Wissenschaftshistorisches Seminar mit einem Vortrag von Fritz Breithaupt
Ständig sind wir in kleine und große Geschichten verwickelt. Wir erzählen, was uns am Tag passiert ist; erfahren vom Leben der andern; tauchen abends in die Welt der Fiktionen ein; und planen manchmal auch die Zukunft wie ein Erzählung. Erzählungen erlauben uns, am Leben anderer teilzuhaben, denn wir können vergangene oder auch fiktive Ereignisse miterleben. In evolutionärer Hinsicht ist diese Fähigkeit des Miterlebens eine ungeheure Leistung unserer Spezies, die uns den Ausbruch aus der engen Welt des eigenen Erlebens ermöglicht. Es ist insofern nicht übertrieben von dem Menschen als einem narrativen Wesen zu sprechen, einem „homo narrans“.
Doch wie genau funktioniert das? Wie schaffen Erzählungen es, unsere Wahrnehmung von Ereignissen aufeinander abzustimmen? Und warum lassen wir uns auf Erzählungen ein? Der Vortrag fasst einige der Thesen aus Breithaupts Buch, Das narrative Gehirn, zusammen, um dann darauf aufbauend zu entwickeln, wie aus den kleinen Geschichten des Alltags und der Literatur kollektive Erzählungen werden können. Wichtig wird es dabei sein, die Rolle der Emotionen in narrativen Texten zu bestimmen. In den kleinen Narrationen operieren Emotionen, so die doppelte These, sowohl als Belohnung für das Miterleben als auch als Stoppsignal, das das Ende der Erzählung markiert. In den großen, kollektiven Narrationen werden diese Emotionen therapeutisch aufgeladen.
Fritz Breithaupt lehrt Kognitionswissenschaften und Germanistik an der Indiana University in Bloomington und leitet das Experimental Humanities Lab. Seine Forschungen beschäftigen sich mit deutscher und euopäischer Literatur, Philosophie und Kultur seit 1700, Empathie- und Emotionsforschung, Literatur- und Naturwissenschaften, Narrativen und Ästhetiken sowie Johann Wolfgang von Goethe. Sein Buch "Das narrative Gehirn" ist Wissenschaftsbuch des Jahres 2023 in Österreich.
Es laden Sie herzlich ein:
Prof. Dr. Rainer Godel, Prof. Dr. Dieter Hoffmann ML und Prof. Dr. Christina Brandt ML
ML = Mitglied der Leopoldina
Die Veranstaltung beginnt um 18.00 Uhr. Weitere Informationen und den Zugangslink finden Sie unter dem angegebenen Link.