Wissenschaftshistorisches Seminar mit einem Vortrag von Josephine Musil-Gutsch
Antike Tonscherben, mittelalterliche Papiermanuskripte und andere archäologische Objekte kamen Ende des 19. Jahrhunderts durch koloniale Ausgrabungen in die Museen Europas. Archäologen, Kunsthistoriker, Orientalisten und Paläographen, die die Objekte untersuchten, waren dabei mit spezifischen Materialfragen konfrontiert, die sich nur durch naturwissenschaftliche Materialanalysen beantworten ließen: Lassen sich alte Papiermanuskripte anhand der in ihnen enthaltenen Pflanzenfasern datieren? Wie lässt sich das Alter eines Wachskunstwerkes mittels Materialanalyse bestimmen? Und wie lässt sich die babylonische Kunst des Glasmachens aus Texten und Objekten erschließen?
Zur Beantwortung der materialbasierten Fragen gingen Geisteswissenschaftler Kooperationen mit Naturwissenschaftlern ein. So etwa suchten Paläographen die Zusammenarbeit mit Botanikern, um alte Manuskripte aus Papier unter dem Mikroskop analysieren. Kunsthistoriker kooperierten mit Chemikern, um altes Wachs in Kunstwerken zu untersuchen. Chemiehistoriker kollaborierten mit Assyriologen, um Praktiken antiker Glasherstellung aus der Übersetzung antiker Texte und durch Materialanalysen zu erschließen. Neue Methoden der Naturwissenschaften, wie die Mikroskopie, analytische Chemie oder Mikrochemie, kamen so in den Geisteswissenschaften zum Einsatz. Geisteswissenschaftler nutzen das Material von Objekten, um kulturhistorische Erzeugnisse zeitlich einzuordnen und die Kooperation mit Naturwissenschaftlern, um die materielle Zusammensetzung der Objekte zu studieren.
Anhand der genannten Fallstudien wird mittels Forschungsfragen, Wissenstransfer und Expertise die kooperative Forschungspraxis von Natur- und Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum im Zeitraum 1880–1930 analysiert.
Josephine Musil-Gutsch ist Wissenschaftshistorikerin an der LMU München. In ihrer Dissertation erforscht sie die kooperative Forschungspraxis zwischen Natur- und Geisteswissenschaften um 1900.
Es laden Sie herzlich ein:
Prof. Dr. Christina Brandt ML, Prof. Dr. Rainer Godel und Prof. Dr. Dieter Hoffmann ML
ML = Mitglied der Leopoldina
Die Veranstaltung beginnt um 18.00 Uhr. Weitere Informationen und den Zugangslink finden Sie unter dem angegebenen Link.