Wessen Wissen wird anerkannt und welche Stimmen werden in der Karibikforschung gehört? Die Konferenz widmet sich den Fragen, wie Wissen produziert, geteilt und rezipiert wird und welche Veränderungen notwendig sind, um ein Teilen der Macht unter Berücksichtigung und Wertschätzung epistemischer Unterschiede sicher zu stellen. Forschungsprojekte, die sich mit der Karibik oder ihrer Diaspora beschäftigen, sollen dabei aus einer reflexiven Perspektive diskutiert werden. In verschiedenen Forschungsbereichen wird eine kritische Wissensproduktion wieder dringlicher gefordert, wie z.B. in der Namensgebungspolitik, literarischen Repräsentation, Klimawandel und Flucht_Migration. Obwohl bereits in den 1990er-Jahren in den Amerikas und der Karibik eine "decolonial option" beworben wurde, um Wissen von der kolonialen Machtmatrix zu befreien, hat sie erst im letzten Jahrzehnt Eingang in die hegemonieorientierte Wissenschaft gefunden. Es lässt sich allerdings beobachten, dass in Kolonialität verstrickte Forschende und akademische Institutionen dazu neigen, das Label "dekolonial" eher als Metapher zu verwenden, indem weiterhin nur bestimmtes Wissen und Methoden anerkannt werden.
Wir freuen uns über Beiträge, die sich entlang des eigenen Forschungsprojektes mit Fragen der Macht, des Wissens und der Positionierung auseinandersetzen: Wer hat die Deutungsmacht in der Karibikforschung? Welches Wissen wird von wem und wie anerkannt? Wie positionieren sich Karibikforschende? Wir werden uns kritisch mit grundlegenden Machtunterschieden in Praxis und Wissenschaft auseinandersetzen. Darüber hinaus sollen mögliche Formen dekolonialer Methoden ausgelotet und diskutiert werden, u.a. wie vielfältigere Stimmen und pluralistische Ansätze größere Sichtbarkeit erlangen und mehr Wertschätzung erfahren können.
Durch Teilnehmende, die an einem breiten Spektrum von Forschungsthemen arbeiten, hoffen wir, dass die Konferenz die bestehenden Herausforderungen aufzeigen wird, aber auch neue Räume erschließt, wie diese angegangen und überwunden werden können.
Folgenden Fragen möchten wir uns widmen: Wessen Perspektiven und Interessen liegen dem eigenen Forschungsthema zugrunde? Wie werden die Stimmen der erforschten Personen in politischen Debatten und Forschungsprojekten ausgeschlossen oder einbezogen? Wenn es Ungleichheiten gibt, wie werden sie aufrechterhalten und wie können sie überwunden werden? In welcher Weise überschneiden sich Dekolonisierungsdebatten mit der Wissensproduktion und dem Wissenstransfer im Forschungsfeld? Welche Rolle spielen soziale Verhältnisse in Bezug auf das Forschungsthema? Welche gesellschaftlichen Akteure delegitimieren oder löschen bestimmte Stimmen sogar aus?
Vor welchen Herausforderungen stehen Forschende, die in der Karibik oder in der karibischen Diaspora arbeiten, um sich Gehör zu verschaffen? Welche Kanäle (z.B. Konferenzen, Aktivismus oder Publikationen) nutzen sie und warum? Wie werden nicht-imperiale Konzepte und Begriffe angenommen? Welchen Einfluss hat die Sprache auf die Produktion und den Austausch von Wissen? Inwiefern beeinflusst der Gebrauch des Englischen und anderer kolonialer Sprachen, welche Ideen und Perspektiven sich durchsetzen? Welche Rolle spielen indigene Sprachen und Quellen beim Austausch von Wissen und Perspektiven?
Diese Nachwuchskonferenz richtet sich ausdrücklich an Doktorand:innen und Postdoktorand:innen der Sprach- und Literaturwissenschaften, der Geschichts- und Sozialwissenschaften, der Kunst- und Kulturwissenschaften sowie an diejenigen, die jenseits oder zwischen diesen Wissensgebieten arbeiten. Ziel ist eine kleine, diskussionsorientierte und kollegiale Tagung, um gemeinsam zu beleuchten, wie Macht, Wissen und Positionalität in der Karibikforschung durch die spezifischen Projekte der Teilnehmenden verhandelt werden. An allen Konferenztagen sind Keynotes oder Diskussionsrunden geplant, die Einblicke in aktuelle Debatten in verschiedenen Disziplinen und Themen eröffnen. Nach der Konferenz ist eine Publikation angedacht, zu der alle interessierten Teilnehmer:innen eingeladen sind.
Für eine Teilnahme reichen Sie bitte Ihren Vortragsvorschlag bis zum 15. JUNI 2022 an juniorresearch@caribbeanresearch.net ein. Bitte senden Sie uns eine kurze akademische biografische Notiz (max. 100 Wörter) und ein ganzseitiges Abstract mit kritischen Reflexionen zu Ihrem Forschungsprojekt, das Sie vorstellen möchten. Unser CFP wurde in Englisch, Spanisch, Deutsch und Französisch veröffentlicht, aber wir freuen uns auch über Einreichungen in anderen Sprachen. Unabhängig von der Sprache Ihrer Einreichung bitten wir Sie, uns drei bis fünf Schlüsselwörter auf Englisch zu schicken, um die Programmplanung zu erleichtern. Die Benachrichtigung über die Annahme erfolgt bis Ende Juni 2022. Folgen Sie uns auf #WhoseVoice2022.