voluntas defuncti circa eos in omnibus debeat conservari (Synode v. Paris 556-573)
Das in der Mediävistik ertragreiche Konzept der Memoria verweist auf die Interdependenz der Fürsorge für die diesseitigen wie die jenseitigen Güter sowie die Bildung einer Gemeinschaft der Lebenden und der Toten. Außerhalb der liturgischen Totenmemoria zeigt sich die wechselseitige Abhängigkeit von Lebenden und Toten indes weniger strukturiert und organisiert. Persönliche und individuelle Wünsche, Erwartungen und Ängste trieben die Menschen vor ihrem Tod an, in unterschiedlichsten Arten und Weisen über Schicksal und Verbleib ihrer Güter und die Gestaltung ihres eigenen Nachlebens zu verfügen, die in der Sorge um das eigene Seelenheil ihre Nachkommen auf Generationen banden oder zumindest zu binden versuchten. Um das eigene Andenken im Bereich der außerliturgischen Erinnerung im Denken und alltäglichen Handeln der Nachkommen zu verankern, wurden Regelungen, Testamente, Erbschaftsverträge und Einungen mit minutiösen schriftlichen Vorgaben erarbeitet. Etwaige mündliche Willensäußerungen und die zu Lebzeiten verbreiteten Erwartungshaltungen durch Versprechungen oder auch durch die Erziehung sind hierbei weitaus schwerer nachzuweisen. Auch materielle Hinterlassenschaften wie beispielsweise Bauwerke waren eine häufig genutzte Möglichkeit, in der Nachwelt präsent zu bleiben und gegebenenfalls Pfadabhängigkeiten zu bewirken.
Das wissenschaftliche Konzept „postmortaler Wirtschaft“ geht davon aus, dass es in besonderen Situationen für die Seite der Verstorbenen wie die Seite der Nachfahren von Vorteil sein konnte, sich gegenseitig zu begünstigen, sich gegenseitig im eigenen Handeln über die Schwelle des Todes als wirkmächtige Entität einzubeziehen und dessen eingedenk zu wirtschaften: auf der einen Seite durch Besserstellung bestimmter Erben oder Obwalter der eigenen Sache und auf der anderen Seite durch Traditionsbildung und ideelle Anbindung an herausragende Vorgänger und Vorfahren sowie deren (erfolgreiche) Handlungsstrategien. Was für das Stiften von Klöstern, Jahrzeiten oder Seelgerät für die Bereiche der liturgischen und beziehungsstiftenden Memoria bereits intensiv bearbeitet wurde, fand für die ökonomische Dimension bislang weniger Beachtung. In welcher Weise wurden Stiftungsgüter als Investitionsgüter verwendet, in welcher Weise spielten wirtschaftliche Konjunkturen eine Rolle und nicht zuletzt, wie sehr wurden Kriterien einer generationsübergreifenden Nachhaltigkeit berücksichtigt?
Ziel der Tagung ist eine multiperspektivische Analyse des Umgangs mit dem Willen der Verstorbenen. Dabei wird aus unterschiedlichen sozialen Bereichen (Adel, Kirche, Stadt) und in den unterschiedlichen formellen Reichweiten den Phänomenen postmortaler wirtschaftlicher Wechselwirkungen nachgegangen.