der FH Karlsruhe. Sie wendet sich einerseits an einen größeren Benutzerkreis, verfolgt aber andererseits durchaus einen Spruch auf wissenschaftliche Genauigkeit und bietet somit auch für den fachlich versierten Benutzer betrachtenswertes Material und ein ausführliches Literaturverzeichnis, das es mit gedruckten fachwissenschaftlichen Werken aufnehmen kann und sorgfältig sowohl Standardwerke als auch neueste Veröffentlichungen enthält, von denen aus eine vertiefte Beschäftigung mit dem Thema oder einzelnen Aspekten sehr gut möglich ist. Das Werk unterscheidet sich damit deutlich von zwar interessanten, aber im Anspruch, der Zielgruppe und der Benutzbarkeit wesentlich schlichteren Produkten wie z.B. „Das Alte Rom“.1
Legt man die CD ein, startet man mit einem Flug über die virtuelle Stadt, anschließend öffnet sich das Hauptmenue. Die CD ist in fünf Hauptkapitel gegliedert: 1., Die Stadt Karthago, 2. Das Karthagische Reich, 3. Die westphönizische Kultur, 4. Entdeckung und Forschung, 5. Rezeption. Das Haupt- bzw. Eröffnungsmenü enthält neben den o.g. 5 Hauptkapiteln noch die Buttons „Index“, „Literatur“ und „Museumsinfo“.
Über „Index“ sind zahlreiche einzelne Stichworte direkt ansteuerbar. Ruft man einen der in alphabetischer Reihenfolge aufgeführten Begriffe auf, erscheint der Beitrag eingebettet in den größeren Kontext der Darstellung der Haupt- und Unterkapitel sowie mit Hinweisen auf Abbildungen, die den Begriff bzw. Zusammenhang illustrieren. An geeigneten Stellen werden antike Quellenstellen (teilweise zweisprachig) zur Erläuterung beigefügt, jeweils mit genauen Quellenangaben, was den Anspruch des Werkes dokumentiert und die Überprüfbarkeit vereinfacht sowie die Verwendbarkeit der CD deutlich erhöht. Ergänzend können über die Tonfunktion z.B. die antiken Texte auch gehört werden, Videoclips verdeutlichen z.T. die Aussagen des Textes. Ungünstig ist, dass weder die Texte noch anderes Material exportiert werden können, nur z.T. sind die Texte wenigstens ausdruckbar, Karten und Zeitleisten grundsätzlich nicht. Sinnvoll wäre auch, wenn in die Artikel Hinweise auf die Sekundärliteratur, ggf. auch Anmerkungen integriert wären.
Das Literaturverzeichnis ist im Wesentlichen entsprechend den Hauptkapiteln gegliedert und äußerst umfangreich, zwei Beispiele mögen das illustrieren: 9 Seiten zum Thema „Westphönizische Kultur“ (gegliedert in die Aspekte „Sprache und Literatur“, „Schriftquellen“, „Personen“, „Religion“ mit einzelnen Göttern, „Opfer“ usw., 8 Seiten zu einzelnen Orten des Karthagischen Reiches, wobei die Schwerpunkte auf Spanien, Norafrika, Sardinien und Sizilien gelegt sind.
Über „Museumsinfo“ sind Adressangaben (inkl. Telefonnummern) verschiedener Museen v.a. in Tunesien und Spanien abrufbar, deren thematischer Schwerpunkt für das Thema Karthago und westphönizische Kultur relevant ist. Nicht jedes Hauptkapitel kann im Rahmen dieser Besprechung ausführlich behandelt werden, einzelne Aspekt sollen schlaglichtartig beleuchtet werden.
Wählt man das Kapitel „Die Stadt Karthago“ öffnet sich zunächst eine Epocheneinteilung. Jede Epoche erhält zunächst ein Einführungskapitel, dann verzweigt sich die Darstellung in einzelne Subkapitel wie z.B. bei der mittel- und spätpunischen Epoche in „Stadtmauern“, „Gewerbe“,, „Wasserversorgung“, Marktplätze“, „Wohnhäuser“, die meist recht ausführlich abgehandelt werden, unter Beiziehung umfangreichen Bildmaterials. Warum aber wird z.B. für das Theater aus römischer Zeit eine Abbildung des Jahres 1900 gewählt? Es gibt doch neueres Material. Über interaktive Stadtpläne sind einzelne Bauwerke direkt aufrufbar. Videoclips zeigen den Hafen und die Stadt Karthago.
Im Kapitel „Das karthagische Reich“ erscheint im Subkapitel „Geschichte“ zunächst kein Text, sondern eine Zeitleiste, über die man zu einer textlichen Darstellung der entsprechenden Epoche gelangt. Leider sind diese Texte weder druck- noch exportierbar. Über „Orte und Ausdehnung“ öffnen sich Karten des Mittelmeerraumes verschiedener Epochen, aus denen einzelne Orte aufgerufen werden können, die über Text, Bilder und ggf. Videoclips vorgestellt werden. Als Beispiel mag Pantelleria dienen, das textlich, über ein 3D-Modell und über einen Videoclip, der die heutige Situation zeigt, verdeutlicht wird. An solchen Fällen zeigt sich deutlich die Stärke des gewählten Mediums, das hierbei dem Buch partiell überlegen ist. Ungünstig ist jedoch, dass es keine Funktion für ein schnelles Zurückblättern gibt.
Das umfangreichste Kapitel stellt zweifelsfrei „Die westphönizische Kultur“ dar. Die Verzweigungen führen zu „Militär und Krieg“, Seefahrt und Handel“, „Staat und Gesellschaft“, „Götter und Religion“, „Sprache und Schrift“, „Grab und Tod“, „Wirtschaft und Industrie“, „Wissenschaft und Literatur“, „Kunst und Handwerk“, „Familie und Privates“, jeweils mit weiteren Unterkapiteln und umfangreicher Illustration durch Werke der bildenden Kunst und Zitate aus antiken Quellen, die treffend gewählt sind.
„Forschung“ gibt einen recht informativen Überblick über die Entdeckung der Stadt und ihr Erforschung, und behandelt auch „Irrtümer“, wobei in diesem Zusammenhang besonders auf die angeblich 1874 entdeckte, inzwischen verschollene, phönizische Inschrift aus Brasilien eingegangen wird. Die entsprechende Fachliteratur ist im Literaturverzeichnis genannt.
„Rezeption“ behandelt nach einer kurzen Einführung in dieser etwas unlogischen und historisch nicht gerechtfertigten Folge Literatur, Spielfilm, Dokumentarfilm, Comic, Bildenden Kunst, Musik (dabei auch Oper). Hier hat sich der Rezensent deutlich mehr erhofft. Insbesondere bei der bildenden Kunst sind zwanzig Zeilen, die zwar einige Namen aufzählen, aber kaum Konkretes bieten, recht dürftig. Dabei gibt es gerade z.B. zu Dido eine umfangreiche Rezeption in der Kunst. Hierbei wurden die Möglichkeiten des Mediums durchaus nicht ausgeschöpft. Unverständlich ist, warum ein eigentlich in das Kunstkapitel gehörende Bild von Lorrain (Dido) bei Spielfilm plaziert wurde. Beim Thema „Dokumentarfilm“ beschränkt man sich auf den deutschsprachigen Bereich, ob zu Recht, darf kritisch gefragt werden, zumal der Aspekt „Spielfilm“ international abgehandelt wird.
Insgesamt aber stellt die CD-Rom „Karthago. Macht und Reichtum der antiken Großmacht“ eine gelungene Produktion auf hohem Niveau dar. Sie ist interessant aufgemacht und vernachlässigt den wissenschaftlichen Anspruch auf Genauigkeit nicht. Man „klickt“ sich gerne durch diese CD, die textliche Information mit visueller Darstellung in erfreulicher Weise kombiniert.
Anmerkung:
1 Das Alte Rom. Virtuelle Tour durch die berühmtesten Bauwerke ..., München 2001.