P. Bonafoux: Europa - Eine Zeitreise

Title
Europa - Eine Zeitreise. Von Karl dem Großen bis zum Euro


Author(s)
Bonafoux, Pascal
Published
Oberhaching 1999: The Learning Company
Extent
Price
DM 69,95
ISBN
Beatrice M. Helbig, Historisches Seminar, Universität München

Systemvoraussetzungen: PC: Pentium 166 MHz, 32 MB RAM, Windows 95, 98, SVGA-Grafikkarte (800x600), High Color (16-Bit), Sound Blaster 16 Bit kompatible Soundkarte, CD-ROM-Laufwerk 16-fach. Macintosh: Power PC 100 MHz, Betriebssystem 8.1, 32 MB RAM, Bildschirmaufloesung mind. 800x600, Soundkarte, CD-ROM-Laufwerk 16-fach.

Was erwartet man von einer Zeitreise in die europäische Vergangenheit? Möglicherweise eine knappe Darstellung der Geschichte der einzelnen Länder. Das ergäbe allerdings eine sehr eingeschränkte Sichtweise. Oder aber die Herausbildung des geeinten Europas und die Darstellung von Personen, die sich für diese Entwicklung eingesetzt haben. Pascal Bonafoux versucht, beides miteinander zu verbinden. Laut Klappentext geht es um die "Wünsche nach einem gemeinsamen Europa und die europäische Realität", die CD-ROM richtet sich damit an alle Europa- und Geschichtsinteressierten, besonders an Lehrer und Schüler.

Die "Zeitreise" kann mit Hilfe der sechs Rubriken Epochen, Persönlichkeiten, Ereignisse, Daten, Karten und Aspekte unternommen werden. Das erste Kapitel unterteilt sich in vier Epochen: Die Zeit der Kirche (732-1492), Die Zeit der Könige (1493-1789), Die Zeit der Nationen (1790-1945) und Die Zeit der Einheit (1945-2000). Je ein sehr kurzer Text führt in den Zeitabschnitt ein und beschreibt dessen Charakteristika. Im unteren Teil des Bildes erscheinen mehrere kleine Porträts bekannter Persönlichkeiten, die man anklicken kann, um nähere Informationen zu erhalten. Positiv zu bewerten ist die Vielfalt der Persönlichkeiten, die ausführlich vorgestellt werden und die sich nicht allein auf den politischen Rahmen beschränken. Neben Staats- und Kirchenmännern tauchen auch Schriftsteller, Künstler und Entdecker auf. Personen, die sich besonders um Europa verdient gemacht haben und als "Vordenker Europas" bezeichnet werden, sind durch einen Sternenkranz hervorgehoben.

Die biographischen Artikel sind in der Regel knapp, aber sehr informativ. Nützlich sind dabei die Verbindungen zu anderen Artikeln und Zeitgenossen sowie die Ergänzung durch Illustrationen, Textauszüge und musikalische Sequenzen. Leider wird nicht bei allen Persönlichkeiten, zum Beispiel bei Anna Stuart, der Bezug zu Europa deutlich. Ebenso wird oft nicht ersichtlich, warum bestimmte Texte beigefügt wurden. Viele sind zu kurz oder es fehlt der Bezug zu Europa. Beispielsweise wäre zum Auszug aus Boccaccios 'Commento alla Comedia allegoria' (Canto XIV) eine Erläuterung notwendig. Die Passage aus Machiavellis 'Principe' könnte länger sein, um diese Art von Quellen auch im Unterricht einsetzen zu können.

Begrüssenswert erscheint jedoch, dass einzelne Texte auch gespeichert oder gedruckt werden können. Karten und Filmsequenzen veranschaulichen zusätzlich die Epochen. Historische und politische Karten zeigen die Grenzveränderungen Europas im Laufe der Jahrhunderte. Die kurzen Filme präsentieren mit Hilfe von zeitgenössischen Malereien, Drucken und Karten die wichtigsten Ereignisse der europäischen Geschichte, wie zum Beispiel den Vertrag von Verdun, den Fall Konstantinopels, den Westfälischen Frieden, den Wiener Kongress, die Römischen Verträge sowie den Maastrichter Vertrag. Zusätzlich fasst ein Text die Ereignisse zusammen.

Die Rubrik der Epochen führt in die bedeutsamsten Ereignisfolgen für Europa ein, setzt aber auf die Darstellung von Persönlichkeiten einen Schwerpunkt. Ein Verbesserungsvorschlag wäre, die in der Einleitung genannten Charakteristika anhand von historischen Gegebenheiten zu verdeutlichen. Überdies erschwert die Unübersichtlichkeit der Epochen-Startseite die Orientierung. Durch das Hintergrundbild wirkt sie überladen. Die Porträts der behandelten Persönlichkeiten sind sehr klein und daher schwer erkennbar. Eher zufällig stößt man auf die Filmsequenzen.

Die drei folgenden Rubriken erleichtern dem Benutzer einen schnellen Zugriff auf "Persönlichkeiten", "Ereignisse" und "Daten", die jeweils übersichtlich präsentiert werden. Positiv zu bewerten ist die Begrenzung auf die wichtigsten Daten der europäischen Geschichte. Allerdings wird nicht immer deutlich, warum bestimmte Ereignisse in die Datenreihe aufgenommen werden, da sie nicht unbedingt etwas mit der Herausbildung eines geeinten Europas zu tun haben, z.B. die Gründung einer christlichen Republik durch die Jesuiten in Paraguay im Jahre 1610 oder diverse Hochzeiten europäischer Fürsten. Besonders lobenswert erscheint die Rubrik "Aspekte", die Mythen, Werte und Lebensbilder als "Verbindungsglieder jenseits aller physischen, sprachlichen und kulturellen Grenzen zwischen den Völkern Europas" vorstellt. Es werden die Mythen "Europa", "Prometheus" und "Don Juan" aufgegriffen und deren sich wandelnde Bedeutung bei den europäischen Denkern beschrieben. Leider wird nicht ersichtlich, welche Rolle die Figur des Don Juan für die Entwicklung Europas spielte und warum gerade sie ausgewählt wurde. Im Gegensatz dazu wird u.a. die Entwicklung des Namens Europa sowie der Wunsch nach einem geeinten Europa bzw. der als Vorbild für die Idee eines geeinten Europas dienende Prometheus beschrieben. Die Lebensbilder des Kaisers, des Ritters und des Humanisten werden als Archetypen bezeichnet, die überall dieselbe Gültigkeit besessen hätten. Diese Behauptung muss jedoch stark in Zweifel gezogen werden, denn nicht überall gab es einen Kaiser, noch existierte ein einheitliches Bild des Humanisten. Dabei lässt sich fragen, warum gerade diese Figuren ausgewählt wurden und Frauen, Bauern, Kirchenleute, Kinder ausgespart werden. Schwierigkeiten bereitet zudem die Untergliederung des Stichpunktes "Kaiser". Welche Verbindung besteht zwischen dem Kaiser, den Kolonien und dem Imperialismus? An dieser Stelle könnte näher auf die Funktion und die Rolle des Kaisers, besonders im Mittelalter, eingegangen werden. Was ist der Unterschied zwischen einem König und einem Kaiser? Warum stammte der Kaiser immer aus dem Reich? Warum hatten Spanien, Frankreich, Polen keine Kaiser? Diese und ähnliche Fragen könnten im Hinblick auf die Zielgruppe eingehender diskutiert werden.

Der dritte Abschnitt, der die drei Werte Religion, Freiheit und Demokratie umfasst, ist besonders beachtenswert. Die einzelnen Punkte werden sehr detailliert beschrieben, mit Hilfe von knappen Einleitungen wird auf Zusammenhänge aufmerksam gemacht. Beispielsweise wird unter dem Stichwort Freiheit nicht allein auf die individuelle Freiheit und Meinungs- und Religionsfreiheit eingegangen, sondern ebenso auf die Freiheit der Märkte, der Straßen und des Kapitalmarktes und damit näher auf die frühneuzeitlichen Banken.

Insgesamt ist die CD-ROM trotz einiger Unübersichtlichkeiten, Druckfehler und Informationslücken recht positiv zu bewerten, ihr ist ein breiter Benutzerkreis zu wünschen. Sie kann als Infotainment und Nachschlagewerk dienen. Als Lern-CD ist sie allerdings weniger geeignet, denn häufig erscheinen die Ereignisse zusammenhanglos und werden daher nicht immer dem Anspruch des Autors gerecht, den Wunsch nach einem geeinten Europa und seine Realisierung zu veranschaulichen. Die historischen Gegebenheiten werden innerhalb eines Textes, mit Hilfe von zeitgenössischen Bildern, Karten und Filmen präsentiert und laden nicht zum Entdecken ein. Eine Verbesserungsmöglichkeit besteht in der näheren Beschreibung der Bilder sowie der Einrichtung einer Zoomfunktion. Beispielsweise könnte die Rechenmaschine von Leibniz eingehender auf ihre Funktion hin beschrieben werden. Positiv zu bewerten ist die starke Verlinkung innerhalb der Texte. Um nicht die Orientierung zu verlieren, listet eine Navigationsleiste die zuletzt besuchten Seiten auf. Überdies erleichtern die Suchfunktion und ein Index den Zugang zu bestimmten Begriffen, Personen oder Ereignissen. Vorteilhaft ist die Unterscheidung zwischen knappen Informationen und umfangreicheren Artikeln, die durch Fettdruck besonders hervorgehoben sind. Bedauerlicherweise fehlt eine Bibliographie. Nur die einzelnen Textauszüge werden zitiert. Hilfreich wäre aber eine gesonderte Auflistung aller benutzten Texte sowie die Angabe weiterführender Literatur.

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