Rez. CD-ROM: Beine ueber "Badische Parlmentsgeschichte"

Titel
Fuer Freiheit und Demokratie.. Badische Parlamentsgeschichte 1818-1933


Herausgeber
Stadtarchiv Karlsruhe; Braeunche, Ernst / Koch, Manfred / Mohr, Alexander
Erschienen
Karlsruhe 1997: informedia
Anzahl Seiten
Preis
39.00 DM
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Beine, Dr. Jürgen, Institut fuer Europaeische Regionalforschungen, Universitaet Siegen

Die vielfaeltigen Moeglichkeiten der Entwicklung historischer Multimediaapplikationen haben mittlerweile auch die Geschichte und die sich mit ihr professionell beschaeftigenden Institutionen erreicht. In immer staerkerem Masse werden Probleme diskutiert, wie historische Thematiken vor dem Hintergrund der Entfaltung des Internet und moderner Autorensysteme wie z.B. Toolbook und Director in multimedialer Form praesentiert werden koennen. Diese Debatten stehen erst am Anfang, denn zu viele theoretische und praktische Aspekte alltaeglicher Geschichtsarbeit werden beruehrt, als dass schon erste abschliessende Urteile ueber den "Gewinn" und den "informationellen Mehrwert" historischer Multimediaapplikationen abgegeben werden koennten.

Die multimediale CD-Rom ueber die "badische Parlamentsgeschichte von 1818 bis 1933" ist ein Beispiel fuer eine historische Applikation, die im Kontext der Begruendung einer Erinnerungsstaette enstanden ist. Im "Neuen Staendehaus" in Karlsruhe ist seit 1993 neben einer Dauerausstellung ueber die badische Landtagsgeschichte auch die CD-Rom als ein integraler Bestandteil der Ausstellung zu sehen. Die CD vervollstaendigt also das Konzept einer modernen Erinnerungsstaette. Dazu ein Blick in das Impressum der CD: "Die Erinnerungsstaette moechte deshalb nicht nur eine Staette der Erinnerung, sondern auch und vor allem der aktiven Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart sein, die durch die Kombination traditioneller und moderner Praesentationsformen moeglich werden soll." Ein zweifellos hoher Anspruch der CD-Macher, denn ob und inwieweit moderne Multimediasysteme reflektierte Auseinandersetzungen mit der Gegenwart ermoeglichen, erscheint angesichts der Suggestivkraft von Bildern und Toenen und der stark an "Informationen" ausgerichteten Praesentation von Geschichte eher fraglich.

Um nicht missverstanden zu werden, schon an dieser Stelle eine grundsaetzliche Bemerkung: Es spricht fuer die Innovationsbereitschaft der Museumsmacher und das Karlsruher Stadtarchiv, sich auf das weitreichende Experiment der Integration einer Multimedia-CD in eine Ausstellung eingelassen zu haben.

Nun zum Inhalt der CD. Sie gliedert die badische Parlamentsgeschichte in zwei grosse Abschnitte. Der erste Abschnitt praesentiert in Form von neun "Kurzfilmen" einen par-force-Ritt durch die Parlamentsgeschichte. Der zweite Abschnitt "Recherche" praesentiert ein Informationssystem zur Parlamentsgeschichte und ermoeglicht den gezielten Zugriff auf einzelne Thematiken. Eine Verknuepfung zwischen den beiden Abschnitten gibt es allerdings nicht.

Zum ersten Abschnitt, den Kurzfilmen. Insgesamt neun Sequenzen von maximal etwa zwei Minuten praesentieren in chronologischer Folge die markanten Eckpunkte badischer Parlamentsgeschichte.

1) Ein Parlament macht Geschichte - Das badische Staendehaus.
2) Baugeschichte des Staendehauses.
3) Vormaerz und Restauration.
4) Die badische Verfassung.
5) Industrialisierung in Baden.
6) Revolution 1848/49.
7) Revolution 1918/19.
8) Machtergreifung in Baden - Zerstoerung des Staendehauses.
9) Abriss und Neuaufbau.

Die Filmsequenzen betonen insbesondere die Parlamentsgeschichte der ersten Haelfte des 19. Jahrhunderts. Gewissermassen als Klammer der gesamten Parlamentsgeschichte dient die Baugeschichte des Staendehauses. Fuer einen vermutlich nachhaltigen Eindruck sorgt vor allem die niederschmetternde Geschichte des Verfalls des Staendehauses nach 1945, nachdem es zuvor bei einem Bombenangriff 1944 bis auf die Aussenmauern zerstoert worden war. Der ehemalige Standort des Staendehauses diente seit den 1960er Jahren als Parkplatz. Erst der 1987 beschlossene Bau einer Erinnerungsstaette stellt die Verknuepfung zum alten Staendehaus wieder her.

Zum zweiten Abschnitt, den Recherchemoeglichkeiten der CD. Neun Bereiche bieten einen systematischen Einstieg.

1) Chronik.
2) zur Person ....
3) Dokumente.
4) Bibliographie.
5) Stichworte.
6) Geographie.
7) Wahlen.
8) Presse.
9) Impressum.

Die neun Bereich sind farbig markiert. Dies ermoeglicht eine einfache Orientierung in dem System. Dazu ein Beispiel: Ruft der Anwender unter dem Bereich "zur Person ..." eine Biographie von "Friedrich Hecker" auf, so bekommt er nicht nur die gewuenschten kurzen Informationen zu "Hecker", sondern er kann sich auch das Heckerlied (als Dokument) vorspielen oder sich den Wahlkreis Heckers auf einer Karte (als Geographie) anzeigen lassen. Kurz: Die Thematiken der badischen Parlamentsgeschichte sind nicht wie im Internet direkt ueber Hyperlinks, die in die Texte integriert sind, verbunden, sondern ueber gesonderte Menuepunkte zu den einzelnen Themenkomplexen. Zweifelsohne ist das Navigieren fuer einen Anwender, der die Verknuepfungslogik des Internets schaetzen gelernt hat, etwas gewoehnungsbeduerftig. Einbussen an Informationen sind dadurch selbstverstaendlich jedoch nicht bedingt.

Die CD wird zweifelsohne auf vielfaeltigste Anfragen zur Paralamentsgeschichte weiterfuehrende Auskuenfte liefern koennen. Gleichgueltig ob nach Ereignissen oder Personen der Parlamentsgeschichte gesucht wird, die CD gibt in den allermeisten Faellen die gewuenschten Informationen. Sicherlich waere es wuenschenswert gewesen, zu einzelnen Punkten differenziertere Auskuenfte zu bekommen. Es fehlt z.B. das Stichwort "Auswanderung". Auch fehlen Ergebnisse zu den Wahlen aus der Zeit des Kaiserreiches. Ebenso waere es interessant gewesen, wenn die Wahlergebnisse kartographisch aufbereitet worden waeren, nicht nur als Diagramm. Die Liste der Wuensche liesse sich noch erweitern. Abschliessend soll jedoch noch einmal betont werden, dass die aufgefuehrten Kritikpunkte nicht grundsaetzlich die Informationsangebote der CD in Frage stellen sollen, sondern lediglich darauf verweisen wollen, dass weitere Daten muehelos in das vorhandene Raster der CD eingebaut werden koennten. Hilfreich waere vermutlich nur, wenn bei zukuenftigen Projekten vergleichbarer Zielsetzung die Idee einer Hybrid-CD, einer CD also, die weiterfuehrende oder ergaenzende Informationen im Internet bereitstellen koennte, gleichsam bei der Konzeption mitbedacht wuerde. Noch ein weiterer Punkt: Die CD zur badischen Parlamentsgeschichte verzichtet auf eine Volltextsuche. So gut im Einzelfall die Recherche einzelner Thematiken ueber die Register in den Bereichen der CD moeglich ist, eine simpel zu installierende Volltextsuche waere eine sinnvolle konzeptionelle Ergaenzung des vorhandenen Suchrepertoires gewesen.

Auf ein kleines Defizit der CD sei abschliessend noch hingewiesen. Leider ermoeglicht die CD-Rom keinen Export von Texten. Insbesondere waere es bei manchen etwas laengeren Dokumenten der Parlamentsgeschichte oder bei einigen Zeitungsausschnitten sehr hilfreich gewesen, wenn eine Copy-Funktion vorhanden gewesen waere. Die Inhalte einer CD-Rom vor der weiteren Verwendung in Textverarbeitungs- oder anderen Systemen schuetzen zu wollen, mag sehr loeblich sein, anwenderfreundlich ist sie jedenfalls nicht.

Zum Abschluss noch ein wichtiger technischer Hinweis. Das Programm startet direkt von der CD-Rom und benoetigt keine Installation auf der Festplatte. Das Starten der CD auf einem Computersystem mit Pentium II-Prozessor und einem 24fach CD-Rom-Laufwerk schlug fehl. Ein Anruf bei der Programmierfirma "informedia" - sie halfen mit einem Fax - konnte das Problem nicht loesen. Um so ueberraschender war es, dass die CD auf einem etwas aelteren Computer mit AMD-K5- Prozessor und einem alten 8fach CD-Rom einwandfrei startete. Saemtliche Funktionen der CD konnten nun abgerufen werden, ohne dass das System auch nur einmal abgestuerzt waere. Kurz und knapp: In Zeiten modernen Softwaresupports waere eine verbesserte Unterstuetzung von der Programmierfirma informedia dringend notwendig. Ausserdem: Der merkwuerdige Support mittels eines Faxes sollte im Internetzeitalter auch mit E-Mail moeglich sein.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
rda_languageOfExpression_redig