Möglichkeiten und Grenzen religiös-sozialer Gemeinschafts- und Identitätsbildung in der Herrnhuter Brüdergemeine des 18. und 19. Jahrhunderts

Möglichkeiten und Grenzen religiös-sozialer Gemeinschafts- und Identitätsbildung in der Herrnhuter Brüdergemeine des 18. und 19. Jahrhunderts

Veranstalter
Maximilian Rose, Fachbereich Geschichte, Universität Hamburg und Maryam Haiawi, Institut für Historische Musikwissenschaft, Universität Hamburg
Veranstaltungsort
Universität Hamburg
PLZ
20146
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
27.07.2023 - 28.07.2023
Deadline
31.08.2022
Von
Maximilian Rose, Fachbereich Geschichte, Universität Hamburg

Möglichkeiten und Grenzen religiös-sozialer Gemeinschafts- und Identitätsbildung in der Herrnhuter Brüdergemeine des 18. und 19. Jahrhunderts

Die 1722 gegründete Herrnhuter Brüdergemeine machte ihren Mitgliedern im 18. und 19. Jahrhundert das Angebot einer kollektiven Identität, wie sie weder in den großen Konfessionskirchen noch in anderen pietistischen Gemeinschaften der Zeit zu beobachten ist. Der interdisziplinäre Workshop soll der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen eines kollektiven brüderischen Gemeinsinns in unterschiedlichen sozialen, institutionellen und kulturellen Kontexten nachgehen.

Possibilities and Limitations of Socio-Religious Community and Identity Formation in the 18th and 19th Century Moravian Church

In the 18th and 19th centuries, the Moravian Church set itself apart from both confessional churches and other pietist movements by the strong sense of collective identity it fostered among its members. The interdisciplinary workshop will explore both the possibilities and limitations of a collective Moravian understanding of community in different social, institutional and cultural contexts.

Möglichkeiten und Grenzen religiös-sozialer Gemeinschafts- und Identitätsbildung in der Herrnhuter Brüdergemeine des 18. und 19. Jahrhunderts

Die 1722 gegründete Herrnhuter Brüdergemeine machte ihren Mitgliedern im 18. und 19. Jahrhundert das Angebot einer kollektiven Identität, wie sie weder in den großen Konfessionskirchen noch in anderen pietistischen Gemeinschaften der Zeit zu beobachten ist. Die brüderische Identität konstituierte sich durch eine als total zu verstehende Kirchen- und Sozialstruktur, die alle Lebensbereiche – Familie, Beruf, kulturelle Praxis, Frömmigkeit – umfasste. Mit der internationalen Ausbreitung der Brüdergemeine und ihrer wachsenden Missionstätigkeit wurden die Formen des religiösen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenlebens zunehmend vereinheitlicht, normiert und kontrolliert. In der Forschung wurde dieses Phänomen der religiös-sozialen Vergemeinschaftung bereits von verschiedenen Fachdisziplinen herausgestellt. Bislang stand jedoch kaum zur Diskussion, wie tragfähig das Ideal einer universal wirksamen, von konkurrierenden ethnischen oder kulturellen Zugehörigkeiten unberührten brüderischen Identität angesichts intensiver Kontakte und Verflechtungen mit der Außenwelt war. So sind weder die weltweite Missionstätigkeit noch die vielfältigen künstlerischen Praktiken ohne einen lokalen, regionalen und globalen Transfer von Ideen, Ästhetiken und Menschen denkbar. Zudem ließ sich das Herrnhuter Homogenitätskonzept spätestens im 19. Jahrhundert, vor allem im Hinblick auf Nationalstaatsbildungen und national-religiöse Bewegungen, nicht mehr aufrechterhalten.

Der interdisziplinäre Workshop soll der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen eines kollektiven brüderischen Gemeinsinns in unterschiedlichen sozialen, institutionellen und kulturellen Kontexten nachgehen. Wie tiefgreifend und weitreichend hat man sich eine homogene brüderische Identität vorzustellen, wie wurde diese geschaffen und gesichert? Wo entstanden Freiräume für individuelle Entfaltung und multiple Zugehörigkeiten, in welchen Lebensbereichen sind konkurrierende Normen anzunehmen? Ein besonderer Fokus liegt auf den von den Herrnhutern gepflegten Medien wie Musik, Literatur und Kunst, die zum einen identitätsstiftende Funktionen hatten und das brüderische Alltagsleben prägten, zum anderen das Potenzial einer künstlerisch-ästhetischen Verselbstständigung besaßen.

Der Workshop ist offen für Beiträge aus den verschiedenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen (z. B. Geschichts-, Literatur-, Musikwissenschaft, Kunstgeschichte) und der Religionswissenschaft bzw. Theologie. Beiträge aus anderen Fachbereichen, etwa den Erziehungswissenschaften oder der Architekturgeschichte, sind ebenso willkommen. Möglich sind sowohl übergreifende Perspektiven auf die Herrnhuter Brüdergemeine als auch Fallstudien zu konkreten Gemeinorten oder einzelnen Gemeinmitgliedern in ihrem regionalen, nationalen oder internationalen Kontext. Auch vergleichende Studien mit anderen – z.B. pietistischen – Gemeinschaften des 18. und 19. Jahrhunderts sind von Interesse.

Mögliche Themenfelder und Fragen:

- das Agieren der Brüdergemeine in verschiedenen geografischen, politischen und konfessionellen Kontexten im Spannungsfeld von Identitätsbewahrung und Anpassung
- die Implementation brüderischer Ideale und Lebensformen in der Mission
- Familie und Gemeine als mögliche konkurrierende Institutionen
- interkultureller und -konfessioneller Austausch an Herrnhuter Schulen
- Musikpraxis und Kunstschaffen im Spannungsfeld religiöser Normen, äußerer Einflüsse und ästhetischer Verselbstständigung
- literarisches Schaffen (geistliche Dichtung, Lebensläufe, Diarien, Briefe) als Ausdruck kollektiver Identität oder individueller Frömmigkeit
- wirtschaftliche Tätigkeit im Dienst der Gemeinschaft oder gewerbliche Unabhängigkeit

Ein Abstract zum Thema im Umfang von max. 300 Worten für einen Beitrag von 25 Minuten sowie eine Kurzbiografie richten Sie bis zum 31. August 2022 bitte an: maryam.haiawi@uni-hamburg.de und maximilian.rose@uni-hamburg.de. Reise- und Übernachtungskosten werden voraussichtlich übernommen.

Possibilities and Limitations of Socio-Religious Community and Identity Formation in the 18th and 19th Century Moravian Church

In the 18th and 19th centuries, the Moravian Church set itself apart from both confessional churches and other pietist movements by the strong sense of collective identity it fostered among its members. Moravian identity was shaped and maintained through an all-encompassing church and social structure which regulated many areas of life – family and work, cultural activity and piety. During the years of increasing missionary activity and worldwide expansion, church leadership increasingly unified and controlled these forms of religious, cultural and social community formation. Although researchers from different disciplines have already studied this phenomenon, they have rarely explored how viable the ideal of a universal Moravian identity, untouched by competing ethnic or cultural ties, was in the face of extensive exchange with the wider world. Global missionary endeavour, the expansion of Moravian settlements and artistic projects all required the transfer of ideas, aesthetics and people across continents. In the 19th century, the idea of a homogeneous church structure was challenged by nation building and the rise of national churches.

The interdisciplinary workshop will explore both the possibilities and limitations of a collective Moravian understanding of community in different social, institutional and cultural contexts. How deeply rooted and how extensive was the Moravian collective identity? How was it created, maintained, and secured? How did Moravian communities provide space for individual development? How did ties to other institutions and competing sets of values interfere with Moravian community formation? Questions such as these can productively be explored through media such as music, literature (including personal writing) and art, which shaped Moravian identity and everyday life but also had the potential of becoming individual artistic expressions.

Our workshop welcomes contributions from disciplines of the humanities (history, literary studies, musicology, and art history) as well as religious studies and theology. Papers from other fields, such as pedagogy or history of architecture, are likewise welcome. Contributions may study the Moravian Church as a whole or focus on a single settlement, community or member in their respective regional, national and international contexts. Comparisons – for example to other religious movements of the 18th and 19th centuries – are also of interest.

Possible topics include but are not limited to:

- the operations of the Moravian Church in different geographical, political, and confessional context between immutability and adaption
- implementing Moravian ideals and ways of life in the mission field
- family and religious community as competing institutions
- intercultural and -confessional exchange in Moravian schools
- Moravian music and art as a product and expression of religious norms, external influences and aesthetic self-exploration
- literary writing (poetry, diaries, letters) as an expression of collective identity or individual piety
- economic activity in service of the community and independent business

Please direct an abstract of no more than 300 words for a paper of 25 minutes as well as a short biography to maryam.haiawi@uni-hamburg.de and maximilian.rose@uni-hamburg.de by August 31, 2022. We have a limited budget to cover travel and accommodation expenses.

Kontakt

E-Mail: maximilian.rose@uni-hamburg.de
E-Mail: maryam.haiawi@uni-hamburg.de

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