Gefühle und sinnliche Erfahrungen sind fundamentale Bestandteile religiöser Weltdeutungen. Wenig überraschend gilt dies auch für die Reformationen in Europa. Sie setzten Leidenschaft, Ängste, aber auch unkontrollierbare Wut frei und veränderten das sinnliche Empfinden der Menschen. Die amerikanische Historikerin Susan Karant-Nunn hat das Stichwort von der „Reformation of Feeling“ (Karant-Nunn 2012) geprägt. Eine ähnliche These besagt, dass Luthers Körperlichkeit und seine sinnlichen Empfindungen in einem engen Kontext mit seiner Theologie standen (Lyndal Roper 2010). Die durch die Reformationen in Gang gesetzten Transformationsprozesse in Kultur, Gesellschaft und individueller Lebenspraxis sind indes noch nicht erschöpfend ausgelotet worden. Als Verbindungsstück zwischen Emotionen und christlicher Theologie ist dabei die besondere Rolle der Sinne also ein nur wenig erforschtes Gebiet geblieben, vor allem im Kontext der deutschsprachigen Forschung. Was ändert sich mit den Reformationen im liturgischen Kontext in Bezug auf Optik, Aufnahme von Nahrung, Erfahrung von Geruch? Gibt es in der sinnlichen Erfahrung transkonfessionelle Gemeinsamkeiten? Welche Rolle spielen Emotionen in der Diplomatie oder im Krieg? Entwickelte sich im Laufe der Frühen Neuzeit eine theoretische Reflexion in der Theologie über Sinne und Emotionen?
Die Tagung rückt das Verhältnis von Emotion – Sinneserfahrungen – Theologie ins Zentrum und will seine Bedeutung in den Ereignissen und theologischen Entwicklungen der religiösen Landschaft des 16.–17. Jahrhunderts in Europa und der Welt näher bestimmen. Eine Leitperspektive besteht in der Auseinandersetzung mit dem zentralen Konzept der „emotional communities“ (Rosenwein 2006) und der Frage, ob und inwiefern sich solche Gemeinschaften in der frühneuzeitlichen Christentumsgeschichte identifizieren lassen.
Wir bitten um Themenvorschläge zur Bedeutung von Sinnlichkeit für die Theologie, in der konfessionellen Erfahrungskultur oder als theologisches Wissensinstrument vom 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts und zu verwandten Themen. Willkommen sind besonders, aber nicht ausschließlich, verflechtungsgeschichtliche Zugriffe mit einem europäischen und/oder globalen Horizont.
Die Tagung beginnt mit einem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Claudia Jarzebowski (Bonn). Den Festvortrag hält Prof. Dr. Volker Leppin (New Haven, CT).
Ein Abstract des Vortrags (max. 1 Seite) und ein kurzer Lebenslauf werden bis zum 15.07.2024 an brunner@ieg-mainz.de oder psfendules@email.uni-kiel erbeten. Reise- und Übernachtungskosten werden, vorbehaltlich der Bewilligung der Fördermittel, übernommen.