Orte des Widerspruchs? Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur angesichts gegenwärtiger Herausforderungen

Orte des Widerspruchs? Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur angesichts gegenwärtiger Herausforderungen

Veranstalter
Ulrike Jureit, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, Stephan Linck, Evangelische Akademie der Nordkirche, Karl Heinrich Pohl, Universität Kiel, in Kooperation mit der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek
Veranstaltungsort
Landesbibliothek in Kiel
Gefördert durch
Bürgerstiftung schleswig-holsteinische Gedenkstätten, Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, Der Landesbeauftragte für politische Bildung
PLZ
24103
Ort
Kiel
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.06.2022 - 11.06.2022
Deadline
05.06.2022
Von
Ulrike Jureit, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Gedenkstätten und Erinnerungskultur stehen aktuell vor großen Herausforderungen, wenn nicht sogar vor einer tiefgreifenden Zäsur. Durch sie wird sowohl ihr Selbstverständnis als auch ihre programmatische Ausrichtung in Frage gestellt. Aus diesen Gründen will die Tagung einen kontroversen Dialog über Konzeption, Praxis und Bildungsziele der gegenwärtigen Gedenkstättenarbeit initiieren, auch angesichts der Herausforderungen durch den aktuellen Krieg in Europa.

Orte des Widerspruchs? Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur angesichts gegenwärtiger Herausforderungen

Gedenkstätten und Erinnerungskultur stehen aktuell vor großen Herausforderungen, wenn nicht sogar vor einer tiefgreifenden Zäsur. Durch sie wird sowohl ihr Selbstverständnis als auch ihre programmatische Ausrichtung in Frage gestellt. Erleben wir gerade das Ende einer Erfolgsgeschichte des historischen Erinnerns an Völkermord und Vernichtungskrieg? Wie unter diesen Umständen umgehen mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, mit der Infragestellung des erinnerungskulturellen Grundkonsenses durch politisch rechte Gruppierungen und mit der scheinbar unaufhaltsamen Instrumentalisierung von Geschichtsbildern?

In Deutschland hat es lange gebraucht, bis sich Staat und Gesellschaft der Verantwortung für die Massenverbrechen während des Nationalsozialismus gestellt haben. Was dann jedoch in den letzten drei Jahrzehnten erinnerungskulturell und gedenkpolitisch geschehen ist, ist in der Tat höchst beachtlich. Dennoch muss das Ergebnis aufgrund der gravierenden politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen kritisch diskutiert werden.

Das umfasst vor allem eine Debatte über Einfluss, Rolle und Selbstverständnis staatlicher Akteure in der Gedenkstättenarbeit. Mittlerweile gehört das institutionalisierte Erinnern an die Opfer der NS-Herrschaft zur deutschen Staatsräson, mit der Folge, dass u.a. die Art und Weise sowie die Ziele dieser Arbeit vielfach der staatlichen Regie unterworfen sind. Staat und Parteien steuern nicht zuletzt wegen der finanziellen Zuschüsse in erheblichem Maße das Gedenken an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik. Diese Entwicklung hat Konsequenzen: Da das Holocaust-Gedenken heute zum elementaren Selbstverständnis der Bundesrepublik gehört, wird »Erinnern« generell als staatstragender, geradezu positiver Wert herausgestellt und konformes geschichtspolitisches Engagement gefördert. Nach dieser Logik kann die Einübung erwünschter Gedenkforme(l)n bildungspolitisch gar nicht früh genug beginnen.

Da am Holocaust-Gedenken nun offenbar nicht weniger als die Verteidigung unserer Demokratie hängt, scheint eine grundsätzlich kritische Auseinandersetzung über dessen Sinn, Form und Inhalt kaum noch nötig (und manchmal auch nicht erwünscht) zu sein. Jegliches Reden über Vergangenheit, vor allem über die des »Dritten Reiches«, wird bereits als moralisch wertvolles Erinnern missverstanden.

Aus diesen Gründen will die Tagung einen kontroversen Dialog über Konzeption, Praxis und Bildungsziele der gegenwärtigen Gedenkstättenarbeit initiieren, auch angesichts der Herausforderungen durch den aktuellen Krieg in Europa. Es soll nachgedacht und kritisiert, sichere Wahrheiten infrage gestellt und zudem darüber gestritten werden, inwiefern die Gedenkstättenarbeit, wie sie sich seit etwa drei Jahrzehnten entwickelt hat, tatsächlich noch sinnvoll ist.

Anmeldung bitte unter: marlise.appel@akademie.nordkirche.de.
Kostenbeteiligung: 10,00 EUR.

Programm

Ab 09.00 Uhr Ankunft, Registrierung

09.30 Uhr
Grußwort: Martin Lätzel, Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek
Begrüßung: Karl Heinrich Pohl, Professor für Geschichte und ihre Didaktik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

10.00 Uhr
Erinnern in der Zeitenwende – Zur Krise des Projektes historische Aufklärung
Martin Sabrow, Senior Fellow am ZZF Potsdam, Sprecher des Leibniz-Forschungsverbunds »Wert der Vergangenheit«

11.15 Uhr
Podium I: »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus«? Gedenkstättenarbeit angesichts des Krieges in der Ukraine

Andreas Ehresmann, Leiter der Gedenkstätte Lager Sandbostel.
Katja Makhotina, Lehrstuhlvertretung für Osteuropäische Geschichte an der Universität Bonn.
Jörg Morré, Direktor des Museums Berlin-Karlshorst.
Jens Christian Wagner, Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar.
Moderation: Stephan Linck, Evangelische Akademie der Nordkirche.

13.00 Uhr Mittagspause – Imbiss

14.15 Uhr
Podium II: Orte des Widerspruchs? Herausforderungen und Perspektiven der Gedenkstättenarbeit

Alfons Kenkmann, Professor für Didaktik der Geschichte an der Universität Leipzig.
Habbo Knoch, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität zu Köln.
Cornelia Siebeck, Mitarbeiterin der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.
Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.
Moderation: Andreas Eberhardt, Gründungsdirektor und Geschäftsführer der Alfred Landecker Foundation.

16.15 Uhr Kaffeepause

16.45 Uhr
Gedenkstätten und Erinnerungsorte im Krisenmodus? Zwischenbilanz zu einer Selbstverständnisdebatte, die gerade erst begonnen hat
Ulrike Jureit, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur.

17.30 Uhr Ende der Tagung

https://www.akademie-nordkirche.de/veranstaltungen/aktuelles/895
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Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung