Christliche Linksintellektuelle im Kontext: Politische, kulturelle, kirchlich-religiöse und transnationale Konstellationen in Ost- und Westdeutschland, 1960–2000

Christliche Linksintellektuelle im Kontext: Politische, kulturelle, kirchlich-religiöse und transnationale Konstellationen in Ost- und Westdeutschland, 1960–2000

Veranstalter
Jun.-Prof. Dr. Sarah Jäger, Dr. Benedikt Brunner, Gabriel Rolfes, M.A.
Veranstaltungsort
Friedrich-Schiller-Universität Jena
PLZ
07743
Ort
Jena
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.10.2023 - 07.10.2023
Deadline
15.05.2022
Von
Gabriel Rolfes, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz

Christlich sozialisierte, affiliierte und assoziierte Intellektuelle wie Walter Dirks, Helmut Gollwitzer, Ida Görres oder Dorothee Sölle haben die politischen, kulturellen und kirchlich-religiösen Debatten ihrer Zeit maßgeblich mitgeprägt. Deutschland ist in dieser Hinsicht kein Sonderfall, wie die Beschäftigung beispielsweise mit Emmanuel Mounier, Harvey Cox, Gabriel Vahanian und John Robinson zeigt.

Christliche Linksintellektuelle im Kontext: Politische, kulturelle, kirchlich-religiöse und transnationale Konstellationen in Ost- und Westdeutschland, 1960–2000

Häufig handelt es sich um Persönlichkeiten, die mit großem Engagement politische, kulturelle und religiöse Transformationsprozesse initiierten, kommentierten und unter Umständen auch kolportierten. Allerdings zeigt ein erster Blick auf die wichtigsten Akteurinnen und Akteure, dass abgesehen von einigen biografischen Arbeiten und Detailstudien sich sowohl die Intellectual History-Forschung in der Geschichts- und Politikwissenschaft als auch die Evangelische und die Katholische Theologie ihnen bisher noch keinesfalls in einem angemessenen Umfang gewidmet hat. Zudem fehlt es an transnationalen, europäischen Perspektiven auf christlich geprägte Linksintellektuelle, die uns stärkeren Aufschluss über die Herausforderungen und gegenseitige Bewertung dieser Gruppe, ihre eventuelle Zusammenarbeit und Kommunikation untereinander, sowie die Gründe für ihre Erfolge und ihr Scheitern auf ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern geben können. Ihre große Bedeutung steht indes immer noch in scharfem Kontrast zum Stand ihrer Erforschung.

Ein wichtiges Forschungsdesiderat, dem die Konferenz in interdisziplinärer Fragestellung auf den Grund gehen möchte, ist die Frage nach den Netzwerken, in denen sich diese christlichen Linksintellektuellen bewegten und die Frage danach, welche Themen christlich geprägte Linksintellektuelle besonders in den Fokus nahmen.

Die Tagung konzentriert sich dabei auf einen Zeitraum, der bewusst die 1990er Jahre einschließt und damit akademisches Neuland betritt. Dabei wird danach zu fragen sein, wie diese Umbruchszeit intellektuell gedeutet und verarbeitet worden ist. Insbesondere die prominenten Wendepersönlichkeiten aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR wurden bislang noch nicht in die Intellektuellengeschichte Deutschlands eingeschrieben. Ein zentrales Forum auf denen programmatisch Themen christlicher Linksintellektueller verhandelt worden sind, waren die Deutschen Evangelischen Kirchentage sowie die Katholikentage des Zeitraums. Die Debatten über Sölles Ansatz einer „latenten Kirche“ sowie die sich hieraus entspannenden Diskussionen über die Reform der Kirche sind hierfür ein eindrückliches Beispiel. Ähnliches gilt für die Folgen der „Globalisierung des Christentums“, mithin der „Entdeckung der Dritten Welt“ (Christoph Kalter), die auch auf die christlichen Linksintellektuellen in beiden deutschen Teilstaaten, nicht nur in der Diskussion um die sogenannte „Befreiungstheologie“, massiv eingewirkt zu haben scheint.

Die eingereichten Beiträge werden in Panels organisiert werden und könnten sich beispielsweise mit den folgenden Themen auseinandersetzen:

- Welche Intellektuellennetzwerke bildeten sich im 20. Jahrhundert in Europa? Wie verläuft in ihnen die Kommunikation? Wer gehört dazu, wer nicht?
- Wie können Reichweit und Grenzen des Begriffs „christlicher Linksintellektueller“ näher bestimmt werden?

- Gibt es „typische“ Sozialisationswege und –instanzen? Lassen sich hierbei landesspezifische Prägungen ausmachen? Welche Rolle spielt hierbei Transnationalität?
- Wie verorten sich diese Intellektuellen im Spannungsfeld von Kirche/Kirche(n) und Staat, respektive Kirche/Kirche(n) und Gesellschaft?

- Welche Personen aus der „zweiten Reihe“ müssten stärker in den Fokus der Forschung gerückt werden? Sind es Laien oder Kleriker, Offizielle oder Nonkonformisten, die „intellektuell“ wirkten?
- Welche Rolle spielt Geschlecht in diesen christlichen Linksintellektuellennetzwerken und welche Rolle nehmen insbesondere Frauen ein? Welche Wechselwirkungen hat es hier zwischen den unterschiedlichen Wellen der Frauenbewegung gegeben?

- Welche Rolle spielte ein linkschristliches Engagement in der Diakonie und der Ökumene?
- Wie gestaltete sich das Verhältnis von intellektueller Tätigkeit und Theologie? Kam es hier zu wechselseitigen Austauschprozessen und falls ja, wie gestalteten sich diese?

- Wie begegnen diese Intellektuellen den politischen und gesellschaftlichen Um- und Abbrüchen des 20. Jahrhunderts? Welche „großen Themen“, wie beispielsweise Frieden, Entwicklung, oder auch Sexualität werden oder werden nicht über Landesgrenzen hinaus verhandelt?
- Wie beeinflusste die Kritik untereinander und die Kritik von außen den nationalen und den transnationalen Diskurs unter christlichen Linksintellektuellen?

Vorbehaltlich der Finanzierung soll die Tagung vom 5.–7. Oktober 2023 in Jena stattfinden.

Vorschläge zu Vortragsthemen (auf Deutsch oder Englisch) mit einem maximal halbseitigen Abstract (ca. 2000 Zeichen) und einem kurzen CV sollen bis zum 15. Mai 2022 eingereicht werden.

Kontakt

Jun.-Prof. Dr. Sarah Jäger, Theologische Fakultät, Universität Leipzig, sarah.jaeger@uni-jena.de

Dr. Benedikt Brunner, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz, brunner@ieg-mainz.de

Gabriel Rolfes, M.A., Philosophische Fakultät, Technische Universität Chemnitz, gabriel.rolfes@phil.tu-chemnitz.de