Der Vers, mit dem Biterolf den Tugendhaften Schreiber im Spruchgedicht- Komplex „Wartburgkrieg“ adressiert, fordert das Totengedenken für einen Grafen von Henneberg an dessen Sarg im Prämonstratenserstift Veßra ein. Mit wenigen Worten ist damit eine über Jahrhunderte währende Situation des Stiftes im südlichsten Thüringen auf den Punkt gebracht. Um 1131 von den Hennebergern gegründet, vom Liebfrauenstift Magdeburg aus besiedelt und 1135 dem Bischof von Bamberg unterstellt, diente es von seinen Anfängen an als Hauskloster und Grablege des Grafenhauses.
Aus dieser Bezogenheit ergaben sich mannigfaltige Verflechtungen zwischen den Grafen von Henneberg, ihrer Residenz in Schleusingen und dem Stift in Kloster Veßra, die sich anhand der schriftlichen Überlieferung noch heute nachvollziehen lassen. Mit der Gründung einer Christophorus- Bruderschaft (um 1465), der künstlerischen Ausgestaltung der Grabkapelle oder der vom Schloss aus eingeleiteten geistlichen Reform (um 1483/1490) wirkten die Henneberger unmittelbar auf das Geschehen im Stift ein. Die Stiftsherren wiederum agierten nicht nur als Kapläne auf dem Schloss, für dessen Bewohner sie Lesetexte und Gebetbücher anfertigten, sondern verfassten wohl seit dem 13. Jahrhundert Preisgedichte auf die und Chroniken für die Henneberger. Um 1500 bewegten sich einige Humanisten zwischen Stift und Residenz, und auch die seit dem frühen 14. Jahrhundert urkundlich bezeugte Schule in Kloster Veßra wurde in den Bann der humanistischen Bewegung gezogen. Schreibarbeit für den Hof, Bemühungen im Rahmen des Humanismus und geistliche Reform fallen beispielhaft in der Person des Chorherren Antonius König zusammen, dem Adam Wernher von Themar mehrere Gedichte widmete, der als Kaplan Gräfin Margarethes (1483) die „Synonyma sententiarum“ kopierte und der nicht zuletzt bei der Heimholung des Leichnams Graf Wilhelms III. (1480/82) aus Südtirol eine maßgebliche Rolle spielte.
Liegt der Fokus damit auch auf der Zusammenschau der Akteure, ist doch gleichsam komplementär abzuklären, auf welchen Feldern der Hof und das Stift nicht zusammenwirkten. So sind die Henneberger-Strophen aus dem „Wartburgkrieg“ nur ein Hinweis auf die nicht unerhebliche Rolle, die die Dynastie in der höfischen Literatur des 13. Jahrhunderts spielte, wobei neben Spuren hennebergischen Mäzenatentums (Marner, Bruder Wernher) auch eigene dichterische Betätigung zu beobachten ist (gesichert für Otto von Henneberg-Botenlauben). Es nimmt nicht Wunder, dass sich die Gräfinnen auf der Suche nach geeigneter Lektüre auch bei anderen Herstellern geistlicher Literatur umsahen (z.B. Kilian von Meiningen). Indes führte auch das Stift ein geistliches Eigenleben. Die ältere Forschung hat dem Veßraer Skriptorium bedeutende Psalterhandschriften (Hamburg, München) zugewiesen. Eine Vielzahl überkommener Pergamentfragmente wartet noch auf ihre Erschließung, könnte aber immerhin einen ersten Eindruck vom verlorenen Reichtum der Bestände vermitteln.
Die interdisziplinär ausgerichtete Tagung gilt einer ersten Sichtung und Sicherung der im Spannungsfeld von Stift und Residenz entstandenen vorreformatorischen Literatur und Buchkultur. Sie versucht, zunächst anhand von Einzelbeispielen, das Fundament für eine Darstellung der lokalen bzw. regionalen Literatur- und Bibliotheksgeschichte zu legen.
Bitte schicken Sie Ihr Exposé (maximal eine DIN A4-Seite) für einen Vortrag von 25–30 Minuten nebst einigen Informationen zu Ihrer Vita bis zum 30.06.2023 an christoph.fasbender@phil.tu-chemnitz.de und gesine.mierke@uni-bamberg.
Vorschläge von Nachwuchswissenschaftler:innen sind besonders willkommen.