Fiktionalität: Material für, Übersetzung von, Reflexion über Wissenschaft Zu Nutzen – und Gefahren? – des Verhältnisses von Fiktionalität und Wissenschaft

Fiktionalität: Material für, Übersetzung von, Reflexion über Wissenschaft Zu Nutzen – und Gefahren? – des Verhältnisses von Fiktionalität und Wissenschaft

Veranstalter
Hanse-Wissenschaftskolleg, Delmenhorst (Prof. Dr. Thomas Etzemüller)
Ausrichter
Prof. Dr. Thomas Etzemüller
Veranstaltungsort
Hanse-Wissenschaftskolleg
Gefördert durch
Hanse-Wissenschaftskolleg
PLZ
27753
Ort
Delmenhorst
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
24.05.2024 - 25.05.2024
Deadline
10.05.2024
Von
Thomas Etzemüller, Fakultät IV, Institut für Geschichte, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

Der Workshop soll die Grenze zwischen Fiktion und Wissenschaft produktiv ausleuchten. Die Frage ist, auf welchen Ebenen Fiktionen für die wissenschaftliche Arbeit fruchtbar gemacht werden können, aber auch, ob dadurch eine Gefährdung des Wahrheitsanspruches der Wissenschaft entstehen könnte.

Fiktionalität: Material für, Übersetzung von, Reflexion über Wissenschaft Zu Nutzen – und Gefahren? – des Verhältnisses von Fiktionalität und Wissenschaft

Im März 2013 veröffentlichten die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und der Schriftsteller Robert Menasse einen Artikel, in dem Menasse ein erfundenes, proeuropäisches Zitat von Walter Hallstein unterbrachte, das in dem Text explizit als Wahrheit deklariert wurde. Gegen die folgende Kritik nahm Menasse in Anspruch, dass Schriftsteller – anders als Wissenschaftler – mit fiktionalen Mitteln Wahrheit aus verstreuten Fakten verdichten dürften.
Kritiker dagegen monierten, dass auch Schriftsteller Fiktion nicht als Wahrheit ausgeben dürften – zumal die „Aussage“ Hallsteins danach mehrfach zitiert worden ist, bis Historiker vergeblich das Original suchten. Andererseits haben auch Wissenschaftler:innen immer wieder mit literarischen Techniken gearbeitet, wenn ihnen empirisches Material fehlte, etwa die Historikerin Natalie Zemon Davies oder Alain Boureau. Entscheidend war und ist, dass dieses Vorgehen den Leser:innen im Text offengelegt wurde und wird.
In diesem Sinne soll der Workshop die Grenze zwischen Fiktion und Wissenschaft produktiv ausleuchten. Die Frage ist, auf welchen Ebenen Fiktionen für die wissenschaftliche Arbeit fruchtbar gemacht werden können, aber auch, ob dadurch eine Gefährdung des Wahrheitsanspruches der Wissenschaft entstehen könnte. Vier Dimensionen sollen aufgefächert werden:
- Fiktion als empirisches Material für die Wissenschaft: Inwieweit können Fiktionen em-pirisches Material substituieren bzw. inwieweit enthalten sie empirisches Material in einer anderen narrativen Form verdichtet?
- Fiktion als Übersetzung von Wissenschaft: Inwieweit können wissenschaftliche Erkenntnisse oder Fragestelllungen in literarischer Form popularisiert werden, und was geht eventuell in dieser Transition verloren?
- Fiktion als Reflexion über Wissenschaft: Inwieweit kann die literarische Transformation wissenschaftlicher Erkenntnisse Produktionsweisen sowie Stärken und Grenzen des wissenschaftlichen Weltzugangs sichtbar machen?
Schließlich:
- Könnte in Zeiten „alternativer Fakten“ die Systemleistung der Wissenschaft – methodisch kontrolliertes, empirisch fundiertes, rational verhandelbares Wissen herzustellen – an Glaubwürdigkeit, also die „Währung“ der Wissenschaft an Wert verlieren, wenn fik tionale Texte innerhalb der Wissenschaft und eine Erosion der Grenze zur Wissenschaft aufgewertet werden? Könnte paradoxerweise die wissenschaftlich eigentlich innovative Verhandlung der Grenze zwischen beiden Feldern das Alleinstellungsmerkmal der Wissenschaft bedrohen?
Referent:innen:
Thomas Alkemeyer, Prof. Dr., Univ. Oldenburg, Soziologie
Beate Binder, Prof. Dr., HU Berlin, Europäische Ethnologie
Thomas Etzemüller, Prof. Dr., Univ. Oldenburg, Kulturgeschichte
Johannes Franzen, Dr., Univ. Siegen, Germanistik
Daniel Fulda, Prof. Dr., Univ. Halle, Germanistik
Thomas Jäkel, Berlin, Improvisationstheater
Thomas Klinkert, Prof. Dr., Univ. Zürich, Romanistik
Anton Kirchhofer, Prof. Dr., Univ. Oldenburg, Anglistik
Achim Saupe, Dr., Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam, Zeitgeschichte
Helmut Schmiedt, Prof. Dr. em., Univ. Koblenz-Landau, Germanistik/Schriftsteller
Angela Steidele, Dr., Köln, Schriftstellerin
Jens Wietschorke, PD Dr., LMU München, Empirische Kulturwissenschaft

Programm

Fr., 24.5.2024, 13.15-19.15 Uhr
Begrüßung & Problemaufriss (Etzemüller)
Was ist Fiktion? Und wenn es verschiedene Arten davon gibt: Lassen sie sich zwischen Wissenschaft und Literatur aufteilen? (Fulda)
„Fiction meets Science“ (Kirchhofer)
Die Doku-Fiktion (Etzemüller)
Literarische Texte als Material und Medium soziologischer Erkenntnis (Alkemeyer)
Das epistemologische Potential der Literatur (Klinkert)
Ulla Hahn als Auto-Soziobiografin (Wietschorke)

Sa., 25.5.2024, 9.00-16.15 Uhr
Wissenschaft als Kunst: Rosenstengel (2015). Ein Werkstattbericht (Steidele)
Von der Literaturwissenschaft in die Literatur: Erfahrungsbericht über einen Ausflug (Schmiedt)
Legitimationsprobleme: Wie riskant ist die Grenzüberschreitung? (Binder)
Die Grenze falsch überschritten: Der Fall Manesse (Franzen)
Navigieren durch Raum und Zeit. Storyworlds zwischen Fiktion und Geschichte (Saupe)
Geschichtsvermittlung und Improvisationstheater (Jäkel)
Abschlussdiskussion: Potenzial für die Wissenschaft oder Gefährdung ihrer Glaubwürdigkeit?

Kontakt

thomas.etzemueller@uol.de

https://uol.de/thomas-etzemueller
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung